Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverbot, Optionsrecht auf zukünftige Forschungsergebnisse
Orientierungssatz
Streit um die Wirksamkeit eines dem Arbeitgeber eingeräumten Optionsrechts auf zukünftige Forschungsergebnisse eines Professors.
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.02.1991; Aktenzeichen 12 Sa 1183/90) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 12.08.1988; Aktenzeichen 4 Ca 190/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit über die Wirksamkeit des der Beklagten eingeräumten Optionsrechts auf zukünftige Forschungsergebnisse des Klägers, während es im Verfahren 9 AZR 233/91 unter anderem darum geht, ob der Kläger in der Verwertung seiner bisherigen Forschungsergebnisse frei ist und ob er in Zukunft zu einer gemeinsamen Forschungstätigkeit mit der Beklagten verpflichtet ist.
Die Beklagte produziert und vertreibt pharmazeutische Präparate. Die Parteien arbeiteten seit 1973 zusammen. Seit 1981 wurde der Kläger, ein Professor der Medizin, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter bei der Beklagten. Unter dem 23. Dezember 1985 schlossen die Beklagte und der Kläger, der zu dieser Zeit in W wohnte, einen "Dienstvertrag" (DV) ab, der auszugsweise wie folgt lautet:
§ 1 - Die Diensttätigkeit
1.1 ...Die Fortentwicklung und der Erfolg von
Plantorgan machen nunmehr die Neuorganisa-
tion des Unternehmens erforderlich, ... Aus
diesem Grunde sollen Herrn Prof. Dr.
Dr. neben seiner Aufgabe als Leiter
"med.-wiss." und Forschung und Entwicklung
als eigenverantwortlicher Geschäftsführer
auch die Herstellungsleitung und Qualitäts-
kontrolle unterstellt werden, in Kooperati-
on mit den anderen Bereichen der Geschäfts-
führung. ...
1.2 Herr Prof. Dr. Dr. bedarf der vorherigen
Zustimmung des persönlich haftenden Gesellschaf-
ters:
...
b) zur Ausübung von geschäftlichen oder gewerbli-
chen Nebentätigkeiten jeder Art,
...
Die Zustimmung kann nur verweigert werden, wenn
Anlaß zu der Befürchtung besteht, daß durch die
beabsichtigte Betätigung berechtigte Interessen
von P oder die Erfüllung der vertragli-
chen Pflichten erheblich beeinträchtigt werden.
...
§ 3 - Geheimhaltung
3.1 Herr Prof. Dr. Dr. verpflichtet sich,
alle Geschäfts-, Betriebs- und Forschungsergeb-
nisse von P geheimzuhalten und weder un-
mittelbar noch mittelbar für sich oder andere
davon Gebrauch zu machen. ...
3.3 Herr Prof. Dr. Dr. verpflichtet sich
ferner, Kenntnisse und Erfahrungen, die er aus
Anlaß des Anstellungsverhältnisses gesammelt hat,
und deren Verwertung oder Mitteilung an andere
ein Interesse der Firma P schädigen kön-
nen, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses geheimzuhalten, solange er von der Firma
P eine angemessene Versorgungsleistung
erhält (vgl. auch § 7 des Vertrages).
...
§ 4 - Erfindungen und Entwicklungen
4.1 P produziert und vertreibt pharma-
zeutische Präparate, die als wesentlichen Wirk-
stoffbestandteil einen proteinhaltigen Extrakt
aus Hirudo-medicinalis enthalten. ...
Herr Prof. Dr. Dr. arbeitet seit 1973 mit
P wissenschaftlich zusammen; seit 1981
ist er medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des
Unternehmens, von 1983 bis 1985 in der Position
eines freien Mitarbeiters, nunmehr als Geschäfts-
führer mit dem Schwerpunkt im Bereich Forschung
und Entwicklung. Im Rahmen seiner Forschungstä-
tigkeit als Wissenschaftler und Arzt wird Herr
Prof. Dr. Dr. auch im Laboratorium in
G in lebenden Blutegeln und im
Rohextrakt aus Blutegeln, der für die Herstellung
von P -Präparaten verwendet wird, nach
Wirkstoffen weiterforschen, um Schutzrechte zu
erwerben und diese verwerten zu können.
4.4 P wird Herrn Prof. Dr. Dr.
einen wissenschaftlichen Assistenten zur
Verfügung stellen, der auch im Labor in
G tätig sein kann. Die übrige
personelle Ausstattung wird gemeinsam mit Herrn
Prof. Dr. Dr. in der Geschäftsführung
beschlossen.
...
4.6 Die Kosten der nach diesem Vertrag vereinbar-
ten Forschungsaufgaben trägt P nach dem
vorher zu beschließenden Budget, nach Rechnung-
stellung durch Prof. .
4.7 Die Schutzrechte
4.7.1 Alle vor und während der Dauer dieses Ver-
trages als schutzrechtsfähig erachteten Erfindun-
gen, die sich auf den Gegenstand des § 4 dieses
Vertrages beziehen und die auf einen oder beide
der Vertragspartner oder Arbeitnehmer, Mitarbei-
ter oder sonstige Berater des einen oder des an-
deren Vertragspartners zurückgehen, wird
P auf eigene Kosten zum Schutzrecht im
In- und Ausland anmelden. ...
4.7.2 ...
Die Vertragspartner werden innerhalb von sechs
Monaten nach der Einreichung im beiderseitigen
Einvernehmen schriftlich festlegen, für welche
Länder gemeinsame Schutzrechte angemeldet werden
sollen.
...
4.7.5 Hat einer der Vertragspartner an der Auf-
rechterhaltung der Inhaberschaft an einem Schutz-
recht auf dem Vertragsgebiet in allen oder ein-
zelnen Ländern kein Interesse mehr, so hat er
seine Beteiligung an dem Schutzrecht oder sein
ihm allein zustehendes Schutzrecht auf diesem
Vertragsgebiet zuerst und vorweg dem anderen Ver-
tragspartner anzubieten. ...
4.8 Option und Verwertungsrechte
4.8.1 Herr Prof. Dr. Dr. gewährt P
für die Dauer von fünf Jahren seit Anmeldung
eines Schutzrechtes oder - ersatzweise - Abschluß
einer Forschung jeweils eine Option auf die ex-
klusive Verwertung aller diesem Vertrag unterlie-
genden Schutzrechte. Entscheidet sich P
zur Ausübung der Option, so wird dies Herrn
Prof. Dr. Dr. schriftlich mitgeteilt. ...
4.8.2 P bezahlt als Gegenleistung für
die von Herrn Prof. Dr. Dr. unter diesem
Vertrag erhaltenen Verwertungsrechte eine Lizenz-
gebühr, die die Vertragspartner einverständlich
von Fall zu Fall festlegen, ...
...
§ 5 - Vergütung
5.1 Herr Prof. Dr. Dr. erhält eine Vergütung
von DM ... p.a. (in Worten ............) ab
1. Januar 1985, zahlbar in monatlichen Teilbeträ-
gen.
5.2 Außerdem wird Herrn Prof. Dr. Dr. eine
Gewinntantieme von 1 % des Handelsbilanzgewinns
von P gewährt.
...
§ 7 - Wettbewerbsverbot
Herr Prof. Dr. Dr. verpflichtet sich zu
einem Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Ver-
tragsbeendigung dergestalt, daß er zwei Jahre
nach Vertragsbeendigung jede Tätigkeit bei einem
konkurrierenden Unternehmen unterläßt, sofern die
Bezüge nach § 5.1 dieses Vertrages fortgezahlt
werden.
...
§ 9 - Dauer. Abfindung
...
9.2 In allen Fällen der Vertragsbeendigung, die
nicht auf einen von Herrn Prof. Dr. Dr. zu
vertretenden wichtigen Grund zurückzuführen sind,
erhält Herr Prof. Dr. Dr. eine Abfindung in
Höhe der zweifachen letzten Bruttovergütung nach
§ 5.1 und § 5.2. Außerdem haben die Parteien in
gesonderter Urkunde die Ankaufsverpflichtung und
das Vorkaufsrecht von P für das Anwesen
G geregelt.
...
Unter dem 16. Dezember 1986 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, mit dem sie den Dienstvertrag mit Wirkung zum 31. Dezember 1986 aufhoben. In dieser Vereinbarung heißt es unter anderem:
...
2. Die Parteien sind sich darüber einig, daß alle
während der Tätigkeit bei P von Herrn
Prof. Dr. Dr. gefundenen Forschungsergebnis-
se auf dem Gebiet der Blutegelinhaltsstoffe, un-
abhängig davon, wie weit diese z.Zt. schon ver-
wertbar sind, den Regelungen des Dienstvertrages
unterfallen.
Herr Prof. Dr. Dr. wird im Verlauf des Janu-
ar 1987, spätestens bis zum 31.01.1987, eine Do-
kumentation über seine während der Dauer des
Dienstvertrages gewonnenen Forschungsergebnisse
auf dem Gebiet der Blutegelinhaltsstoffe vorlegen
und zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt im
ersten Quartal 1987 gegenüber P und
ihren zur Geheimhaltung verpflichteten Beratern
mündlich zu erläutern.
Für alle zukünftigen Forschungsergebnisse, die
sich auf Blutegelinhaltsstoffe beziehen, bietet
Prof. Dr. Dr. P eine weltweit aus-
schließliche Option auf die Verwertung ein-
schließlich der Anmeldung von Schutzrechten an.
P kann diese Option im Einzelfall inner-
halb einer Frist von 3 Monaten durch schriftliche
Erklärung ausüben. Erklärt P die Aus-
übung der Option, so werden die Parteien einen
Lizenzvertrag zu marktüblichen Bedingungen ab-
schließen. Übt P die Option nicht aus,
ist Herr Prof. Dr. Dr. in der Verwertung
frei.
3. Herr Prof. Dr. Dr. erhält für den vorzei-
tigen Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung
in Höhe von DM 480.000,-- zuzüglich einer Tantie-
me von 2 % des handelsrechtlichen Jahresüber-
schusses der Firma P nach der Bilanz zum
31.12.1986. ...
4. P wird die in G beschäftig-
ten Mitarbeiterinnen von Herrn Prof. Dr. Dr.
, die Laborantin Frau H und die MTA
Fräulein K , zum 01.01.1987 übernehmen.
...
8. Die §§ 3 und 4 des Dienstvertrages bleiben be-
stehen. Auf das Wettbewerbsverbot nach §§ 3.3 und
7 wird seitens P verzichtet, soweit sich
nicht aus dieser Vereinbarung etwas anderes er-
gibt. Eine Entschädigung ist demnach nicht ge-
schuldet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Nr. 2 Abs. 3 der Vereinbarung vom 16. Dezember 1986 (Aufhebungsvertrag) sei unwirksam. Denn diese Regelung enthalte ein verdecktes Wettbewerbsverbot. Sie sei mangels Vereinbarung einer Karenzentschädigung und wegen fehlender zeitlicher Eingrenzung unwirksam. Die genannten Bestimmungen machten ihm faktisch unmöglich, auf dem Gebiet der Blutegelinhaltsstoffe zu forschen, da er die Forschungsergebnisse zunächst der Beklagten zur Verwertung anzubieten habe. Dies verstoße nicht nur gegen § 74 Abs. 2, § 74 a Abs. 1 Satz 3 HGB, sondern auch gegen § 138 BGB.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Bestimmung in Nr. 2 Abs. 3
des Vertrages über die Aufhebung des Dienstver-
hältnisses vom 16. Dezember 1986 zwischen den
Parteien, die folgenden Wortlaut hat, unwirksam
ist:
"Für alle zukünftigen Forschungsergebnisse, die
sich auf Blutegelinhaltsstoffe beziehen, bietet
Prof. Dr. Dr. P eine weltweit aus-
schließliche Option auf die Verwertung ein-
schließlich der Anmeldung von Schutzrechten an.
P kann diese Option im Einzelfall inner-
halb einer Frist von drei Monaten durch schrift-
liche Erklärung ausüben. Erklärt P die
Ausübung der Option, so werden die Parteien einen
Lizenzvertrag zu marktüblichen Bedingungen ab-
schließen. Übt P die Option nicht aus,
ist Herr Prof. Dr. Dr. in der Verwertung
frei."
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit gerügt, und zwar mit der Begründung, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer gewesen, sondern - jedenfalls in bezug auf die Forschung - selbständiger Vertragspartner. Es habe sich insoweit um einen Kooperationsvertrag unter Selbständigen gehandelt, oder aber um eine Innengesellschaft. Der Kläger habe als rechtsgeschäftlich bestellter Geschäftsführer zwar keine Organstellung innegehabt, wohl aber eine einem Organ vergleichbare Stellung eingenommen. Er habe an seinem damaligen Wohnsitz in W einen eigenen Forschungsbetrieb unterhalten, in dem er - wenn auch in Zusammenarbeit mit der Beklagten - selbständig geforscht habe.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 12. August 1988 der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zunächst als unzulässig verworfen. Das Bundesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 22. Mai 1990 (- 3 AZR 55/90 - AP Nr. 38 zu § 519 ZPO) das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dies hat durch Urteil vom 15. Februar 1991 die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages ist unwirksam.
I. Ohne Erfolg rügt die Beklagte in der Revisionsinstanz die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit.
Nach § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 ArbGG in der Fassung des 4. VwGOÄndG vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) prüft das Revisionsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Nach übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind die §§ 73 Abs. 2, 65 ArbGG n.F. jedoch auf Übergangsfälle, in denen der erste Rechtszug vor dem Inkrafttreten des 4. VwGOÄndG am 1. Januar 1991 abgeschlossen war, nicht anzuwenden (BAG Urteil vom 15. Januar 1992 - 5 AZR 15/91 - EzA § 133 AFG Nr. 5, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; BGH Urteil vom 28. Februar 1991 - III ZR 53/90 - NJW 1991, 1686). Maßgebend ist daher § 73 Abs. 2 ArbGG a.F. Nach dieser Vorschrift konnte die Revision nicht darauf gestützt werden, "daß die Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts begründet sei". Wenn die Beklagte die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit mit der Begründung rügt, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer gewesen, so macht sie damit zugleich geltend, daß die ordentlichen Gerichte zuständig seien. Nach § 73 Abs. 2 ArbGG a.F. kann sie damit nicht durchdringen (vgl. BAG Urteil vom 2. Februar 1983 - BAGE 41, 328 = AP Nr. 1 zu § 73 ArbGG 1979).
II. Es kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis oder ein freier Dienstvertrag oder (auch) ein Kooperationsvertrag oder eine (Innen)Gesellschaft bestanden hat. War der Kläger Arbeitnehmer, ergibt sich die Unwirksamkeit der Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages bereits aus § 74 Abs. 2, § 74 a Abs. 1 Satz 3, § 75 d HGB. War er nicht Arbeitnehmer, so folgt dies aus § 138 BGB.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die §§ 74 ff. HGB nicht nur auf kaufmännische, sondern auch auf nichtkaufmännische Angestellte anwendbar (BAGE 22, 324 = AP Nr. 26 zu § 74 HGB). War der Kläger Arbeitnehmer, so ist der Aufhebungsvertrag an diesen Vorschriften zu messen, und zwar unabhängig davon, daß der Kläger zu den Höherverdienenden gehörte (BAGE 27, 284 = AP Nr. 14 zu § 75 b HGB) und bei Abschluß des Aufhebungsvertrages rechtlich beraten war.
Nach der Legaldefinition des § 74 Abs. 1 HGB sind Wettbewerbsverbote Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken. Eine Beschränkung der Tätigkeit ist in allen Abreden zu sehen, durch die der Arbeitnehmer tatsächlich oder rechtlich gehindert wird, sein berufliches Erfahrungswissen zu nutzen, oder durch er in sonstiger Weise an der Verwertung seiner Arbeitskraft gehindert wird. Ein Wettbewerbsverbot liegt auch dann vor, wenn dem Arbeitnehmer (nur) untersagt wird, auf seinem bisherigen Arbeitsgebiet für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden (partielles oder begrenztes Wettbewerbsverbot, vgl. BAG Urteil vom 30. April 1965 - 3 AZR 366/63 - AP Nr. 17 zu § 133 f GewO).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Arbeitsgericht, dem das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, hat zutreffend erkannt, daß Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages ein partielles Wettbewerbsverbot enthält. Da der Kläger danach verpflichtet ist, alle zukünftigen Forschungsergebnisse, die sich auf Blutegelinhaltsstoffe beziehen, der Beklagten zur Verwertung anzubieten, wird er keinen (neuen) Arbeitgeber oder Vertragspartner finden, für den er auf diesem Gebiet entgeltlich tätig werden kann. Unabhängig von dem Entgelt für den Kläger wird auch niemand im übrigen Geld für derartige - meist teure - Forschungsvorhaben, an denen der Kläger beteiligt ist, zur Verfügung stellen. Damit macht es die Klausel dem Kläger faktisch unmöglich, für einen anderen Arbeitgeber oder Auftraggeber auf dem Gebiet der Blutegelinhaltsstoffe tätig zu werden.
Die Beklagte kann demgegenüber nicht einwenden, die berufliche Situation des Klägers sei unverändert, da er weiter selbständig forschen könne, nur die Vergütungsmodalitäten seien nunmehr andere. Da anwendungsorientierte Forschung im Arzneimittelbereich teuer ist, kann sie außerhalb von Universitäten und staatlichen kann sie außerhalb von Universitäten und staatlichen Forschungsstellen und außerhalb von Pharmaunternehmen kaum noch stattfinden. Im übrigen reicht es nach § 74 Abs. 1 HGB aus, wenn der Arbeitnehmer auch nur teilweise an der Verwertung seiner Arbeitskraft gehindert wird.
Nach Nr. 8 Satz 3 des Aufhebungsvertrages ist eine Entschädigung nicht geschuldet. Schon deswegen ist das Wettbewerbsverbot nach § 74 Abs. 2 HGB unverbindlich. Dasselbe ergibt sich aus § 74 a Abs. 1 Satz 3 HGB, soweit es sich auf mehr als 2 Jahre erstreckt.
Wie das Arbeitsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, sind die §§ 74 ff. HGB auch nicht etwa deshalb unanwendbar, weil das partielle Wettbewerbsverbot Bestandteil eines Aufhebungsvertrages ist. Dieser Aufhebungsvertrag ist während der Dauer des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen worden. Ein Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung kann allenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, da der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht mehr vom Arbeitgeber abhängig ist. Ob daran festzuhalten ist, daß ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot in einem Prozeßvergleich vereinbart werden kann, wenn in dem Prozeß um die Wirksamkeit eines arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbots gestritten wurde (BAG Urteil vom 11. März 1968 - 3 AZR 37/67 - AP Nr. 23 zu § 74 HGB), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn das Schutzbedürfnis besteht zumindest bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort (BAG Urteil vom 11. März 1968, aaO; Urteil vom 5. August 1968 - 3 AZR 128/67 - AP Nr. 24 zu § 74 HGB; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 58 II 7, S. 354). Das zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Die Beklagte war mit der Aufhebung des Dienstvertrages ohne Einhaltung der Kündigungsfrist nur einverstanden, weil der Kläger ihr das Optionsrecht gemäß Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages einräumte.
2. War der Kläger nicht Arbeitnehmer, so ergibt sich die Unwirksamkeit von Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages aus § 138 BGB.
a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß das Wertsystem der Grundrechte auch das bürgerliche Recht beeinflußt. Keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede ist in seinem Geist auszulegen. Insbesondere sind die Grundrechte bei der Konkretisierung und Anwendung der Generalklauseln wie der §§ 138, 242, 315 BGB zu beachten (grundlegend BVerfGE 7, 198, 205 f.; vergl. auch BVErfGE Beschluß vom 7. Februar 1990 - 1 BvR 26/84 - BVerfGE 81, 242 = AP Nr. 65 zu Art. 12 GG). Der Bundesgerichtshof geht demgemäß in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt ist, bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen, insbesondere der Generalklauseln, wesentliche Bedeutung zukommt. Dies gilt auch für das Verständnis dessen, was heute unter "guten Sitten" im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB zu verstehen ist (BGHZ 70, 313, 324; BGH Urteil vom 26. April 1972 - IV ZR 18/71 - NJW 1972, 1414, 1415; Urteil vom 28. April 1986 - II ZR 254/85 - NJW 1986, 2944 = AP Nr. 57 zu Art. 12 GG). Auch in der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß die Grundrechte, insbesondere über die Generalklauseln auf das Privatrecht einwirken (BAGE 48, 122, 139 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu C I 2 b der Gründe).
Daraus folgt: Die in den Grundrechten der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Grundgesetzes für die Freiheit des Berufs ist bei Prüfung der Frage, ob Verträge, durch die ein Vertragspartner in der Ausübung seines Berufs beschränkt wird, gegen die guten Sitten verstoßen, zu beachten (BGHZ 91, 1, 6; BGH Urteil vom 28. April 1986 - II ZR 254/85 - AP Nr. 57 zu Art. 12 GG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine gesetzliche Einschränkung der Berufsfreiheit, die zu einem lebenslang wirkenden Berufsverbot führt, nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter unerläßlich ist (BVerfGE 19, 330, 337 = AP Nr. 34 zu Art. 12 GG; 59, 302, 315; 66, 337, 359) und der Betroffene jedenfalls die Chance erhält, sich später wieder in seinem Beruf zu betätigen (BVerfGE 66, 337, 360 ff.; vgl. auch BGH Urteil vom 28. April 1986 aaO). Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die Freiheit des Berufs ist auch im Privatrecht hinreichend zu beachten. Zwar umfaßt die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit auch die Vertragsfreiheit. Jedoch ist die Freiheit des rechtsgeschäftlichen Handelns durch die "verfassungsmäßige Ordnung" begrenzt, so daß Einschränkungen dieses Freiheitsrechts verfassungsrechtlich unbedenklich sind, soweit sie den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen (BVerfGE 65, 196, 210 = AP Nr. 2 zu § 2 BetrAVG Unterstützungskassen).
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß die Freiheit der Berufsausübung von Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten durch Mandantenschutzklauseln örtlich, zeitlich und gegenständlich nur begrenzt beschränkt werden kann. Dies ist nur insoweit zulässig, als besondere Umstände vorliegen, die ein anerkennenswertes Bedürfnis begründen, den Vertragspartner vor illoyaler Verwertung des Erfolges seiner Arbeit zu schützen (BGHZ 91, 1, 6; BGH Urteil vom 28. April 1986 - II ZR 254/85 - AP Nr. 57 zu Art. 12 GG, zu 3 c der Gründe; vgl. auch BGH Urteil vom 29. Oktober 1990 - II ZR 241/89 - NJW 1991, 699). Örtlich und zeitlich unbegrenzte Wettbewerbsverbote sind danach regelmäßig wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig.
Bereits in seinem Urteil vom 14. Dezember 1956 (BGHZ 22, 347) hatte der Bundesgerichtshof - allerdings noch ohne Hinweis auf Art. 12 GG - entschieden, daß eine zeitlich und gegenständlich nicht beschränkte verlagsrechtliche Optionsvereinbarung, die einen Schriftsteller verpflichtet, alle künftigen Werke zuerst einem bestimmten Verleger anzubieten, wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist, wenn der Verleger für die Einräumung des Optionsrechtes keine angemessene Gegenleistung übernimmt. Verlagsrechtliche Optionsverträge geben dem Verleger ein obligatorisches Anwartschaftsrecht auf zukünftige Werke des Verfassers. Sie lassen die Entscheidungsfreiheit des Verlegers unberührt. Der Autor ist gehalten, ihm alle neuen Werke anzubieten. Zum Abschluß eines Verlagsvertrages ist er jedoch nur dann verpflichtet, wenn ihm andere Verleger keine günstigeren Vertragsbedingungen einräumen. Der Bundesgerichtshof hat darin eine starke Beschränkung der wirtschaftlichen und künstlerischen Freiheit des Autors gesehen und dazu ausgeführt:
Verlagsverträge setzten in der Regel ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Verfasser und Verleger voraus, und zwar nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf geistiger und persönlicher Ebene. Schon aus diesem Grund begegne eine auf Lebenszeit für das gesamte Schaffensgebiet eingegangene Bindung eines Schriftstellers Bedenken. Die Freiheit eines Autors sei allein schon dadurch, daß er seine neuen Werke ohne Ausnahme stets einem bestimmten Verleger zuerst anbieten und mit ihm einen Verlagsvertrag abschließen müsse, falls er das Werk nicht der Öffentlichkeit vorenthalten wolle und ihm günstigere Angebote anderer Verleger nicht zur Verfügung stünden, äußerst stark eingeschränkt. So sei es ihm bei dieser Rechtslage praktisch verwehrt, sich von anderen Verlegern für sein künftiges Schaffen Vorschüsse gewähren zu lassen, weil er ohne Verletzung seiner Vertragspflichten gegenüber dem bevorrechtigten Verleger keine bindenden Verpflichtungen gegenüber anderen Verlegern eingehen könne. Das Risiko des Verfassers werde noch dadurch verstärkt, daß der bevorrechtigte Verleger - anders als bei Verlagsverträgen über künftige Werke - in seiner Entschließung, ob er das angebotene Werk verbreiten wolle, völlig frei sei. Die wirtschaftlichen und persönlichen Folgen einer derartigen Abrede ließen sich in der Regel für den Autor nicht übersehen. Dessen künstlerische und gewerbliche Freiheit werde dadurch in unzumutbarer Weise beschränkt. Dies stelle in der Regel eine sittenwidrige Knebelung des Autors dar, wenn der Verleger für das ihm eingeräumte Vorrecht keine angemessene Gegenleistung übernehme.
c) Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 138 BGB ist zuzustimmen; die dargestellten Grundsätze sind auch im Streitfall zu beachten.
Bei isolierter Betrachtung ähnelt Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages einer verlagsrechtlichen Optionsvereinbarung. Die hier umstrittene Optionsklausel ist jedoch Bestandteil eines Aufhebungsvertrages, mit dem die beiderseitige Zusammenarbeit im Grundsatz beendet werden sollte. Sie hat daher mehr die Funktion eines Wettbewerbsverbots. Der Kläger soll nicht für die Konkurrenz forschen. Wie bereits (II 1) ausgeführt, macht es die Klausel dem Kläger faktisch unmöglich, für einen anderen Arbeitgeber oder Auftraggeber auf dem Gebiet der Blutegelforschung tätig zu werden.
Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages ist zeitlich und örtlich unbegrenzt. Die Beklagte ist in ihrer Entscheidung, ob sie die Forschungsergebnisse des Klägers verwerten will oder nicht, völlig frei. Dieses Optionsrecht ist ihr unentgeltlich eingeräumt. Die Verpflichtung, ggf. einen Lizenzvertrag "zu marktüblichen Bedingungen" abzuschließen, ändert daran nichts. Aufgrund dieser Klausel ist die wirtschaftliche Bindung des Klägers sogar noch enger als im Fall der verlagsrechtlichen Optionsvereinbarung (BGHZ 22, 347). Denn nach dieser ist es dem Autor immerhin erlaubt, mit einem anderen Verleger einen Verlagsvertrag abzuschließen, wenn dieser ihm günstigere Vertragsbedingungen bietet, ohne daß es noch darauf ankäme, ob diese marktüblich sind oder nicht. Auch das ist dem Kläger im Streitfall verwehrt.
Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages betrifft allerdings nur Forschungen auf dem Gebiet der Blutegelinhaltsstoffe. Außerhalb dieses Bereichs ist der Kläger in seiner Forschungstätigkeit frei. Gleichwohl wird der Kläger dadurch erheblich in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt. Denn die Klausel verwehrt ihm faktisch die Rückkehr in sein bisheriges Forschungsgebiet, auf das er sich in seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der Beklagten spezialisiert hatte. Im übrigen ist ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten auch an einem auf das Gebiet der Blutegelinhaltsstoffe beschränkten Wettbewerbsverbot bzw. einer Optionsklausel nicht ersichtlich.
Nach alledem erweist sich Nr. 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages als eine die wissenschaftliche und gewerbliche Freiheit des Klägers in unzumutbarer Weise einschränkende Vertragsbestimmung. Sie ist daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Dr. Leinemann Dörner Dr. Reinecke
Schoden Dr. P hler
Fundstellen