Entscheidungsstichwort (Thema)
Leitplankenmontage und -reparatur als bauliche Tätigkeit. Leitplankenmontage und -reparatur. Straßenbauarbeiten
Leitsatz (amtlich)
Das Anbringen und die Reparatur von Leitplanken an Straßen ist eine bauliche Tätigkeit.
Orientierungssatz
- Das Anbringen und die Reparatur von Leitplanken an Straßen ist eine bauliche Tätigkeit.
- Eine Straße als Bauwerk erreicht ihren bestimmungsgemäßen Zweck erst dann, wenn nach den Vorgaben des Auftraggebers eine seitliche Begrenzung, die der Verkehrssicherheit dient, angebracht worden ist.
Normenkette
Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 10.08.2005; Aktenzeichen 4 Sa 2006/04) |
ArbG Berlin (Urteil vom 10.08.2004; Aktenzeichen 98 Ca 73409/04) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2005 – 4 Sa 2006/04 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und deshalb Beiträge entrichten und Auskünfte erteilen muss.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie verlangt Beiträge und Auskünfte für die Zeit von Februar bis August 2001 sowie von Januar 2003 bis Februar 2004.
Im Betrieb der Beklagten werden Fahrbahnmarkierungsarbeiten ausgeführt und Leitplanken repariert und montiert. Beim Neubau von Stahlschutzplanken werden Pfosten im Boden mittels Rammgerät durch Einrammen oder durch Verkleben von Klebeankern oder durch Einbetonieren verankert. Daran werden Stahlleitplanken ggf. unter Verwendung von Distanzstücken als doppelte oder einfache Leitplanken angeschraubt.
Die Klägerin hat behauptet, die im Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer hätten in den Kalenderjahren 2001, 2003 und 2004 zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Gesamtarbeitszeit, die in der Summe mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, baugewerbliche Leistungen erbracht, nämlich Fahrbahnmarkierungsarbeiten, dh. das Aufbringen von Markierungen auf Fahrbahnoberflächen durch Auftragen von Farbstoffen in Gestalt von Richtungsfahrtweisern (Pfeile und Mittelstreifen). Da in einem Parallelverfahren für das Jahr 2000 festgestellt worden sei, dass arbeitszeitlich überwiegend diese baulichen Arbeiten ausgeführt worden seien, sei dies auch für die übrigen Jahre anzunehmen, da kein Strukturwandel stattgefunden habe. Die von der Beklagten übergebenen Arbeitszeitaufstellungen seien so zu lesen, dass die dort genannten “allgemeinen Stunden” im Zusammenhang mit den Fahrbahnmarkierungsarbeiten erfolgt seien.
Ungeachtet dessen müsse aus heutiger Sicht davon ausgegangen werden, dass die Leitplankenmontage bauliche Leistung sei. Insoweit sei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1985, in der dies verneint worden war, überholt. Leitplanken seien Bauwerke. Die Montage unterfalle den Montagebauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziff. 37 oder aber den Fertigbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziff. 13 VTV, jedenfalls aber der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Es sei auch davon auszugehen, dass die Fahrbahnmarkierungsarbeiten und die Schutzplankenmontage jeweils in einheitlichen Aufträgen vergeben worden seien. Auch die Reparatur der an in die Erde gerammten Stahlpfosten befestigten Schutzplanken sei bauliche Tätigkeit, da sie der Instandsetzung eines Bauwerks diene.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
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an sie 87.420,00 Euro zu zahlen, |
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a) |
ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 2003 bis Februar 2004 im Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind und |
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b) |
für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 36.400,00 Euro zu zahlen. |
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, in ihrem Betrieb seien im Jahre 2001 mit einem Arbeitszeitanteil von 29,6 % Allgemeines, von 33,3 % Fahrbahnmarkierungen und 37,1 % Schutzplankenmontage ausgeführt worden. Im Jahre 2003 seien von der Gesamtarbeitszeit auf Allgemeines 30 % entfallen, auf Fahrbahnmarkierungsarbeiten 33,6 %, auf Schutzplankenmontage 36,4 %. Für das Jahr 2004 betrage für die Zeit von Januar bis Mai der Anteil an der Gesamtarbeitszeit für Fahrbahnmarkierungsarbeiten 27,4 %, für Allgemeines 41,7 % und für Schutzplankenmontage 30,9 %. Sie hat hierzu Arbeitszeitaufstellungen vorgelegt.
Sie hat im Übrigen behauptet, die Reparatur von Schutzplanken habe im streitigen Zeitraum mit 70 % gegenüber der Neumontage mit 30 % überwogen. Die Auftragserteilung für Fahrbahnmarkierung oder Schutzplankenmontage erfolge weitgehend unabhängig voneinander, wenn auch die Straßen- und Autobahnämter, Landratsämter und Kommunen Aufträge für Fahrbahnmarkierung und Schutzplankenreparatur sowie -neuerstellung als gemeinsames Fachlos ausschrieben. Die Montage der Leitplanken erfolge ausschließlich durch Verschraubung, die von Montageschlossern ausgeführt würde. Sie meint, es handele sich um eine überwiegend metallverarbeitende bzw. -bearbeitende Tätigkeit, nicht aber um eine solche baugewerblicher Art. Schutzplanken seien keine Bauwerke, da sie nicht mit dem Boden verbunden und infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen seien, da typische Werkzeuge und Arbeitsmethoden des Baugewerbes nicht zum Einsatz kämen, ungeachtet dessen, dass die Schutzplanken durchschnittlich nicht die Höhe von Zäunen erreichten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, während die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche zu, da die Beklagte im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb geführt hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass es auf die zeitlichen Anteile von Fahrbahnmarkierungen und Leitplankenanbringung und -reparatur nicht ankomme, da beide Tätigkeitsbereiche baulich seien. An der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Mai 1985 (– 4 AZR 516/83 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 66), in der der bauliche Charakter von Leitplankenmontage und -reparatur verneint worden war, sei nicht mehr festzuhalten. Schutzplanken aus Stahl, welche an Stahlpfosten befestigt würden, die von den gewerblichen Arbeitnehmern der Beklagten durch Einrammen in den Boden, Verkleben von Klebeankern und Einbetonieren der Pfosten mit dem Boden verbunden würden, seien Bauwerke iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Sie stellten mit dem Erdboden verbundene, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen dar, die in einem baulich geprägten Betrieb mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes erstellt würden. Die Arbeiten seien nicht geprägt durch Stahlbe- und -verarbeitung, sondern es sei wesentlich, dass die Stahlpfosten als Träger der Schutzplanken in die Erde gerammt und mit dieser fest zu einer Anlage verbunden würden. Schutzplanken seien ähnlich wie Metallzäune Bauwerke. Auf die Höhe der Zäune oder Schutzplanken komme es nicht an. Auch das Rammen gehöre zu den Arbeitsmethoden des Baugewerbes.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und überwiegend in der Begründung.
1. Die Ansprüche der Klägerin beruhen auf § 18 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 VTV vom 20. Dezember 1999 (VTV) in den gültigen, für allgemeinverbindlich erklärten Fassungen für die Monate Februar bis August 2001; die Auskunftsansprüche haben ihre Rechtsgrundlage in § 21 VTV in den für 2003 und 2004 ebenfalls allgemeinverbindlichen gültigen Fassungen.
In den für den Klagezeitraum anwendbaren Fassungen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) heißt es zum betrieblichen Geltungsbereich in § 1 Abs. 2:
“Betriebe des Baugewerbes. Das sind Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt I
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Abschnitt III
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
13. Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der gewählten Rechtsform – durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden;
…
24. Rammarbeiten;
…
32. Straßenbauarbeiten (Stein-, Asphalt-, Beton-, Schwarzstraßenbauarbeiten, Fahrbahnmarkierungsarbeiten, ferner Herstellen und Aufbereiten des Mischgutes, sofern mit dem überwiegenden Teil des Mischgutes der Betrieb, ein anderer Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der gewählten Rechtsform – der Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt wird) sowie Pflasterarbeiten aller Art;
…
37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
…”
2. Ob bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien wie zB die Eintragung im Handelsregister (st. Rspr. zB BAG 22. Januar 1997 – 10 AZR 223/96 – BAGE 85, 81). Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des Abschn. V genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III geprüft werden müssen (BAG 18. Januar 1984 – 4 AZR 41/83 – BAGE 45, 11). Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (BAG 25. Februar 1987 – 4 AZR 240/86 – BAGE 55, 78). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb des beklagten Arbeitgebers überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet wurden, obliegt der ZVK (BAG 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 130).
3. Die im Betrieb der Beklagten verrichteten Fahrbahnmarkierungsarbeiten gehören zu den im Beispielskatalog des Abschn. V des § 1 Abs. 2 VTV unter Nr. 32 genannten Straßenbauarbeiten, denn sie sind im Klammerzusatz ausdrücklich benannt. Sowohl das Aufbringen von Markierungsfarben als auch das Ein- und Aufbringen von Plastikmassen zu Markierungszwecken sowie das Anbringen von Markierungsnägeln und ähnlichen Einrichtungen gehören zu den Fahrbahnmarkierungsarbeiten (BAG 18. Januar 1984 – 4 AZR 13/82 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 59).
4. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass auch die Arbeiten, die mit der Anbringung und Reparatur von Leitplanken zusammenhängen, bauliche Tätigkeiten sind. Insoweit wird die Rechtsprechung des Vierten Senats im Urteil vom 8. Mai 1985 (– 4 AZR 516/83 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 66) durch den nunmehr allein für diese Art von Rechtsstreitigkeiten zuständigen erkennenden Senat aufgegeben.
a) Es spricht viel dafür, dass es sich bei der Montage und Reparatur von Leitplanken um Straßenbauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32 VTV handelt.
aa) In dem genannten Urteil hatte der Vierte Senat unter Bezugnahme auf ein früheres Urteil (BAG 2. Oktober 1973 – 4 AZR 611/72 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 15) angenommen, dass Straßenbauarbeiten im tariflichen Sinne nur solche seien, die unmittelbar zum Bau einer Straße zu leisten seien, also die Straße als Baukörper, als das von Bauarbeitern herzustellende Werk beträfen. Dies zeigten insbesondere die von den Tarifvertragsparteien in der Klammer aufgeführten Beispiele, bei denen es sich – von der Herstellung und Aufbereitung des Mischgutes abgesehen – durchweg um Tätigkeiten handele, die einmal die eigentliche Substanz der Straße als Baukörper beträfen und im Übrigen zu den herkömmlichen Aufgaben des Baugewerbes zählten. Die Leitplanken hätten mit der Straße als Bauwerk nichts zu tun, eine Straße könne auch ohne Leitplanke ihren Zwecken für den allgemeinen Verkehr dienen. Zudem befänden sich nicht einmal an allen Autobahnen und erst recht nicht an allen Straßen Leitplanken. Sie würden sogar inzwischen zur Begrenzung anderer, auch privater Flächen außerhalb des Straßennetzes verwendet. Sie dienten als zusätzliche Einrichtung der Verkehrssicherheit, die zum Wesen einer Straße nicht notwendig gehöre. Dem stehe nicht entgegen, dass Metall eine immer größere Bedeutung als Baustoff zukomme. Zwar habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22. März 1979 (– 7/12 RAr 51/77 – SozR 4100 § 75 AFG Nr. 7) die Auffassung vertreten, Bauarbeiten an Straßenleitplanken seien Bauleistungen iSv. § 75 Abs. 1 Nr. 3 AFG, so dass in solchen Betrieben die ganzjährige Beschäftigung zu fördern sei. Hierauf komme es aber nicht an. Der Vierte Senat sah sich in seiner Ansicht dadurch gestärkt, dass trotz dem nach dem Urteil aus dem Jahre 1973 veränderten fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau das Beispiel in Bezug auf die Straßenbauarbeiten keine inhaltliche Änderung erfahren habe.
bb) Diese Argumentation ist nicht zwingend. Im Urteil vom 18. Januar 1984 (– 4 AZR 13/82 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 59) wurden Fahrbahnmarkierungen als bauliche Leistungen ua. deshalb qualifiziert, weil das Bauwerk “Straße” erst dann erstellt und damit baulich vollendet sei, wenn es in vollem Umfang seinen bestimmungsgemäßen Zweck zu erfüllen in der Lage sei. Dies richte sich danach, ob die zuständigen Behörden Fahrbahnmarkierungen für erforderlich hielten und demgemäß anordneten.
Dass Leitplankenmontage und -reparatur im Klammerzusatz der Straßenbauarbeiten nicht genannt sind, schließt nicht aus, dass sie ohne diese Nennung zu den Straßenbauarbeiten gehören könnten. Sie dienen vielmehr da, wo sie für erforderlich gehalten werden, der Straße als Baukörper, der mit ihrer vollständigen Anbringung vollendet ist. Sie erhöhen die Verkehrssicherheit genauso wie Markierungen auf der Straßenoberfläche, die Gebote und Verbote enthalten und für einen ordnungsgemäßen und reibungslos verlaufenden Straßenverkehr erforderlich sind. Leitplanken werden dort angeordnet, wo wegen der Höhe des Verkehrsaufkommens und der gefahrenen Geschwindigkeit sowie des Streckenverlaufs – insbesondere in Kurven – die Gefahr besteht, dass Fahrzeuge die Straße verlassen könnten und deshalb eine seitliche Begrenzung nötig ist. Der Umstand, dass es nicht an allen Straßen Leitplanken gibt, steht dem nicht entgegen. Genauso wie eine Terrasse ihren bestimmungsgemäßen Zweck erst erreicht, wenn nach den Wünschen des Auftraggebers ein Geländer angebracht wird, erreicht die Straße als Baukörper ihren bestimmungsgemäßen Zweck erst dann, wenn die sichernden Leitplanken an den Stellen angebracht sind, an denen es erforderlich ist. Auch Terrassen können unter Umständen ohne Geländer genutzt werden. Die Art und die Details des zu erstellenden Bauwerks hängen von den Vorgaben des Auftraggebers ab, die im Falle der Leitplankenmontage den Erfordernissen der Verkehrssicherheit genügen müssen.
Dass die Tarifvertragsparteien die Leitplankenmontage und -reparatur auch nach der Entscheidung aus dem Jahre 1985 (BAG 8. Mai 1985 – 4 AZR 516/83 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 66) nicht in den Katalog der Straßenbauarbeiten eingefügt haben, hindert den Senat nicht, die Leitplankenmontage diesen Arbeiten nunmehr zuzuordnen.
b) Jedenfalls gehören die Leitplankenarbeiten aber zu den baulichen Leistungen iS § 1 Abschn. II VTV.
aa) Sie dienen der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken. Leitplanken sind Bauwerke in diesem Sinne. Bauwerke sind irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen. Im Urteil vom 23. November 1988 (– 4 AZR 395/88 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 103 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 46) sind Zäune als Bauwerke in diesem Sinne angesehen worden. Genauso wie Zäune müssen auch Leitplanken notwendigerweise fest mit dem Erdboden bzw. der Straße als Baukörper verbunden werden und bestehen auch aus Baustoffen, einerlei ob es sich um Leitplanken aus Metall oder anderen Materialien handeln mag. In der genannten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht auch darauf hingewiesen, dass Metall als Baustoff immer größere Bedeutung erlangt und weitere Verbreitung gefunden hat. Wie hoch das “Bauwerk” ist, ist unerheblich. Auch Zäune können so niedrig sein wie Leitplanken dies sind; im Übrigen müssen seitliche Begrenzungen von Straßen nicht nur die übliche Leitplankenhöhe haben, sie können vielmehr höher oder niedriger sein. Außerdem dienen die Leitplanken der Vollendung des Bauwerks “Straße”, wie unter Rn. 21) dargelegt.
bb) Weiterhin ist erforderlich, dass der betreffende Betrieb baulich geprägt sein muss. Es muss darin mit den Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet werden (st. Rspr. vgl. BAG 25. Februar 1987 – 4 AZR 230/86 – BAGE 55, 67). Dies ist der Fall. Metall als Baustoff ist mittlerweile weit verbreitet. Eine Ramme zur Verankerung der Pfosten ist ein Baugerät, wie aus dem in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 24 erwähnten Tätigkeitsbeispiel der “Rammarbeiten” hervorgeht. Soweit die Pfosten einbetoniert werden, ist dies eine klassische Baumethode. Verkleben und Verschrauben sind ebenfalls typische Methoden der Montage von Bauteilen. Wenn die Werkzeuge und Arbeitsmethoden auch in anderen Berufssparten Verwendung finden, ist dies unschädlich (BAG 14. Januar 2004 – 10 AZR 182/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 263).
c) Ob Errichtung und Reparatur von Leitplanken außerdem Montagebauarbeiten iSd. Ziff. 37 des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV sind, kann dahinstehen.
3. Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb der Beklagten nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII aus dem Geltungsbereich des VTV ausgenommen wäre, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Kay Ohl, Frese
Fundstellen
Haufe-Index 1677272 |
BAGE 2008, 197 |
DB 2007, 2154 |