Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz wegen Pflichtverletzung bei Ausbildung

 

Orientierungssatz

Schadenersatzanspruch wegen behaupteter Pflichtverletzungen bei Ausbildung als Praktikant.

 

Normenkette

BGB §§ 812, 612; ZPO §§ 554, 559, 561

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 15.11.1983; Aktenzeichen 3 Sa 67/83)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.02.1983; Aktenzeichen 5 Ca 200/82)

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten als Praktikant beschäftigt. Er begehrt Schadenersatz, weil die Beklagte Pflichtverletzungen begangen habe.

Der Kläger bestand am 16. Mai 1979 die zweite juristische Staatsprüfung. Vom 1. August bis zum 31. Dezember 1979 war er gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.000,-- DM in einem Rechtsanwaltsbüro beschäftigt. Da er eine berufliche Tätigkeit als Wirtschaftsjurist anstrebte, bewarb er sich bei der Beklagten um die Einstellung als Praktikant. Die Beklagte beschäftigt in der Regel keine Praktikanten; ein Ausbildungsverfahren für Praktikanten gibt es in ihrem Betrieb nicht; darauf wurde der Kläger hingewiesen. Gleichwohl stellte die Beklagte den Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis 31. März 1981 gegen eine monatliche Vergütung in Höhe von 500,-- DM als Praktikant ein.

Der Kläger war während des 15monatigen Praktikums etwa 5 1/2 Monate in verschiedenen Zweigstellen, zwei Monate in der Rechtsabteilung und 7 1/2 Monate in der Produktionsabteilung tätig.

Nach Beendigung des Praktikantenverhältnisses begehrte der Kläger mit der Behauptung, er sei nicht ordnungsgemäß ausgebildet worden, beim Arbeitsgericht Berlin u.a. festzustellen, daß die Beklagte ihm den aus der Nichterfüllung des Praktikantenvertrags vom 27. Dezember 1979 erwachsenen Schaden zu ersetzen habe. Das Arbeitsgericht wies durch Urteil vom 13. Juli 1981 - 5 Ca 62/81 - die Klage ab.

Das Landesarbeitsgericht Berlin stellte auf die Berufung des Klägers durch Urteil vom 26. Januar 1982 - 8 Sa 79/81 - fest, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Nichterfüllung des Praktikantenvertrags entstehe. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger mit der am 28. Oktober 1982 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage die Zahlung von 26.257,-- DM verlangt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe ihn nicht ausgebildet, sondern seine Arbeitskraft ausgenutzt und dadurch Aufwendungen erspart. Seine Tätigkeit für die Beklagte sei mindestens nach der Tarifgruppe 7 des § 6 des Tarifvertrags für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken zu entlohnen gewesen. Darüber hinaus stehe ihm die nach § 10 dieses Tarifvertrags vorgesehene Sondervergütung zu. Da er zehn Monate seiner Praktikantenzeit ausschließlich in dieser Weise beschäftigt worden sei, müsse die Beklagte ihm zehn Gehälter und die Sondervergütung nach der Stufe 5 der genannten Tarifgruppe in Höhe von jeweils 2.387,-- DM zahlen. Hilfsweise werde die Klageforderung auf das Verschulden der Beklagten beim Vertragsschluß gestützt. Die Beklagte habe bereits bei Vertragsschluß die Absicht gehabt, ihn entgegen ihren anfänglichen Zusicherungen nicht auszubilden, sondern als billige Arbeitskraft einzusetzen. Im Vertrauen darauf, daß er ordnungsgemäß ausgebildet werde, habe er sein Anstellungsverhältnis zu dem Rechtsanwaltsbüro gekündigt. Dadurch sei ihm ein Schaden in Höhe von 2.000,-- DM monatlich abzüglich der Ausbildungsvergütung in Höhe von 500,-- DM entstanden. Auch hier seien die elf Monatsbeträge zugrunde zu legen. Sein Vertrauensschaden belaufe sich somit auf 16.500,-- DM. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

26.257,-- DM zuzüglich 549,-- DM Zins-

abgeltung für die Zeit bis zum 31. De-

zember 1982 sowie 4 % Zinsen aus

26.257,-- DM für die Zeit ab 1. April

1981 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, sie habe keine Aufwendungen erspart. Weder vorher noch nachher habe sie anstelle des Klägers Arbeitskräfte eingestellt. Für eine Einordnung in die Tarifgruppe 7 habe der Kläger keine Tatsachen vorgetragen. Das gleiche gelte, soweit der Kläger seine Klageforderung auf Verschulden bei Vertragsschluß stütze. Er habe sein Anstellungsverhältnis bei dem Rechtsanwaltsbüro nicht im Vertrauen auf die zugesicherte Ausbildung gekündigt. Aus dem Zeugnis der Rechtsanwälte vom 30. Dezember 1979 folge, daß nur eine vorübergehende Tätigkeit des Klägers in der Kanzlei vorgesehen gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte zur Zahlung von 4.125,-- DM netto verurteilt, im übrigen jedoch das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt. Mit seiner dagegen gerichteten Revision verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 22.500,-- DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1982.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Soweit das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, ist ihm im Ergebnis zu folgen.

I. Gegenstand der Revision ist nur der in den Vorinstanzen hilfsweise erhobene Anspruch des Klägers auf Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sei, daß die Beklagte bereits bei Vertragsschluß die Absicht gehabt habe, ihn nicht ordnungsgemäß auszubilden. Das folgt aus der Art, wie der Kläger die Klageforderung in der Revisionsbegründung bezeichnet und berechnet. Er begehrt als "Vertrauensschaden" den Ersatz des Unterschieds zwischen dem Monatsgehalt von 2.000,-- DM, das er erhalten hätte, wenn er weiterhin in dem Rechtsanwaltsbüro tätig geblieben wäre, und der Vergütung in Höhe von 500,-- DM monatlich, die die Beklagte ihm zahlte. Für die Gesamtdauer des Praktikums ergibt dies den Betrag von 22.500,-- DM, den der Kläger in der Revisionsinstanz fordert.

Der in den Vorinstanzen erhobene Hauptantrag auf Zahlung von 26.257,-- DM ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Mit ihm hatte der Kläger zehn Monatsgehälter und die Sondervergütung nach dem Tarifvertrag für Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken gefordert. Diesen Antrag hatte er damit begründet, die Beklagte habe ihn nach dem fünften Monat des Praktikums nicht mehr ordnungsgemäß ausgebildet, sondern seine Arbeitskraft ausgenutzt. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Anspruch als unbegründet abgewiesen. Angriffe, die sich dagegen richten, enthält die Revisionsbegründung nicht (§ 554 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

II. Die Klage kann auch in dem in der Revisionsinstanz erhobenen Umfang keinen Erfolg haben.

1. In Höhe von 10.125,-- DM ist die Klage unzulässig.

a) Der Kläger hat die Klage in der Revisionsinstanz um 6.000,-- DM erweitert. Diese Klageänderung ist unzulässig.

Vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Kläger behauptet, sein Vertrauensschaden belaufe sich auf den Einkommensunterschied während der letzten zehn Monate des Praktikums unter Hinzurechnung eines weiteren Monatsbetrags als tarifliche Sonderzuwendung, also auf 16.500,-- DM. Dabei ging er von dem bis dahin unstreitigen Sachverhalt aus, daß die Beklagte ihn in den ersten fünf Monaten ordnungsgemäß ausgebildet habe. Die weiteren 6.000,-- DM, die der Kläger nunmehr fordert, begründet er damit, auch in den ersten fünf Monaten sei er nicht ordnungsgemäß ausgebildet worden. Dies ist neuer Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz unberücksichtigt bleiben muß (§ 561 Abs. 1 ZPO). Auf ihn kann der Kläger daher seine Klageänderung nicht stützen. Soweit der Kläger in der Revisionsbegründung vorträgt, er habe den Betrag von 22.500,-- DM bereits in den Vorinstanzen geltend gemacht, ist er auf die gegenteiligen Feststellungen des Berufungsurteils zu verweisen, das er insoweit weder mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung noch mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen hat.

b) In Höhe weiterer 4.125,-- DM ist die Klage unzulässig, weil das Berufungsgericht dem Kläger diesen Betrag, der einem Viertel der in den Vorinstanzen geforderten 16.500,-- DM entspricht, zuerkannt hat. Der Kläger ist insoweit durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht beschwert.

2. Hinsichtlich der weiteren 12.375,-- DM ist die Klage, soweit der Kläger mit ihr Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordert, unzulässig, und, soweit er diesen Betrag als Vertrauensschaden wegen Verschuldens beim Vertragsschluß geltend macht, unbegründet.

a) Zwar bezeichnet der Kläger auf Seite 2 der Revisionsbegründung seinen Schaden als "Vertrauensschaden". Den Ausführungen auf Seite 4 der Revisionsbegründung, in denen der Kläger die Auffassung vertritt, im Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 26. Januar 1982 - 8 Sa 79/81 - sei über beide Schadenersatzansprüche dem Grunde nach entschieden, ist jedoch zu entnehmen, daß der Kläger den in der Revisionsinstanz gestellten Klageantrag auch auf Schlechterfüllung des Praktikantenverhältnisses stützen will. Insoweit ist der Antrag jedoch unzulässig. Über den Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung kann der Senat nicht entscheiden, weil dieser Anspruch nicht Gegenstand der Klage ist.

Nach § 559 Abs. 1 ZPO unterliegen der Entscheidung des Revisionsgerichts nur die von den Parteien gestellten Anträge. Gegenstand der Klage war, wie das Arbeitsgericht richtig angenommen hat, der Sachverhalt nur insoweit, als auf ihn der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) und der vom Landesarbeitsgericht zu Recht außerdem noch geprüfte Anspruch aus § 612 BGB gestützt werden konnte, und soweit er eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo begründen konnte. Darüber, daß die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Nichterfüllung des Praktikantenvertrags entstanden war, hatte das Landesarbeitsgericht bereits im Feststellungsurteil vom 26. Januar 1982 - 8 Sa 79/81 - dem Grunde nach rechtskräftig entschieden. Eine Bezifferung dieses Anspruchs stellt, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, der mit der vorliegenden Klage erhobene Anspruch nicht dar. Das Landesarbeitsgericht hat, soweit es der Klage stattgegeben hat, den Anspruch ausdrücklich als einen solchen aus Verschulden beim Vertragsschluß bezeichnet.

b) Als Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens wegen Verschuldens beim Vertragsschluß ist die Klage unbegründet.

Soweit das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, hat es dies damit begründet, der Anspruch ergebe sich entweder aus der Rechtskraft des Feststellungsurteils oder aus dem Umstand, daß der Ausbildende für die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ausbildung einzustehen habe. Dies ist nicht frei von Rechtsirrtum und kann daher der Entscheidung über den noch rechtshängigen Teil des Anspruchs nicht zugrunde gelegt werden.

Die Rechtskraft des genannten Urteils betrifft, wie dargelegt, nur den Anspruch auf Ersatz der Schäden, die dem Kläger durch die Schlechterfüllung des Praktikantenvertrags entstanden sind, nicht den Anspruch, den der Kläger daraus herleitet, die Beklagte habe bei Vertragsschluß die Absicht gehabt, ihn nicht ordnungsgemäß auszubilden. Für diesen Anspruch hat der Kläger aber keine Tatsachen vorgetragen. Unstreitig ist er darauf hingewiesen worden, daß es in dem Betrieb der Beklagten ein Ausbildungsverfahren für Praktikanten nicht gibt, und unstreitig erfolgte die Ausbildung in den ersten fünf Monaten ordnungsgemäß. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, daß die Beklagte ihn zu Beginn des Vertragsverhältnisses in der behaupteten Weise getäuscht hat.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

zugleich für den

wegen Beendigung

seiner Amtszeit Gossen

ausgeschiedenen

ehrenamtlichen

Richter Deckert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441565

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge