Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzgesetz. Anwendungsbereich. Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit ausländischem Arbeitgeber. räumlicher Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes: Erfüllung der Voraussetzung (Betriebsgröße und Beschäftigtenzahl) auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland?. ausdrückliche Vereinbarung der Anwendung deutschen Arbeitsrechts
Leitsatz (amtlich)
§ 23 Abs. 1 KSchG erfasst nur Betriebe, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen.
Orientierungssatz
1. Das Kündigungsschutzgesetz gilt – vorbehaltlich von Sonderregelungen des Gemeinschaftsrechts – nur für Betriebe, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen.
2. Die gesetzgeberische Entscheidung, für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes einen Betrieb in der Bundesrepublik zu fordern, ist nicht willkürlich.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1; EGBGB Art. 27, 30; GG Art. 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.11.2005; Aktenzeichen 16 Sa 51/05) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 18.05.2005; Aktenzeichen 2 Ca 554/04) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 4. November 2005 – 16 Sa 51/05 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, und zwar vorrangig über die Anwendung des deutschen Kündigungsschutzrechts.
Die Beklagte ist ein in Belgien ansässiges Unternehmen, das in Belgien zumindest 25 Arbeitnehmer und in der Bundesrepublik Deutschland lediglich drei Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Der Kläger war seit 13. Mai 2002 als einer von drei in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Außendienstmitarbeitern bei der B… (ursprüngliche Beklagte zu 1)) angestellt. Anlässlich der Überleitung des Arbeitsverhältnisses von der B… auf die jetzige Beklagte (ursprüngliche Beklagte zu 2)) zum 1. Mai 2004 richteten beide Gesellschaften ein gemeinsames Schreiben an den Kläger, in dem ua. folgender Passus enthalten ist:
“Es gilt weiterhin deutsches Arbeitsrecht; im Fall von Rechtsstreitigkeiten sind unverändert deutsche Arbeitsgerichte zuständig.”
Mit Schreiben vom 2. November 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2004 aus betriebsbedingten Gründen.
Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und macht geltend, das Kündigungsschutzgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dies folge aus der ausdrücklichen Vereinbarung deutschen Arbeitsrechts. Für die Bemessung der Zahl der regelmäßig Beschäftigten und für die Beurteilung, ob ein “Betrieb” vorliege, seien die in Belgien beschäftigten Mitarbeiter mit zu berücksichtigen. Hilfsweise hat der Kläger die Zahlung einer Entschädigung nach belgischem Recht unter Berücksichtigung der danach längeren Kündigungsfrist zum 28. Februar 2005 begehrt. Nach Art. 30 EGBGB dürfe durch die Rechtswahl deutschen bzw. ausländischen Rechts kein zwingender Kündigungsschutz entzogen werden.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 2. November 2004 nicht aufgelöst worden ist.
2. hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt,
a) gegenüber dem Kläger Rechnung über den Gehaltsanspruch für die Monate Januar und Februar 2005 zu legen,
b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,
c) an den Kläger Zahlung eines indemnit compensatoire de pravis in einer nach Rechnungslegung noch zu bestimmenden Höhe zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Kündigung für wirksam. Die Vereinbarung der Parteien über die Geltung deutschen Arbeitsrechts bedeute hier Kündigungsschutz im Rahmen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1, 23 KSchG. Diese seien nach den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen und danach unstreitig nicht gegeben. Sie unterhalte keinen eigenen Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland, sondern beschäftige dort lediglich drei Reisevertreter. Da deutsches Recht anwendbar sei, seien auch die Hilfsanträge unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge gegen die Beklagte weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund der ordentlichen Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 31. Dezember 2004 geendet. Dem Kläger stehen auch keine Ansprüche nach belgischem Recht zu.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Kündigungsschutzgesetz finde im vorliegenden Rechtsstreit keine Anwendung. In der Bundesrepublik Deutschland fehle es schon an einem Betrieb der Beklagten, da von hier aus kein einheitlicher organisatorischer Einsatz der Betriebsmittel durch die Beklagte erfolge. Die Beklagte beschäftige außerdem in der Bundesrepublik Deutschland lediglich drei Arbeitnehmer. Damit sei der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nicht anwendbar. Auch ein Anspruch auf eine Entschädigungsleistung nach belgischem Recht stehe dem Kläger nicht zu, da sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach deutschem Arbeitsrecht richte.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in wesentlichen Teilen der Begründung.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist deutsches Arbeitsrecht anwendbar. Dies folgt aus der ausdrücklichen Rechtswahl der Vertragsparteien. Im Überleitungsvertrag vom 30. April 2004 haben die Arbeitsvertragsparteien wirksam eine ausdrückliche Rechtswahl iSv. Art. 27 EGBGB zugunsten deutschen Arbeitsrechts getroffen bzw. bestätigt.
1. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB muss die Rechtswahl eindeutig sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Vereinbarung vom 30. April 2004 erfüllt diese Voraussetzungen. Aus ihr ergibt sich eindeutig, dass zumindest ab 1. Mai 2004, dem Zeitpunkt der Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf die jetzige Beklagte, die Parteien die Geltung deutschen Arbeitsrechts für den Arbeitsvertrag insgesamt (vgl. Art. 27 Abs. 1 Satz 3 EGBGB) vereinbart haben.
2. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der schriftlichen Rechtswahlvereinbarung liegen nicht vor, eine solche wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
II. Die Rechtswirksamkeit der Kündigung der Beklagten beurteilt sich nicht nach dem Kündigungsschutzgesetz. Dessen Anwendungsbereich ist nicht eröffnet. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht in einem Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes beschäftigt, der nach § 23 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 KSchG dessen Geltungsbereich unterfällt. Die Parteien haben auch nicht die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes unabhängig von dessen gesetzlichem Anwendungsbereich vereinbart.
1. Die Beklagte unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelten die Vorschriften der §§ 1 bis 14 KSchG mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden.
a) § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine Definition des Betriebsbegriffs. Für §§ 1, 15 und 17 KSchG wird weitgehend der Betriebsbegriff verwendet, den insbesondere das Betriebsverfassungsgesetz prägt. Nach der allgemein üblichen Definition ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt (BAG 29. Januar 1987 – 6 ABR 23/85 – AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 5, zu B III 1 der Gründe; Senat 15. März 2001 – 2 AZR 151/00 – EzA KSchG § 23 Nr. 23, zu II 1 b; ErfK/Kiel 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 4a; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 23 Rn 8; HWK-Pods/Quecke 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 3; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 133).
b) Mangels entgegenstehender Hinweise für eine unterschiedliche Bedeutung des Betriebsbegriffs in den einzelnen Vorschriften ist davon auszugehen, dass der Begriff im gesamten Kündigungsschutzgesetz einheitlich gebraucht wird (Bepler AuR 1997, 54, 57; Falder NZA 1998, 1254, 1257; Schmidt NZA 1998, 169, 172; Urban Der Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes S. 90 f.). Der Gesetzgeber unterscheidet in § 1 Abs. 1 KSchG zwischen “Betrieb” und “Unternehmen”, so dass auch in § 23 Abs. 1 KSchG der Betriebsbegriff nicht mit dem des Unternehmens gleichgesetzt werden kann (Schmidt aaO S. 172; Urban aaO S. 91). Das Festhalten am allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des “Betriebs” entspricht auch dem im arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die Frage diskutiert, ob an der Betriebsbezogenheit des Kündigungsschutzgesetzes festgehalten werden oder diese durch eine Unternehmensbezogenheit abgelöst werden sollte. Dennoch blieb der Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch nach der erneuten Änderung der Norm durch das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843) unverändert (Senat 15. März 2001 – 2 AZR 151/00 – EzA KSchG § 23 Nr. 23, zu II 1a der Gründe; Gragert NZA 2000, 961, 963; Urban aaO S. 90). Durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) wurde § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG geändert und § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG eingefügt. Der Gesetzeswortlaut stellt gleichwohl nach wie vor unverändert auf den Betrieb ab.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Anknüpfung des Kündigungsschutzgesetzes an den allgemeinen Betriebsbegriff in der Entscheidung zur sogenannten Kleinbetriebsklausel (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169, zu B II 4b bb der Gründe) im Ergebnis nicht beanstandet (Senat 13. Juni 2002 – 2 AZR 327/01 – BAGE 101, 321, zu II 1c der Gründe; 15. März 2001 – 2 AZR 151/00 – EzA KSchG § 23 Nr. 23, zu II 1a der Gründe).
c) Der Senat ist bisher stets davon ausgegangen, dass das Kündigungsschutzgesetz – vorbehaltlich von Sonderregelungen des Gemeinschaftsrechts – nur für Betriebe gilt, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen (Senat 3. Juni 2004 – 2 AZR 386/03 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33 = EzA KSchG § 23 Nr. 27, zu B I 4 der Gründe; 9. Oktober 1997 – 2 AZR 64/97 – BAGE 86, 374, zu II 2a der Gründe; APS-Moll 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 37; ErfK/Kiel 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 3; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 23 Rn. 6; HWK-Pods/Molkenbur 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 2; KR-Weigand 8. Aufl. § 23 KSchG Rn. 19a; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 894; aA Gravenhorst FA 2005, 34; Junker FS Konzen 2006 S. 367; KDZ-Kittner KSchR 6. Aufl. § 23 KSchG Rn. 22; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. Vor § 1 Rn. 33; Mauer FS Leinemann 2006 S. 733).
2. Diese Voraussetzungen, an denen der Senat festhält, erfüllt die Beklagte nicht. Sie unterhält nach den auf dem unstreitigen Vorbringen der Parteien in den Vorinstanzen beruhenden und von der Revision auch nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Bundesrepublik Deutschland keinen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG.
Die Beklagte unterhält in der Bundesrepublik Deutschland keine organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe sie allein oder in Gemeinschaft mit ihren Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt. Auch unterhält die Beklagte keine Niederlassung, Betriebsstätte oder ähnliches in der Bundesrepublik Deutschland, von der aus ein einheitlicher Einsatz der Betriebsmittel und der Personalressourcen ihrerseits gesteuert wird. Die Beklagte beschäftigt außerdem in der Bundesrepublik Deutschland nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts neben dem Kläger lediglich noch zwei weitere Außendienstmitarbeiter. Selbst wenn man alle in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer der Beklagten zusammenfassen und davon ausgehen würde, die Steuerung dieser Arbeitnehmer durch die Beklagte könne für die Erfüllung des Betriebsbegriffs ausreichend sein, würde der Schwellenwert nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht erreicht.
a) § 23 Abs. 1 KSchG erfasst nur Betriebe, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Dies ergibt schon die Auslegung des § 23 Abs. 1 KSchG. An der bisherigen Rechtsprechung ist deshalb trotz der von Teilen des Schrifttums erhobenen Einwendungen (Gravenhorst FA 2005, 34; Junker FS Konzen 2006 S. 367; Mauer FS Leinemann 2006 S. 733) im Ergebnis festzuhalten.
aa) Bei der Auslegung von Gesetzen ist zunächst vom Wortlaut der Regelung auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den systematischen Zusammenhang und den Normzweck, sofern er im Gesetz erkennbaren Ausdruck gefunden hat (Senat 29. September 1983 – 2 AZR 179/82 – AP BPersVG § 79 Nr. 1, zu A IV 2 der Gründe; vgl. auch 31. Januar 1985 – 2 AZR 530/83 – BAGE 48, 40, zu II 2a der Gründe; BAG 16. Juni 2005 – 6 AZR 108/01 – BAGE 115, 113, zu 2d aa der Gründe). Häufig kann nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer zweckmäßigen, vernünftigen und gerechten Regelung führt.
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass § 23 Abs. 1 KSchG nur in der Bundesrepublik Deutschland belegene Betriebe erfasst.
(1) Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG enthält für eine Auslegung zwar wenig Anhaltspunkte. Mittelbar kann aus ihm unter Einschluss des Gesamtzusammenhangs aber abgeleitet werden, dass die von § 23 Abs. 1 KSchG erfassten Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland belegen sein müssen. Mit dem Begriff “Betrieb” hat der Gesetzgeber des Kündigungsschutzgesetzes einen feststehenden Rechtsbegriff aufgegriffen, der durch das Betriebsverfassungsgesetz geprägt war und dort nur solche organisatorischen Einheiten erfasst, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Gestützt wird diese Sicht dadurch, dass der Gesetzgeber neben dem Begriff des Betriebs noch den aus dem Verwaltungsrechts- und Personalvertretungsrecht entstammenden Begriff der Verwaltung verwendet. Es kann insoweit auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Kündigungsschutzgesetz an verschiedenen Stellen Bezüge zum Betriebsverfassungsgesetz und zum Personalvertretungsgesetz herstellt, wie etwa in § 1 Abs. 2 Satz 2, § 1 Abs. 4 und § 1 Abs. 5, § 3, § 4 Satz 2 KSchG und damit eine Anbindung an das Betriebsverfassungsrecht wie auch das Personalvertretungsrecht und deren Anwendungsbereiche zum Ausdruck bringt.
(2) Aus dem systematischen Zusammenhang ergeben sich gleichfalls Anhaltspunkte dafür, dass § 23 Abs. 1 KSchG nur Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland erfassen will. Aus dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG bestimmten Anwendungsvorbehalt für die Seeschifffahrts-, Binnenschifffahrts- und Luftverkehrsbetriebe lässt sich auch aus systematischen Überlegungen eine Begrenzung auf Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland ableiten. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelten als Betriebe iSd. Kündigungsschutzgesetzes jeweils die Gesamtheit der Seeschiffe oder der Binnenschiffe eines Schifffahrtsbetriebs oder Luftfahrtzeuge eines Luftverkehrbetriebs. Mit der in § 24 Abs. 1 Satz 2 KSchG enthaltenen Fiktion hat der Gesetzgeber gerade auch Lebenssachverhalte erfasst, bei denen typischerweise Auslandsberührungen zu erwarten sind. Diese hat der Gesetzgeber einer eigenständigen Regelung zugeführt und damit diese Sachverhalte unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten mit einem Anknüpfungspunkt in der Bundesrepublik Deutschland versehen.
(3) Auch aus der Entstehungsgeschichte im weiteren Sinne lassen sich gewichtige Anhaltspunkte für die vom Senat bisher vertretene Auslegung ableiten. Insoweit kann nicht allein auf die Entstehungsgeschichte der Norm verwiesen werden. Dies würde zu kurz greifen. Aus den Gesetzesmaterialien des Kündigungsschutzgesetzes selbst ergibt sich wenig (vgl. KR-Weigand 8. Aufl. § 23 KSchG Rn. 1 – 7c; Junker FS Konzen 2006 S. 367, 377 f.). Soweit es die Entstehungsgeschichte der Norm angeht, darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kündigungsschutz vor Schaffung des Kündigungsschutzgesetzes 1951 im Betriebsverfassungsrecht verankert und auf die Betriebe beschränkt war, bei denen eine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung bestand (vgl. Joost Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht 1988 S. 335 ff.; Wiesenecker Arbeitsrecht der Länder im Nachkriegsdeutschland 2005 S. 44 ff.).
Im Rahmen der historischen Auslegung ist jedenfalls zu beachten, dass der Gesetzgeber, trotz mehrfacher Änderungen des § 23 Abs. 1 KSchG in den letzten Jahren (vgl. hierzu KR-Weigand 8. Aufl. § 23 KSchG Rn. 7a – 7c) in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 23 Abs. 1 KSchG – auch zur Beschränkung auf in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Betriebe – keine Änderung des Wortlauts vorgenommen und damit die Rechtsprechung des Senats hierzu gebilligt hat (vgl. BAG 23. August 2006 – 7 AZR 12/06 – AP TzBfG § 14 Verlängerung Nr. 1 = EzA TzBfG § 14 Nr. 33, zu I 1d bb der Gründe).
(4) Die von Junker geäußerten Bedenken unter Verweis auf das von Gravenhorst (FA 2005, 34, 36) gebildete Beispiel des US-amerikanischen Pharmaunternehmens, das seine für Deutschland zuständige Vertriebstochter in Basel (Schweiz) angesiedelt hat und seine rund 200 ausschließlich in Deutschland beschäftigten Außendienstmitarbeiter straff von Basel aus führt, greifen nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betriebsbegriff des § 23 Abs. 1 KSchG einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97,169, zu B II 4b bb der Gründe). In diesem (fiktiven) Fall wäre es nach den Umständen des konkreten Falls zu erörtern, ob die 200 deutschem Arbeitsrecht unterfallenden Außendienstmitarbeiter als in einem Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt anzusehen wären. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
cc) Die Auslegung des § 23 Abs. 1 KSchG durch den Senat verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG folgt allein aus der Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgruppen noch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein darauf bezogener Verstoß liegt erst vor, wenn die Ungleichbehandlung nicht in ausreichendem Maß gerechtfertigt werden kann. Hierfür stellt das Bundesverfassungsgericht differenzierte Anforderungen (Einzelheiten bei: Bryde Jura 1999, 36; Jarass NJW 1997, 2545). Sie bestimmen sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand und den jeweiligen Differenzierungsmerkmalen und reichen vom bloßen Willkürverbot hin bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (BAG 27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – BAGE 111, 8, zu B II 3c cc der Gründe; 2. März 2006 – 8 AZR 124/05 – BAGE 117, 184, zu II 3d der Gründe).
(2) Entgegen der Auffassung des Klägers führt die vom Senat zu § 23 Abs. 1 KSchG vorgenommene Auslegung zu keiner ungerechtfertigten Ungleichbehandlung.
Es überzeugt nicht, wenn der Kläger geltend macht, die Beschränkung des Kündigungsschutzgesetzes auf Betriebe innerhalb der Bundesrepublik Deutschland trotz Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts verletze den Gleichheitssatz; es gebe keinen sachlichen Grund, einem Arbeitnehmer eines Auslandsbetriebs den Kündigungsschutz zu versagen, den ein Arbeitnehmer eines gleichgroßen Inlandsbetriebs genieße. Der Kläger vergleicht damit bereits keine wesentlich gleichen Sachverhalte. Es stellt einen maßgeblichen Unterschied dar, ob ein Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland angesiedelt ist oder außerhalb. Die gesetzgeberische Entscheidung, für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes einen Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland zu fordern, ist nicht willkürlich. Der Gesetzgeber war und ist nicht gehindert, die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes davon abhängig zu machen, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein Betrieb belegen ist.
b) Die Kündigung der Beklagten vom 2. November 2004 ist auch nicht deshalb an § 1 KSchG zu messen, weil bei der Ermittlung des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG eine Zusammenrechnung der in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern mit den Mitarbeitern der Beklagten in Belgien zu erfolgen hätte. Eine Zusammenrechnung dieser beiden bei der Beklagten beschäftigten Personengruppen scheidet aus.
aa) Es kann dahinstehen, ob eine solche Zusammenrechnung erwägenswert wäre bezogen auf die regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland und andere Arbeitnehmer der Beklagten, deren Arbeitsverhältnisse nach Art. 27 ff. EGBGB ebenfalls deutschem Arbeitsrecht unterfallen.
bb) Eine Zusammenrechnung der in Belgien beschäftigten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse mangels anderweitiger Anhaltspunkte bzw. fehlender abweichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts belgischem Recht unterfallen, mit den in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse nach Art. 27 ff. EGBGB deutschem Recht unterfallen, ist jedenfalls nicht möglich. Die Arbeitsverhältnisse dieser beiden Personengruppen unterstehen unterschiedlichen Rechtsordnungen und können nicht zum Zwecke der Eröffnung des Anwendungsbereichs einzelner Gesetze des jeweils anderen Rechts zusammengerechnet werden. Die deutschem Recht unterstehenden Arbeitsverhältnisse richten sich insgesamt und damit auch hinsichtlich ihrer Beendigung nach deutschem Recht, während die anderen Arbeitsverhältnisse belgischem Recht und damit einer anderen Rechtsordnung unterstehen.
3. Die Kündigung der Beklagten vom 2. November 2004 ist auch nicht deshalb an § 1 KSchG zu messen, weil die Parteien die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes unabhängig von seinem gesetzlich vorgesehenen Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG vereinbart hätten. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Arbeitsvertragsparteien eine solche Vereinbarung nicht getroffen haben. Die vom Landesarbeitsgericht insoweit vorgenommene Auslegung des Vertrags vom 30. April 2004 ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.
a) Selbst wenn man die Erklärungen der Parteien im Vertrag vom 30. April 2004 bezüglich der Rechtswahl als sog. typische Willenserklärungen ansehen würde und damit die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfen würde (vgl. BAG 20. September 2006 – 10 AZR 770/05 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 41, zu II 3a der Gründe; 3. Mai 2006 – 10 AZR 310/05 – DB 2006, 1499, zu B I 1a der Gründe; 13. März 2003 – 6 AZR 698/01 –, zu 1 der Gründe, jeweils mwN), ergäbe sich kein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts.
b) Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 20. September 2006 – 10 AZR 770/05 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 41, zu II 3b der Gründe; 3. Mai 2006 – 10 AZR 310/05 – DB 2006, 1499, zu B I 1b der Gründe; 26. September 2002 – 6 AZR 434/00 – AP BBiG § 10 Nr. 10 = EzA BBiG § 10 Nr. 6, zu I 3 der Gründe).
Danach haben die Parteien im Vertrag vom 30. April 2004 zwar die Geltung deutschen Arbeitsrechts und damit auch des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart, allerdings nicht unabhängig von seinen sonstigen Anwendungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG.
III. Auf Unwirksamkeitsgründe außerhalb des § 1 KSchG hat sich der Kläger in der Revisionsinstanz nicht mehr berufen.
IV. Soweit sich der Kläger mit seiner Revision gegen die Abweisung der Hilfsanträge wendet, ist diese ebenfalls unbegründet. Die hilfsweise gestellten Anträge fallen dem Senat wegen Abweisung des Kündigungsschutzantrags zur Entscheidung an. Sie sind aber, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der Abweisung seiner Hilfsanträge kein Verstoß gegen Art. 30 Abs. 1 EGBGB. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten und damit auch dessen Beendigung richtet sich ausschließlich nach deutschem Recht.
a) Zu Recht weist der Kläger in der Revisionsbegründung auf die Regelung des Art. 30 Abs. 1 EGBGB hin, verkennt jedoch dessen Anwendungsvoraussetzungen. Nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf die Rechtswahl der Parteien bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch zwingende Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Absatz 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.
b) Bei fehlender Rechtswahl wäre auf das Arbeitsverhältnis der Parteien und dessen Beendigung ebenfalls deutsches Arbeitsrecht anwendbar. Dies folgt aus Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Danach unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, es sei denn, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Auch dies führt zur Anwendung deutschen Arbeitsrechts, weil der Kläger nach den vertraglichen Absprachen seine Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland in einem nach Postleitzahlen bestimmten Gebiet zu erbringen hatte. Eine Arbeitsleistung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, etwa am Sitz der Beklagten in Belgien ist vom Kläger nicht behauptet worden. Eine engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zu Belgien bestand nicht. Zwar befindet sich dort der Sitz der Beklagten und der Kläger erhielt von dort Weisungen und auch sein Entgelt. Die für das Arbeitsverhältnis in besonderem Maße bedeutsame Pflicht zur Arbeitsleistung war aber ausschließlich auf die Bundesrepublik Deutschland begrenzt.
c) Damit führen aber gewähltes Vertragsstatut nach Art. 27 EGBGB und mangels Rechtswahl anzuwendendes Vertragsstatut nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB gleichermaßen zur Anwendung deutschen Rechts. Deshalb scheidet ein Günstigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB zwischen deutschem und belgischem Recht aus. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestimmt sich vorliegend nicht nach belgischem Recht.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt hierin auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Arbeitsverhältnis des Klägers richtet sich ausschließlich nach deutschem Recht. Die Voraussetzungen einer Kündigung nach deutschem Recht hat die Beklagte, wie oben dargelegt, eingehalten. Die Vorgaben belgischen Rechts hatte die Beklagte mangels dessen Anwendbarkeit nicht einzuhalten. Da die Rechtsbeziehung der Parteien dem deutschen Arbeitsrecht unterliegt, kommt eine Ungleichbehandlung allenfalls mit der Vergleichsgruppe deutscher Arbeitnehmer mit einem deutschen Arbeitgeber, deren Arbeitsverhältnis mangels hinreichender Arbeitnehmerzahl dem Kündigungsschutzgesetz nicht unterfällt, in Betracht. Diese Gruppen werden aber gerade gleich behandelt, denn beiden Arbeitnehmergruppen wird der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes wegen fehlender Anwendbarkeit versagt. Ein Vergleich mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis sich nach belgischem Recht richtet, scheidet aus, weil bereits keine wesentlich gleichen Sachverhalte zu beurteilen sind. Die Arbeitsverhältnisse der einen Gruppe von Arbeitnehmern ist nach deutschem Recht zu beurteilen, während für die Arbeitsverhältnisse der anderen Arbeitnehmergruppe belgisches Recht anzuwenden ist. Hierin liegt auch ein sachlich anerkennenswerter Grund für eine Differenzierung.
V. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Baerbaum, J. Lücke
Fundstellen
Haufe-Index 1998609 |
BAGE 2009, 274 |
BB 2008, 1337 |
DB 2008, 1501 |
DStR 2008, 2498 |