Entscheidungsstichwort (Thema)
Praktische Tätigkeit iSd. § 7 RettAssG. Anspruch auf angemessene Vergütung
Orientierungssatz
1. Der praktischen Tätigkeit nach § 7 RettAssG lag regelmäßig ein Vertragsverhältnis iSd. § 26 BBiG zugrunde. Der Praktikant hatte in diesen Fällen einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG.
2. Bei dem Merkmal „angemessene Vergütung” in § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung durch das Landesarbeitsgericht unterliegt damit nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht.
3. Wenn einschlägige tarifliche Regelungen als Anhaltspunkt für die Ermittlung der angemessenen Vergütung fehlen, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt werden, eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Gewerbezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt oder auf Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen zurückgegriffen werden. Hierbei können auch Tarifverträge, die räumlich oder zeitlich nicht einschlägig sind, ein Anhaltspunkt und eine Orientierungshilfe bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung sein.
Normenkette
BBiG § 17 Abs. 1 S. 1, §§ 25-26
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 26.06.2014; Aktenzeichen 3 Sa 230/12) |
ArbG Dessau (Urteil vom 21.03.2012; Aktenzeichen 11 Ca 68/11) |
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Juni 2014 – 3 Sa 230/12 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Vergütung für seine praktische Tätigkeit beim Beklagten während seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten.
Nachdem der Kläger die Ausbildung zum Rettungssanitäter erfolgreich abgeschlossen und die theoretische Prüfung zum Rettungsassistenten bestanden hatte, absolvierte er vom 1. November 2009 bis zum 31. Oktober 2010 im Rahmen der Ausbildung zum Rettungsassistenten in der DRK-Lehrrettungswache des Beklagten in J ein Praktikum auf der Grundlage des § 7 RettAssG. Die Parteien schlossen am 26. Oktober 2009 einen „Praktikantenvertrag zur Ausbildung als Rettungsassistent/-in”. Dieser lautete auszugsweise: „§ 1 Einsatzbereich/Tätigkeit
Der Praktikant wird in der Zeit vom 01.11.2009 bis 31.10.2010 entsprechend dem gültigen Ausbildungsplan der Lehrrettungswachen zum Erwerb von praktischen Erfahrungen und Kenntnissen im Fachbereich Rettungsdienst in der DRK Lehrrettungswache eingesetzt.
Die Ausbildungszeit beträgt minimal 1.600 Stunden (Vollzeit).
§ 2 Vergütung/Urlaub
Der Praktikant erhält keine Vergütung durch die Firma. …”
Der Kläger war nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Der Beklagte gehörte keinem Arbeitgeberverband an.
Der Beklagte zahlt seit dem 1. Januar 2011 auf der Grundlage der zwischen ihm und dem bei ihm bestehenden Betriebsrat am 18. November 2010 abgeschlossenen „Betriebsvereinbarung im Bereich Rettungsdienst über die Vergütung von Praktikanten/-innen während der rettungsdienstlichen Ausbildung im praktischen Jahr zum/-r Rettungsassistenten/-in” den Praktikanten und Praktikantinnen ab dem dritten Ausbildungsmonat eine monatliche Vergütung iHv. 325,00 Euro brutto.
Der Kläger erhielt während der Zeit des Praktikums beim Beklagten keine Vergütung. Mit Schreiben vom 11. Januar 2011 forderte der Kläger unter Hinweis auf ein Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30. September 2005 (– 3 Sa 542/04 –) den Beklagten ohne Erfolg auf, ihm für die Zeit des geleisteten Praktikums bis zum 31. Januar 2011 die Tarifvergütung nach dem zwischen dem DRK-Bundesverband und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag – Tarifgebiet neue Bundesländer – zu zahlen. Dieser Tarifvertrag sah für Praktikanten in der Ausbildung zum Rettungsassistenten ab dem 1. Januar 2002 eine Monatsvergütung iHv. 974,67 Euro brutto vor.
Mit seiner dem Beklagten am 24. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, für seine Tätigkeit betrage die angemessene und ortsübliche Vergütung 7,67 Euro brutto pro Stunde. Er hat behauptet, ab dem 1. Januar 2010 sei er vom Beklagten als Rettungssanitäter eingesetzt worden. Insgesamt habe er im Rahmen des „Praktikantenvertrags” 2.283 Stunden für den Beklagten geleistet.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 17.510,61 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2011 zu zahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe gemäß § 2 des „Praktikantenvertrags” keine Vergütung zu. Dieser sei bei ihm nicht als Arbeitnehmer, sondern als Praktikant tätig geworden. Der Vortrag des Klägers zur angemessenen Vergütung sei unsubstanziiert.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 3.250,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2011 zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, an den Kläger weitere 8.450,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2011 zu zahlen. Die Anschlussberufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter und beantragt widerklagend, den Kläger zu verurteilen, an ihn 13.478,65 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.480,92 Euro seit dem 20. Juni 2012 und aus 9.997,73 Euro seit dem 18. November 2014 zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anschlussberufung des Beklagten zu Recht zurückgewiesen und der Berufung des Klägers zu Recht teilweise stattgegeben. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 11.700,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2011 als Vergütung gemäß §§ 26, 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG. Die Vereinbarung in § 2 des „Praktikantenvertrags”, nach der dem Kläger keine Vergütung zusteht, verstößt gegen das Unabdingbarkeitsgebot des § 25 BBiG und ist daher nichtig. Der Beklagte hat bezüglich der vom Landesarbeitsgericht als angemessen angenommenen Vergütung für die praktische Tätigkeit des Klägers keinen revisiblen Rechtsfehler aufgezeigt.
I. Die §§ 26, 17 BBiG finden auf das Rechtsverhältnis der Parteien Anwendung. Diese Regelungen wurden nicht durch speziellere Vorschriften des RettAssG verdrängt. Dies hat der Senat in dem Urteil vom 29. April 2015 (– 9 AZR 78/14 – Rn. 8 ff.) näher begründet. Die Revision zieht die Anwendbarkeit der §§ 26, 17 BBiG nicht in Zweifel.
II. Ohne revisiblen Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass eine Vergütung iHv. 975,00 Euro brutto pro Monat angemessen iSd. § 17 BBiG war.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die Regelung ist – wie schon die Vorgängernorm § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG in der bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung (aF) – nur eine Rahmenvorschrift und legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest (BAG 22. Januar 2008 – 9 AZR 999/06 – Rn. 32, BAGE 125, 285; vgl. auch BT-Drs. V/4260 S. 9). Bei fehlender Tarifbindung ist es Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung zu vereinbaren. Sie haben dabei einen Spielraum. Die richterliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die als noch angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung (BAG 29. April 2015 – 9 AZR 78/14 – Rn. 28 mwN).
2. Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge (st. Rspr., zuletzt BAG 29. April 2015 – 9 AZR 108/14 – Rn. 20 mwN). Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt. Die Ergebnisse kollektiv ausgehandelter Tarifvereinbarungen haben die Vermutung der Angemessenheit für sich (BAG 21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13 – Rn. 29 mwN, BAGE 148, 139). Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht angemessen iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 vH unterschreitet (BAG 26. März 2013 – 3 AZR 89/11 – Rn. 11 mwN). Wenn einschlägige tarifliche Regelungen fehlen, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt werden, eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Gewerbezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt oder auf Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen zurückgegriffen werden (st. Rspr., zuletzt BAG 29. April 2015 – 9 AZR 78/14 – Rn. 30 mwN). Hierbei können auch Tarifverträge, die räumlich oder zeitlich nicht einschlägig sind, ein Anhaltspunkt und eine Orientierungshilfe bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung sein.
3. Die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung durch das Landesarbeitsgericht unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Bei dem Merkmal der „angemessenen Vergütung” in § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (BAG 17. März 2015 – 9 AZR 732/13 – Rn. 11; vgl. zur Angemessenheit iSd. § 32 UrhG ebenso BVerfG 23. Oktober 2013 – 1 BvR 1842/11, 1 BvR 1843/11 – Rn. 84, BVerfGE 134, 204; zum angemessenen Zuschlag iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 156/15 – Rn. 23). Bezüglich seiner Anwendung ist revisionsrechtlich lediglich zu überprüfen, ob das Urteil das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lässt und ob das Landesarbeitsgericht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BAG 29. April 2015 – 9 AZR 78/14 – Rn. 29 mwN; vgl. auch BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 36).
4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht nicht rechtsfehlerhaft zur Bestimmung der angemessenen Vergütung – mangels einer einschlägigen tariflichen Regelung – auf die für Praktikanten und Auszubildende beim Deutschen Roten Kreuz abgeschlossenen Tarifverträge abgestellt.
a) Soweit der Beklagte meint, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Dezember 2005 (– 6 AZR 224/05 –) lasse es nicht zu, „Anhaltspunkte” aus nicht einschlägigen Tarifverträgen als Maßstab heranzuziehen, verkennt er, dass der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in dem Urteil darauf hingewiesen hat, dass im Falle des Fehlens einer tariflichen Regelung auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden kann (BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 224/05 – Rn. 12). Im Einklang hiermit hat das Landesarbeitsgericht ua. auf die tarifliche Vergütung für die praktische Tätigkeit in der Ausbildung zum Rettungsassistenten im Tarifvertrag des Bayerischen Roten Kreuzes abgestellt. Das Praktikumsverhältnis der Parteien unterfiel zwar nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags. Im Übrigen ist zu beachten, dass das Landesarbeitsgericht gegenüber der in diesem Tarifvertrag vorgesehenen Vergütung iHv. 988,38 Euro brutto einen – wenn auch nicht sehr hohen – Abschlag vorgenommen und die tarifliche Regelung nicht ohne Weiteres übernommen hat.
b) Darüber hinaus hat sich das Landesarbeitsgericht an dem räumlich und fachlich einschlägigen Änderungstarifvertrag vom 1. August 2000 zum 1. Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (DRK-TV-O) vom 1. Januar 1991 orientiert, dem zufolge die tarifliche Vergütung für Praktikanten monatlich 974,67 Euro brutto betrug. Der Beklagte beschränkt sich im Rahmen seiner Revisionsbegründung darauf, auf die Kündigung dieses Tarifvertrags zum 31. Dezember 2001 hinzuweisen. Er zeigt aber keine Umstände auf, aus denen sich ergeben könnte, dass eine Vergütung, die die Tarifvertragsparteien im Jahr 2001 für angemessen hielten, im Jahr 2010 nicht mehr angemessen war. Schon im Hinblick auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten über einen Zeitraum von fast zehn Jahren, ist nicht ersichtlich, wieso nur eine geringere Vergütung angemessen sein sollte. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass sich die Vergütung der Praktikanten nach dem DRK-TV-O an dem Tarifvertrag für die Praktikantinnen und Praktikanten des öffentlichen Dienstes (TV-Prak-O) orientierte. Nach § 8 des vom Kläger eingereichten Tarifvertrags für Praktikantinnen/Praktikanten des öffentlichen Dienstes (TVPöD) vom 27. Oktober 2009 beträgt das monatliche Entgelt für Praktikanten für den Beruf des Rettungsassistenten 1.201,25 Euro. Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes hielten 2009 mithin eine wesentlich höhere Vergütung für angemessen als noch beim Tarifabschluss im Jahr 2000. Hierauf geht die Revision nicht ein.
c) Auch soweit das Landesarbeitsgericht die Vergütung der Auszubildenden nach dem Tarifvertrag der Landestarifgemeinschaft des DRK-Landesverbands Sachsen-Anhalt (DRK-TV LSA) idF vom 23. November 2009 berücksichtigt hat, ist ein revisibler Rechtsfehler weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Soweit der Beklagte in der Revisionsbegründung darauf verweist, dieser Tarifvertrag sei nicht einschlägig, weil er kein Mitglied der Landestarifgemeinschaft sei, so ist die fehlende Tarifgebundenheit zwischen den Parteien unstreitig. Es handelt sich jedoch um einen räumlich und branchenmäßig einschlägigen Tarifvertrag, der zur Ermittlung der Verkehrsanschauung herangezogen werden kann. Soweit der Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 2009 (– 5 AZR 436/08 – BAGE 130, 338) ferner rügt, es sei vom Kläger zu keinem Zeitpunkt dargetan worden, dass mehr als 50 vH der Arbeitgeber des Wirtschaftsgebiets tarifgebunden seien oder die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 vH der Arbeitnehmer des Wirtschaftsgebiets beschäftigten, verkennt er, dass es nach § 17 Abs. 1 BBiG auf die Angemessenheit der Vergütung, nicht auf ihre Üblichkeit ankommt. Der Auszubildende muss nicht darlegen, dass die beanspruchte Vergütung in dem betreffenden Wirtschaftszweig bzw. -gebiet üblicherweise gezahlt wird (vgl. BAG 29. April 2015 – 9 AZR 108/14 – Rn. 26; siehe zu § 6 Abs. 5 ArbZG, wo der Arbeitgeber die Darlegungslast für die Angemessenheit des Zuschlags trägt: BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 33). Insofern besteht ein erheblicher Unterschied zwischen der Frage der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung und der Frage des Lohnwuchers. Eine Ausbildungsvergütung, die so hoch ist, dass sie noch nicht gegen die guten Sitten verstößt, muss noch nicht angemessen sein (BAG 29. April 2015 – 9 AZR 108/14 – Rn. 23).
d) Auch soweit das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, dass weitere begründete Anhaltspunkte für die Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung für einen Praktikanten in der Ausbildung zum Rettungsassistenten nicht ersichtlich sind, zeigt die Revision keine neuen Anhaltspunkte auf. Insbesondere hat der Beklagte keine tariflichen Regelungen oder Ähnliches in den Prozess eingeführt, aus der sich die Angemessenheit einer geringeren Vergütung ergeben könnte. Aus der von dem Beklagten mit seinem Betriebsrat am 18. November 2010 geschlossenen Betriebsvereinbarung lässt sich eine Unangemessenheit der vom Landesarbeitsgericht als angemessen angesehenen Vergütung schon deshalb nicht entnehmen, weil diese erst nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb des Beklagten in Kraft getreten ist. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung im Hinblick auf § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keiner Erörterung.
III. Die Forderung des Klägers ist jedenfalls ab 1. Februar 2011 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen. Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben vom 11. Januar 2011 erfolglos zur Zahlung bis zum 31. Januar 2011 aufgefordert.
IV. Die Widerklage ist nicht zur Entscheidung angefallen. Der Antrag steht unter der prozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Klageabweisungsantrag. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Suckow ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Brühler, Klose, Merte, Spiekermann
Fundstellen
Haufe-Index 9490841 |
BB 2016, 1651 |