Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld. Kabinenpersonal LTU
Leitsatz (redaktionell)
Die Kürzungsregelung in § 24 Abs 3 UAbs 2 Manteltarifvertrag Nr 9 für das Kabinenpersonal der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH vom 30. März 2004 (MTV) bezieht sich nur auf die laufende monatliche Vergütung. Das in § 34 MTV geregelte Gehalt (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) wird nicht erfasst.
Normenkette
Manteltarifvertrag Nr. 9 für das Kabinenpersonal der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH vom 30. März 2004 §§ 24, 28, 34
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. August 2007 – 17 Sa 1006/07 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Urlaubsgeld für das Jahr 2006 zusteht.
Die Klägerin ist seit 1996 als Flugbegleiterin (Purserette) bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Verweisung sowohl der Manteltarifvertrag Nr. 9 für das Kabinenpersonal der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH vom 30. März 2004, gültig ab 1. Januar 2004 (nachfolgend: MTV), als auch der Vergütungstarifvertrag Nr. 30 für das Kabinenpersonal der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH Anwendung. Im MTV heißt es auszugsweise:
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Anspruch auf Vergütung
(1) Die Arbeitnehmer erhalten eine auf monatlicher Grundlage errechnete Vergütung, die sich wie folgt zusammensetzt:
a) Grundgehalt
b) Flugzulage
c) Mehrflugstundenvergütung
d) Zulagen für bestimmte Funktionen gem. Vergütungstarifvertrag
e) Provisionen für den Verkauf von Barbox-Waren
(2) Der Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis nicht den ganzen Monat hindurch besteht, erhält eine nach Kalendertagen bemessene Vergütung. Dabei ist für jeden Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Vergütung zugrunde zu legen.
(3) Besteht während des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats für einen oder mehrere Kalendertage kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, so gilt folgende Regelung:
Für jeden Kalendertag ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung ist 1/30 der monatlichen Vergütung abzuziehen.
…
§ 28
Fortzahlung der Vergütung/Krankengeldzuschuss
(1) Für die Dauer einer Erkrankung oder des Erholungsurlaubes erhält der Arbeitnehmer seine Vergütung in voller Höhe weitergezahlt (§ 24 Abs. 1a) – e)) dieses Tarifvertrages.
…
(3) Dauert eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Abs. 2 länger als sechs Wochen, erhalten die Arbeitnehmer nach vollendeter Dienstzeit von zwei Jahren Krankengeldzuschüsse, die zusammen mit den Leistungen der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung die bisherige Vergütung sicherstellen.
…
(6) Die Krankengeldzuschüsse zu den Leistungen aus der Kranken- oder Unfallversicherung errechnen sich wie folgt:
a) die vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechnete monatliche Vergütung (§ 24 Abs. 1a) – e)) ausschließlich Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Erholungsbeihilfe ist um die gesetzlichen Abzüge und um das von der gesetzlichen Pflichtkrankenkasse zu gewährende Krankengeld oder die entsprechenden Leistungen anderer Sozialversicherungsträger, einschließlich der Berufsgenossenschaft, zu vermindern. …
§ 34
Dreizehntes Monatsgehalt (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld)
(1) Der Arbeitgeber gewährt den Arbeitnehmern ein dreizehntes Gehalt auf der Basis der Grundgehälter nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag. Die Auszahlung erfolgt zu 50 % als Urlaubsgeld auf der Basis des im Mai gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Maigehalt und zu 50 % als Weihnachtsgeld auf der Basis des im November gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Novembergehalt.
(2) Arbeitnehmer, die im Laufe eines Kalenderjahres eintreten oder ausscheiden, erhalten für jeden vollen Kalendermonat vom Arbeitgeber 1/12 und für jeden darüber hinausgehenden Kalendertag 1/360 der Bezüge nach Abs. 1.
(3) Für Zeiten des Wehr-, Zivildienstes und Erziehungsurlaubes sind die Bezüge der Arbeitnehmer/innen des Kabinenpersonals nach Absatz 1 für jeden vollen Abwesenheitsmonat um 1/12 zu kürzen.”
Die Klägerin war als Teilzeitkraft mit 50 % der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten tätig. In der Zeit vom 13. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2006 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Nach dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums am 4. Dezember 2005 erhielt sie bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld sowie den Krankengeldzuschuss gemäß § 28 Abs. 3 MTV. Das Urlaubsgeld gem. § 34 MTV zahlte die Beklagte für 2006 wegen der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ohne Entgeltfortzahlungsanspruch nicht. Die Klägerin machte das Urlaubsgeld mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Juli 2006 gegenüber der Beklagten vergeblich geltend.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 599,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Klägerin habe trotz ihrer Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Zahlung von 599,48 Euro brutto Urlaubsgeld für das Jahr 2006 gemäß § 34 Abs. 1 MTV.
1. Der MTV findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
2. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 MTV sind erfüllt. Dazu genügt allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Die Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber, “den Arbeitnehmern” ein 13. Gehalt (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld) zu gewähren, ohne die Erfüllung weiterer Voraussetzungen zu verlangen. Der Anspruch auf Urlaubsgeld ist insbesondere auch nicht davon abhängig, dass dem Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub gewährt worden ist oder gewährt werden konnte (ausführlich Senat 11. April 2000 – 9 AZR 225/99 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 13 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 4, zu I 2a und b der Gründe).
3. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vom 13. Oktober 2005 bis 30. Juni 2006 führt weder zu einem Wegfall noch zu einer Kürzung des Anspruchs.
a) Eine Kürzung des 13. Gehalts (§ 34 Abs. 1 MTV) für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sieht der MTV nicht vor. § 34 Abs. 2 MTV begrenzt den Anspruch auf die vollen Monate, in denen das Arbeitsverhältnis bestanden hat. § 34 Abs. 3 MTV berechtigt nur zur Kürzung für Zeiten des Wehr-, Zivildienstes und Erziehungsurlaubs.
b) Zwar sieht § 24 Abs. 3 Unterabs. 2 MTV für jeden Kalendertag ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung den Abzug von 1/30 der monatlichen Vergütung vor. Diese Kürzungsregelung bezieht sich nach dem unzweifelhaften Wortlaut nur auf die laufende monatliche Vergütung. Das in § 34 MTV geregelte Gehalt (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) wird nicht erfasst.
c) Die Revision beruft sich auch ohne Erfolg auf die Regelung in § 28 MTV. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm. Abs. 2, 3 MTV erhält der Arbeitnehmer für die Zeit der Erkrankung bis zur Dauer von sechs Wochen seine Vergütung in voller Höhe weitergezahlt. Daraus lässt sich nicht herleiten, die Tarifvertragsparteien hätten regeln wollen, dass mit Ausnahme der Krankengeldzuschüsse nach § 28 Abs. 3, 6 Buchst. a MTV Arbeitnehmer für Zeiten ohne Entgeltfortzahlung keine anderen Leistungen erhalten sollen. § 28 MTV regelt schon nach dem Wortlaut des Abs. 1 insoweit nur die laufende monatliche Vergütung gemäß § 24 Abs. 1 Buchst. a bis e MTV. Ein Anhalt, dass die Tarifvertragsparteien auch das 13. Monatsgehalt erfassen wollten, ist nicht ersichtlich.
d) Das in § 34 MTV geregelte Urlaubsgeld ist nicht von der Erbringung der Arbeitsleistung abhängig. Das hat der Senat bereits entschieden (zu der alten Fassung des § 34 MTV: Senat 11. April 2000 – 9 AZR 225/99 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 13 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 4, zu I 2c bb der Gründe). Hieran ist auch nach der Einfügung von Abs. 3 in § 34 MTV festzuhalten. Dieser sieht eine abschließende Kürzungsregelung nur für Zeiten des Wehr-, Zivildienstes und Erziehungsurlaubs vor. Arbeitsunfähigkeitszeiten führen deshalb weder zu einem Ausschluss noch zu einer Kürzung.
e) Die Revision macht schließlich ohne Erfolg geltend, der Zehnte Senat vertrete die Auffassung, die Tarifvertragsparteien hätten die Sonderzahlung des § 34 MTV als echten von der Arbeitsleistung abhängigen Entgeltanspruch geregelt. Das trifft nicht zu. Der Zehnte Senat hat zwar ausgeführt, der Anspruch auf das 13. Monatsgehalt entstehe tariflich als Vergütung pro rata temporis. Damit hat er aber keinen arbeitsleistungsabhängigen Anspruch angenommen. Er ist ebenso davon ausgegangen, dass einzige Voraussetzung für den Anspruch auf die Sonderzahlung gemäß § 34 Abs. 1 MTV das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sei (BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176, zu II 1b der Gründe).
4. Der Anspruch ist auch der Höhe nach begründet.
Gemäß § 34 Abs. 1 MTV besteht der Anspruch in Höhe der tariflichen Grundgehälter. Die Auszahlung erfolgt zu 50 % auf der Basis des im Mai gültigen Vergütungstarifvertrags mit dem Gehalt für den Monat Mai. Im Monat Mai 2006 befand sich die Klägerin in der Vergütungsstufe 8 des Vergütungstarifvertrags. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Berechnung (2.397,93 Euro × 50 % (anteilige Arbeitszeit) = 1.198,96 Euro, wovon als Urlaubsgeld 50 % zu zahlen sind) ist zutreffend.
II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
B. Die Beklagte hat die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Krasshöfer, B. Lang, Heilmann
Fundstellen