Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Änderung einer Anpassungsregelung
Orientierungssatz
1. Veränderungen der Anpassungsregelungen in einer Versorgungsordnung sind während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses unmittelbar anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu überprüfen. Das vom Senat für Eingriffe in die Höhe von Versorgungsanwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungsschema findet dabei keine Anwendung.
2. Die zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Anpassungsregelungen während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses angeführten Gründe müssen gerade den vorgenommenen Eingriff tragen und deshalb in einem inneren Zusammenhang mit ihm stehen.
Normenkette
BetrAVG § 1 Ablösung; AktG § 82 Abs. 1, § 111 Abs. 4 S. 2; BetrVG § 77 Abs. 3; BGB § 288 Abs. 1 S. 2, §§ 291, 613a Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Juni 2016 – 6 Sa 15/16 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, nach welcher Regelung sich die Anpassung des Ruhegeldes des Klägers richtet.
Der im April 1947 geborene Kläger war vom 1. April 1963 und bis zum 30. April 2009 ua. bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H Aktiengesellschaft (im Folgenden H AG alt) als Arbeitnehmer tätig. Seit dem 1. Mai 2009 bezieht er ein betriebliches Ruhegeld.
Die betriebliche Altersversorgung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H AG alt, richtete sich zunächst nach der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14; im Folgenden BV Soziale Richtlinien). Diese bestimmt in Nr. 7 im Abschnitt „Allgemeine Bestimmungen” in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung auszugsweise:
„Anpassung
Die Ruhegeldberechnung wird zu bestimmten Zeitpunkten jeweils der Entwicklung der Gehaltstarife angepaßt.
Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage der H zu berücksichtigen (gesetzliche Regelung).”
Im Jahr 2000 vereinbarten die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V., deren Mitglied die H AG alt war, einerseits und die IG Metall sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (im Folgenden DAG) andererseits einen neuen Manteltarifvertrag (im Folgenden MTV H) für die H AG alt. In diesem ist unter II/D Nr. 5.3 geregelt:
„Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt aus dem Arbeitsverhältnis mit der H AG unter Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand gehen, haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung.
Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nach dem 30.09.1998 ein Arbeitsverhältnis mit der H AG aufgenommen haben, leistet das Unternehmen einen Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich an ihrer Altersversorgung in festzulegendem Umfang in Form von Eigenbeiträgen beteiligen.
Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertrittes in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u. ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch die Betriebspartner geregelt.”
Nach Maßgabe eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrags vom 22. August 2002 wurde ein Teil des Vermögens der H AG alt und zwar das von ihr betriebene operative Geschäft mit allen zugehörigen Vermögensgegenständen und Schuldposten als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die Erste H AG ausgegliedert. Die Erste H AG wurde mit Beschluss der Hauptversammlung vom 22. August 2002 in H Aktiengesellschaft (im Folgenden H AG neu) und mit Beschluss der Hauptversammlung vom 7. April 2005, ins Handelsregister am 2. Januar 2006 eingetragen, in V Aktiengesellschaft umfirmiert. Die V Aktiengesellschaft hat nach Maßgabe des Abspaltungs- und Übernahmevertrags vom 10. Juli 2008 einen Teil ihres Vermögens (die Unternehmenseinheit „Vertrieb”) als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die V S GmbH als übernehmenden Rechtsträger übertragen. Diese hat nach Maßgabe des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom 29. Mai 2012 einen Teil ihres Vermögens (die Unternehmenseinheit „Customer Service”) als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die V K GmbH übertragen. Die V K GmbH ist die Versorgungsschuldnerin des Klägers und Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits.
Wegen der bevorstehenden Ausgliederung von Teilen des Vermögens von der H AG alt auf die Erste H AG vereinbarten die Erste H AG und die IG Metall in einem Tarifvertrag vom 26. Juni 2002 die kollektivrechtliche Fortgeltung der zum Stichtag des Wirksamwerdens der Ausgliederung gültigen Tarifverträge der H AG alt bei der Erste H AG.
Die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. einerseits und die IG Metall andererseits änderten mit einem Tarifvertrag vom 24. Juli 2003 den MTV H ua. wie folgt:
„Abschnitt II/D (Beendigung des Arbeitsverhältnisses):
Abs. 5.3 Abs. 3 erhält folgende Neufassung; Datum des Inkrafttretens: 01.01.2003:
Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertrittes in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u. ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch Betriebsvereinbarung geregelt. Änderungen werden nur nach Zustimmung der Tarifpartner wirksam.”
Am 26. September 2003 schlossen die im „V-Konzern” vertretenen Gewerkschaften IG BCE, ver.di und IG Metall eine Vereinbarung, wonach sie „für die Erarbeitung und Verhandlung eines Konzerntarifwerkes sowie dessen Fortentwicklung” eine Tarifgemeinschaft bildeten. Die bisherigen Zuständigkeiten der Einzelgewerkschaften sollten unverändert weiter fortbestehen.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 schlossen die H AG neu, die später als V Aktiengesellschaft firmierte, und der bei ihr gebildete Betriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 2005.03 (im Folgenden BV 2005.03). Diese bestimmt:
„In den Sozialen Richtlinien (BV 75.14, zuletzt geändert durch BV 2004.11) wird die Ziff. 7 im Abschnitt ‚Allgemeine Bestimmungen’ wie folgt neu gefasst:
Die Anpassung der Ruhegeldzahlbeträge, des Weihnachtsgeldes (nominelles Ruhegeld) und der Hinterbliebenenbezüge erfolgt jährlich zum Zeitpunkt der allgemeinen Anpassung der Sozialversicherungsrenten (SV-Renten). In Jahren ohne SV-Rentenerhöhung erfolgt die Anpassung der betrieblichen Leistungen grundsätzlich zum gleichen Stichtag wie im Vorjahr.
Dieses Verfahren gilt auch für bereits im Ruhestand befindliche ehemalige Mitarbeiter und deren Hinterbliebene.
Die Festlegung der Höhe des Anpassungssatzes erfolgt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der H.
Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung von § 16 BetrAVG zu entscheiden.”
Dieser Betriebsvereinbarung stimmten die IG Metall und die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. am 26. Oktober 2006 rückwirkend für den Zeitpunkt ihres vorgesehenen Inkrafttretens zu.
Unter dem Datum des 20. November 2006 schlossen die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V., der Arbeitgeberverband energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen e. V. und der Wirtschaftsverband Kohle e. V. einerseits sowie die IG BCE, ver.di und die IG Metall andererseits ua. für die V Aktiengesellschaft den Manteltarifvertrag für die Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft V (im Folgenden MTV 2006). Der MTV 2006 enthält ua. folgende Regelung:
„VII. Altersversorgung
1. |
Arbeitnehmer, die ab dem 01.01.2007 bei einem Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft V eingestellt werden, erhalten eine betriebliche Altersversorgung nach einem neuen einheitlichen System. Die Einzelheiten dieser betrieblichen Altersversorgung werden auf betrieblicher Ebene geregelt. Für die bis zum 31.12.2006 eingestellten Arbeitnehmer gelten die bisherigen Versorgungssysteme weiter.” |
Die Beklagte erhöhte das Ruhegeld des Klägers ab dem Jahr 2009 jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife. Zum 1. Juli 2011 steigerte sie das Ruhegeld um 3,16 vH, zum 1. Juli 2012 um 2,49 vH und zum 1. Juli 2013 um 2,4 vH. Dabei legte die Beklagte die jeweilige prozentuale Tariferhöhung zugrunde und rechnete diese aufgrund der jeweils dreizehnmonatigen Laufzeit des Gehaltstarifvertrags auf einen Zwölf-Monats-Zeitraum um.
Nach dem „Tarifvertrag über die Tabellenvergütung (TVT)” vom 10. April 2013, der erstmals zum 28. Februar 2015 gekündigt werden konnte, wurden die Tabellenvergütungen ua. ab dem 1. April 2014 um 1,8 vH angehoben.
Das Ruhegeld des Klägers belief sich bis zum 30. Juni 2014 auf monatlich 1.099,06 Euro brutto. Zum 1. Juli 2014 erhöhte die Beklagte das Ruhegeld um 1,03 vH und zahlte an den Kläger monatlich 1.110,38 Euro brutto. Diese Anpassung erfolgte auf der Grundlage der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes.
Mit seiner – der Beklagten am 22. Mai 2015 zugestellten – Klage hat der Kläger die Weitergabe der tariflichen Gehaltserhöhung ab dem 1. Juli 2014 begehrt und geltend gemacht, sein Ruhegeld sei nach der BV Soziale Richtlinien an die Entwicklung der Gehaltstarife anzupassen. Die BV 2005.03 sei unwirksam und finde auf sein Versorgungsverhältnis keine Anwendung. Als Betriebsvereinbarung gelte sie nicht für die Betriebsrentner. Die BV 2005.03 sei bereits aus formalen Gründen unwirksam, weil ver.di als Rechtsnachfolgerin der DAG dieser Betriebsvereinbarung ebenso habe zustimmen müssen wie der Aufsichtsrat der Arbeitgeberin. Auch lägen die materiellen Voraussetzungen für eine verschlechternde Neuregelung nicht vor. Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch auf Anpassung des Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife aus betrieblicher Übung. Folglich bestehe ein Anspruch auf eine Erhöhung des Ruhegeldes um 1,96 vH. Die Tariflohnerhöhung von 1,8 vH sei auf zwölf Monate hochzurechnen. Ab Juli 2014 ergebe sich daher eine monatliche Differenz iHv. 10,22 Euro. Weiter habe er Anspruch auf Zahlung eines um 25,87 Euro erhöhten Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 128,07 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab 1. Juli 1986) zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 71,81 Euro brutto zzgl. Zinsen ab dem 23. Mai 2015 verurteilt und die mit dem Antrag zu 2. beantragte Feststellung ausgesprochen. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des die Klage vollständig abweisenden arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte ist nach Nr. 7 BV Soziale Richtlinien in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung verpflichtet, für die Erhöhung des Ruhegeldes des Klägers jeweils die Steigerung der Gehaltstarife zugrunde zu legen. Der Zahlungsantrag ist deshalb im zuletzt noch rechtshängigen Umfang begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag. Dieser ist auf die Feststellung gerichtet, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Anpassung des Ruhegeldes die Steigerung der Gehaltstarife nach Nr. 7 der BV Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung) – die bis zur Änderung dieser Regelung durch die BV 2005.03 unverändert geblieben ist – zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO liegen vor. Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich den Inhalt der der Beklagten obliegenden Verpflichtung, das Ruhegeld des Klägers anzupassen. Von der Entscheidung über diese Frage hängt – zumindest auch – die Entscheidung der Zahlungsklage ab. Eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es daher nicht (BAG 28. Juni 2011 – 3 AZR 282/09 – Rn. 21, BAGE 138, 197).
II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Beklagte ist nach Nr. 7 der BV Soziale Richtlinien in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung verpflichtet, für die Erhöhung und Festsetzung des laufenden Ruhegeldes des Klägers jeweils die Steigerung der Gehaltstarife zugrunde zu legen.
1. Die Feststellungsklage ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht bereits deshalb begründet, weil die BV 2005.03 formell unwirksam wäre. Dies ist nicht der Fall. Die Betriebsvereinbarung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit weder der Zustimmung der Gewerkschaft ver.di noch des Aufsichtsrats der H AG neu.
a) Der Wirksamkeit der BV 2005.03 steht nicht entgegen, dass die Gewerkschaft ver.di ihr nicht zugestimmt hat. Die BV 2005.03 stellt zwar eine Änderung der Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung iSv. II/D Nr. 5.3 Abs. 3 MTV H namentlich der BV Soziale Richtlinien dar. Sie bedarf deshalb nach II/D Nr. 5.3 Abs. 3 MTV H der Zustimmung der Tarifpartner. Sollte nach dieser Regelung überhaupt die Zustimmung einer Gewerkschaft zur Änderung der BV Soziale Richtlinien erforderlich gewesen sein, wäre eine Zustimmung der IG Metall ausreichend.
aa) Es kann dahinstehen, ob es sich beim ursprünglichen, von der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. einerseits und der IG Metall und der DAG andererseits abgeschlossenen MTV H um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag oder um einen Einheitstarifvertrag handelt und ob jedenfalls die Regelung in Abschnitt II/D Nr. 5.3 Abs. 3 eine betriebsverfassungsrechtliche Norm beinhaltet. Daraus ergibt sich allenfalls das Erfordernis einer Zustimmung durch die IG Metall, nicht jedoch durch ver.di.
(1) Sollte es sich beim MTV H um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag handeln (im Zweifel ist hiervon auszugehen, vgl. BAG 8. November 2006 – 4 AZR 590/05 – Rn. 23, BAGE 120, 84), so hätte jede Tarifvertragspartei für sich den Tarifvertrag jeweils kündigen oder eine Änderung vereinbaren können. Dies hätte die IG Metall durch den Änderungstarifvertrag vom 24. Juli 2003 getan und ein Zustimmungserfordernis für die „Tarifpartner”, mithin die tarifschließenden Parteien vereinbart. Ein Zustimmungserfordernis sah der Tarifvertrag auf Gewerkschaftsseite folglich nur für die IG Metall als tarifschließende Gewerkschaft vor. Es ist nicht ersichtlich, dass ver.di einen vergleichbaren Tarifvertrag abgeschlossen hat.
Es spricht auch nichts dafür, dass die DAG einen ähnlichen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die vom Kläger vorgelegte Druckfassung des Tarifvertrags aus dem Jahre 2000, die auf Gewerkschaftsseite neben der IG Metall auch die DAG als Tarifvertragspartei ausweist, zeigt durch eine Fußnote auf, dass die Zustimmungsklausel erst aus dem Jahr 2003 stammt. Damit dokumentiert sie lediglich die Änderung des MTV H durch den mit der IG Metall abgeschlossenen Tarifvertrag vom 24. Juli 2003. Die Vereinbarung einer entsprechenden Klausel im Jahr 2000, als auch die DAG Tarifvertragspartei war, wird dadurch hingegen nicht belegt. Die Änderung im Jahre 2003 kann nicht mehr von der DAG abgeschlossen worden sein, denn diese ging bereits im Jahre 2001 mit anderen Gewerkschaften in ver.di auf.
(2) Sollte es sich beim MTV H um einen Einheitstarifvertrag handeln oder zwar um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag, jedoch die Regelung in Abschnitt II/D Nr. 5.3 Abs. 3 eine betriebsverfassungsrechtliche Norm darstellen und deshalb nur einheitlich geändert werden können, so wäre die Änderung nur durch die IG Metall im Tarifvertrag vom 24. Juli 2003 unwirksam und es bliebe bei der Regelung im MTV H aus dem Jahr 2000. Dort war ein Zustimmungserfordernis jedoch nicht vorgesehen, sondern ausschließlich eine Öffnungsklausel zugunsten betrieblicher Regelungen. Folglich bedürfte die BV 2005.03 auch in diesem Fall keiner Zustimmung der Gewerkschaft ver.di.
bb) Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob der Kläger Mitglied der IG Metall oder der DAG bzw. von ver.di (gewesen) ist oder der MTV H in seiner jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet. Unabhängig vom Geltungsgrund im Rechtsverhältnis des Klägers zur Versorgungsschuldnerin ist eine wirksame Regelung, die eine Zustimmung zur Änderung der BV Soziale Richtlinien auf Gewerkschaftsseite neben der IG Metall von einer weiteren Gewerkschaft erforderte, nicht gegeben.
cc) Mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 haben die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. und die IG Metall die Zustimmung zur BV 2005.03 erteilt. Damit liegt – soweit überhaupt erforderlich – die Zustimmung der tarifschließenden Parteien zur BV 2005.03 vor.
b) Die BV 2005.03 ist auch nicht wegen der fehlenden Zustimmung des Aufsichtsrats der H AG neu unwirksam. Dies gilt selbst dann, wenn – wie vom Kläger vorgebracht – der Aufsichtsrat nach seiner Geschäftsordnung dem Abschluss der BV 2005.03 hätte zustimmen müssen.
Nach § 82 Abs. 1 AktG kann die Vertretungsberechtigung des Vorstands nicht beschränkt werden. Eine gleichwohl vorgenommene Beschränkung ist im Verhältnis zu Dritten jedenfalls unbeachtlich. Dritte brauchen sich um den sachlichen Umfang der Vertretungsbefugnis des Vorstands, soweit nicht gesetzliche Beschränkungen bestehen, nicht zu kümmern (vgl. statt vieler MüKoAktG/Spindler 4. Aufl. § 82 Rn. 7). Zu den Dritten, die von § 82 Abs. 1 AktG geschützt werden, gehören grundsätzlich auch Arbeiter und Angestellte des Unternehmens (vgl. MüKoAktG/Spindler 4. Aufl. § 82 Rn. 53).
Dementsprechend handelt es sich bei einem Zustimmungserfordernis nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, wonach die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen hat, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen, grundsätzlich nur um eine das Innenverhältnis der Gesellschaft betreffende Regelung. Rechtsgeschäfte mit Dritten sind daher auch dann wirksam, wenn sie unter Verstoß gegen das Zustimmungsgebot abgeschlossen werden (vgl. BGH 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10 – Rn. 20; MüKoAktG/Habersack 4. Aufl. § 111 Rn. 129).
2. Der Kläger kann Ansprüche aus der BV Soziale Richtlinien geltend machen. Diese galt bei ihrem Abschluss kollektivrechtlich für das Arbeitsverhältnis des Klägers. Nach den späteren Umstrukturierungen galt sie jedenfalls nach § 613a Abs. 1 BGB für den Kläger fort und blieb damit für das Versorgungsverhältnis verbindlich. Auch die BV 2005.03 findet auf das Versorgungsverhältnis des Klägers grundsätzlich Anwendung. Bei Abschluss der BV 2005.03 stand der Kläger noch in einem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die BV 2005.03 galt nach den weiteren Umstrukturierungen jedenfalls aufgrund von § 613a Abs. 1 BGB für den Kläger weiter. Abweichendes haben die Parteien im Rechtsstreit auch nicht geltend gemacht.
3. Die Neuregelung der BV Soziale Richtlinien durch Abs. 3 BV 2005.03, wonach die Anpassung künftig „unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der H” festgelegt wird, greift in Versorgungsrechte des Klägers ein. Es kann unentschieden bleiben, ob es sich dabei um einen nur geringfügigen oder einen nicht unerheblichen Eingriff handelt. Rechtfertigende Gründe sind nicht gegeben.
a) Nach Abs. 3 BV 2005.03 hat die Beklagte bei der Anpassung des Ruhegeldes eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Kriterien „Entwicklung der Gehaltstarife”, „Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen” und „Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der H” zu treffen. Diese kann auch dazu führen, dass aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Beklagten eine Anpassung vollständig unterbleibt. Dies ergibt die Auslegung der BV 2005.03 nach den für Betriebsvereinbarungen geltenden Grundsätzen (vgl. dazu etwa BAG 8. Dezember 2015 – 3 AZR 267/14 – Rn. 22).
aa) Nach dem Wortlaut der BV 2005.03 erfolgt die jährliche Anpassung der Ruhegeldzahlbeträge, des Weihnachtsgeldes und der Hinterbliebenenbezüge „unter Berücksichtigung” bestimmter Kriterien. „Berücksichtigen” bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch „bei seinen Überlegungen, seinem Handeln beachten, nicht übergehen, in seine Überlegungen einbeziehen” (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „berücksichtigen”). Die Anpassungsentscheidung ist folglich anhand der anschließend genannten Kriterien „Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der H” vorzunehmen. Eine Gewichtung dieser drei Gesichtspunkte ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Lebenshaltungskosten und Realeinkommen werden mit einem „bzw.” verknüpft, was lediglich dafür spricht, dass es sich – aus der Sicht der Betriebsparteien – um denselben Gesichtspunkt handelt.
Gleichrangig neben diesem Aspekt benennt die BV 2005.03 die Entwicklung der Gehaltstarife und die wirtschaftliche Lage der Beklagten. Dies verdeutlicht das Wort „sowie”. „Sowie” dient der Verknüpfung von Gliedern einer Aufzählung (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „sowie”) und bildet ein Synonym ua. für „daneben, darüber hinaus, dazu, des Weiteren, ferner, obendrein, plus, überdies, und [auch/außerdem], weiter[hin], wie auch, zusätzlich” (vgl. Duden Das Synonymwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „sowie”).
bb) Demgegenüber spricht nach dem Wortlaut der BV 2005.03 nichts für die Annahme der Beklagten, die Anpassung erfolge, abhängig von der wirtschaftlichen Lage der H, entweder entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife oder der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen. Wäre ein solches Verständnis von den Betriebsparteien gewollt gewesen, hätten sie – etwa durch den Zusatz „mindestens” – zum Ausdruck gebracht, dass eine Anpassung jedenfalls anhand eines der beiden Kriterien zu erfolgen hat. Außerdem hätten sie die wirtschaftliche Lage nicht gleichrangig in der Aufzählung der die Ermessensentscheidung bestimmenden Kriterien genannt, sondern verdeutlicht, dass die Entscheidung zwischen der Entwicklung der Gehaltstarife einerseits und den Lebenshaltungskosten bzw. Realeinkommen andererseits „abhängig” von der wirtschaftlichen Entwicklung getroffen wird.
b) Nach Abs. 3 BV 2005.03 kann es – je nach der wirtschaftlichen Lage der Beklagten – damit zu einem vollständigen Ausbleiben einer Anpassung kommen. Eine Mindestanpassung in Höhe der Änderung der Lebenshaltungskosten oder der Reallöhne garantiert die BV 2005.03 nicht. Demgegenüber war nach der BV Soziale Richtlinien das Ruhegeld zu bestimmten Zeitpunkten an die Entwicklung der Gehaltstarife anzupassen. Dabei kam es auf die wirtschaftliche Lage der Versorgungsschuldnerin nicht an. Die Neufassung der Anpassungsregelung für die mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer durch Abs. 3 BV 2005.03 führt daher wegen der damit verbundenen Gefahr, dass die Anpassung des Ruhegeldes vollständig unterbleiben oder hinter der Gehaltsentwicklung zurückbleiben kann, zu einem Eingriff in bestehende Versorgungsrechte des Klägers.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Zulässigkeit dieser Verschlechterung am Maßstab für die Ablösung von Versorgungsregelungen durch Betriebsvereinbarungen und nicht nach den für Tarifverträge geltenden Grundsätzen (dazu BAG 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – Rn. 32 ff.) zu messen. Danach kann die Regelung in Abs. 3 BV 2005.03 die vorherige Anpassungsregel in Nr. 7 BV Soziale Richtlinien nicht wirksam ablösen.
aa) Auch wenn nach dem MTV H eine Zustimmung der Tarifpartner zur Betriebsvereinbarung erforderlich sein sollte, erfolgt der Eingriff vorliegend durch eine Betriebsvereinbarung und nicht aufgrund einer Regelung der Tarifvertragsparteien.
Die Tarifvertragsparteien haben den Regelungen in der BV 2005.03 durch ihre Zustimmung mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 – soweit eine solche überhaupt erforderlich war – zwar zur formellen Wirksamkeit verholfen. Gleichwohl führt diese Zustimmung der Tarifvertragsparteien nicht dazu, dass die Regelungen aus der BV 2005.03 nur einer Überprüfung anhand der für Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien geltenden Maßstäbe unterzogen werden könnten. Inhalt, Voraussetzungen und Umfang der betrieblichen Altersversorgung des Klägers sind nicht tariflich geregelt. Der MTV H bestimmt lediglich in allgemeiner Form, dass „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt aus dem Arbeitsverhältnis mit der H AG unter Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand gehen, (…) unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung” haben. Welche Voraussetzungen dies sind, regelt der MTV H nicht. Die Einzelheiten hierzu sind vielmehr in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Der Tarifvertrag selbst stellt deshalb keine unmittelbare Grundlage für Rechte der tarifunterworfenen Arbeitnehmer auf betriebliche Altersversorgung dar. Es bedarf vielmehr der Ausgestaltung durch eine Betriebsvereinbarung. Allein die Zustimmung der Tarifvertragsparteien im Rahmen einer Öffnungsklausel nach § 77 Abs. 3 BetrVG führt nicht dazu, dass aus einer Betriebsvereinbarung eine Regelung der Tarifvertragsparteien wird.
Nichts anderes folgt aus § 36 Abs. 1 Satz 2 und 3 MTV 2006, wonach die Einzelheiten der betrieblichen Altersversorgung auf betrieblicher Ebene geregelt werden und für die bis zum 31. Dezember 2006 eingestellten Arbeitnehmer die bisherigen Versorgungssysteme weitergelten. Damit wurde der Rechtscharakter der bestehenden Versorgungssysteme nicht geändert. Das Zustimmungserfordernis für Änderungen der einschlägigen Betriebsvereinbarungen bewirkt zwar eine eingeschränkte Tariföffnung iSv. § 77 Abs. 3 BetrVG. Die erteilte Zustimmung führt aber nicht dazu, dass die Betriebsvereinbarung zu einer tariflichen Regelung wird oder einer solchen gleichzustellen ist.
Die Tarifvertragsparteien nehmen – trotz des Zustimmungserfordernisses – mit der Öffnungsklausel ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie zurück. Sie überlassen die inhaltliche Gestaltung den Betriebsparteien, die entscheiden, ob und in welchem Umfang Änderungen der bestehenden Versorgungsordnung erfolgen. Jedoch führt die Öffnungsklausel nicht dazu, dass sich der Rechtscharakter der BV 2005.03 als Betriebsvereinbarung in eine tarifliche Regelung wandelt. Der MTV H sieht für Änderungen weder ein Initiativrecht noch eine eigene gestaltende Entscheidung der Tarifvertragsparteien vor. Die Zustimmung bewirkt nur die Dispositivität des Tarifvertrags und beseitigt damit das Hindernis für eine wirksame Gestaltung durch die Betriebsparteien (vgl. Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 501). Die Einschränkung der Prüfungsanforderungen durch die für die Überprüfung ablösender tariflicher Regelungen geltenden Maßstäbe ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die betriebliche Altersversorgung insgesamt von den Tarifvertragsparteien selbst geregelt wird (vgl. BAG 18. September 2012 – 3 AZR 415/10 – Rn. 41 ff., BAGE 143, 90).
bb) Die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien ermöglicht nicht jede Änderung der Versorgungsregelungen. Vielmehr sind sie bei Einschnitten in Versorgungsrechte an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden.
(1) Diese Grundsätze hat der Senat durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert (st. Rspr. seit BAG 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – zu B II 3 c der Gründe, BAGE 49, 57). Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind danach entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtige Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen (BAG 9. Dezember 2008 – 3 AZR 384/07 – Rn. 30). Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und im Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag darf nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich – wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen – dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (BAG 13. Oktober 2016 – 3 AZR 439/15 – Rn. 21 mwN).
(2) Dieses Prüfungsschema ist allerdings auf Eingriffe in die Höhe von Versorgungsanwartschaften, nicht auf Eingriffe in Anpassungsregelungen für Versorgungsanwärter, die noch in einem Arbeitsverhältnis mit der Versorgungsschuldnerin stehen, zugeschnitten. Es ist deshalb auf die dem dreistufigen Prüfungsschema zugrunde liegenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zurückzugreifen. Auch für Einschnitte in Anpassungsregelungen müssen danach schon während des Arbeitsverhältnisses Gründe bestehen, die gerade den vorgenommenen Eingriff tragen. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Neuregelung und den sie tragenden Gründen bestehen (vgl. BAG 28. Juni 2011 – 3 AZR 282/09 – Rn. 47, BAGE 138, 197).
cc) Derartige Gründe hat die Beklagte nicht dargelegt.
(1) Dem Kläger war nach der BV Soziale Richtlinien eine automatische Anpassung seines monatlichen Ruhegeldes entsprechend der Bruttogehaltsentwicklung der Arbeitnehmer bei der H AG alt zugesagt. Durch Abs. 3 BV 2005.03 wurde an die Stelle der Verpflichtung der Beklagten zur Anpassung nach den Gehaltstarifen eine Ermessensentscheidung gesetzt, die – zwar auch – unter Berücksichtigung der Entwicklung der Bruttogehaltstarife bei der H und ihren Rechtsnachfolgern zu erfolgen hat, aber auch die Steigerung der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen und die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin mitberücksichtigen muss. Dadurch wurde eine in ihrer Struktur und Wirkungsweise völlig neue Anpassungsregelung geschaffen, bei der eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der genannten Kriterien erfolgen soll, ohne dass dabei eine Untergrenze im Sinne einer Mindestanpassung bestimmt wurde. Dies setzt Versorgungsempfänger dem Risiko aus, dass eine Anpassung des Ruhegeldes dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum nicht mehr stattfindet, sofern sich die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin ungünstig entwickelt.
(2) Gründe, die die Ersetzung der Anpassungspflicht durch eine nach billigem Ermessen – unter Berücksichtigung der durch die BV 2005.03 geschaffenen und miteinander in Beziehung stehenden Kriterien – zu treffende Anpassungsentscheidung rechtfertigen, hat die Beklagte nicht dargelegt.
(a) Die Beklagte hat geltend gemacht, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Neuregelung in Abs. 3 BV 2005.03 sei wegen der Vereinbarung von IG BCE, ver.di und IG Metall vom 26. September 2003 absehbar gewesen, dass künftig eine am Konzern und dessen wirtschaftlicher Lage ausgerichtete Tarifpolitik stattfinde und sich damit auch die Gehaltsentwicklung am Konzern orientieren werde. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten, die bei Abschluss der Gehaltstarifverträge zuvor berücksichtigt worden sei, werde sich künftig nicht mehr unmittelbar widerspiegeln. Bei konzernweit einheitlichen Gehaltstarifverträgen bestehe die Besorgnis, dass die wirtschaftliche Lage der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt werde. Um die Beklagte nicht zu überfordern, sei die BV 2005.03 abgeschlossen worden.
Diese Begründung trägt die Verschlechterung nicht. Die Betriebsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, die BV Soziale Richtlinien lediglich insoweit zu ergänzen, als dass die Anpassung des Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife unterbleiben kann, wenn die wirtschaftliche Lage der Versorgungsschuldnerin dies wegen einer konzernweiten Gehaltsentwicklung erfordert, weil die Beklagte – etwa im Vergleich zu anderen Konzernunternehmen – übermäßig belastet ist. Vielmehr haben die Betriebsparteien eine gänzlich neue – in sich geschlossene – Regelung geschaffen, die mehrere Kriterien für die Anpassung des Ruhegeldes enthält und der Beklagten bei der Festlegung einen Ermessensspielraum eröffnet. Ein innerer Zusammenhang der Neuregelung zur konzerneinheitlichen Tarifpolitik ist deshalb nicht erkennbar.
(b) Die Beklagte führt zudem zur Rechtfertigung der Änderung aus, es solle durch die Neuregelung eine „Überversorgung” abgebaut werden. Die Anpassung der Ruhegelder entsprechend den Gehaltstarifen führe bei gleichen Steigerungen zu einer Besserstellung der Versorgungsempfänger gegenüber den aktiven Beschäftigten, da ihre Belastung mit Sozialabgaben und Steuern geringer sei als bei den Aktiven.
Auch insoweit fehlt jedenfalls ein innerer Zusammenhang zwischen der neugefassten Anpassungsregelung in Abs. 3 BV 2005.03 und dem Abbau einer „Überversorgung”. Diese wäre etwa durch eine Begrenzung der Anpassung anhand der Reallohnentwicklung möglich, erfordert aber keine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung weiterer Kriterien. Deshalb kann dahinstehen, ob eine „Überversorgung” schon deswegen nicht vorliegt, weil die von der Beklagten beanstandete Entwicklung von vornherein in der BV Soziale Richtlinien angelegt war.
(c) Auch die von der Beklagten vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe können die Änderung der BV Soziale Richtlinien nicht rechtfertigen. Die Beklagte hat lediglich pauschal auf die wirtschaftliche Entwicklung des Konzerns nach der Atomkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 und die Einbußen aufgrund des Atomausstiegs und auf den damit verbundenen Abbau von Arbeitsplätzen hingewiesen. Diese Gründe – so sie überhaupt einen inneren Zusammenhang mit der Neuregelung aufweisen – sind sämtlich erst lange nach dem Inkrafttreten der BV 2005.03 eingetreten und waren im Jahr 2005/2006 nicht absehbar.
d) Der Verstoß von Abs. 3 BV 2005.03 gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit führt nicht zur Unanwendbarkeit der BV 2005.03 insgesamt, sondern hat lediglich zur Folge, dass die Regelung in Abs. 3 BV 2005.03 nicht zur Anwendung gelangt. Die Abs. 1 und 2 und ggf. 4 enthalten – auch ohne die Bestimmung in Abs. 3 – noch eine sinnvolle und praktisch handhabbare Regelung (vgl. BAG 5. Mai 2015 – 1 AZR 435/13 – Rn. 20; 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – zu B II 2 c ee (4) (b) der Gründe, BAGE 114, 162), die von den Gründen der Unanwendbarkeit nicht betroffen ist. Abs. 1 BV 2005.03 schreibt den Anpassungsstichtag auf den Anpassungstermin in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit den 1. Juli eines Jahres (§ 65 SGB VI) fest. Abs. 2 bestimmt die Maßgeblichkeit des 1. Juli auch für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Abs. 4 befasst sich mit der Gruppe der vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Die Anpassungsentscheidung für ehemalige Arbeitnehmer, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gestanden haben, hat demnach anhand der Entwicklung der Gehaltstarife und zwar zum 1. Juli eines jeden Jahres zu erfolgen, unabhängig davon, ob sie bei Inkrafttreten der BV 2005.03 bereits Versorgungsempfänger waren oder es erst danach wurden.
Demgegenüber kommt eine teilweise Aufrechterhaltung der Anpassungsregelung in Abs. 3 BV 2005.03 nicht in Betracht, da sich die Gründe für deren Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit auf die Regelung insgesamt beziehen.
III. Der Zahlungsantrag ist hinsichtlich eines Betrages von 71,81 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23. Mai 2015 begründet.
1. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte für die noch streitgegenständlichen Monate September 2014 bis April 2015 monatlich jeweils 6,82 Euro zu. Dabei handelt es sich um die monatliche Differenz zwischen der gewährten Erhöhung des Ruhegeldes um 1,03 vH zur zuletzt erstrebten Erhöhung um 1,65 vH, mithin um 0,62 vH bezogen auf das Ruhegeld für Juni 2014. Für die acht Monate von September 2014 bis einschließlich April 2015 ergibt sich ein Betrag iHv. 54,56 Euro (6,82 Euro/Monat × 8 Monate) brutto.
2. Der Kläger kann auch ein um 17,25 Euro brutto höheres Weihnachtsgeld für 2014 beanspruchen. Ausgehend von einem Weihnachtsgeld im Jahr 2013 iHv. 2.781,83 Euro und einer Zahlung im Jahr 2014 iHv. 2.810,48 Euro ergibt sich bei einem Anspruch iHv. 2.827,73 Euro (2.781,83 Euro × 1,0165) eine Differenz iHv. 17,25 Euro (2.827,73 Euro – 2.810,48 Euro).
3. Die Rückstände für die Monate September 2014 bis April 2015 einschließlich des Weihnachtsgeldes 2014 belaufen sich demnach auf 71,81 Euro brutto (54,56 Euro + 17,25 Euro).
4. Der Zinsanspruch des Klägers besteht nach § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab dem Tag nach der am 22. Mai 2015 erfolgten Zustellung der Klage (BAG 16. Mai 2017 – 9 AZR 377/16 – Rn. 40; 20. September 2016 – 3 AZR 411/15 – Rn. 60, BAGE 156, 196). Zinsen kann der Kläger daher – wie vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt – ab dem 23. Mai 2015 verlangen.
IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Zwanziger, Spinner, Ahrendt, Hormel, Schepers
Fundstellen
Haufe-Index 11250895 |
BB 2017, 2422 |
DB 2017, 7 |