Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnzahlung an Feiertagen bei Schlechtwetter

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Baugewerbe ist Lohn nach dem Lohnausfallprinzip auch für Feiertage zu zahlen, an denen die Arbeit wegen Schlechtwetter ausgefallen wäre. Der Feiertagslohn beschränkt sich nicht auf die Höhe des Schlechtwettergeldes.

 

Normenkette

TVG § 1; AFG § 85; FeiertLohnzG § 1; BauRTV § 4 Fassung 1981-02-03

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 27.07.1984; Aktenzeichen 4 Sa 270/84)

ArbG München (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen 19 Ca 6519/82)

ArbG München (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen 19 Ca 6518/82)

ArbG München (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen 19 Ca 6520/82)

ArbG München (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen 19 Ca 6521/82)

 

Tatbestand

Die Kläger sind bei den in München ansässigen beklagten Bauunternehmen als Arbeiter beschäftigt. Im Januar 1982 haben sie wegen ungünstiger Witterungsbedingungen nicht gearbeitet und bezogen in dieser Zeit Schlechtwettergeld nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes. Für Mittwoch, den 6. Januar 1982, der in Bayern gesetzlicher Feiertag ist, haben die Beklagten den Klägern den tariflichen Stundenlohn bezahlt.

Die Kläger meinen, ihnen stünde der Lohn zu, den sie erzielt hätten, wenn sie am 6. Januar 1982 hätten arbeiten können. Dies ergebe sich aus § 4 Nr. 5.1 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Bau), nach dem der Lohnausfall für gesetzliche Wochenfeiertage auch dann zu vergüten sei, wenn die Arbeit wegen ungünstiger Witterung an diesen Tagen ausgefallen wäre. Mit der Klage machen sie daher die Differenzbeträge zwischen dem von den Beklagten gezahlten Tariflohn und ihrem Effektivlohn geltend, den sie erzielt hätten, wenn am 6. Januar 1982 gearbeitet worden wäre. Sie haben die in ihrer rechnerischen Höhe unstreitigen Klagebeträge innerhalb der tariflichen Ausschlußfristen form- und fristgerecht geltend gemacht.

Die Kläger haben demgemäß beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an die Klä-

ger zu 1 bis 9 je DM 125,19 brutto, an

die Kläger zu 10 bis 16 je DM 117,27

brutto, an die Kläger zu 17 bis 22 je

DM 132,84 brutto und an die Kläger zu 23

und 24 je DM 62,74 brutto, jeweils zu-

züglich 4 % Zinsen aus dem sich ergeben-

den Nettobetrag seit 1. Februar 1982 zu

zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie meinen, sie hätten für den 6. Januar 1982 den Klägern bereits mehr bezahlt, als diesen zustehe. Nach dem Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen in Verbindung mit dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe könnten die Kläger für den 6. Januar 1982 nur Lohn in Höhe des Schlechtwettergeldes beanspruchen.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landesarbeitsgericht den Klagen stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kläger beantragen Zurückweisung der Revision unter Beschränkung des Zinsanspruchs auf die Zeit ab 15. Februar 1982.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klagen mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die Beklagten sind verpflichtet, den Klägern für den 6. Januar 1982 den vollen Lohn zu zahlen, dessen rechnerische Höhe entsprechend den Klageanträgen unstreitig ist. Dies folgt aus § 4 Nr. 5.1 BRTV- Bau.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 (BRTV-Bau) kraft Allgemeinverbindlichkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Klageforderungen ist danach § 4 Nr. 5.1 BRTV-Bau heranzuziehen, der lautet:

Wird die Arbeitsleistung infolge ungünstiger

Witterung unmöglich, so entfällt der Lohnan-

spruch. Der Lohnausfall für gesetzliche Wo-

chenfeiertage ist auch dann zu vergüten, wenn

die Arbeit wegen ungünstiger Witterung an

diesem Tage ausgefallen wäre.

Danach steht fest, daß die Beklagten den Klägern den Lohnausfall für den 6. Januar 1982 zu vergüten haben. Unter Lohnausfall ist hierbei der Lohn zu verstehen, den die Kläger erzielt hätten, wenn sie am 6. Januar 1982 wie an einem Arbeitstag gearbeitet hätten. Nach dem Lohnausfallprinzip sind die ausgefallenen Arbeitsstunden wie Arbeit zu vergüten. Die Kläger sind so zu stellen, als wenn das dem Lohnanspruch entgegenstehende Ereignis - ungünstige Witterung - nicht eingetreten wäre (vgl. auch BAG Urteil vom 22. Oktober 1980 - 5 AZR 438/78 -, AP Nr. 10 zu § 2 LohnFG).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann unter "Lohnausfall" nicht der Betrag des Schlechtwettergeldes verstanden werden, den die Kläger erhalten hätten, wenn der 6. Januar 1982 kein Feiertag gewesen wäre. Für die Auslegung des § 4 Nr. 5.1 BRTV-Bau kommt es in erster Linie auf den Tarifwortlaut und den Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen an (BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Danach ist zu beachten, daß Satz 1 dieser Bestimmung zunächst einen Lohnanspruch ausschließt, der den Arbeitnehmern ohne diese Vorschrift zustände. Nach der Lehre vom Betriebsrisiko hat der Arbeitgeber die Folgen zu tragen, die sich daraus ergeben, daß die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und die Entgegennahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber aus Gründen unmöglich wird, die im betrieblichen Bereich liegen. Hierzu gehört insbesondere die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Beschäftigung infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse (BAG 42, 94, 99 = AP Nr. 31 zu § 615 BGB Betriebsrisiko). Diese Grundsätze über die Verteilung des Betriebsrisikos können - wie vorliegend - durch Tarifvertrag wirksam abbedungen werden (BAG, aaO, mit weiteren Nachweisen). Wenn es dann in Satz 2 des § 4 Nr. 5.1 BRTV-Bau heißt, der Lohnausfall für gesetzliche Wochenfeiertage sei auch dann zu vergüten, wenn die Arbeit wegen ungünstiger Witterung an diesen Tagen ausgefallen wäre, wird damit die Abdingung des Betriebsrisikos nach Satz 1 der Bestimmung wieder aufgehoben. Daraus folgt, daß der gesetzliche Wochenfeiertag nach den Grundsätzen der Lehre vom Betriebsrisiko wie ein Arbeitstag zu vergüten ist. Eine Einschränkung dahingehend, daß der Lohnausfall nur in bestimmter Höhe zu vergüten ist, läßt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen.

Insbesondere enthält der BRTV-Bau keinen Anhaltspunkt dafür, daß der den Arbeitern zu vergütende Lohnausfall auf den Betrag des Schlechtwettergeldes begrenzt ist. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß sich die Vorschrift des § 4 Nr. 5.1 BRTV-Bau weder dem Grunde noch der Höhe nach mit Ansprüchen der Kläger gegen die Bundesanstalt für Arbeit auf Schlechtwettergeld befaßt. Wollte man an den Tagen, an denen die Kläger Schlechtwettergeld beziehen, den Lohnausfallanspruch auf den Betrag des Schlechtwettergeldes begrenzen, würde dies dazu führen, daß die Arbeiter an Feiertagen in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit keinen vollen Lohn erhielten, während sie bei einem Arbeitsausfall infolge ungünstiger Witterung außerhalb der gesetzlichen Schlechtwetterzeit (z. B. Karfreitag Anfang April) für den gesetzlichen Wochenfeiertag gemäß § 4 Nr. 5.1 Satz 2 BRTV-Bau den vollen Lohn erhielten. Einerseits müßten dann Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit vor dem Wochenfeiertag Schlechtwettergeld beziehen und an dem Feiertag beziehen würden, eine Minderung ihres Lohnanspruchs hinnehmen. Andererseits könnten bei Wochenfeiertagen außerhalb der gesetzlichen Schlechtwetterzeit Arbeitnehmer, die in der Zeit vor dem Wochenfeiertag bei Arbeitsausfall aus witterungsbedingten Gründen gemäß § 4 Nr. 5.1 Satz 1 BRTV-Bau überhaupt keinen Lohn beanspruchen könnten, für den Wochenfeiertag den vollen Lohn nach § 4 Nr. 5.1 Satz 2 BRTV-Bau erhalten. Für eine solche Differenzierung gibt es keinen Anhaltspunkt im Tarifvertrag. Sie wäre auch wenig sinnvoll.

Auch die Tarifgeschichte spricht für diese Auslegung. In früheren Tarifverträgen des Baugewerbes war eine Vergütung für gesetzliche Wochenfeiertage, an denen die Arbeit wegen ungünstiger Witterung an diesen Tagen ausgefallen wäre, nur für Feiertage außerhalb der Schlechtwetterzeit vorgesehen. Es hieß dort: "Der Lohnausfall für gesetzliche Wochenfeiertage ist außerhalb der Schlechtwetterzeit (1. November bis 31. März) auch dann zu vergüten, wenn die Arbeit wegen ungünstiger Witterung an diesen Tagen ausgefallen wäre". Damit sollte den Arbeitnehmern für diese Wochenfeiertage voller Lohnausgleich gewährt werden. Wenn dann seit 1965 die Worte "außerhalb der Schlechtwetterzeit (1. November bis 31. März)" gestrichen wurden, kann dies nur so verstanden werden, daß damit auch für die gesetzlichen Wochenfeiertage innerhalb der Schlechtwetterzeit voller Lohnausgleich gezahlt werden soll. Diese Auffassung wird auch von Blumensaat/Sperner/Unkelbach/Weimer in Gemeinschaftskommentar zum BRTV-Bau (4. Aufl. 1978, § 4 Anm. 35) vertreten.

Demgegenüber hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Urteil vom 5. Juli 1979 - 3 AZR 173/78 - (AP Nr. 33 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG) dem Schlechtwettergeld eine Lohnersatzfunktion zugewiesen und daraus gefolgert, daß bei Anwendung des Lohnausfallprinzips Lohn nur in Höhe des Schlechtwettergeldes zu zahlen sei; dieses Urteil des Dritten Senats beruht aber nicht auf diesen Ausführungen, weil der Dritte Senat in dem angeführten Urteil nur über die Feiertagsvergütung innerhalb einer Kurzarbeitsperiode zu entscheiden hatte und für Kurzarbeit eine besondere gesetzliche Ausnahmeregelung besteht. Schon aus diesem Grunde ist eine Anrufung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts durch den erkennenden Senat gemäß § 45 Abs. 2 ArbGG nicht geboten. Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall der Begriff des Lohnausfalls entsprechend den Grundsätzen der Tarifauslegung nach dem Tarifwortlaut, dem tariflichen Gesamtzusammenhang und auch der Tarifgeschichte auszulegen (vgl. BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Diese Auslegung ergibt, daß den Arbeitnehmern auch für Wochenfeiertage in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit der volle Lohnausgleich zusteht. Es hätte dem Gesetzgeber freigestanden, ebenso wie bei der Kurzarbeit eine Regelung der Feiertagsvergütung beim Zusammentreffen von Wochenfeiertagen mit gesetzlichen Schlechtwetterzeiten vorzunehmen. Eine solche gesetzliche Regelung wäre dann möglicherweise bei der Auslegung des BRTV-Bau mitzuberücksichtigen gewesen. Von einer solchen Regelung hat der Gesetzgeber aber abgesehen, obwohl ihm im Jahre 1975 bei der Einführung des § 1 Abs. 1 Satz 2 FeiertagslohnzahlungsG, der das Zusammentreffen von Kurzarbeit und Wochenfeiertagen regelt, die gesetzlichen und tariflichen Regelungen über Schlechtwetterzeiten und Schlechtwettergeld nicht unbekannt waren.

Die Zinsforderung der Kläger beruht auf § 288 Abs. 1, § 284 Abs. 2 BGB. Der Lohnanspruch der Kläger für Januar 1982 war spätestens am 15. Februar 1982 fällig (§ 5 Nr. 8.2 BRTV-Bau). Demgemäß und entsprechend dem Begehren der Kläger in der Revisionsinstanz war die Verurteilung der Beklagten auf Zahlung von Zinsen auf die Zeit ab 15. Februar 1982 zu begrenzen.

Die Beklagten haben gemäß § 97 Abs. 1, § 100 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag

Preuße Scheerer

 

Fundstellen

DB 1986, 2134-2135 (LT1)

NZA 1986, 789-790 (LT1)

AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1), Nr 49

EzA § 1 FeiertLohnzG, Nr 31 (LT)

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