Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen unterlassener Pauschalbesteuerungrungs. Aufklärungs- und Hinweispflicht des Arbeitgebers. Schadensersatz. geringfügige Beschäftigung. unterlassene Pauschalbesteuerung
Orientierungssatz
1. Nach § 40a Abs. 2 EStG besteht bei geringfügiger Beschäftigung eine Wahlmöglichkeit des Arbeitgebers zwischen der Pauschalbesteuerung und der individuellen Besteuerung nach Lohnsteuerkarte. Die Bestimmung enthält keine Regelung einer Einschränkung der arbeitgeberseitigen Wahlmöglichkeit. Eine diesbezügliche Aufklärungs- oder Hinweispflicht des Arbeitgebers ist weder in § 40a Abs. 2 EStG noch anderweitig gesetzlich geregelt.
2. Dem Arbeitgeber obliegt es grundsätzlich nicht, bei geringfügiger Beschäftigung darauf hinzuweisen, dass nicht von der Möglichkeit im Rahmen des § 40a Abs. 2 EStG Gebrauch gemacht werden soll, statt der individuellen Besteuerung nach Lohnsteuerkarte die Pauschalbesteuerung zu wählen. Eine nicht gewählte und daher nicht zur Anwendung kommende Abweichung von der Regelbesteuerungsart bedarf keines Hinweises. Ein Arbeitnehmer, der besonderen Wert darauf legt, dass diese Sonderbesteuerungsart für sein Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, hat die Möglichkeit, von sich aus nachzufragen und ggf. eine entsprechende Vereinbarung vorzuschlagen.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 280 Abs. 1; EStG § 38 Abs. 2 S. 1, § 40 Abs. 3 S. 2, § 40a Abs. 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 02.07.2013; Aktenzeichen 14 Sa 22/13) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 06.12.2012; Aktenzeichen 5 Ca 392/12) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 2. Juli 2013 – 14 Sa 22/13 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 1.263,95 Euro im Zusammenhang mit der Besteuerung des Entgelts aus einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Mini-Job).
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung geistig behinderter Menschen. Die Klägerin war bei ihm von Januar bis Oktober 2010 als Betreuerin beschäftigt. Für die ersten beiden Monate – Januar und Februar 2010 – wurde eine pauschale steuerfreie Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 26 EStG in Höhe von insgesamt 2.100,00 Euro gezahlt. Von März bis Oktober 2010 erfolgte die Tätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung für 400,00 Euro monatlich, insgesamt 3.200,00 Euro. Zum 1. März 2010 hatte die verheiratete Klägerin dem Beklagten auf Aufforderung ihre – auf die Steuerklasse III ausgestellte – Lohnsteuerkarte für das Jahr 2010 vorgelegt.
Der Beklagte machte nicht von der Wahlmöglichkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer für geringfügig Beschäftigte nach § 40a Abs. 2 EStG Gebrauch, die für ihn zu einer steuerlichen Belastung – bezogen auf den gesamten Zeitraum der geringfügigen Beschäftigung – von insgesamt 64,00 Euro (2 % Pauschalsteuer auf 3.200,00 Euro) geführt hätte. Er rechnete am Ende des Arbeitsverhältnisses das von der Klägerin für den Zeitraum von März bis Oktober 2010 bezogene Entgelt nach der Steuerklasse III ab und übermittelte die Lohnsteuerbescheinigung an das zuständige Finanzamt.
Hätte der Beklagte statt der Abrechnung nach der Steuerklasse III die Pauschalsteuer gewählt, hätten die Klägerin und ihr Ehegatte im Zuge der steuerlichen Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) für das Jahr 2010 insgesamt 1.327,95 Euro weniger Steuern zahlen müssen.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten in Höhe des Differenzbetrages von 1.263,95 Euro (1.327,95 Euro abzüglich 64,00 Euro) zu. Der Beklagte habe sie darauf hinweisen müssen, dass er nach Lohnsteuerkarte abrechnen wolle und dies angesichts der von der Klägerin gewählten Lohnsteuerklasse III und gemeinsamer steuerlicher Veranlagung der Ehegatten ggf. im Vergleich zur Pauschalbesteuerung zu steuerlichen Nachteilen führen könne. Ggf. habe er sein Wahlrecht zwischen den Abrechnungsvarianten im Sinne arbeitsvertraglicher Fürsorgepflicht ausüben müssen. Er habe dabei die Möglichkeit gehabt, die Pauschalsteuer im Innenverhältnis auf die Klägerin abzuwälzen, zu deren Zahlung sie im Übrigen auch bereit gewesen sei. Bei der Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte sei sie davon ausgegangen, diese werde nur zur Vervollständigung der Personalakte benötigt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.263,95 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10. November 2012 zu zahlen,
hilfsweise
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin und ihren Ehemann S, als Gesamthandsgläubiger 1.263,95 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10. November 2012 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein Schadensersatzanspruch sei nicht gegeben. Es bestehe schon keine Hinweis- bzw. Aufklärungspflicht zu steuerlichen Angelegenheiten der Klägerin, zudem habe ihr bei Abgabe der Lohnsteuerkarte – die für eine Pauschalbesteuerung nicht erforderlich sei – klar sein müssen, dass danach abgerechnet werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz eines entstandenen Steuernachteils.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Den Beklagten treffe keine Schadensersatzpflicht, denn er sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über die beabsichtigte Abrechnungsart nach Steuerkarte mit der Lohnsteuerklasse III gesondert zu informieren und sie auf etwa daraus entstehende Nachteile hinzuweisen. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Hinweise nach Kenntnisnahme von persönlichen, auf die Privatsphäre des Arbeitnehmers bezogenen Daten zu geben. Zudem habe der Beklagte mit der Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte deutlich gemacht, dass danach abgerechnet werden solle.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I. Schuldner der Lohnsteuer ist gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber haftet zwar für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Soweit diese Haftung reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG). Dabei erfüllt der Arbeitgeber jedoch eine fremde Schuld. Im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander ist grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung (BAG 17. März 2010 – 5 AZR 301/09 – Rn. 17 mwN, BAGE 133, 332; 16. Juni 2004 – 5 AZR 521/03 – zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 111, 131).
Eine Ausnahme von dieser Regel gilt jedoch für die pauschale Lohnsteuer. Schuldner dafür ist nach § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG der Arbeitgeber. Darunter fällt auch die nach § 40a Abs. 2 EStG mögliche Pauschalbesteuerung bei geringfügiger Beschäftigung.
Ausnahmsweise kann im Innenverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer der klar erkennbare Parteiwille dahin gehen, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen (ua. BAG 17. März 2010 – 5 AZR 301/09 – Rn. 17 mwN, BAGE 133, 332; 16. Juni 2004 – 5 AZR 521/03 – zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 111, 131).
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf den mit der Klage geforderten Betrag.
1. Zur Begründung der Klageforderung ist von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht vorgetragen worden, dass eine Vereinbarung der Parteien besteht, nach der in ihrem Verhältnis der Arbeitgeber die Steuerlast tragen soll.
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 241 BGB. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin bzw. der Klägerin und ihrem Ehegatten den Betrag der zusätzlich angefallenen Steuern wegen einer Pflichtverletzung zu ersetzen. Der Beklagte hat sich weder bei der Ausübung der Wahlmöglichkeit nach § 40a Abs. 2 EStG noch damit im Zusammenhang – etwa durch einen der Klägerin gegenüber unterlassenen Hinweis – pflichtwidrig iSd. § 280 Abs. 1 BGB verhalten.
a) Eine gesetzliche Nebenpflicht des Arbeitgebers ist nicht verletzt.
Nach § 40a Abs. 2 EStG besteht bei geringfügiger Beschäftigung eine Wahlmöglichkeit des Arbeitgebers zwischen der Pauschalbesteuerung und der individuellen Besteuerung nach Lohnsteuerkarte. Die Bestimmung enthält keine Regelung einer Einschränkung der arbeitgeberseitigen Wahlmöglichkeit. Eine diesbezügliche Aufklärungs- oder Hinweispflicht des Arbeitgebers ist weder in § 40a Abs. 2 EStG noch anderweitig gesetzlich geregelt.
b) Auch eine Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers ist nicht verletzt.
aa) Die Parteien des Arbeitsverhältnisses sind gehalten, auf die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des jeweils anderen Vertragspartners Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB). Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer. Daraus können sich Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben (vgl. ua. BAG 15. April 2014 – 3 AZR 288/12 – Rn. 43 mwN; 16. Februar 2012 – 8 AZR 242/11 – Rn. 58; 27. Januar 2011 – 8 AZR 280/09 – Rn. 37 mwN), deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auslösen kann (vgl. BAG 24. September 2009 – 8 AZR 444/08 – Rn. 14).
Die arbeitsrechtlichen Nebenpflichten des Arbeitgebers beschränken sich nicht darauf, den Arbeitnehmern keine falschen und unvollständigen Auskünfte zu erteilen (vgl. etwa BAG 23. Mai 1989 – 3 AZR 257/88 – zu 2 b der Gründe mwN). Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben (BAG 15. April 2014 – 3 AZR 288/12 – Rn. 44). Grundsätzlich hat allerdings innerhalb vertraglicher Beziehungen jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen (ua. BAG 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 – Rn. 28; BGH 19. Juli 2012 – III ZR 71/12 – Rn. 21 mwN). Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (BAG 15. April 2014 – 3 AZR 288/12 – Rn. 44 mwN).
bb) Danach hat der Beklagte nicht gegen Hinweis- und Aufklärungspflichten verstoßen.
(1) Der Beklagte war nicht gehalten, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung ist. Diese grundlegende steuerrechtliche Regelvorgabe bedarf keines arbeitgeberseitigen Hinweises.
(2) Dem Beklagten oblag es auch nicht, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass er nicht von der Möglichkeit im Rahmen des § 40a Abs. 2 EStG Gebrauch macht, statt der „normalen” individuellen Besteuerung nach Lohnsteuerkarte die Pauschalbesteuerung zu wählen. Eine nicht gewählte und daher nicht zur Anwendung kommende Abweichung von der Regelbesteuerungsart bedarf keines Hinweises. Ein Arbeitnehmer, der besonderen Wert darauf legt, dass diese Sonderbesteuerungsart für sein Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, hat die Möglichkeit, von sich aus nachzufragen und ggf. eine entsprechende Vereinbarung vorzuschlagen.
(3) Im vorliegenden Fall kommt hinzu – ohne dass es darauf ankäme –, dass der Beklagte mit der Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte (die im Fall der Wahl der Ausnahme der Pauschalbesteuerung nicht erforderlich ist) zum 1. März 2010 als Beginn der geringfügigen Beschäftigung zum Ausdruck gebracht hat, nach der Regelbesteuerung zu verfahren. Mit der Aufforderung zur Abgabe der Lohnsteuerkarte musste die Klägerin davon ausgehen, dass diese auch zum Einsatz kommen soll.
(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht gehalten, sie angesichts ihres Familienstands und/oder der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse darauf aufmerksam zu machen, dass die Regelbesteuerung in ihrem Fall mit Nachteilen verbunden sein könnte. Die für den Arbeitnehmer – und ggf. dessen Ehegatten – individuell bestehenden steuerrechtlichen Belange betreffen nicht das Arbeitsverhältnis.
3. Auf die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen zur weiteren Aufklärung und ggf. Beweiserhebung kommt es nach allem nicht an.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Breinlinger, Winter, N. Reiners, Andreas Henniger
Fundstellen
Haufe-Index 7556165 |
BB 2015, 250 |
DB 2015, 503 |
DStR 2015, 433 |