Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang bei Fremdvergabe der Reinigung. Funktionsnachfolge. Sozialauswahl. Vergleichbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
- In Branchen, in denen es im Wesentlichen nicht auf Betriebsmittel, sondern auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, ist der Betriebsübergang von der bloßen Funktionsnachfolge dadurch abzugrenzen, dass der Erwerber nicht nur die Tätigkeit fortführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals (Hauptbelegschaft) übernimmt. Ein Betriebsübergang liegt nicht vor, wenn der bisherige Arbeitgeber zwar zunächst eine Überleitung des Personals plant, ein erheblicher Teil der Mitarbeiter den Wechsel aber ablehnt.
- Die bloße Nutzung von Energiequellen wie Wasser und Elektrizität stellt kein identitätsprägendes Merkmal des Reinigungsbetriebs dar.
- Das Angebot, eine Kündigung zurückzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zum Funktionsnachfolger des Arbeitgebers wechselt, ist keine unzulässige Bedingung der Kündigung, da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedenfalls beenden will.
- Die unterschiedliche, einzelvertraglich vereinbarte Lage der Arbeitszeit von Reinigungskräften von Büroräumen bzw. eines Theaters steht der Vergleichbarkeit im Rahmen der Sozialauswahl entgegen, da eine Versetzung nur nach einer Vertragsänderung möglich wäre.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 4 Sa 538/03) |
ArbG Magdeburg (Urteil vom 09.07.2003; Aktenzeichen 11 Ca 1059/03) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. Mai 2004 – 4 Sa 538/03 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 9. Juli 2003 – 11 Ca 1059/03 – abgeändert.
Die Klage wird im vollen Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die Klägerin ist seit dem 13. November 1989 bei der Beklagten, zuletzt als Küchenhilfe mit Zuarbeit und Reinigung im Jugendamt (Amt 51) mit der Lohngruppe 2a BMTG-O beschäftigt. Im Bereich des Reinigungspersonals wurden bei der Beklagten 175 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, davon zehn bei den Theatern der Stadt im Schicht- und Wechselbetrieb. Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 17. Oktober 2002, die Reinigungsarbeiten an Drittfirmen zu übergeben. Am 12. Dezember 2002 fasste der Stadtrat folgenden Beschluss:
“1. Auf der Grundlage des Beschlusses Nr. … erfolgt die Vergabe der Leistungen für Reinigung, Essenausgabe und Küchenarbeiten der Ämter 51 und 40 an private Dienstleister in Verbindung mit einer Personalüberleitung aufgrund eines Personalüberleitungsvertrages zum 1. Juli 2003.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, im Vorgriff auf den Stellenplan 2003 entsprechende kw-Vermerke zum 30. Juni 2003 in den Stellenplan einzuarbeiten.
3. Jedem von der Stellenstreichung und Kündigung betroffenen Arbeitnehmer wird nach Beschlussfassung über die Vergabe der Reinigungsleistungen durch den Stadtrat unverzüglich eine Weiterbeschäftigung bei einem privaten Dienstleister angeboten.”
In der Beschlussvorlage der Verwaltung heißt es hierzu ua.:
“Mit o. g. Beschluss war beabsichtigt, den von der Vergabe betroffenen Reinigungskräften eine ununterbrochene Weiterbeschäftigung zu garantieren. Betriebsbedingte Kündigungen waren nur für den Fall vorgesehen, dass seitens der betroffenen Reinigungskräfte der Übergang zu einem privaten Dienstleister abgelehnt wird.
Im Ergebnis von am 7. November 2002 durchgeführten Personalversammlungen, deren Durchführung zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich waren, da die konkrete Entscheidung über eine Privatisierung der Reinigungsleistungen erst mit dem Beschluss des Stadtrates vom 17. Oktober 2002 abschließend getroffen wurde, in denen gemeinsam durch die zuständigen Ämter und die zuständigen Personalräte die betroffenen Reinigungskräfte von der beabsichtigten Privatisierung und die daraus resultierenden Folgen informiert wurden, ist nunmehr davon auszugehen, dass ein Großteil der Reinigungskräfte nicht bereit ist, ein Weiterbeschäftigungsangebot bei einem privaten Dienstleister anzunehmen.
Seitens der zuständigen Personalvertretung wird eingeschätzt, dass das nach gegenwärtigem Stand über 60 % der betroffenen Reinigungskräfte betreffen würde. …”
In Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 12. Dezember 2002 hat die Beklagte entsprechende kw-Vermerke in den Haushaltsplan 2003 eingearbeitet.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 stellte die Beklagte an den Personalrat den Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung für die Klägerin. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin. Daraufhin rief der Oberbürgermeister der Beklagten mit Schreiben vom 8. Januar 2003 die Einigungsstelle an, die am 27. Februar 2003 empfahl, die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht zu erteilen.
Mit Schreiben vom 3. März 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. September 2003. In dem Kündigungsschreiben der beklagten Stadt heißt es ua.:
“Sehr geehrte Frau R…,
auf der 58. (III) Sitzung des Stadtrates am 12.12.2002 wurde die Anbringung von kw-Vermerken zum 30.06.2003 im Stellenplan 2003 für die von der Vergabe der Leistungen für Reinigung, Essenausgabe und Küchenarbeiten an private Dienstleister betroffenen Stellen beschlossen.
Alle noch vorhandenen Stellen Reinigungskräfte, Reinigungskräfte mit Essenausgabe, Küchenhilfen und Küchenhilfen mit Zuarbeit und Reinigung fallen zum 30.06.2003 weg.
Ich kündige daher Ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 50, Abs. 2, BMT-G-O und nach ordnungsgemäßer Beteiligung des zuständigen Personalrates zum 30.09.2003.
Nach Vergabe der Leistungen, voraussichtlich im Mai 2003, wird Ihnen ein Weiterbeschäftigungsangebot bei einem privaten Dienstleister unterbreitet. Sofern Sie das Angebot annehmen, werde ich die Kündigung zurücknehmen. In diesem Fall wird Ihr Arbeitsverhältnis durch Personalüberleitungsvertrag mit den beschäftigungssichernden Folgen des § 613a BGB auf den privaten Anbieter übergeleitet. …”
Seit dem 1. Juli 2003 wird die Reinigung im Jugendamt der Beklagten, die vormals die Klägerin durchgeführt hatte, von einer privaten Reinigungsfirma vorgenommen. Das ihr von dieser Firma unterbreitete Arbeitsangebot hat die Klägerin nicht angenommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte hätte auch eine soziale Auswahl mit den in Theatern der Beklagten verbliebenen Reinigungskräften durchführen müssen. Ferner sei die Kündigung nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, da bei Ausspruch der Kündigung die Beklagte einen Betriebsübergang beabsichtigt habe. Im Übrigen habe die Beklagte den Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört.
Die Klägerin hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 3. März 2003 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Grundlage sei die unternehmerische Entscheidung der Beklagten vom 12. Dezember 2002, die Reinigungsarbeiten und Küchenleistungen ab dem 1. Juli 2003 nicht mehr durch eigenes Personal durchführen zu lassen. Eine soziale Auswahl sei entbehrlich gewesen, da alle vergleichbaren Stellen entfallen seien. Auf Grund der besonderen Arbeitszeitregelung mit den Reinigungskräften an den Theatern der Beklagten seien diese nicht mit der Klägerin vergleichbar. Ein vergleichbarer freier Arbeitsplatz sei nicht vorhanden gewesen. Die Kündigung sei wegen der geplanten Betriebsstilllegung erfolgt und nicht wegen eines in der späteren Vergabe der Reinigungsaufgaben möglicherweise liegenden Betriebsübergangs. Den Personalrat habe sie vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit in der Revision noch von Interesse, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sowie zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Abweisung der Kündigungsschutzklage.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung vom 3. März 2003 sei unwirksam, weil ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung nach § 1 KSchG nicht vorgelegen habe und die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB erfolgt sei. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:
1. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe es keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung der Klägerin gegeben. Zu diesem Zeitpunkt habe kein wirksamer Beschluss des Stadtrats über die Streichung der Planstellen der Reinigungskräfte und Küchenhilfen im Bereich des Amtes 51 vorgelegen. Der Beschluss des Stadtrats der beklagten Stadt vom 12. Dezember 2002 sei noch keine abschließende Entscheidung gewesen. Die Verwaltung sei nämlich lediglich beauftragt worden, “im Vorgriff” die Stellenstreichungen in den Haushalt einzuarbeiten. Eine Ermächtigung zum Ausspruch von Kündigungen sei ausdrücklich nicht erteilt worden. Schließlich sollte den von der Stellenstreichung und Kündigung betroffenen Arbeitnehmern nach der Beschlussfassung über die Vergabe der Reinigungsleistungen durch den Stadtrat unverzüglich eine Weiterbeschäftigung bei einem privaten Dienstleister angeboten werden. Damit sei im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht sicher prognostizierbar gewesen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch einen Teilbetriebsübergang auf den neuen Auftragnehmer übergehen, ob die Klägerin einem Betriebsübergang widersprechen oder ob es lediglich zu einer Funktionsnachfolge kommen würde. Daraus folge, dass es sich um eine sog. Vorratskündigung gehandelt habe, die ein betriebliches Erfordernis iSv. § 1 KSchG nicht begründen könne.
Somit komme es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob der bei der beklagten Stadt gebildete Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Ebenso wenig bedürfe es weiterer Ausführungen zur ordnungsgemäßen Sozialauswahl.
2. Im Übrigen sei die Kündigung auch gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Die beklagte Stadt habe nämlich bereits bei Ausspruch der Kündigung einen Betriebsübergang beabsichtigt. Das ergebe sich schon aus dem Kündigungsschreiben. Dort heiße es nämlich am Ende, dass der Klägerin nach Vergabe der Leistungen, voraussichtlich im Mai 2003, ein Weiterbeschäftigungsangebot bei einem privaten Dienstleister unterbreitet werde. Sofern sie, die Klägerin, das Angebot annehme, werde die beklagte Stadt die Kündigung zurücknehmen. In diesem Fall werde das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch einen Personalüberleitungsvertrag mit den beschäftigungssichernden Folgen des § 613a BGB auf den privaten Anbieter übergeleitet.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Senat hält an seiner in den Parallelverfahren vom 24. Mai 2005 – 8 AZR 333/04 –, – 8 AZR 334/04 – und – 8 AZR 335/04 – vertretenen Auffassung fest. Die Revisionserwiderung der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 3. März 2003 zum 30. September 2003 aufgelöst worden.
1. Die Kündigung ist nicht gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Sie wurde entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen. Ein solcher Betriebsübergang hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 3. März 2003 weder greifbare Formen angenommen noch kam es danach zu einem solchen Betriebsübergang. Die Fremdvergabe der Reinigungsaufgaben im Jugendamt der Beklagten ab 1. Juli 2003 führte mangels Übergangs der Hauptbelegschaft nicht zu einem Betriebsteilübergang, sondern zu einer bloßen Funktionsnachfolge.
a) Ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit “Betrieb” bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, in betriebsmittelarmen Betrieben die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (st. Rspr. BAG im Anschluss an EuGH 11. März 1997 – Rs. C-13/95 – [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145: 25. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – BAGE 95, 1, 8 = AP BGB § 613a Nr. 209 = EzA BGB § 613a Nr. 190; zuletzt beispielsweise 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; 8. August 2002 – 8 AZR 583/01 – EzA BGB § 613a Nr. 209). Dabei darf eine Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. BAG im Anschluss an EuGH 11. März 1997 – Rs. C-13/95 – aaO; 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20, 28 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals (Hauptbelegschaft) übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolger) keinen Betriebsübergang dar (BAG 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – BAGE 87, 296, 299 f. = AP BGB § 613a Nr. 171 = EzA BGB § 613a Nr. 160; EuGH 20. November 2003 – Rs. C-340/01 – [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13).
b) Wegen eines Betriebsübergangs im Sinne dieser Norm wird eine Kündigung nur dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muss der Beweggrund für die Kündigung gewesen sein (st. Rspr., vgl. nur BAG 12. November 1998 – 8 AZR 265/97 – BAGE 90, 153, 157 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 5 = EzA BGB § 613a Nr. 171). Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, also bei Zugang der Kündigung, abzustellen. Damit kann ein bevorstehender Betriebsübergang nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 613a Abs. 4 BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststehen oder zumindest greifbare Formen angenommen haben (BAG 12. November 1998 – 8 AZR 265/97 – aaO).
c) Bei der vorliegenden Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten kam ein Betriebsteilübergang nur dann in Betracht, wenn der neue Auftragnehmer die Hauptbelegschaft übernommen hätte. Im Wesentlichen kommt es dabei auf die menschliche Arbeitskraft an; Betriebsmittel gehen im Bereich dieser Branche im Fall einer Fremdvergabe oder eines Auftragswechsels regelmäßig nicht über. Die Parteien haben auch keinen Übergang von Betriebsmitteln behauptet. Im Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung ist die Beklagte offenbar davon ausgegangen, dass die Reinigungskräfte und Küchenhilfen mit Zuarbeit und Reinigung mehrheitlich nicht bereit seien, Weiterbeschäftigungsangebote bei den privaten Dienstleistern anzunehmen. So wird in der Beschlussvorlage vom 12. Dezember 2002 die geschätzte Zahl der “Verweigerer” mit 60 % angegeben. Tatsächlich sind nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2004 unstreitig etwa 60 % der betroffenen Mitarbeiter inzwischen bei den betreffenden Übernahmefirmen tätig. Damit kann nicht von der Übernahme der Hauptbelegschaft der Reinigungskräfte ausgegangen werden. So hat der Senat bei Reinigungskräften, an deren Sachkunde keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, bei der Übernahme von 85 % der Belegschaft ohne sächliche Betriebsmittel die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Arbeitnehmer angenommen (11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – BAGE 87, 303, 308 = AP BGB § 613a Nr. 172 = EzA BGB § 613a Nr. 159), dagegen die Übernahme von 75 % nicht als Übernahme der Hauptbelegschaft angesehen (10. Dezember 1998 – 8 AZR 676/97 – AP BGB § 613a Nr. 187 = EzA BGB § 613a Nr. 174).
d) Damit bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung auf Grund der bestehenden Tatsachen davon ausgegangen sein könnte, der private Übernehmer des Reinigungsauftrags werde die Hauptbelegschaft der Reinigungskräfte übernehmen. Gerade die Beschlussvorlage für den Stadtratsbeschluss vom 12. Dezember 2002 zeigt, dass die Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt erkannte, ein Großteil der betroffenen Reinigungskräfte werde das Übernahmeangebot des privaten Dienstleisters nicht annehmen. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich einen Betriebsübergang mit der Überleitung des Reinigungspersonals auf den privaten Anbieter geplant. Nach der Beschlussvorlage sollte jeder Reinigungskraft so eine ununterbrochene Weiterbeschäftigung garantiert werden. Geht man damit von einem betriebsmittelarmen Betrieb aus, bei dem es nur durch die Übernahme der Hauptbelegschaft zu einem Betriebsübergang kommen könnte, kann ein Betriebsübergang nicht angenommen werden, wenn ein wesentlicher Teil der Belegschaft dem Übergang seiner Arbeitsverhältnisse widerspricht.
Da im Zeitpunkt der Kündigung der Beklagten auf Grund der Ergebnisse der vorausgegangenen Betriebsversammlungen bereits klar war, dass es mangels “Wechselbereitschaft” der Hauptbelegschaft nicht zu einem Betriebsübergang kommen werde, wurden die Kündigungen nicht wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs ausgesprochen, sondern weil die zu kündigenden Arbeitnehmer das Übernahmeangebot des privaten Dienstleisters ablehnten.
e) Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung zur Übernahme der Hauptbelegschaft in der Reinigungsbranche abzuweichen. Soweit der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 20. November 2003 (– Rs. C-340/01 – [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13) bei der Übernahme eines Dienstleistungsauftrags im “Catering-Bereich” auch ohne Übernahme der Hauptbelegschaft einen Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie annimmt, ging er nicht von einem betriebsmittelarmen Betrieb, bei dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, aus. Anders verhält es sich im Streitfall. Hier ging es im Wesentlichen um die Reinigung der Räumlichkeiten durch die Reinigungskräfte. Soweit diese daneben auch mit der Essenausgabe beauftragt waren, stand diese Verpflichtung nicht im Vordergrund. “Essenausgabe” ist als Ausgabe von Essen und nicht als Essenzubereitung zu verstehen. Jedenfalls hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass Küchenarbeiten, wie zB Kochtätigkeiten und Speisenzubereitungen ein wesentliches Gewicht hatten. Im Gegensatz zum Fall der Carlito-Abler-Entscheidung aus dem Catering-Bereich kam es im Streitfall damit im Wesentlichen auf die Reinigung und damit auf die menschliche Arbeitskraft an. Die bloße Nutzung von Energiequellen wie Wasser und Elektrizität stellt kein identitätsprägendes Merkmal des Reinigungsbetriebs dar. Die kritischen Anmerkungen in NJW-Spezial 2006, 35 f. (Grobys/von Steinau-Steinrück) zu dem Urteil des Senats in der Parallelentscheidung vom 24. Mai 2005 (– 8 AZR 333/04 – EzA BGB 2002 § 613a Nr. 37) überzeugen daher nicht. Die Klägerin kann sich somit nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs berufen.
2. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gegeben.
a) Das dringende betriebliche Erfordernis für die ausgesprochene Kündigung ergibt sich aus innerbetrieblichen Gründen. Die beklagte Stadt hat sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehrerer Reinigungskräfte entfallen ist (vgl. BAG 7. Dezember 1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157, 161 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61, 68 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 29; 5. Dezember 2002 – 2 AZR 522/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 50; zuletzt 22. April 2004 – 2 AZR 244/03 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 53).
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 1 ZPO) ist davon auszugehen, dass die beklagte Stadt im Jahr 2002 die unternehmerische Entscheidung getroffen hatte, die Reinigungsdienstleistungen zukünftig durch Drittunternehmen ausführen zu lassen. Davon war nach dem Stadtratsbeschluss vom 12. Dezember 2002 auch der bisherige Arbeitsbereich der Klägerin im Amt 51 unmittelbar betroffen. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 3. März 2003 lag der Stadtratsbeschluss vor, mit dem Auftrag an die Verwaltung in den Stellenplan 2003 ab 1. Juli 2003 für die Reinigungskräfte im Amt 51 kw-Vermerke einzuarbeiten. Ab diesem Zeitpunkt übernahm ein privater Reinigungsdienst die Reinigung im Amt 51. Da die Kündigung vom 3. März 2003 zum 30. September 2003 ausgesprochen wurde, konnte die beklagte Stadt bei der Kündigung zu Recht davon ausgehen, dass zum Ende der Kündigungsfrist zum 30. September 2003 der Arbeitsplatz der Klägerin wegfallen wird. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, dass die konkrete Stelle der Klägerin beim Zugang der Kündigung im Stellenplan noch nicht gestrichen war.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht die Ansicht vertreten hat, der Annahme eines dringenden betrieblichen Erfordernisses zur Kündigung der Klägerin stehe entgegen, dass ihr im Kündigungsschreiben ein Personalüberleitungsvertrag mit Rücknahme der Kündigung angeboten wurde, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Die beklagte Stadt wollte wegen der Privatisierung der Reinigungsdienste das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin auf alle Fälle auflösen. Das Angebot einer Personalüberleitung mit den beschäftigungssichernden Folgen des § 613a BGB war lediglich ein Angebot zur einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und sozialverträglichen Personalüberleitung auf den privaten Anbieter. Dieses Angebot hat die Klägerin dadurch ausgeschlagen, dass sie nicht bei dem privaten Anbieter beschäftigt werden wollte.
c) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. März 2001 (– 2 AZR 705/99 – BAGE 97, 193 = AP BGB § 620 Bedingung Nr. 26 = EzA BGB § 620 Kündigung Nr. 2) berufen. In dieser Entscheidung hat der Zweite Senat eine Kündigung deshalb für unwirksam erklärt, weil der kündigende Arbeitgeber im Kündigungsschreiben erklärt hatte, die Kündigung werde gegenstandslos, wenn der gekündigte Bewachungsauftrag auf Grund der Neuausschreibung neu erteilt werde. Der Zweite Senat hat hierin eine unzulässige (auflösende) Bedingung der Kündigung gesehen. Im Streitfall ist die Kündigung ohne eine auflösende Bedingung erklärt worden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sollte unbedingt beendet werden. Das Angebot einer sozialverträglichen Personalüberleitung macht die Kündigung nicht zu einer unzulässigen bedingten Kündigung.
3. Die Kündigung ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die beklagte Stadt bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmerin soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hätte (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG).
a) Die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erstreckt sich innerhalb einer Dienststelle auf die Arbeitnehmer, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind die Arbeitnehmer, die austauschbar sind (BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61, 75 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 29; 17. September 1998 – 2 AZR 725/97 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 36). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmt sich der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Umständen, also vor allem nach der ausgeübten Tätigkeit. An einer Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann, dh. wenn eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers nur nach einer Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen und damit nur durch Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung erfolgen kann (beispielsweise 17. September 1998 – 2 AZR 725/97 – aaO; 3. Dezember 1998 – 2 AZR 341/98 – BAGE 90, 236, 239 ff. = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 39 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 37; 17. Februar 2000 – 2 AZR 142/99 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43; 15. August 2002 – 2 AZR 195/01 – BAGE 102, 197, 203 = AP BGB § 613a Nr. 241 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123; 5. Dezember 2002 – 2 AZR 697/01 – BAGE 104, 138, 145 ff. = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 52). Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer dadurch herbeizuführen, dass er einem sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet, um ihm dadurch einen Arbeitsplatz zu verschaffen, der zur Zeit mit einem sozial bessergestellten Arbeitnehmer besetzt ist, dem dann nach sozialen Gesichtspunkten gekündigt werden müsste (BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – aaO; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 622).
b) Die Klägerin hat keine vergleichbare bei der beklagten Stadt beschäftigte Reinigungskraft genannt, der unter sozialen Gesichtspunkten eher gekündigt hätte werden müssen. Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte hätte eine Sozialauswahl mit den in den Theatern der Beklagten verbliebenen Reinigungskräften durchführen müssen, fehlt es an der Vergleichbarkeit. Die Reinigungskräfte im Theaterbereich arbeiten im Schichtund Wechselbetrieb mit Sonntags- und Feiertagsarbeit. Die Arbeitszeiten richten sich nicht nach den allgemeinen Bürozeiten, sondern nach den Aufführungszeiten des Theaterbetriebs und sind einzelvertraglich vereinbart. Eine Vergleichbarkeit der Reinigungskräfte der Ämter mit denen der Theater der Beklagten ist wegen der einzelvertraglich vereinbarten unterschiedlichen Lage der Arbeitszeit nicht möglich. Die Stadt hätte die Klägerin nicht einseitig kraft ihres Direktionsrechts auf den Platz einer Reinigungskraft bei den Theatern versetzen können. Dies wäre nur durch eine einvernehmliche Vertragsänderung möglich gewesen. Die Beklagte war nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin eine entsprechende Vertragsänderung anzubieten, um die Reinigungskräfte an den Theatern mit in eine Sozialauswahl einzubeziehen (vgl. BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61, 67 ff. = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 29).
4. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt auch nicht aus einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats zur Kündigung der Klägerin. Das Beteiligungsverfahren ist gem. § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ordnungsgemäß durchgeführt worden. Soweit die Klägerin rügt, dem Personalrat seien dringende betriebliche Gründe, hier innerbetriebliche Maßnahmen auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung, im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens nicht mitgeteilt worden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. In dem Anhörungsschreiben vom 12. Dezember 2002 wurde der Inhalt des Stadtratsbeschlusses vom 12. Dezember 2002 wiedergegeben, wonach die Vergabe der Leistungen für Reinigung, Essenausgabe und Küchenarbeiten der Ämter 51 und 40 an private Dienstleister zum 1. Juli 2003 erfolge und die Verwaltung beauftragt worden sei, im Stellenplan 2003 zum 30. Juni 2003 kw-Vermerke für die betroffenen Arbeitsplätze einzuarbeiten. Zur sozialen Auswahl wurde darauf hingewiesen, dass die allein im Theaterbereich verbliebenen Reinigungskräfte auf Grund einer einzelvertraglich vereinbarten Arbeitszeit bedingt durch den unregelmäßigen Spielbetrieb und die Wochenend- und Feiertagsarbeit nicht vergleichbar seien.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Scholz, Schuckmann
Fundstellen