Die Klage ist unbegründet. Der Anspruch des Klägers auf das zusätzliche Urlaubsentgelt für die nach dem 11. April 2001 erhaltenen vier Urlaubstage in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 314,49 Euro begründet keine Masseverbindlichkeit iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Das macht der Beklagte zu Recht geltend.
1. In § 209 InsO ist die Rangordnung geregelt, in der der Insolvenzverwalter die Kosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 InsO) zu befriedigen hat. Das sind zunächst die Verfahrenskosten (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Sonstige Masseverbindlichkeiten sind unter den Voraussetzungen des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorrangig zu befriedigen. Gleich stehen die in § 209 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 InsO geregelten Sachverhalte (Neumasseverbindlichkeiten). Alle anderen Masseverbindlichkeiten sind als Altmasseverbindlichkeiten nachrangig zu erfüllen.
2. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Forderung des Klägers um eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handelt, nämlich um eine Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag, die für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berichtigt werden muss (vgl. zum Urlaubsabgeltungsanspruch Senat 25. März 2003 – 9 AZR 174/02 – AP InsO § 55 Nr. 4 = EzA InsO § 55 Nr. 5, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Sie haben zu Recht verneint, der Vorrang dieser Verbindlichkeit ergebe sich unmittelbar aus § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Unter diese Vorschrift fallen nur Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit “begründet” worden sind. “Begründet” ist ein Schuldverhältnis im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Insolvenzverwalter den Rechtsgrund dafür nach dem Stichtag gelegt hat (BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – BGHZ 154, 358). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Grundlage des Anspruchs auf das zusätzliche Urlaubsentgelt ist der mit der Insolvenzschuldnerin bereits seit dem Jahr 1992 bestehende Arbeitsvertrag.
3. Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass sich ein Vorrang weder aus § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO noch aus § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO ergibt.
a) Als Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gelten Verbindlichkeiten aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte. Die Vorschrift setzt das Bestehen eines Wahlrechts des Verwalters iSv. § 103 InsO voraus (BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – BGHZ 154, 358). Jedenfalls bei bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen hat der Verwalter kein Wahlrecht über deren Erfüllung oder Nichterfüllung. Diese bestehen vielmehr nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort und sind unter Einhaltung von § 113 InsO kündbar.
b) § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO betrifft Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Nachdem der Beklagte das Arbeitsverhältnis bereits im März 2001 mit der kürzestmöglichen Frist von drei Monaten (§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO) zum 30. Juni 2001 gekündigt hatte, hätte eine neuerliche ordentliche Kündigung des Beklagten im Anschluss an die Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom 11. April 2001 den Arbeitsvertrag zu keinem früheren Zeitpunkt beendet. Entstehen und Fälligkeit des für April 2001 geschuldeten zusätzlichen Urlaubsentgelts wären nicht zu verhindern gewesen.
4. Das Bestehen einer Neumasseverbindlichkeit lässt sich auch nicht aus § 209 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO herleiten. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Gegenleistung aus einem Dauerschuldverhältnis für die Insolvenzmasse in Anspruch genommen hat. Eine vom Insolvenzverwalter erklärte “Freistellung unter Anrechnung von Urlaub” erfüllt diese Anforderungen nicht.
a) Im Schrifttum ist umstritten, was unter “Inanspruchnahme” iSd. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu verstehen ist. Teils wird eine willentliche Inanspruchnahme der Gegenleistung durch den Verwalter verlangt (Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 14.49 f.; Spliedt ZIP 2001, 1941, 1946; Meyer DZWIR 2001, 309, 312 f.; wohl auch Uhlenbruck InsO 12. Aufl. § 209 Rn. 15). Teils wird angenommen, schon das bloße Erlangen der Gegenleistung, also die tatsächliche Inanspruchnahme der Gegenleistung, sei ausreichend (MünchKommInsO-Hefermehl § 209 Rn. 30). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist maßgeblich, ob der Verwalter die Gegenleistung nutzt, obgleich er diese Nutzung im Interesse aller Massegläubiger hätte verhindern können (3. April 2003 – IX ZR 101/02 – BGHZ 154, 358; 4. Dezember 2003 – IX ZR 222/02 – NJW-RR 2004, 772 – zum Mietverhältnis). Auf diese Streitfrage kommt es hier nicht an. In jedem Fall wird vorausgesetzt, dass die “Gegenleistung” der Masse zugute kommt. Daran fehlt es.
b) Mit dem Begriff “Gegenleistung” ist nach allgemeinem Sprachverständnis die Leistung gemeint, die ein Schuldner im bestehenden Dauerschuldverhältnis zu erbringen hat. Im Arbeitsverhältnis ist das die vom Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 BGB zu erbringende Arbeitsleistung. Sie ist Gegenleistung für das vom Arbeitgeber geschuldete Entgelt. Ein Arbeitnehmer, der von seiner Arbeitspflicht freigestellt wird und daraufhin nicht mehr arbeitet, erbringt keine Gegenleistung. Dass er gleichwohl für die Zeiten seiner Nichtbeschäftigung Anspruch auf Entgelt hat, ändert daran nichts.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gebieten Besonderheiten des Urlaubsrechts nicht die Annahme, der Masse sei eine Gegenleistung zugeflossen. Der Urlaubsanspruch ist ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den vertraglichen Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird (st. Rspr. vgl. nur Senat 9. Juni 1998 – 9 AZR 43/97 – BAGE 89, 91). Mit einer vom Arbeitnehmer akzeptierten “Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub” wird dieser Freistellungsanspruch erfüllt (vgl. BAG 9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – BAGE 77, 296). Das Erlöschen des Urlaubsanspruchs ist Rechtsfolge der Erfüllung (§ 362 BGB) und keine “Gegenleistung” des Arbeitnehmers. Schon deshalb kommt es auf die Erwägung des Landesarbeitsgerichts nicht an, der Beklagte hätte nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit den Urlaub des Klägers widerrufen und dadurch die “Hinnahme der Tilgung” der restlichen vier Urlaubstage verhindern können.
d) Im Übrigen besteht kein Grund, die Tilgung des Anspruchs auf ein zusätzliches tarifliches Urlaubsentgelt als “Gegenleistung” anzusehen.
Nach § 208 Abs. 3 InsO ist der Verwalter verpflichtet, auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Masse zu verwalten und zu verwerten. Das wird ihm durch den in § 209 InsO bestimmten Vorrang der Neumasseverbindlichkeiten erleichtert. Neumassegläubigern im massearmen Verfahren, die Sachoder Dienstleistungen zugunsten der Masse erbringen, soll ein möglichst ungekürzter Zahlungsanspruch gegen die Masse zustehen. Ist das nicht gewährleistet, vermindern sich zum Nachteil aller Gläubiger die Chancen, das Insolvenzverfahren mit ihrer Hilfe ordnungsgemäß zu Ende zu führen.
Der Verwalter ist im Interesse der Gläubiger und zum Ausschluss seiner persönlichen Haftung für nicht erfüllbare Neumasseverbindlichkeiten (§ 61 InsO) gehalten, die Begründung von Neumasseverbindlichkeiten soweit möglich zu vermeiden. Arbeitnehmer sind deshalb von ihrer Arbeitspflicht freizustellen, sobald auf ihre Arbeitsleistung verzichtet werden kann. Eine Privilegierung von Entgeltansprüchen rechtfertigt sich daher regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer durch tatsächliche Arbeitsleistung zur Anreicherung der Masse beiträgt (vgl. zum Konkursrecht Senat 8. Dezember 1998 – 9 AZR 622/97 – AP KO § 60 Nr. 9 = EzA KO § 60 Nr. 7 mwN). Der Masse muss ein wirtschaftlicher Wert zufließen.
Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Dort ist in der Begründung zu § 321 Regierungsentwurf (= § 209 InsO) hervorgehoben, dass “ein Arbeitnehmer, der seine Leistung voll zu erbringen hat – der also nicht vom Verwalter “freigestellt” worden ist –, Anspruch auf volle Vergütung für diese Arbeitsleistung haben” muss (BR-Drucks. 1/92, S. 220). Im Umkehrschluss heißt das: Ein Arbeitnehmer, der vom Verwalter unwiderruflich von jeder Arbeitspflicht freigestellt worden war, hat keinen Anspruch auf vorrangige Befriedigung als Neumassegläubiger.
e) Unentschieden bleibt, ob Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld dann als Neumasseverbindlichkeit zu beurteilen sind, wenn der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Arbeitsleistung heranzieht und die Zeit der aktiven Beschäftigung durch Urlaubsgewährung unterbrochen wird. Hier hatte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Beklagte den Kläger bereits mit der Kündigung vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit unwiderruflich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von jeder Arbeitsleistung freigestellt.