Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme ins Arbeitsverhältnis nach der Berufsausbildung
Leitsatz (amtlich)
- Die Regelung des § 9 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Auszubildenden der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden vom 13. September 1978, nach der der Ausbildende spätestens drei Monate vor dem Ausbildungsende dem Auszubildenden eine schriftliche Mitteilung zu machen hat, wenn er ihn nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen will, begründet noch keine vertragliche Bindung auf Abschluß eines Arbeitsvertrages, von der sich der Ausbildende nur durch einen Rücktritt lösen kann.
- Die Entscheidung des Ausbildenden, einen Auszubildenden im Anschluß an die Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist aber nach § 75 BetrVG unter Berücksichtigung bestehender betrieblicher Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG dahin zu überprüfen, ob sie willkürlich ist oder den Grundsätzen von Recht und Billigkeit entspricht.
Normenkette
BBiG § 17; TVG § 1 Auslegung; BetrVG 1972 §§ 75, 95
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.09.1982; Aktenzeichen 11 Sa 74/82) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 23.03.1982; Aktenzeichen 1 Ca 23/82) |
Nachgehend
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. September 1982 – 11 Sa 74/82 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der am 31. März 1960 geborene Kläger wurde gemäß Berufsausbildungsvertrag vom 23. Mai 1979 und Ergänzungsvertrag vom 27. Mai 1981 von der Beklagten vom 3. September 1979 bis zum 2. März 1982 zum Betriebsschlosser ausgebildet. Die Parteien streiten nunmehr darüber, ob zwischen ihnen im unmittelbaren Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis besteht bzw. ob die Beklagte verpflichtet ist, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag abzuschließen.
Im Frühjahr 1981 hat der Kläger einen Artikel in der Schülerzeitung seiner damaligen Berufsschule über seine Eindrücke als Teilnehmer einer Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerks Brockdorf veröffentlicht. Darin hat er u. a. auch Überlegungen zur Frage der Gewaltanwendung wiedergegeben. Der letzte Absatz des Artikels hat folgenden Wortlaut:
“Wir haben auch absolut nicht vor, uns von sogenannten militanten Demonstranten zu distanzieren. Die Gewalt, die hier von Staat und Wirtschaft ausgeübt wird, rechtfertigt jede Art von Widerstand. Dies soll kein Aufruf zu Gewalttaten sein, sondern vielmehr klar machen, daß sich die Atomkraftgegner, genauso wie Hausbesetzer und andere, dem Staat unliebsame Leute, nicht in “gewalttätige” und “gewaltlose” Lager spalten lassen sollen. Der Kampf gegen den Atomtod sollte so langsam jeden beschäftigen, und auch nach dem 28. Februar wird er weitergehen, nicht nur in Brockdorf, sondern überall auf der Welt!”
Diesen Artikel hat die Beklagte zum Anlaß genommen, an den Kläger unter dem 15. Oktober 1981 folgendes Schreiben zu richten:
“Sehr geehrter Herr G…,
nachdem Ihr Berufsausbildungsverhältnis – sofern keine Verlängerung wegen Wiederholung der Facharbeiterprüfung in Betracht kommt – laut Ausbildungsvertrag spätestens am 02.03.82 endet, teilen wir Ihnen vorsorglich mit, daß wir nicht in der Lage sind, Sie nach Abschluß Ihrer Ausbildung in ein ordentliches Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
Ihre Papiere erhalten Sie am Tage Ihres Ausscheidens in unserem Lohnbüro ausgehändigt.”
In § 9 des zwischen den Parteien aufgrund Verbandszugehörigkeit geltenden Manteltarifvertrages für die Auszubildenden der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden vom 13. September 1978 (künftig: MTV) heißt es:
“§ 9 Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
9.1. Beabsichtigt der Ausbildende, den Auszubildenden nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, so hat er dies dem Auszubildenden spätestens 3 Monate vor dem im Ausbildungsvertrag angegebenen Ausbildungsende schriftlich mitzuteilen.
9.2. Soll das Ausbildungsverhältnis nach Abschluß der Ausbildung nicht in ein Beschäftigungsverhältnis umgewandelt werden, so ist dem Auszubildenden eine angemessene Zeit zur Arbeitssuche unter Fortzahlung der Vergütung zu gewähren.
9.3. Wird der Auszubildende im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt, ohne daß hierüber ausdrücklich etwas vereinbart worden ist, so gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet.”
Ferner heißt es in der Betriebsvereinbarung vom 21. Dezember 1972 über die Auswahl und das Verfahren in personellen Angelegenheiten für die Beklagte (Auswahlrichtlinien) u. a.:
“1. Grundsatz
1.1. Personelle Maßnahmen werden in vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Personalbereich und Betriebsrat durchgeführt.
1.2. Die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen sowie Kündigungen muß sachlich begründet sein. Sachliche Gründe sind z. B. die fachliche Eignung und Leistungsbereitschaft sowie die Bereitschaft zu einer guten Zusammenarbeit.
…
2. Stellenbesetzung
Der Personalbedarf soll zunächst durch die bereits im Unternehmen tätigen Mitarbeiter gedeckt werden. Erst wenn dies nicht gelingt, sind neue Mitarbeiter einzustellen.
…”
Der Kläger, der am 22. Januar 1982 die Abschlußprüfung erfolgreich bestanden hat, begehrt mit der am 19. Januar 1982 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bzw. die Beklagte zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit ihm zu verurteilen. Er macht geltend, die Beklagte habe 1978 mit 388 Auszubildenden einen Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen. Von diesen seien alle, soweit sie die Prüfung bestanden und dies gewünscht haben, in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden. Es bestehe die Vermutung, daß er wegen seines Artikels in der Schülerzeitung, aber auch wegen seines innerbetrieblichen gewerkschaftlichen Engagements von der Beklagten nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden sei. Da dies unsachlich und willkürlich sei, schließe sich daher unmittelbar an das Ausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis an. Jedenfalls sei aber die Beklagte verpflichtet, mit ihm einen entsprechenden Arbeitsvertrag abzuschließen.
Der Kläger hat beantragt,
1. es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien seit dem 23. Januar 1982 ein Arbeitsverhältnis besteht;
2. hilfsweise zu 1): die Beklagte wird verurteilt, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag als Betriebsschlosser abzuschließen;
3. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Betriebsschlosser weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, immer mehr Auszubildende ausgebildet zu haben, als sie anschließend in ein Arbeitsverhältnis habe übernehmen können. So seien in dem vor Abschluß des Berufsausbildungsvertrages mit dem Kläger am 28. August 1979 abgeschlossenen Jahr 1978 von 257 Auszubildenden zehn auf eigenen Wunsch ausgeschieden und 14 von ihr nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden. Mit dem Abschluß des Ausbildungsvertrages habe sie keine Übernahmeverpflichtung für ein späteres Arbeitsverhältnis übernommen. Der Kläger könne daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geltend machen oder seine Einstellung als Betriebsschlosser verlangen. Selbst wenn ein Einstellungsanspruch des Klägers denkbar wäre, sei ihre Weigerung, den Kläger in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, durch sein in dem fraglichen Artikel zum Ausdruck kommendes Bekenntnis zur Gewalt als Mittel politischen Handelns gerechtfertigt. Bezugspunkt bei dieser Entscheidung sei für sie nicht die politische Überzeugung des Klägers, sondern dessen Bejahung des Einsatzes von Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele. Ein solcher Bewerber lasse befürchten, daß er diese seine Grundsätze auch im Betrieb zu verwirklichen suche, wenn er glaube, daß die betreffende Situation eine Gewaltanwendung rechtfertige.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zwischen den Parteien besteht weder seit dem 23. Januar 1982 ein Arbeitsverhältnis noch ist die Beklagte verpflichetet, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag als Betriebsschlosser abzuschließen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 23. Januar 1982 weder vertraglich noch kraft Gesetzes begründet worden. Das Berufsbildungsgesetz gehe von der strikten Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Ausbildungszeit oder nach erfolgreich abgelegter Abschlußprüfung vor Ablauf der Ausbildungszeit aus. Die Begründung eines neuen Schuldverhältnisses bleibe der Disposition der Parteien überlassen. Auch der einschlägige Manteltarifvertrag begründe kein Arbeitsverhältnis für die Zeit nach dem Ende des Ausbildungsverhältnisses. Zwar enthalte § 9 Abs. 1 MTV eine Mitteilungspflicht des Ausbildenden für den Fall der Nichtübernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, die Bestimmungen des § 9 Abs. 2 und 3 MTV gingen aber ebenso wie das Berufsbildungsgesetz davon aus, daß die Begründung eines Arbeitsverhältnisses eines Vertragsabschlusses bedürfe, sofern dies nicht durch die Fiktion der Beschäftigung geschehe.
Auch unter schadenersatzrechtlichen Aspekten sei ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden. Denn selbst wenn angenommen werden könnte, daß die Beklagte durch ihre Mitteilung vom 15. Oktober 1981 gegen geltendes Recht verstoßen habe, führe dies über § 249 BGB nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte sei auch nicht zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger verpflichtet. Weder bestehe insoweit ein Abschlußzwang noch liege ein entsprechender Vorvertrag vor. Eine Verpflichtung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrages folge auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder aus einer irgendwie gearteten nachwirkenden Fürsorgepflicht. Die Beklagte habe ihre Verpflichtungen aus dem Ausbildungsverhältnis erfüllt. Weitergehende Ansprüche aus dem kraft Gesetzes beendeten Ausbildungsverhältnis, etwa auf Abschluß eines Arbeitsvertrages, könnten daraus nicht abgeleitet werden. Der Sachvortrag lasse auch keine sittenwidrige Schädigung des Klägers durch die Beklagte erkennen. Die Weigerung, den Kläger als Betriebsschlosser einzustellen, stelle im Hinblick auf dessen Veröffentlichung in der Schülerzeitung keinen Verstoß gegen § 826 BGB dar.
Soweit sich der Kläger auf einen Verstoß gegen § 75 BetrVG, die Betriebsvereinbarung vom 21. Dezember 1972 oder ein sonstiges nach Art. 3 Abs. 3 GG konkretisiertes Benachteiligungsverbot im Verhältnis zu den übrigen Mitbewerbern stütze, verkenne er, daß insoweit kein Verstoß gegen eine Vertragsbegründungspflicht selbst vorliege, sondern lediglich die rechtliche Verpflichtung, die Gebote im Vorfeld des Vertragsschlusses zu beachten. Auch wenn es sich hierbei um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handeln sollte, folge hieraus nicht ein Herstellungsanspruch nach § 249 Satz 1 BGB. Dafür spreche § 611a BGB, der bei einem Verstoß ebenfalls nur den Ersatz des Vertrauensschadens vorsehe (§ 611a Abs. 2 BGB).
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen und inhaltlich dem Berufsbildungsgesetz entsprechenden Berufsausbildungsvertrag vom 23. Mai 1979 und dem Ergänzungsvertrag vom 27. Mai 1981 hat das Berufsausbildungsverhältnis am 3. September 1979 begonnen und sollte am 2. März 1982 enden. Tatsächlich ist – und davon gehen auch die Parteien selbst aus – das Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 1 Ziff. 3 Berufsausbildungsvertrag, einer dem § 14 Abs. 2 BBiG entsprechenden Bestimmung, aber bereits früher, nämlich mit dem Bestehen der Abschlußprüfung des Klägers am 22. Januar 1982, beendet worden. Eine Regelung, die darauf schließen läßt, daß zugleich mit dem Berufsausbildungsvertrag ein daran anschließendes Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist oder die die Beklagte verpflichtet, den Kläger im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, enthält der Berufsausbildungsvertrag nicht. Auch aus dem Berufsbildungsgesetz folgt kein solcher Anspruch (Herkert, BBiG, § 17 Rz 2; KR-Weigand, 2. Aufl., §§ 14, 15 BBiG Rz 29). In § 7 Abs. 7 Berufsausbildungsvertrag ist lediglich die mit § 17 BBiG wörtlich übereinstimmende Regelung vorgesehen, daß ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet gilt, wenn der Auszubildende im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt wird und hierüber nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers ist unstreitig nicht erfolgt. Eine Verpflichtung der Beklagten, nach dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses mit dem Kläger ein Arbeitsverhältnis zu begründen, folgt somit weder aus dem Berufsausbildungsvertrag noch aus dem Berufsbildungsgesetz (Herkert, aaO; KR-Weigand, aaO).
2. Kraft beiderseitiger Tarifbindung der Parteien findet auf das Berufsausbildungsverhältnis allerdings der Manteltarifvertrag für die Auszubildenden der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden vom 13. September 1978 – gültig ab 1. Januar 1979 – ergänzende Anwendung und verdrängt insoweit die ungünstigeren Bestimmungen des Berufsausbildungsvertrages (vgl. dazu Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 200 ff.). Das gilt im vorliegenden Zusammenhang insbesondere für § 9 Abs. 1 MTV, wonach der Ausbildende den Auszubildenden spätestens drei Monate vor dem im Ausbildungsvertrag angegebenen Ausbildungsende schriftlich davon in Kenntnis setzen muß, wenn er den Auszubildenden nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen will.
a) In der betrieblichen Praxis ist die Übernahme des Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluß der Berufsausbildung in ein ständiges Arbeitsverhältnis die Regel, zumal meistens auch nur für den eigenen Bedarf ausgebildet wird. Gleichwohl läßt sich bei sachgerechter Auslegung entsprechend den für Tarifverträge maßgebenden Grundsätzen (BAG 18, 278 = AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteile vom 22. Januar 1960 – 1 AZR 449/57 – AP Nr. 96 zu § 1 TVG Auslegung; vom 4. November 1970 – 4 AZR 121/70 – AP Nr. 119 zu § 1 TVG Auslegung; vom 30. September 1971 – 5 AZR 123/71 – AP Nr. 121 zu § 1 TVG Auslegung; vom 11. Dezember 1974 – 4 AZR 108/74 – AP Nr. 124 zu § 1 TVG Auslegung; vom 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 397 ff.) aus § 9 Abs. 1 MTV keine Verpflichtung der Beklagten ableiten, den Kläger im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen und mit ihm einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Der Tarifwortlaut, von dem bei der Auslegung in erster Linie auszugehen ist, läßt eine solche Wertung nicht zu, vor allem wenn diese Bestimmung im Zusammenhang mit § 9 Abs. 3 MTV gesehen wird, der wörtlich mit § 17 BBiG übereinstimmt. Nach dem Wortsinn und der Konzeption dieser Tarifvorschrift enden die vertraglichen Beziehungen der Parteien grundsätzlich mit Ablauf der vereinbarten Dauer des Ausbildungsverhältnisses bzw. mit dem vorzeitigen Bestehen der Abschlußprüfung. Es ist namentlich nicht erkennbar, daß die Tarifvertragsparteien von vornherein von einer vertraglichen Bindung des Ausbildenden für die Zeit nach Ablauf des Berufsausbildungsverhältnisses ausgehen, von der er sich nur unter erschwerenden Bedingungen durch Rücktritt lösen kann. Für eine solche Regelung, die anders, als wenn sie den Auszubildenden beträfe, nicht gemäß § 5 BBiG nichtig wäre (vgl. BAG Urteile vom 31. Januar 1974 – 3 AZR 58/73 – AP Nr. 1 zu § 5 BBiG; vom 13. März 1975 – 5 AZR 199/74 – AP Nr. 2 zu § 5 BBiG), liegen keine erkennbaren Anhaltspunkte vor. Die tarifliche Regelung gibt auch nichts dafür her, daß schon mit dem Unterbleiben einer Nicht-Weiterbeschäftigungs-Erklärung ein Arbeitsverhältnis ab Ende des Berufsausbildungsverhältnisses als begründet gilt (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. März 1967 – 1 Sa 11/67 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Lehrverhältnis). Dagegen spricht die Regelung des § 9 Abs. 3 MTV. Diese dem § 17 BBiG entsprechende Fiktion wäre praktisch bedeutungslos, wenn bereits mit dem Verstreichen der Frist zur Mitteilung nach § 9 Abs. 1 MTV eine arbeitsvertragliche Bindung fortbestehen oder begründet würde. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien an eine der aufgezeigten anderweitigen Regelungsmöglichkeiten gedacht oder eine solche gewollt haben sollten, so hätte ein solcher Wille jedenfalls in § 9 MTV keinen sichtbaren Niederschlag gefunden und wäre daher unbeachtlich.
Die tarifliche Regelung will – worauf wiederum § 9 Abs. 2 MTV deutlich hinweist – lediglich gewährleisten, daß der Auszubildende rechtzeitig darüber unterrichtet wird, wenn er entgegen vielfach geübter Praxis nicht in ein ständiges Arbeitsverhältnis übernommen werden soll, damit er sich frühzeitig um eine anderweitige Arbeitsstelle bemühen kann. Damit wird den Interessen beider Parteien hinreichend Rechnung getragen. Die tarifliche Regelung begründet zwar für den Ausbildenden keine Rechtspflicht zur Übernahme des Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis; sie hindert oder behindert aber auch nicht die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Andererseits erleichtert es diese Tarifregelung dem Ausbildenden, über den eigenen Bedarf hinaus Auszubildende auszubilden.
Im Streitfall hat sich die Beklagte tarifgerecht verhalten und dem Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 1981 ausdrücklich und rechtzeitig angezeigt, daß sie ihn nach Abschluß der Berufsausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen will. Sie hat dafür, wie noch auszuführen sein wird, auch sachlich rechtfertigende Gründe gehabt. Welche Rechtsfolgen sich aus einer Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 9 Abs. 1 MTV ergeben würden, kann daher vorliegend dahingestellt bleiben.
b) Soweit der Fünfte Senat in seinem Urteil vom 13. März 1975 – 5 AZR 199/74 – (AP Nr. 2 zu § 5 BBiG) in einem ähnlich gelagerten Fall bei Anwendung einer sogenannten “Weiterarbeitsklausel” zu einem abweichenden Ergebnis gekommen ist und eine vertragliche Bindung auf Abschluß eines Arbeitsverhältnisses im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis angenommen hat, von der sich der Ausbildende nur durch einen rechtzeitigen Rücktritt lösen kann, steht diese Entscheidung dem vorliegend gefundenen Auslegungsergebnis nicht entgegen. Abgesehen davon, daß der Fünfte Senat für Entscheidungen über Ansprüche der vorliegenden Art nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht mehr zuständig ist, handelte es sich bei dem vom Fünften Senat entschiedenen Fall nicht um eine tarifliche, sondern um eine auf einer Musterregelung der IHK beruhende einzelvertragliche Regelung, für die mithin auch andere Auslegungsgrundsätze maßgebend sind. Das unter anderen Auslegungsvoraussetzungen, nämlich nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung und nicht nach den für Tarifverträge maßgebenden Grundsätzen der Gesetzesauslegung, gewonnene Ergebnis (zur Auslegungsproblematik vgl. Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 390 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Bearb., S. 323 ff. und 1246 ff.) vermag daher für die vorliegende Tarifauslegung keine Bindung zu erzeugen.
3. Soweit nicht im Einzelfall gesetzliche oder tarifvertragliche Abschlußgebote eingreifen (z. B. für Schwerbehinderte, Bergmannsversorgungsschein-Inhaber), steht es den Parteien nach der durch Art. 2 Abs. 1 GG abgesicherten Vertragsfreiheit grundsätzlich frei, ob und mit wem sie Arbeitsverträge abschließen wollen. Die im Schrifttum gelegentlich angestellten Erwägungen, die darauf abzielen, das Ermessen des Arbeitgebers bei der Einstellungsentscheidung zwar keinem unmittelbaren Kontrahierungszwang, wohl aber bestimmten Bindungen zu unterwerfen (vgl. dazu Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, AcP 164, 385, 417 ff. und 421 ff.; derselbe in: Im Dienst an Recht und Staat, Festschrift für Werner Weber, 1974, Der Abschluß des Arbeitsvertrages im neuen Arbeitsvertragsgesetz, S. 793, 802 ff.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 7. Aufl., S. 147; Leipold, Einstellungsfragebögen und das Recht auf Arbeit, AuR 1971, 161 ff.; Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, 1978, S. 13 ff.; Richardi, JZ 1978, 485; Zöllner, Sind im Interesse einer gerechteren Verteilung der Arbeitsplätze Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse neu zu regeln ?, Gutachten für den 52. Deutschen Juristentag, D 103 ff.), haben jedenfalls in der Rechtsprechung noch keine Resonanz gefunden. Gleichwohl bedeutet dies nicht, daß sich die Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, im rechtsfreien Raum abgespielt hat. Ein Gebot, welches die Beklagte verpflichtet hätte, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag abzuschließen, ergibt sich zwar weder aus dem Berufsausbildungsvertrag noch aus der tarifvertraglichen Regelung oder aus dem Berufsbildungsgesetz und im Hinblick auf die Tatsache, daß die Beklagte die Auszubildenden in ihrer Mehrzahl nach erfolgreich absolvierter Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernimmt, auch nicht aus einer Art “Selbstbindung”. Die Beklagte muß es sich aber gefallen lassen, daß ihre Entscheidung, den Kläger im Anschluß an die erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, einer Überprüfung nach dem allgemeinen Willkürverbot gemäß § 75 BetrVG unterzogen wird.
a) Nach § 75 Abs. 1 BetrVG sind alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln. Insbesondere hat eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts zu unterbleiben. Diese Vorschrift spricht zwar direkt nur den Arbeitgeber und den Betriebsrat an, sie räumt aber, da es sich nach herrschender Meinung insoweit um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 BGB handelt (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 75 Rz 24; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 75 Rz 38; GK-Thiele, BetrVG, 3. Bearb., § 75 Rz 58; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 75 Rz 2; anderer Ansicht Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 75 Rz 46), auch dem einzelnen Arbeitnehmer das individuelle Recht ein, nach diesen Grundsätzen behandelt zu werden, zumal es sich hierbei letztlich ohnehin nur um unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis ergebende gesteigerte Treue- und Fürsorgepflichten handelt (Galperin/Löwisch, aaO, Rz 2 und 41; Thiele, aaO, Rz 14; Mayer-Maly, AR-Blattei, “Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis I”, unter C I 1 d). Auch der Kläger hat daher – da er auch als Auszubildender in einem befristeten Ausbildungsverhältnis Betriebsangehöriger ist (die bestrittene Frage, ob sich § 75 BetrVG auch auf betriebsexterne Arbeitsplatzbewerber bezieht, stellt sich daher nicht, vgl. dazu Galperin/Löwisch, aaO, Rz 5; Thiele, aaO, Rz 8 jeweils m.w.N.) – ein Recht darauf, bezüglich seiner Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach den Grundsätzen des § 75 Abs. 1 BetrVG behandelt zu werden, die insoweit durch die gemäß § 95 BetrVG vereinbarten Auswahlrichtlinien vom 21. Dezember 1972 ergänzt werden. Die Auswahlrichtlinien schreiben vor, daß der Personalbedarf zunächst durch die bereits im Unternehmen tätigen Mitarbeiter gedeckt werden soll und die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen usw. sachlich begründet sein muß.
b) Die Ablehnung der Beklagten, den Kläger nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, verstößt nicht gegen das allgemeine Willkürverbot; sie beruht im Sinne des § 75 BetrVG und Ziff. 1 und 2 der Auswahlrichtlinien weder auf sachfremden noch auf willkürlichen Erwägungen. Die Beklagte hat die Übernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis nicht wegen seiner politischen Einstellung oder wegen seiner gewerkschaftlichen Betätigung abgelehnt. Letzteres hat der Kläger selbst in Frage gestellt und wird vom Landesarbeitsgericht daher auch mit Recht als “spekulativ” bezeichnet. Die Ablehnung erfolgte vielmehr wegen seines in dem Artikel der Schülerzeitung dokumentierten Verhältnisses zur Gewalt und Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung von Forderungen. Dieses mittelbare Bekenntnis des Klägers zur Gewalt hat bei ihr die nicht unberechtigte Befürchtung ausgelöst, der Kläger könne beim Vorliegen bestimmter Fallkonstellationen auch im Betrieb die Gewaltanwendung rechtfertigen. Wenn daher die Beklagte wegen dieser Besorgnis die Übernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis abgelehnt hat, dann hat sie sich nicht von willkürlichen, sondern sachlich begründeten, die Ablehnung rechtfertigenden Erwägungen leiten lassen, die der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger (Zöllner, aaO, D 107; Gamillscheg, aaO; Otto, aaO) jedenfalls nicht widerlegt hat.
c) Andere Anspruchsgrundlagen sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere erfüllt die Nichtübernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis auch nicht den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB, denn diese Vorschrift greift erst dann und nur dann ein, wenn ein Handeln, auch wenn es sich insoweit um eine an sich berechtigte Ausübung eines Rechts handelt, im Einzelfall gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt und sich damit als ein sittenwidriger Mißbrauch der formalen Rechtsstellung darstellt (Palandt/Thomas, BGB, 43. Aufl., § 826 Anm. 1, m.w.N.). Da die Beklagte – wie dargelegt – aus verständlichen, sachlich vertretbaren Gründen die Übernahme des Klägers abgelehnt hat, kann davon keine Rede sein. Die aufgezeigten Ablehnungsgründe tangieren auch nicht Art. 3 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 GG. Eine Verletzung dieser Grundrechtsbestimmungen, die die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB rechtfertigen könnte und die im Ergebnis zu einem Kontrahierungszwang der Beklagten führen würde, liegt ebenfalls nicht vor.
III. Aus allen diesen dargelegten Gründen war daher die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Unterschriften
Hillebrecht – zugleich für den durch Kur an der Unterschrift verhinderten Richter Professor Dr. Röhsler
Dr. Weller, Dr. Peppler, Schulze
Fundstellen