Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Übernahme einer Kindertagesstätte durch neugegründeten Elternverein als Betriebsübergang.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 15; BetrVG §§ 103, 102, 118 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 09.12.1993; Aktenzeichen 10 Sa 96/93) |
ArbG Berlin (Urteil vom 07.05.1993; Aktenzeichen 36 Ca 33913/92) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 9. Dezember 1993 – 10 Sa 96/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist bei dem beklagten Verein, der eine Kindertagesstätte mit regelmäßig mehr als fünf beschäftigten Arbeitnehmern betreibt, seit dem 1. Juli 1990 als Erzieher tätig.
Diese Kindertagesstätte befand sich bis Februar 1992 in einer Privatwohnung im Hause M. in Berlin, in der schon seit vielen Jahren eine derartige Einrichtung betrieben wurde, zuletzt seit 1976 von dem „Verein zur Förderung des Kindergartens M. e.V.” (im folgenden: M. e.V.). Schon in dem vom M. e.V. betriebenen Kindergarten war der Kläger bis 30. Juni 1990 als Erzieher tätig und wurde am 19. Januar 1990 zum Betriebsrats gewählt. Vor 1976 war die Kindertagesstätte von der Wohnungsbesitzerin, Frau L., allein betrieben worden, die auch nach der Gründung des M. e.V. eine leitende Position in dieser Einrichtung behielt.
Im Herbst 1989 beabsichtigte Frau L., die schon außerhalb Berlins eine andere Aufgabe übernommen hatte, sich aus der Kindergartenarbeit zurückzuziehen und eine neue Kindergartenleiterin einzustellen. Dies stieß auf den Widerstand der Eltern und Erzieher. Damals hatte eine Mutter den Kläger im Verdacht, im Kindergarten ihr Kind sexuell mißbraucht zu haben. Anläßlich einer Elternversammlung, auf der die mit dem Ausscheiden von Frau L. zusammenhängenden Probleme besprochen werden sollten, erhob der Kläger plötzlich den Vorwurf, eine im Kindergarten beschäftigte Vertrauensperson von Frau L. habe sich an mehreren Kindern sexuell vergangen. Ein Versuch, dem Kläger daraufhin zu kündigen, scheiterte an seiner zwischenzeitlich durchgeführten Wahl zum Betriebsrat. Eltern und Erzieher stellten sich auf die Seite des Klägers, und die Vertrauensperson von Frau L. mußte den Kindergarten verlassen. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen faßten Frau L. und der M. e.V. den Entschluß, die Kindertagesstätte zum 30. Juni 1990 zu schließen, und es wurden die Betreuungsverträge und der Mietvertrag über die Räumlichkeiten gekündigt.
Daraufhin gründeten die Eltern der betroffenen Kinder den beklagten Verein, um die Betreuung der Kinder über den 30. Juni 1990 hinaus sicherzustellen. Mit einem Schreiben vom 31. Mai 1990 wandte sich der Beklagte an die zuständige Senatsverwaltung mit der Bitte, die betroffenen Eltern dabei zu unterstützen, „die alte Arbeit des Kindergartens mit den bisherigen Erziehern einschließlich der ABM-Kraft fortzusetzen”. Die Erzieher stünden für die Betreuungsarbeit „mit dem alten Team geschlossen zur Verfügung”, die Senatsverwaltung möge auf Frau L. und den M. e.V. einwirken, daß wenigstens vorübergehend die alten Räumlichkeiten weiter benutzt werden könnten. Nachdem die Anmietung anderer Räume an nicht finanzierbaren Umbaukosten gescheitert war, kam es nach längeren Verhandlungen zum Abschluß ein Pachtvertrages zwischen dem Beklagten und Frau L. über die Räumlichkeiten, das gesamte Mobiliar und das Spielzeug. Frau L. war nach Auflösung des M. e.V. durch Beschluß vom 7. Juni 1990 als dessen Liquidatorin eingesetzt. Ab 1. Juli 1990 erhielt der Beklagte auf seinen Antrag hin die entsprechenden staatlichen Zuschüsse zur laufenden Unterhaltung der Kindertagesstätte. Mit wenigen Ausnahmen wechselten die bisher betreuten Kinder zum beklagten Verein über, der mit den Eltern neue Betreuungsverträge abschloß. Auch die Erzieher – zunächst mit einer Ausnahme – schlossen mit dem Beklagten neue Arbeitsverträge ab. Die Erzieher hatten sich an die Eltern mit einem Konzept „über die zukünftige Zusammenarbeit im Kindergarten” gewandt, in dem sie ihren Wunsch zum Ausdruck brachten, die Eltern sollten weiterhin so viel Vertrauen in ihre Arbeit haben wie bisher.
Im August 1992 geriet der Kläger in den Verdacht, das Kind eines Vorstandsmitglieds des Beklagten sexuell mißbraucht zu haben. Nach entsprechenden Erzählungen ihres Kindes schaltete die Mutter einen Verein ein, der auf die Problematik des sexuellen Mißbrauchs von Kindern spezialisiert ist. Nach zwei weiteren Vorfällen wurde das Kind der kinderpsychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik bzw. einer Kinderärztin vorgestellt. Die Universitätsklinik riet in ihrem Befundbericht, das Jugendamt einzuschalten und jedenfalls den weiteren Besuch des Kindes in der Kindertagesstätte zu unterbinden. In einem weiteren Brief vom 13. November 1992 an die Mutter des Kindes forderten die untersuchenden Ärzte die Eltern nochmals auf, schnellstmöglich Schritte einzuleiten, die eine weitere Gefährdung des Kindes verhinderten.
Die Kindergartenaufsicht des Stadtbezirks wurde eingeschaltet und forderte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Mit Schreiben vom 30. November 1992 kündigte der beklagte Verein dem Kläger fristlos mit einer Auslauffrist zum 31. Dezember 1992 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Arbeit frei.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und macht geltend, die Kündigung sei schon mangels Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG unwirksam. Der Beklagte habe den Betrieb des M. e.V. übernommen, und sein Amt als Betriebsratsmitglied habe deshalb fortbestanden. Er habe auch weiter Betriebsratstätigkeit ausgeübt, der Beklagte habe ihn zu einer Betriebsratsschulung entsandt und es habe z. B. die letzte Betriebsversammlung am 7. September 1992 stattgefunden. Der Beklagte habe aber – unstreitig – weder das Ersatzmitglied J. i.S.v. § 103 BetrVG angehört noch die Zustimmung zu seiner Kündigung eingeholt bzw. durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis bei dem Beklagten durch die Kündigung vom 30. November 1992 nicht aufgelöst worden ist und unverändert über den 31. Dezember 1992 hinaus fortbesteht.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags auf zahlreiche Indizien hingewiesen, die seiner Ansicht nach auf einen sexuellen Mißbrauch des betroffenen Kindes durch den Kläger hinweisen. Die Aussagen des Kindes seien glaubhaft, die ärztlichen Befunde eindeutig und der Kläger habe schon im Jahr 1989 entsprechende Verfehlungen begangen und auch seine Kindergartenarbeit so organisiert, daß ein solches strafbares Verhalten nicht sofort habe aufgedeckt werden können. Der Kläger sei zu den Vorwürfen zunächst durch die Mutter und dann unmittelbar vor Übergabe der Kündigung durch einen Mitarbeiter angehört worden.
Ein Betriebsübergang liege nicht vor. Die Betreuungsverhältnisse habe er nicht durch Rechtsgeschäft von dem M. e.V. übernehmen können, da die entsprechenden Verträge bereits gekündigt gewesen seien. Auch die Übernahme der Räumlichkeiten stelle kein wesentliches Indiz für eine Fortführung der bisherigen Kindertagesstätte dar, der neue Vertrag mit Frau L. sei zu erheblich schlechteren Bedingungen abgeschlossen worden. Auch die Mitgliederstruktur der beiden Vereine sei unterschiedlich, und der neue Verein habe inzwischen demokratische Führungsstrukturen eingerichtet, wonach das gesamte Erzieherteam in bestimmten Teilbereichen Leitungsaufgaben übernommen habe.
Sollte die Kündigung als fristlose Kündigung keinen Bestand haben, sei sie in eine fristgerechte Kündigung umzudeuten. Jedenfalls beantrage er die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Eine weitere Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Parteien sei auch im Hinblick auf die Geschehnisse nach der Kündigung nicht mehr möglich. Nicht nur die Kollegen des Klägers weigerten sich, mit diesem zusammenzuarbeiten; auch die wirtschaftliche Existenz des Vereins sei im Falle der Weiterarbeit des Klägers gefährdet, da dann ca. 75 % der Kinder aus dem Kindergarten herausgenommen würden, was unweigerlich die Schließung der Einrichtung nach sich ziehen werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb auch mit dem Auflösungsantrag erfolglos. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist lediglich der Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. November 1992 nicht aufgelöst worden ist. Der Antrag auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus enthält, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt worden ist, keinen selbständigen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO, sondern stellt lediglich ein sog. „unselbständiges Anhängsel” dar (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 1994 – 2 AZR 484/93 – EzA § 4 n.F. KSchG Nr. 48).
II. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung des Beklagten sei nach §§ 15 KSchG. 103 BetrVG mangels Zustimmung des Betriebsrats rechtsunwirksam. Da der Beklagte den Betrieb des M. e.V. nach § 613 a BGB übernommen habe, habe das Betriebsratsamt des Klägers fortbestanden. Damit komme auch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Beklagten nicht in Betracht.
Dem ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu folgen.
III. Die Revision ist unbegründet. Die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung scheitert schon an §§ 15 Abs. 2 KSchG, 103 BetrVG. Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zutreffen.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der Betrieb des M. e.V. auf den Beklagten übergegangen
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAGE 35, 104, 106 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe; BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB) gehören zu einem Betrieb i.S.v. § 613 a Abs. 1 BGB nur die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, nicht auch die Arbeitnehmer. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses ist Rechtsfolge, nicht Tatbestandsvoraussetzung. Die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel machen einen Betrieb dann aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Dabei ist es nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter, die bisher zu dem Betrieb des alten Inhabers gehörten, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Unwesentliche Bestandteile des Betriebsvermögens bleiben außer Betracht. Die eingerichteten und bestehenden Arbeitsplätze sollen im Interesse und unter Aufrechterhaltung des vorhandenen Betriebes erhalten bleiben, wenn ein anderer das Betriebssubstrat erwirbt.
aa) Für die Frage, welche Betriebsmittel für die Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke wesentlich sind, ist auf die Eigenart des Betriebes abzustellen. Bei Produktionsbetrieben wird regelmäßig die Übernahme der sächlichen Betriebsmittel entscheidend sein. Bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben werden demgegenüber meist die immateriellen Betriebsmittel wie Kundenstamm, Kundenlisten, die Geschäftsbeziehungen zu Dritten, das „know-how” und der „good will”, ebenso die Einführung des Unternehmens auf dem Markt im Vordergrund stehen (BAGE 49, 102, 105 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 29. September 1988 – 2 AZR 107/88 – AP Nr. 76 zu § 613 a BGB; Urteil vom 18. Oktober 1990 – 2 AZR 172/90 – AP Nr. 88 zu § 613 a BGB). Die Arbeitnehmer selbst gehören zwar nicht zum Betrieb i.S.v. § 613 a BGB, wohl können aber im Einzelfall Fachkenntnisse eingearbeiteter Mitarbeiter in ihrer Bedeutung für die Fortführung des alten Betriebes von Bedeutung sein (BAGE 49, 102, 105 f. = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 781/93 – NZA 1994, 612, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
bb) Bei der Feststellung des Zeitpunktes, zu dem ein Betrieb übergeht, kommt es entscheidend darauf an, ob für den Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise die Möglichkeit besteht, die bisherigen arbeitsorganisatorischen eigenständigen Leistungszwecke weiterzuverfolgen, die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt zu übernehmen.
b) Nach diesen Grundsätzen stellt die Übernahme der Betriebsmittel des M. e.V. durch den Beklagten einen Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB dar.
aa) Bei dem Betrieb des M. e.V. handelte es sich um einen Dienstleistungsbetrieb, in dem in bestimmten Räumlichkeiten mit Hilfe sächlicher Betriebsmittel (Spielzeug, spezielles Mobiliar) durch ein Team von Erziehern Kinder betreut wurden, wobei der laufende Unterhalt der Einrichtung im wesentlichen durch öffentliche Zuschüsse finanziert wurde. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte alle erforderlichen Betriebsmittel übernommen, die ihn in die Lage versetzten, ab 1. Juli 1990 die Kindertagesstätte nahtlos fortzuführen. Entscheidend ist schon, daß der Beklagte es bei der zuständigen Senatsverwaltung erreicht hat, daß die für den Betrieb der Kindertagesstätte unbedingt erforderlichen öffentlichen Mittel, die zuvor der M. e.V. erhalten hatte, nunmehr an den Beklagten gezahlt wurden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt EuGH Urteil vom 19. Mai 1992 – RS C 29/91 – Redmond Stichting –, EuGH-Tätigkeiten 1992 Nr. 15, 8 ff.). Darüber hinaus sind auch alle sächlichen Betriebsmittel der Kindertagesstätte durch den Beklagten übernommen worden. Im Zusammenwirken mit der Senatsverwaltung hat es der Beklagte erreicht, daß Frau L., die zunächst die Schließung der Kindertagesstätte betrieb, dem Beklagten sowohl die Räumlichkeiten als auch das Mobiliar und das Spielzeug ab 1. Juli 1990 verpachtet hat. Ohne die sächlichen Betriebsmittel hätte der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen den Betriebszweck nicht fortführen können, da zu diesem Zeitpunkt andere Räumlichkeiten nicht vorhanden waren bzw. deren Umbau nicht finanzierbar war. Daß – wie von vornherein geplant war – die Kindertagesstätte mit dem eingespielten Team von Erziehern fortgeführt worden ist, stellt zumindest ein weiteres Indiz für eine Betriebsübernahme dar. Angesichts des erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Erziehern in einer Kindertagesstätte und den betreuten Kindern ist es für die Fortführung des Betriebes einer Kindertagesstätte von Bedeutung, ob das eingespielte Team von Erziehern weiterbeschäftigt werden kann oder die Kinder plötzlich von völlig neuen Erziehern betreut werden sollen. Damit spricht nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten alles dafür, daß mit dem Team von Erziehern auch immaterielle Betriebsmittel in Form von „know-how” und „good will” auf den Beklagten übergegangen sind, die es ermöglichten, den weitaus überwiegenden Teil der vom M. e.V. betreuten Kinder in der Kindertagesstätte zu halten (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 781/93 –, aaO).
Der Beklagte selbst hat demgegenüber nach seinem eigenen Vorbringen keine wesentlichen neuen sächlichen oder immateriellen Betriebsmittel in den fortgeführten Betrieb eingebracht. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang auf die geänderte Führungsstruktur hinweist, so ist dies unerheblich. Solche Änderungen sind auch in einem bestehenden Betrieb anläßlich eines Personalwechsels wie dem Ausscheiden von Frau L. üblich, und es haben im Gegenteil die bisherigen Erzieher mit dem neuen Konzept bei den Eltern dafür geworben, die Kindertagesstätte in den bisherigen Räumlichkeiten mit denselben Kindern und denselben Erziehern, also im wesentlichen in der gleichen Form weiterzuführen. Auch der Hinweis der Revision auf die etwas geänderte Mitgliederstruktur des neuen Vereins geht fehl. Beteiligt waren im wesentlichen die Eltern der Kinder, durch die neue Mitgliederstruktur sollte nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nur Mißbräuchen entgegengewirkt und erreicht werden, daß die wichtigen Entscheidungen in der Kindertagesstätte auch durch die Eltern der derzeit betreuten Kinder getroffen werden konnten.
cc) Der Übergang ist auch durch Rechtsgeschäft erfolgt. Die wesentlichen sächlichen Betriebsmittel hat der Beklagte durch den Pachtvertrag mit Frau L. erworben. Da diese zugleich Wohnungsinhaberin und Liquidatorin des M. e.V. war, hat der Beklagte damit diese Betriebsmittel sogar unmittelbar von dem bisherigen Betriebsinhaber erlangt, was für eine Anwendung des § 613 a BGB nicht einmal erforderlich ist. Daß ursprünglich eine Betriebsstillegung zum 30. Juni 1990 beabsichtigt war, ist unerheblich, denn der Beklagte hat im Zusammenwirken mit der Senatsverwaltung Frau L., die zuletzt auch Liquidatorin des M. e.V. war, gerade von diesem Plan abgebracht. Der Annahme eines Betriebsübergangs steht nicht entgegen, daß mit den Eltern neue Betreuungsverträge bzw. mit den Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge abgeschlossen werden mußten und der Beklagte die öffentlichen Zuschüsse neu beantragen mußte. Durch seine Liquidation zum 30. Juni 1990 unter gleichzeitiger Räumung der Wohnung hat der M. e.V. die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß der Beklagte auch insoweit in dessen Stellung eintreten konnte.
2. Da der Beklagte ab 1. Juli 1990 den Betrieb des M. e.V. i.S. des § 613 a BGB übernommen hat, bestand auch das Amt des Klägers als Betriebsrat im Betrieb des Beklagten fort.
a) Die Übertragung des Betriebes auf einen anderen Inhaber führt nicht zu einer vorzeitigen Beendigung der Amtszeit des Betriebsrats. Der Betriebsinhaberwechsel berührt nicht die Identität des Betriebes; die Betriebsverfassung und das Amt des Betriebsrats bleiben deshalb bestehen (GK-Wiese, BetrVG, 5. Aufl., § 21 Rz 47, m.w.N.; vgl. BAG Beschluß vom 27. Juli 1994 – 7 ABR 37/93 –).
b) Das Betriebsratsmandat des Klägers hat auch nicht zum 30. Juni 1990 dadurch geendet, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers zum M. e.V. zu diesem Zeitpunkt wirksam beendet worden wäre (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Selbst wenn man auf die ursprüngliche Stillegungsabsicht des M. e.V. abstellt, ist das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 613 a BGB ungekündigt auf den Beklagten übergegangen. Nach § 15 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds grundsätzlich unzulässig. Nach § 15 Abs. 4 KSchG kann zwar zum Zeitpunkt einer beabsichtigten Stillegung auch einem Betriebsratsmitglied unter bestimmten Voraussetzungen ordentlich gekündigt werden. Führt der Arbeitgeber aber den Betrieb wider Erwarten fort oder geht der Betrieb gemäß § 613 a BGB auf einen anderen Inhaber über, so ist die Kündigung gegenstandslos, weil die Stillegung des Betriebes gesetzliche Bedingung für die Wirksamkeit der Kündigung ist (BAGE 33, 49 = AP Nr. 8 zu § 15 KSchG 1969).
c) Andere Gründe für ein Erlöschen des Betriebsratsamts des Klägers sind nicht ersichtlich. Der Beklagte selbst hat insbesondere nicht vorgetragen, der Kläger habe sein Betriebsratsamt nach dem Betriebsübergang niedergelegt. Wenn die Revision geltend macht, der Betrieb habe seine Betriebsratsfähigkeit bzw. der Kläger sein Betriebsratsamt verloren, weil nach der neuen Leitungsstruktur der Kindertagesstätte alle Erzieher als leitende Angestellte anzusehen seien, so ist dies abwegig. Die rechtliche Wertung des Beklagten, allein die Einführung einer demokratischeren Führungsform in einem Kindergarten hebe den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital auf und mache die Existenz eines Betriebsrats in einem derartigen Betrieb überflüssig, entspricht nicht der gesetzlichen Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes.
3. Die fristlose Kündigung des Klägers als Betriebsrat bedurfte nach §§ 15 Abs. 1 KSchG, 103 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Da der Beklagte nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt (§ 561 ZPO) weder das Ersatzmitglied J. um seine Zustimmung zur Kündigung angegangen ist oder auch nur angehört hat, noch die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht hat ersetzen lassen, ist die Kündigung rechtsunwirksam.
a) Selbst wenn das Amt des Ersatzmitglieds J. im Zeitpunkt der Kündigung inzwischen erloschen gewesen wäre, wie die Revision geltend macht, hätte dies nicht ohne weiteres zur Wirksamkeit der Kündigung geführt. Vor der außerordentlichen Kündigung des einzigen Betriebsratsmitglieds muß der Arbeitgeber dann, wenn ein gewähltes Ersatzmitglied fehlt, analog § 103 Abs. 2 BetrVG im Beschlußverfahren die Zustimmung des Arbeitsgerichts einholen (Senatsurteil vom 16. Dezember 1982 – 2 AZR 76/81 – BAGE 41, 180 = AP Nr. 13 zu § 15 KSchG 1969), was nicht geschehen ist. Außerdem ist, wie bereits dargelegt, nichts dafür vorgetragen, daß das gewählte Ersatzmitglied J. als leitender Angestellter sein Betriebsratsamt verloren hätte.
b) Auch die Tatsache, daß die Kindertagesstätte möglicherweise als Tendenzbetrieb i.S.v. § 118 Abs. 1 BetrVG anzusehen ist (vgl. dazu im kirchlichen Bereich BAG Urteil vom 25. April 1978 – 1 AZR 70/76 – BAGE 30, 247 = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG), führt zu keinem anderen Ergebnis. Einschränkungen des § 103 BetrVG aus dem Gesichtspunkt des Tendenzschutzes hat die Rechtsprechung nur bei Kündigungen von Tendenzträgern aus den tendenzbedingten Kündigungsgründen erörtert (vgl. BAG Urteil vom 3. November 1982 – 7 AZR 5/81 – BAGE 40, 296 = AP Nr. 12 zu § 15 KSchG 1969). Selbst wenn man aber zugunsten des Beklagten davon ausgeht, dem Kläger sei aus einem tendenzbezogenen Kündigungsgrund gekündigt worden, wäre jedenfalls eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich gewesen (BAG Urteil vom 3. November 1982, aaO; GK-Fabricius, BetrVG, 4. Aufl., § 118 Rz 662, m.w.N.), die auch nicht erfolgt ist.
IV. Auch die Wirksamkeit der fristgerechten Kündigung scheitert, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt hat, an der fehlenden Beteiligung des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 KSchG.
V. Damit hat das Landesarbeitsgericht auch zu recht den Auflösungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 KSchG ist dann unzulässig, wenn die Kündigung – wie im vorliegenden Fall – aufgrund außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegender Gründe rechtsunwirksam ist (BAG Urteil vom 9. Oktober 1979 – 6 AZR 1059/77 – BAGE 32, 122 = AP Nr. 4 zu § 9 KSchG 1969). Die von der Revision dagegen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht, das Senatsurteil vom 16. September 1993 (– 2 AZR 267/93 – AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) betraf keinen vergleichbaren Fall, sondern einen Auflösungsantrag des Arbeitnehmers, nicht des Arbeitgebers.
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Fischermeier, Timpe, Beckerle
Fundstellen