Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertreter ohne Vertretungsmacht. Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
Macht ein Arbeitnehmer gegen einen Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 Abs. 1 BGB Erfüllungsansprüche geltend, finden tarifliche Ausschlussfristen Anwendung. Hat der Arbeitnehmer zuvor gegenüber dem vermeintlichen Arbeitgeber Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht, wird hierdurch das Erlöschen der Ansprüche verhindert. Diese Wirkung bleibt bestehen, wenn der Arbeitnehmer später diese Ansprüche gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht erhebt.
Orientierungssatz
- Vertreter iSv. § 179 BGB ist nicht nur derjenige, der ohne rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertretungsmacht im Namen eines Dritten tätig wird. Die Vorschrift ist vielmehr entsprechend anzuwenden, wenn jemand im Namen einer nicht vorhandenen Person vertragliche Vereinbarungen trifft, der angeblich Vertretene also gar nicht existiert.
- Während die Einrede der Verjährung dazu führt, dass der Schuldner die Leistung verweigern kann (§ 214 Abs. 1 BGB), führt eine Ausschlussfrist zum Erlöschen des Anspruchs, wenn er nicht fristgerecht geltend gemacht wird. Die rechtzeitige Geltendmachung sichert dagegen den Bestand des Anspruchs.
- Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. § 108 GewO regelt keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs.
Normenkette
BGB § 179; BRTV-Bau § 15; GewO § 108
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 09.05.2006; Aktenzeichen 13 Sa 1310/05) |
ArbG Celle (Urteil vom 25.04.2005; Aktenzeichen 2 Ca 10/05) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Arbeitsvergütung und in diesem Zusammenhang über die Frage, ob der Beklagte als Vertreter ohne Vertretungsmacht für Vergütungsansprüche des Klägers haftet.
Der Kläger schloss unter dem Datum des 8. Juli 2003 einen Arbeitsvertrag, in dem als Arbeitgeber das “Baugeschäft D… S…” bezeichnet ist. Der Vertrag wurde vom Beklagten formuliert und mit dem Zusatz “Für und im Namen von Baugeschäft S…” unterzeichnet. Zur Zeit des Vertragsschlusses war Herr S… Inhaber eines Betriebs für Garten- und Landschaftsbau ohne Arbeitnehmer.
Der Kläger nahm am 9. Juli 2003 seine Tätigkeit als Maurer/Kranführer auf einer Baustelle in W… auf. Er erhielt Lohnabrechnungen für die Monate Juli und August 2003. Die Abrechnungen hatte der Beklagte erstellt. Auf ihnen ist als Absender “Baugeschäft S…, Gstr…, E…” angegeben. Nachdem der Kläger außer einer Abschlagszahlung in Höhe von 200,00 Euro netto keine weiteren Zahlungen erhielt, stellte er am 15. August 2003 seine Arbeit ein.
Mit Schreiben vom 29. August 2003 machte der Kläger gegen Herrn S… vergeblich seine Zahlungsansprüche geltend. Am 4. Oktober 2003 erhob der Kläger Zahlungsklage. Die Klage wurde vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 16. September 2004 (– 1 Sa 84/04 –) rechtskräftig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Herr S… sei nicht Arbeitgeber des Klägers gewesen. Er habe den Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits nicht bevollmächtigt, in seinem Namen den Arbeitsvertrag mit dem Kläger zu schließen.
Mit seiner am 20. Dezember 2004 beim Arbeitsgericht Elmshorn eingegangenen Klage verlangt der Kläger vom Beklagten die Zahlung von Arbeitsvergütung und Aufwendungsersatz für die Dauer seiner Tätigkeit. Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte hafte als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Neben den abgerechneten Ansprüchen stünden ihm nach den Regelungen des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Bau) weitere Leistungen zu.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger
1. 1.227,31 Euro netto Entgelt für den Monat Juli 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. August 2003,
2. 265,98 Euro brutto Fahrzeitvergütung für den Monat Juli 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. August 2003,
3. 740,84 Euro netto Restfahrgeld und Restauslöse für den Monat Juli 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. August 2003,
4. 763,66 Euro netto Entgelt für den Monat August 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. September 2003,
5. 153,45 Euro brutto Fahrzeitvergütung für den Monat August 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. September 2003,
6. 448,44 Euro netto Restfahrgeld für den Monat August 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. September 2003,
7. 78,50 Euro netto Restauslöse für den Monat August 2003 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. September 2003 zu zahlen.
8. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über vorgenannte Beträge eine Abrechnung zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, er sei von Herrn S… bevollmächtigt worden, in dessen Namen den Kläger einzustellen. Die Ansprüche des Klägers seien im Übrigen verfallen.
Das Arbeitsgericht Elmshorn hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Celle verwiesen. Dieses hat durch Versäumnisurteil der Klage stattgegeben. Nach Einspruch des Beklagten hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nur zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Beklagte sei dem Kläger zur Erteilung einer Lohnabrechnung verpflichtet. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Beklagte schuldet dem Kläger Zahlungen in dem von den Vorinstanzen zugesprochenen Umfang.
I. Der Beklagte haftet als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 Abs. 1 BGB für die Zahlungsansprüche des Klägers aus dem Arbeitsvertrag und dem BRTV-Bau.
1. Nach § 179 Abs. 1 BGB ist derjenige, der als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. Der Vertreter ohne Vertretungsmacht hat dafür einzustehen, dass es mangels Vollmacht nicht zu einem Vertrag gekommen ist und demgemäß vertragliche Ansprüche nicht entstanden sind. Die gegenüber dem vollmachtlosen Vertreter vorgesehenen Ansprüche sind danach “Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen” (BGH 8. Februar 1979 – VII ZR 141/78 – BGHZ 73, 266, zu 2b aa der Gründe). Vertreter im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur derjenige, der ohne rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertretungsmacht im Namen eines Dritten tätig wird. Die Vorschrift ist vielmehr entsprechend anzuwenden, wenn jemand im Namen einer nicht vorhandenen Person vertragliche Vereinbarungen trifft, der angeblich Vertretene also gar nicht existiert (Senat 12. Juli 2006 – 5 AZR 613/05 – ZIP 2006, 1672, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BGH 20. Oktober 1988 – VII ZR 219/87 – BGHZ 105, 283, zu 1 der Gründe).
2. Der Beklagte ist Vertreter ohne Vertretungsmacht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Beklagte von Herrn S… nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem Kläger bevollmächtigt worden. Hiergegen hat der Beklagte in der Revision keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe zu seinem Vortrag, er habe im Namen von Herrn S… den Kläger “rekrutiert”, nicht den angebotenen Beweis erhoben, ist unzulässig. Es fehlt die Darlegung, in welchem erst- oder zweitinstanzlichen Schriftsatz dieser Vortrag enthalten ist, welches konkrete Beweisangebot wo gemacht worden ist und welches Ergebnis diese Beweiserhebung hätte zeitigen müssen (vgl. BAG 6. Januar 2004 – 9 AZR 680/02 – BAGE 109, 145). Herr S… hat den Vertrag mit dem Kläger nicht genehmigt, wie seine Rechtsverteidigung im vorangegangen, gegen ihn gerichteten Prozess deutlich gezeigt hat.
3. Der Beklagte hat die Ansprüche des Klägers zu erfüllen, die dem Kläger bei einem wirksamen Vertragsschluss gegen den Inhaber des “Baugeschäfts S…” zugestanden hätten. Unerheblich ist dabei, ob es überhaupt im Juli/August 2003 ein “Baugeschäft S…” gab. Die Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB greift auch, wenn jemand im Namen einer nicht vorhandenen Person vertragliche Vereinbarungen trifft. Den erhobenen Ansprüchen steht deshalb nicht entgegen, dass Herr S… nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und seinen eigenen Behauptungen im Vorprozess im Streitzeitraum einen Gartenbaubetrieb führte. Der Beklagte hat mit dem von ihm formulierten Arbeitsvertrag den Anschein erweckt, der Kläger verrichte seine Arbeiten für das “Baugeschäft S…”. Hieran hat sich der Beklagte im Rahmen der Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB festhalten zu lassen.
4. Die Ansprüche des Klägers gegen den Inhaber eines “Baugeschäfts S…” hätten sich nach den Regelungen des BRTV-Bau bestimmt. Die Bezeichnung “Baugeschäft S…” begründete den Anschein, es handele sich hierbei um einen Betrieb des Baugewerbes iSv. § 1 BRTV-Bau. Da der Kläger als Maurer/Kranführer an der Erstellung von Bauwerken mitwirkte, ist die Anwendbarkeit des BRTV-Bau gegeben. Die vom Kläger verlangten Zahlungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem Grund und der Höhe nach unstreitig.
5. Die Ansprüche sind nicht gemäß § 15 BRTV-Bau erloschen.
a) Nach § 15 BRTV-Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
b) Der Kläger hat mit der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche gegen den vermeintlich vertretenen Arbeitgeber S… die tarifvertragliche Ausschlussfrist gewahrt. Eine erneute Geltendmachung gegenüber dem Beklagten war nicht erforderlich. Macht der Arbeitnehmer gegenüber dem vermeintlichen Arbeitgeber Ansprüche rechtzeitig geltend, wird hierdurch das Erlöschen der Ansprüche verhindert. Diese Wirkung bleibt bestehen, wenn der Arbeitnehmer später diese Ansprüche gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht erhebt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht (19. November 2003 – XII ZR 68/00 – NJW 2004, 774) ist auf Ausschlussfristen nicht anwendbar. Die Einrede der Verjährung führt dazu, dass der Schuldner die Leistung verweigern kann (§ 214 Abs. 1 BGB). Demgegenüber führt eine Ausschlussfrist zum Erlöschen des Anspruchs, wenn er nicht fristgerecht geltend gemacht wird (BAG 30. März 1973 – 4 AZR 259/72 – BAGE 25, 169, 173 f.). Die rechtzeitige Geltendmachung sichert dagegen den Bestand des Anspruchs.
II. Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Unrecht zur Erteilung einer Abrechnung verurteilt. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf eine Lohnabrechnung. Nach § 108 GewO ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt besteht, bei Zahlung eine Abrechnung zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Die Regelung dient der Transparenz (ErfK/Preis 7. Aufl. § 108 GewO Rn. 1). Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Dagegen regelt § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs (Senat 12. Juli 2006 – 5 AZR 646/05 – NZA 2006, 1294, zu II 1 der Gründe). Für den Abrechnungsanspruch aus § 5 Nr. 7.1 Unterabs. 1 BRTV-Bau gilt nichts anderes. Im Übrigen hat der Kläger bereits für Juli und August 2003 Lohnabrechnungen erhalten.
III. Auf Grund der Erklärung des Klägers in der Revisionsverhandlung wird bezüglich der Nebenentscheidung klargestellt, dass dem Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins zustehen (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).
IV. Der Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 2, § 344 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Soweit die Revision bezüglich der Abrechnungserteilung erfolgreich ist, fällt dies bei der Kostenverteilung nicht ins Gewicht. Die durch die Anrufung des unzuständigen Arbeitsgerichts Elmshorn entstandenen Mehrkosten werden gemäß § 281 Abs. 3 ZPO dem Kläger auferlegt.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Reinders, Hann
Fundstellen
Haufe-Index 1711888 |
BAGE 2008, 373 |
BB 2007, 946 |
DB 2007, 1031 |
NJW 2007, 1378 |
NWB 2007, 2267 |
EBE/BAG 2007, 60 |
FA 2007, 146 |
FA 2007, 215 |
JR 2008, 132 |
NZA 2007, 679 |
ZTR 2007, 323 |
AP 2007 |
EzA-SD 2007, 10 |
EzA |
MDR 2007, 725 |
AUR 2007, 226 |
RdW 2007, 312 |
SPA 2007, 7 |