Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung. unentgeltliche Leistung. Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung. Entgeltzahlungen ohne Gegenleistung des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Zahlungen, die im Rahmen eines wirksam geschlossenen Arbeitsverhältnisses als Gegenleistung für die geleistete Arbeit vorgenommen werden, sind grundsätzlich entgeltlich und damit nicht nach § 134 InsO anfechtbar.
2. Entgeltlich sind auch Zahlungen, die aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Bestimmungen erfolgen, die unter Durchbrechung des Grundsatzes „kein Entgelt ohne Arbeit” eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vorsehen. Eine Zahlung in Erfüllung einer vergleichsweise vereinbarten Freistellung ist in der Regel ebenfalls entgeltlich und damit nicht nach § 134 InsO anfechtbar.
Orientierungssatz
1. In einem zweiseitigen Rechtsverhältnis ist eine Leistung iSv. § 134 InsO unentgeltlich, wenn dem Leistenden vereinbarungsgemäß keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert oder der eingegangenen Verpflichtung entsprechende Gegenleistung zufließt.
2. Unentgeltlichkeit iSv. § 134 InsO setzt nicht voraus, dass die angefochtene Leistung rechtsgrundlos erfolgt ist.
3. Entgeltzahlungen, die im Rahmen eines wirksam geschlossenen Arbeitsvertrags als Gegenleistung für die geleistete Arbeit in der vertraglich geschuldeten Höhe erfolgen, sind grundsätzlich entgeltlich. Bei der Einschätzung des Werts von Leistung und Gegenleistung kommt den Arbeitsvertragsparteien ein angemessener Beurteilungsspielraum zu, wobei ihre subjektive Bewertung eine reale Grundlage haben muss.
4. Das gilt auch, soweit gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen in Durchbrechung des Grundsatzes „kein Entgelt ohne Arbeit” eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung vorsehen. Mit derartigen Zahlungen erfüllt der Arbeitgeber lediglich seine Hauptleistungspflicht und bringt diese zum Erlöschen. Dies begründet die Entgeltlichkeit der Zahlung.
5. Wird eine Verbindlichkeit unentgeltlich begründet, sind alle zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit erfolgten Zahlungen unentgeltlich iSv. § 134 InsO. Darum können Entgeltzahlungen, die in Erfüllung einer wirksam geschlossenen Freistellungsvereinbarung erfolgen, unentgeltlich sein. Erfolgt die Freistellung im Wege eines Vergleichs, ist allerdings in der Regel davon auszugehen, dass dies seinen Grund in der ungewissen Sach- und Rechtslage hat. Das führt zur Entgeltlichkeit der in Erfüllung des Vergleichs für die Zeit der Freistellung geleisteten Zahlungen.
6. Erfüllt der Arbeitgeber Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB, die dadurch entstanden sind, dass er den Arbeitnehmer wegen Arbeitsmangels oder während eines später verlorenen Kündigungsschutzprozesses nicht beschäftigt hat, liegt eine entgeltliche Leistung vor, die nicht der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegt.
7. Der Arbeitnehmer hat einen von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Beschäftigungsanspruch. Ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Darum ist eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis ohne vertragliche Vereinbarung nur zulässig, wenn der Beschäftigung überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, nimmt der Arbeitnehmer die Freistellung aber gleichwohl hin, sind die während der Freistellung erfolgten Entgeltzahlungen unentgeltlich und unterliegen der erleichterten Anfechtung nach § 134 InsO.
8. § 134 InsO ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und eine gesetzliche Grundlage iSv. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.
Normenkette
InsO §§ 129, 134 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1, § 615 S. 1; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Januar 2014 – 5 Sa 764/13 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die zwischen Oktober 2005 und August 2009 von der Arbeitsleistung freigestellte Beklagte das in dieser Zeit erhaltene Nettoarbeitsentgelt aufgrund Insolvenzanfechtung zurückzahlen muss.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf Antrag vom 9. Oktober 2009 am 21. Januar 2010 über das Vermögen des Schuldners eröffneten Verfahren. Der Schuldner war Inhaber eines Kleinbetriebs. Die Beklagte, seine Ehefrau, war vom 1. September 2003 bis zum 30. Oktober 2009 zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.100,00 Euro, aus dem sich ein Nettoentgelt von 631,83 Euro ergab, bei ihm angestellt. Nachdem sich die Eheleute getrennt hatten, stellte der Schuldner die Beklagte von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei und teilte ihr mit Schreiben vom 3. Januar 2005 mit:
„Aus beiderseits eingetretenen persönlichen Gründen stelle ich meine Frau M vom 03. Januar 2005 von der Arbeit bis auf Weiteres frei.
Monatliche Gehaltszahlungen werden von mir wie bisher zugesichert.
Eine Kündigung kann hieraus nicht abgeleitet werden.”
Seitdem erbrachte die Beklagte ihre Arbeitsleistung nicht mehr, erhielt aber weiterhin das monatliche Entgelt gezahlt. Der Schuldner meldete sie sozialversicherungsrechtlich nicht ab. Der Kläger focht gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 25. Mai 2010 die Gehaltszahlungen von Oktober 2005 bis August 2009 von insgesamt 29.696,01 Euro netto an.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Schuldner habe die Gehaltszahlungen ohne Gegenleistung der Beklagten erbracht. Es habe sich um kein normales Arbeitsverhältnis gehandelt, weil der Lohnzahlung keine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenüber gestanden habe. Diese sei darum unentgeltlich iSd. § 134 Abs. 1 InsO erfolgt. Die Leistung werde nicht dadurch entgeltlich, dass sie den Anspruch der Beklagten auf Lohnzahlung erfüllt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.696,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. Juni 2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Schuldner sei durch die angefochtenen Zahlungen seiner arbeitsvertraglichen Pflicht, den Arbeitsvertrag zu erfüllen, nachgekommen. Die dadurch eingetretene Schuldbefreiung stehe der Lohnzahlung als Gegenwert gegenüber und mache diese entgeltlich. Daran ändere die Freistellung nichts, weil sie den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht berührt habe. Entgeltzahlungen an vertraglich oder einseitig freigestellte Arbeitnehmer dürften keinen geringeren Anfechtungsvoraussetzungen unterliegen als Zahlungen an nicht freigestellte Arbeitnehmer.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die zwischen Oktober 2005 und August 2009 erfolgten Entgeltzahlungen unentgeltlich waren und darum der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO unterliegen.
I. Nach § 134 InsO sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar. Leistung des Schuldners in diesem Sinn ist jede Schmälerung des Schuldnervermögens, durch die die Insolvenzgläubiger unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden (BGH 5. März 2015 – IX ZR 133/14 – Rn. 47, BGHZ 204, 231). Die angefochtenen Zahlungen von insgesamt 29.696,01 Euro haben infolge des Vermögensabflusses bei dem Schuldner zu einer objektiven (mittelbaren) Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 Abs. 1 InsO geführt (vgl. BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 58, BAGE 147, 172).
II. Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Wird ein schuldrechtliches Grundgeschäft durch Teilleistungen erfüllt, ist die Anfechtungsfrist für jede Zahlung gesondert zu bestimmen (BGH 13. Februar 2014 – IX ZR 133/13 – Rn. 17). Der Kläger hat allein die seit Oktober 2005 und damit innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgten Zahlungen, nicht aber die außerhalb der Anfechtungsfrist liegende Freistellungsvereinbarung und den Arbeitsvertrag angefochten. Auf die insoweit erhobenen Rügen der Revision kommt es somit nicht an.
III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die angefochtenen Zahlungen unentgeltlich erfolgten.
1. § 134 Abs. 1 InsO ist von dem Grundgedanken getragen, dass der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung weniger schutzwürdig ist als ein Gläubiger, dessen Forderung ein entgeltliches Geschäft zugrunde liegt. Unentgeltliche Leistungen besitzen darum nur eine mindere anfechtungsrechtliche Bestandskraft (vgl. Geißler ZInsO 2015, 2349, 2351). Der Begriff der Unentgeltlichkeit ist ausgehend von diesem Zweck der gesetzlichen Bestimmung weit auszulegen (BAG 12. September 2013 – 6 AZR 913/11 – Rn. 50, 53; BGH 5. März 2015 – IX ZR 133/14 – Rn. 49, BGHZ 204, 231).
2. In einem Zwei-Personen-Verhältnis wie dem vorliegenden ist eine Leistung iSv. § 134 InsO unentgeltlich, wenn ihr nach dem Inhalt des ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Leistenden also vereinbarungsgemäß keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert oder der eingegangenen Verpflichtung entsprechende Gegenleistung zufließt. Dagegen ist eine Leistung entgeltlich, wenn der Schuldner etwas erhält, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung ist oder das jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein soll (BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 20; BGH 2. April 2009 – IX ZR 236/07 – Rn. 16). Ob in diesem Sinn Unentgeltlichkeit vorliegt, lässt sich nicht ohne Berücksichtigung der Abreden zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner und ihrer Einschätzung des Werts von Leistung und Gegenleistung feststellen (vgl. BGH 21. Januar 1999 – IX ZR 429/97 – zu I 1 b der Gründe; Ganter NZI 2015, 249, 254). Dabei kommt den Arbeitsvertragsparteien ein angemessener Beurteilungsspielraum zu, soweit sie nicht an gesetzliche oder tarifliche Vorgaben gebunden sind. Ihre subjektive Bewertung muss allerdings eine reale Grundlage haben (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 46; BGH 18. März 2010 – IX ZR 57/09 – Rn. 9; 2. April 1998 – IX ZR 232/96 – zu II 2 c der Gründe; 13. März 1978 – VIII ZR 241/76 – zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 71, 61; MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 40; Ganter NZI 2015, 249, 254 f.). Wird eine Verbindlichkeit aus einem rechtswirksam begründeten entgeltlichen Vertrag erfüllt, ist dies grundsätzlich entgeltlich, weil damit eine Befreiung von der eingegangenen Schuld verbunden ist (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 42; BGH 12. Juli 1990 – IX ZR 245/89 – zu A I 3 a der Gründe, BGHZ 112, 136; MüKoInsO/Kayser aaO Rn. 26).
3. Zahlungen, die im Rahmen eines wirksam geschlossenen Arbeitsverhältnisses als Gegenleistung für die geleistete Arbeit vorgenommen werden,
sind nach diesen Maßstäben grundsätzlich entgeltlich (Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 149 f.). Erfolgt die Entgeltzahlung in der vertraglich geschuldeten Höhe, handelt es sich im Allgemeinen um einen gleichwertigen und damit entgeltlichen Leistungsaustausch (vgl. BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 52, BAGE 147, 172; BGH 11. Dezember 2003 – IX ZR 336/01 – zu II 2 b der Gründe). Dies gilt auch, soweit gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen in Durchbrechung des Grundsatzes „kein Entgelt ohne Arbeit” eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung vorsehen, wie es bei den von der Beklagten angesprochenen Regelungen zum Urlaubsentgelt, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bzw. an Feiertagen oder zur Freistellung von Mandatsträgern (§§ 37 f. BetrVG) der Fall ist, die sich durch zahlreiche weitere Regelungen wie zB § 616 Satz 1 BGB, § 29 TVöD, § 15 BBiG oder § 16 Satz 3 MuSchG ergänzen ließen (zu weiteren Fällen vgl. v. Hoyningen-Huene FS Adomeit 2008 S. 291, 300 ff.; Zundel AR-Blattei SD 725 Freistellung des Arbeitnehmers Stand Februar 2007). Mit derartigen Zahlungen erfüllt der Arbeitgeber lediglich gesetzliche oder tarifliche Verbindlichkeiten, die Teil seiner Hauptleistungspflicht sind und diese zum Erlöschen bringen. Darum sind solche Leistungen in aller Regel entgeltlich (vgl. BGH 19. Januar 2012 – IX ZR 2/11 – Rn. 36 mwN, BGHZ 192, 221; Uhlenbruck/Ede/Hirte § 134 InsO Rn. 150, 43). Entgegen der Annahme der Revision ist bei solchen Leistungen also keine Anfechtung nach § 134 InsO möglich.
4. Der Kläger behauptet nicht, dass das Ehegattenarbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Schuldner im September 2003 nur zum Schein geschlossen und bis zur Freistellung der Beklagten nach der Trennung der Eheleute nicht vollzogen wurde (zum Scheingeschäft vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 21 ff.). Er stellt im Gegenteil nicht in Abrede, dass es sich bis zur Freistellung der Beklagten um ein gelebtes, wirksam geschlossenes Arbeitsverhältnis handelte. Zahlungen, die auf dieser Rechtsgrundlage als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Beklagten erfolgt wären, unterlägen darum keiner Anfechtung nach § 134 InsO. Davon geht die Beklagte im Ausgangspunkt zutreffend aus. Sie berücksichtigt bei ihrer Argumentation, der Arbeitsvertrag sei auch nach ihrer Freistellung ein entgeltlicher Vertrag geblieben und der Schuldner sei durch die angefochtenen Entgeltzahlungen von seiner Verbindlichkeit gemäß § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB befreit worden, aber nicht, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis seit Januar 2005 auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wollten. Das begründete die Unentgeltlichkeit der fortan geleisteten Zahlungen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat, ohne dass dies von der Revision angegriffen wird, angenommen, die Freistellung sei mit Billigung der Beklagten erfolgt.
b) Damit steht für den Senat bindend fest, dass die streitbefangenen Entgeltzahlungen aufgrund der im Januar 2005 geschlossenen Freistellungsvereinbarung erfolgt sind. Maßgeblich für die Frage, ob diese Zahlungen unentgeltlich waren, ist damit nicht mehr die ursprüngliche, bei Vertragsabschluss getroffene Vereinbarung und die zunächst bestehende rechtliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, sondern allein der seit dem Abschluss dieser Vereinbarung im Januar 2005 bestehende Inhalt der Rechtsbeziehung (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 41; MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 20).
aa) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings keine Auslegung des Schreibens des Schuldners vom 3. Januar 2005 vorgenommen. Die erforderliche Ermittlung des Inhalts der nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts erfolgten Einigung der Arbeitsvertragsparteien kann der Senat jedoch selbst vornehmen, weil es um den Inhalt einer Vertragsurkunde geht. Besondere Umstände des Einzelfalls, die der Auslegung eine bestimmte, der Beurteilung des Revisionsgerichts entzogene Richtung geben könnten, scheiden aus. Darauf, ob nur eine einzige Auslegung möglich ist, kommt es nicht an. Soweit die erforderliche Auslegung Elemente der Tatsachenfeststellung enthält, ist dem Senat durch die bei Entscheidungsreife durch § 563 Abs. 3 ZPO auferlegte Pflicht zur Sachentscheidung zugleich die hierzu erforderliche tatrichterliche Kompetenz eingeräumt (BAG 24. Februar 2011 – 6 AZR 626/09 – Rn. 27).
bb) Der Schuldner stellte die Beklagte mit Schreiben vom 3. Januar 2005 „aus beiderseits eingetretenen persönlichen Gründen”, die in der Trennung der Eheleute begründet waren, bis auf Weiteres von der Arbeit frei. Das sollte unabhängig davon, ob er der Beklagten Arbeit hätte zuweisen können oder Arbeitsmangel bestand, allein aus familiären Gründen erfolgen. Zugleich sagte er die unveränderte Entgeltzahlung zu und stellte klar, dass die Freistellung keine Kündigung beinhalte. Mit dieser Regelung erklärte sich die Beklagte einverstanden.
Seit dem 3. Januar 2005 sollte damit das Arbeitsverhältnis durch einen Änderungsvertrag auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Der Schuldner verzichtete bis zu einem etwaigen Widerruf für die Zukunft auf die Erbringung und das Angebot der Arbeitsleistung der Beklagten (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 42), verpflichtete sich aber zugleich, trotz fehlender Arbeitsleistung das Arbeitsentgelt zu zahlen (vgl. BAG 29. September 2004 – 5 AZR 99/04 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 112, 120). Das ursprünglich vereinbarte Synallagma von Leistung (Arbeitspflicht der Beklagten) und Gegenleistung (Entgeltzahlungspflicht des Schuldners) sollte aufgelöst, die Arbeitspflicht der Beklagten aufgehoben, der Vertragsinhalt im Übrigen aber unberührt bleiben (vgl. für die unwiderrufliche Freistellung durch Vergleich BAG 23. Januar 2008 – 5 AZR 393/07 – Rn. 13). Eine solche Individual-vereinbarung ist in den Grenzen von § 134 und § 138 BGB rechtlich zulässig (vgl. BAG 10. November 1955 – 2 AZR 591/54 – zu II der Gründe, BAGE 2, 221; Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 5. Aufl. II F 10 Rn. 7). Insbesondere ist die Beschäftigungspflicht disponibel (st. Rspr. seit BAG GS 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C I 3 der Gründe, BAGE 48, 122).
c) Ob die Änderungsvereinbarung rechtswirksam war, kann dahinstehen.
aa) Liegt eine wirksame Freistellungsvereinbarung vor, hatte die darauf erfolgte einvernehmliche, auf familienrechtlichem Hintergrund beruhende und damit atypische Freistellung Schenkungscharakter. Die Arbeitsvertragsparteien waren sich darüber einig, dass die Beklagte für das vom Schuldner gezahlte Arbeitsentgelt keine ausgleichende Gegenleistung erbringen musste. Die Verbindlichkeit war dann unentgeltlich begründet. Das hatte zur Folge, dass alle zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit erfolgten Leistungen unentgeltlich iSv. § 134 InsO waren (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 42; BGH 13. Februar 2014 – IX ZR 133/13 – Rn. 15; Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 41; MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 7, 17; aA Wegener VIA 2014, 63, 64, der die Gegenleistung in dem Einverständnis mit den Zahlungen zur Umsetzung der Trennung sieht).
(1) Das – insoweit zutreffende – Argument der Revision, der Schuldner habe mit den angefochtenen Zahlungen seine Verpflichtungen aus der im Januar 2005 geschlossenen Freistellungsvereinbarung erfüllt, die Zahlungen also mit Rechtsgrund erbracht, steht der Annahme der Unentgeltlichkeit der angefochtenen Zahlungen auch dann nicht entgegen, wenn die Vereinbarung wirksam war. Zwar ist jede Leistung, die iSv. § 812 Abs. 1 BGB rechtsgrundlos erfolgt, unentgeltlich iSv. § 134 InsO. Jedoch setzt Unentgeltlichkeit iSv. § 134 InsO nicht voraus, dass die angefochtene Leistung rechtsgrundlos erfolgt ist (BGH 13. Februar 2014 – IX ZR 133/13 – Rn. 15; Ganter NZI 2015, 249; Baumert EWiR 2014, 325, 326). Sonst wären gerade die echten Schenkungen, die einen der Hauptanwendungsfälle des § 134 InsO darstellen (vgl. MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 6; Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 33), nicht erfasst (BGH 13. Februar 2014 – IX ZR 133/13 – aaO). Unentgeltlichkeit kann also entgegen der Annahme der Revision auch dann vorliegen, wenn die Leistung mit Rechtsgrund erfolgt ist.
(2) Die von der Revision zur Begründung ihrer Auffassung, das spätere Schicksal der Gegenleistung sei für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit nicht relevant, angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betreffen andere Konstellationen als die vorliegende.
(a) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2003 (– IX ZR 252/01 – BGHZ 156, 350) ist zur Frage der Unentgeltlichkeit im Drei-Personen-Verhältnis ergangen. Zudem befasst sich der Bundesgerichtshof mit den von der Revision herangezogenen Ausführungen unter III 4 a der Gründe nicht mit der Frage der Unentgeltlichkeit, sondern der Ermittlung des Gegenstands der Anfechtung.
(b) Die von der Revision herangezogene Passage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 1999 (– IX ZR 429/97 – zu I 1 b der Gründe), wonach eine unentgeltliche Verfügung nicht schon dann bejaht werden kann, wenn der Schuldner zwar Anspruch auf einen seine Leistung ausgleichenden Gegenwert hat, diesen aber nicht erhält, steht der Annahme der Unentgeltlichkeit ebenfalls nicht entgegen. Sie betrifft den hier nicht vorliegenden Fall, in dem Entgeltlichkeit vereinbart ist, die geschuldete – werthaltige – Leistung aber nicht erbracht wird, was allein die Unentgeltlichkeit noch nicht begründet (vgl. BGH 21. Juni 2007 – IX ZR 165/04 –).
bb) War die Vereinbarung unwirksam, verzichtete der Schuldner seit Januar 2005 ohne Rechtsgrund auf die Arbeitsleistung. Für eine einseitige Freistellung der Beklagten bestand keine Rechtsgrundlage. Der Arbeitnehmer hat einen von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Beschäftigungsanspruch (BAG 24. Juni 2015 – 5 AZR 462/14, 5 AZR 225/14 – Rn. 34). Ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung ist im Gesetz nicht vorgesehen (BAG 19. März 2002 – 9 AZR 16/01 – zu II 2 a der Gründe). Darum ist eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis ohne vertragliche Vereinbarung grundsätzlich nicht zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschäftigung überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 14, BAGE 148, 16; Schaub/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 109 Rn. 6, 10; Strehlein Freistellungsklauseln S. 41 ff.; vgl. auch Preis/Preis Der Arbeitsvertrag 5. Aufl. II F 10 Rn. 3 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass die im Schreiben des Schuldners vom 3. Januar 2005 erwähnten „beiderseits eingetretenen persönlichen Gründe”, die offensichtlich aus der Ehe der Arbeitsvertragsparteien resultierten, schutzwerte Interessen des Schuldners als Arbeitgeber berührten, die ihn zur einseitigen Freistellung der Beklagten berechtigten. Gleichwohl hat sich die Beklagte gegen ihre Freistellung nicht gewehrt, obwohl der Beschäftigungsanspruch bei rechtswidriger Freistellung gerichtlich durchgesetzt werden kann (Schaub/Koch aaO Rn. 7; vgl. BAG 16. Juli 2013 – 9 AZR 50/12 – Rn. 21; zur prozessualen Durchsetzung vgl. BAG 13. Juni 2012 – 10 AZR 313/11 – Rn. 18; zur [vorläufigen] Vollstreckung vgl. BAG 24. Juni 2015 – 5 AZR 462/14, 5 AZR 225/14 – Rn. 37). Damit lag weder eine der Entgeltzahlung gleichwertige Gegenleistung noch zumindest das Angebot einer solchen oder der Versuch, den nach wie vor bestehenden Beschäftigungsanspruch durchzusetzen, vor. Die Beklagte hat auch nicht eingewandt, dass der Schuldner sie unabhängig von der im Januar 2005 geschlossenen Vereinbarung nicht hätte beschäftigen können. Insbesondere hat sie nicht geltend gemacht, dass ihre Beschäftigung wegen Arbeitsmangels nicht möglich gewesen wäre. Die Fortzahlung der ungeschmälerten Vergütung war darum bei Unwirksamkeit der Vereinbarung mangels Gegenleistung oder zumindest eines Angebots der Arbeitsleistung eine unentgeltliche Leistung iSv. § 134 InsO (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 42).
5. Entgegen der Annahme der Revision hat ein solches Verständnis der Unentgeltlichkeit iSv. § 134 InsO nicht zur Folge, dass in allen Fällen einer Freistellung das in dieser Zeit gezahlte Entgelt der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegt. Ebenso wenig trifft die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Kläger vertretene Ansicht uneingeschränkt zu, in den Fällen des § 615 BGB stehe dem Insolvenzverwalter mit § 134 InsO stets ein zusätzlicher Anfechtungsgrund zur Verfügung. Vielmehr ist insoweit zu differenzieren.
a) Kann der Arbeitgeber wegen Arbeitsmangels den Arbeitnehmer nicht beschäftigen und stellt ihn deshalb faktisch von der Verpflichtung, die Arbeitsleistung anzubieten und zu erbringen, frei, gerät er dadurch in Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Im Unterschied zum Fall der Beklagten, die trotz bestehender Beschäftigungsmöglichkeit ohne tragenden Grund einvernehmlich freigestellt war, will und soll der Arbeitnehmer im Fall des Arbeitsmangels an sich beschäftigt werden, kann das aber aus objektiven Gründen nicht. Erfüllt der Arbeitgeber durch die Entgeltzahlung den gesetzlichen Annahmeverzugsanspruch, handelt es sich nach vorstehend entwickelten Grundsätzen um eine entgeltliche Leistung, die nicht der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegt (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 42).
b) Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer Kündigung nicht und erfüllt nach verlorenem Kündigungsschutzprozess die im Wege des Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB entstandenen Entgeltansprüche, liegt eine entgeltliche Leistung vor. Sieht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr oder hält er die Beschäftigung für unzumutbar, zieht er mit der Kündigung die sich aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis ergebende Konsequenz. Der Arbeitnehmer zeigt mit der Kündigungsschutzklage seine Leistungsbereitschaft und setzt mit der Klage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 130/12 – Rn. 22) den Arbeitgeber gemäß §§ 295, 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug. Die Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs ist eine entgeltliche Leistung.
c) Erfolgt die Freistellung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs, typischerweise zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses, sind die in Erfüllung dieses Vergleichs für die Zeit der Freistellung geleisteten Entgeltzahlungen in der Regel entgeltlich. Wird der Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts und/oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit über den Ausgang des Rechtsstreits durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, ist im Allgemeinen zu vermuten, dass die getroffene Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt und das gegenseitige Nachgeben in der ungewissen Sach- und Rechtslage begründet ist. Das begründet die Entgeltlichkeit der in Erfüllung des Vergleichs geleisteten Zahlungen. Dabei kommt den Prozessparteien für ihr gegenseitiges Nachgeben ein erheblicher Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. Das vergleichsweise Nachgeben kann nur dann ausnahmsweise als unentgeltliche Leistung gewertet werden, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann, oder wenn sich der Arbeitgeber ohne Ungewissheit der Sach- und Rechtslage allein infolge eines Liquiditätsengpasses bereit findet, das Arbeitsverhältnis durch Vergleich unter Freistellung des Arbeitnehmers zu beenden, und die Vorteile des Vergleichs das Nachgeben des Arbeitgebers nicht aufwiegen (vgl. BGH 18. Juli 2013 – IX ZR 198/10 – Rn. 20). Eine derartige Konstellation dürfte jedenfalls in einem Kündigungsschutzprozess in aller Regel nicht vorliegen. Eine unentgeltliche Leistung liegt bei Zahlungen auf eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung darum grundsätzlich nicht vor.
d) Dieselben Grundsätze gelten für die im Rahmen eines Aufhebungsoder Abwicklungsvertrags erfolgte Freistellung.
e) Erhält der Arbeitnehmer im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung in der Freistellungsphase Entgelt, handelt es sich dabei um entgeltliche Leistungen. Der Arbeitnehmer hat die geschuldete Gegenleistung bereits in der Arbeitsphase erbracht. Eine Anfechtung nach § 134 InsO scheidet deshalb aus (BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 47/12 – Rn. 65, BAGE 146, 1). Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Freistellung unter Anrechnung auf ein (Langzeit-)Arbeitszeitkonto erfolgt.
f) In der Gesamtschau dieser – hier nicht abschließend aufgeführten – Freistellungstatbestände kommt eine Anfechtung von Entgeltzahlungen an den freigestellten Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich vor allem dann, wenn – wie hier – eine Freistellung ohne nachvollziehbares gegenseitiges Nachgeben erfolgt.
6. § 134 InsO ist in vorstehender Auslegung entgegen der Annahme der Revision verfassungskonform.
a) § 134 InsO ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die, wie ausgeführt, mit der Erleichterung der Anfechtung insbesondere dem Gedanken Rechnung trägt, dass eine unentgeltliche Zuwendung weniger schutzwürdig ist als ein Erwerb, für den der Empfänger ein ausgleichendes Vermögensopfer zu erbringen hatte (vgl. für § 131 InsO BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 25). Das entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der außerhalb des Insolvenzrechts zB in §§ 528, 816 Abs. 1 Satz 2, §§ 822, 988, 2287 und 2325 BGB Niederschlag gefunden hat (BGH 25. Juni 1992 – IX ZR 4/91 – zu II 4 der Gründe; Geißler ZInsO 2015, 2349, 2351), und gilt auch für Fälle der vorliegenden Art, in denen der Arbeitnehmer – abweichend von der für das Arbeitsverhältnis typischen Austauschsituation – für das erhaltene Entgelt ohne rechtfertigenden Grund keine Arbeitsleistung erbringen muss. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit § 134 InsO die Grundentscheidung getroffen, die Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte vor den Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung zu schützen (vgl. BGH 5. März 2015 – IX ZR 133/14 – Rn. 49, BGHZ 204, 231) und ihnen den Vorrang vor den Interessen der betroffenen, durch eine unentgeltliche Leistung begünstigten Arbeitnehmer zu geben. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus demselben Grund ist auch Art. 12 Abs. 1 GG nicht verletzt.
b) Die Revision macht zu Unrecht geltend, die Verfassung gebiete es in der vorliegenden Konstellation, das Existenzminimum anfechtungsfrei zu lassen.
aa) Der Senat hat offengelassen, ob bei kongruenten Deckungen nach einem bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch das von Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen ist und ob bejahendenfalls die §§ 129 ff. InsO insoweit verfassungskonform ausgelegt werden könnten oder ob eine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht erforderlich wäre (vgl. BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 17 ff., BAGE 147, 172; zustimmend wohl Huber EWiR 2014, 291, 292; darstellend Krause Liber Amicorum für W. Henckel 2015 S. 163, 177 ff.; ablehnend BGH 10. Juli 2014 – IX ZR 192/13 – Rn. 28 ff., BGHZ 202, 59; Klinck Anm. AP InsO § 133 Nr. 2 unter II; Lütcke NZI 2014, 350, 351, der allerdings eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage „im Einzelnen” erst dann für erforderlich hält, „wenn es darauf ankommt”; für die Freistellung des Existenzminimums auch in einem Fall inkongruenter Deckung LAG Köln 6. März 2015 – 4 Sa 726/14 – juris-Rn. 51 ff. [rkr.]).
bb) Dies bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Die Erwägungen, die eine solche Freistellung des Existenzminimums begründen könnten, treffen auf die vorliegende Fallgestaltung entgegen der Annahme der Revision nicht zu. Die Arbeitsvertragsparteien haben mit der Vereinbarung vom Januar 2005 die Entgeltzahlungspflicht – abweichend vom Regelfall des Arbeitsverhältnisses – aus dem Synallagma gelöst und im Ergebnis eine einseitige, von jeglicher Gegenleistung der Beklagten unabhängige Leistungspflicht des Schuldners geregelt. Sie haben sich einvernehmlich dafür entschieden, trotz des Scheiterns ihrer Ehe und der darauf beruhenden Aufhebung der Arbeitspflicht der Beklagten formal am Arbeitsverhältnis als Rechtsgrundlage der künftig vom Schuldner an die Beklagte zu leistenden Zahlungen festzuhalten. Das mag, wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, ohne dass dagegen Revisionsangriffe geführt werden, darauf beruht haben, dass beide Parteien von dieser Handhabung Vorteile hatten. Es spricht viel dafür, dass die Beklagte versorgt werden sollte (vgl.Wegener VIA 2014, 63, 64), indem sie weiterhin sozialversichert war. Im Gegenzug profitierte der Schuldner steuerlich. Hätten die Beklagte und der Schuldner aber nicht im beiderseitigen Interesse am – sinnentleerten – Arbeitsverhältnis festgehalten, sondern hätte der Schuldner der Beklagten den gesetzlich geschuldeten Unterhalt gezahlt, hätte dies als Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs nicht angefochten werden können (MüKoInsO/Kayser 3. Aufl. § 134 Rn. 36; Uhlenbruck/Ede/Hirte 14. Aufl. § 134 InsO Rn. 138). An der Wahl dieses Vertragstypus, die erst das vorliegend verwirklichte Risiko einer erleichterten Anfechtung nach § 134 InsO auslöste, muss sich die Beklagte anfechtungsrechtlich festhalten lassen. Ein aus verfassungsrechtlichen Erwägungen resultierendes Bedürfnis zum Schutz des Existenzminimums besteht dabei nicht, weil bei einer der Beklagten möglichen Gestaltung das Existenzminimum anfechtungsfrei hätte erlangt werden können.
7. Auf eine Entreicherung nach § 143 Abs. 2 InsO beruft sich die Beklagte nicht.
IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.
V. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Lorenz, Lauth
Fundstellen
Haufe-Index 9056999 |
BAGE 2017, 28 |
BB 2016, 499 |
BB 2016, 51 |
DB 2016, 15 |
DB 2016, 7 |
DB 2016, 718 |
DStR 2016, 16 |