Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung, Ausschlußfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegenüber den Arbeitnehmern bayerischer Kommunen ist Kündigungsberechtigter der Gemeinderat bzw der gemäß Art 43 Abs. 1 Satz 2 GemO BY für Personalangelegenheiten eingerichtete Ausschuß (vgl BAG Urteil vom 20. April 1977 - 4 AZR 778/75 = AP Nr 1 zu § 54 BAT).
2. Tagt dieser Ausschuß im Monatsrhythmus, so wird die Ausschlußfrist der § 54 Abs 2 BAT, § 626 Abs 2 BGB regelmäßig auch dann gewahrt, wenn die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers der Gemeinde in der nächsten ordentlichen Ausschußsitzung beschlossen wird, nachdem der Erste Bürgermeister von dem Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt hat.
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1938 geborene Kläger ist seit 1. Oktober 1970 bei der beklagten Stadt als technischer Angestellter beschäftigt. Seit 1. Januar 1986 arbeitet er als Bauaufseher in der Abteilung Stadtentwässerung des Tiefbauamts. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Zumindest seit 1989 beanstandete die Beklagte in zunehmendem Maße die Arbeitsleistung und das Verhalten des Klägers. In einer Abmahnung vom 29. August 1989, die sich auf zahlreiche einzelne Vorkommnisse stützt, warf sie ihm vor, seine Leistungen genügten nicht den Anforderungen, er entziehe sich im Rahmen seiner Tätigkeit jeder Art von dienstlicher Einflußnahme, reagiere nicht mehr auf dienstliche Weisungen und verhalte sich darüber hinaus in hohem Maße unkollegial. In einem Kritikgespräch vom 9. November 1989 wurde dem Kläger wiederum anhand von Einzelfällen ungenügende Aufgabenerledigung und unkorrektes Verhalten vorgeworfen. Als sich aus der Sicht der Beklagten die Arbeitsweise und das Verhalten des Klägers nicht besserten, fanden am 10. und 11. April 1990 jeweils mehrstündige Gespräche mit dem Kläger im Personalamt der Beklagten statt. Nachdem sich in der Folgezeit u.a. ein Kollege des Klägers beschwert hatte, der Kläger habe während dessen Urlaubs ohne dienstliche Veranlassung in dessen Arbeitsbereich Akten bearbeitet und dabei wichtige Unterlagen dieses Kollegen einfach vernichtet bzw. durch eigene ersetzt, betrieb die Beklagte nunmehr die fristlose Kündigung des nach § 53 BAT ordentlich unkündbaren Klägers.
Das Personalamt der Beklagten hörte den Kläger am 12. Juni 1990 zu der beabsichtigten Kündigung und den neuerlichen Vorwürfen an. Mit einem am 18. Juni 1990 formulierten, am 19. Juni 1990 geschriebenen und am 21. Juni 1990 vom Oberbürgermeister unterzeichneten Schreiben hörte die Beklagte den Gesamtpersonalrat zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Dieser nahm die Kündigungsabsicht am 25. Juni 1990 zur Kenntnis und äußerte sich weiter nicht. Nach § 10 Nr. 3 der Geschäftsordnung des Stadtrats der beklagten Stadt sind Beschlüsse über Personal- und Versorgungsangelegenheiten der städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter dem Personal- und Organisationsausschuß (im folgenden: POA) übertragen. Die nächste planmäßige Sitzung dieses Ausschusses fand nach dem jährlich im voraus festzulegenden Sitzungsplan am 17. Juli 1990 statt. Der POA tagt einmal monatlich, die letzte Sitzung hatte nach dem Sitzungsplan am 19. Juni 1990 stattgefunden. In der Sitzung vom 17. Juli 1990 wurde der Ausschuß über die Kündigungsabsicht und die Kündigungsgründe informiert und er beschloß, dem Kläger außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist bis zum 31. Dezember 1990 zu kündigen und ihn sofort von der Arbeit freizustellen. Mit Schreiben vom 25. Juli 1990 kündigte die Beklagte dem Kläger daraufhin außerordentlich zum 31. Dezember 1990.
Der Kläger hat geltend gemacht, sein dienstliches Verhalten habe keinen Anlaß zu einer außerordentlichen Kündigung gegeben. Die ausgesprochenen Abmahnungen seien nicht konkret genug gewesen. Auch die Anhörung des zuständigen Personalrats sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Vor allem jedoch sei die Kündigung nicht innerhalb der Frist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT ausgesprochen worden. Nachdem der Oberbürgermeister als sein Dienstvorgesetzter am 21. Juni 1990 den Kündigungsentschluß gefaßt habe, habe er sich nicht vier Wochen Zeit lassen dürfen, um einen Beschluß des POA herbeizuführen. Es stelle einen Organisationsmangel dar, wenn dieser Ausschuß nur einmal monatlich zusammentrete.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Par-
teien durch die Kündigung der Beklagten vom
25. Juli 1990 zum 31. Dezember 1990 nicht aufge-
löst wird, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags behauptet, der Kläger habe trotz der Abmahnungen beharrlich gegen Arbeitsanweisungen verstoßen, seine Aufgaben nachlässig und eigenmächtig erfüllt, mit seinen Vorgesetzten und Kollegen nicht zusammengearbeitet, vielmehr den Betriebsfrieden empfindlich gestört und die Arbeit von Kollegen beeinträchtigt. Aufgrund seines uneinsichtigen Verhaltens sei eine Weiterbeschäftigung auch zu anderen Bedingungen unzumutbar gewesen.
Der POA habe nicht vor dem 17. Juli 1990 informiert werden können. Die Einberufung einer Sondersitzung sei wegen der bestehenden Terminschwierigkeiten der Ausschußmitglieder und der einzuhaltenden Fristen nicht zumutbar und der Bedeutung der Kündigung des Klägers in einer Behörde mit immerhin ca. 15.000 Mitarbeitern nicht angemessen gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, § 565 ZPO.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil die Ausschlußfrist des § 54 Abs. 2 BAT zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits verstrichen gewesen sei. Der POA sei nicht mit der gebotenen Eile unterrichtet worden. Die Ausschlußfrist habe spätestens am 21. Juni 1990 begonnen, als das Personalamt der Beklagten den Oberbürgermeister unterrichtet habe. Es liege ein Organisationsmangel vor, weil das Personalamt die Ermittlungen zum Kündigungssachverhalt am 12. Juni 1990 abgeschlossen habe, der kündigungsberechtigte POA aber erst am 17. Juli 1990 informiert worden sei.
II. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung der §§ 54 Abs. 2 BAT, 626 Abs. 2 BGB. Nach diesen Bestimmungen hat die Kündigung innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt zu erfolgen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Diese Frist hat die Beklagte gewahrt.
1. Kündigungsberechtigter i.S. des § 54 Abs. 2 BAT war der POA. Bei einer Gemeinde ist Kündigungsberechtigter das nach der Gemeindeordnung zuständige Organ (BAG Urteil vom 20. April 1977 - 4 AZR 778/75 - AP Nr. 1 zu § 54 BAT; Urteil vom 18. Oktober 1978 - 4 AZR 188/77 - n.v.). Die Bayerische Gemeindeordnung weist die Zuständigkeit zur Entlassung von Arbeitern und Angestellten der Gemeinde ausdrücklich dem Stadtrat zu (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO), der diese Zuständigkeit - was hier geschehen ist - auf einen beschließenden Ausschuß übertragen kann (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayGO).
a) Eine Zuständigkeit des Oberbürgermeisters als kündigungsberechtigtes Organ läßt sich nicht begründen.
aa) Von der Möglichkeit, derartige Personalangelegenheiten mit einer qualifizierten Mehrheit von 2/3 der stimmberechtigten Ratsmitglieder in bestimmten Fällen auf den Ersten Bürgermeister (Oberbürgermeister) zu übertragen (Art. 43 Abs. 2 Satz 1 BayGO), hat der Stadtrat keinen Gebrauch gemacht.
bb) Die Entlassung von Arbeitern und Angestellten der Gemeinde gehört auch nicht zu den laufenden Angelegenheiten, für deren Erledigung der Oberbürgermeister nach Art. 37 Abs. 1 BayGO zuständig ist. Art. 43 BayGO stellt insoweit eine gesetzliche Spezialregelung für Personalangelegenheiten dar, die der allgemeinen Regelung des Art. 37 Abs. 1 BayGO vorgeht (Widtmann/Grasser, BayGO, 5. Aufl., Art. 43 Rz 3).
cc) Auch eine Eilzuständigkeit des Oberbürgermeisters nach Art. 37 Abs. 3 BayGO war nicht gegeben. Eine solche kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. Der Oberbürgermeister kann regelmäßig nicht die ihm kraft Gesetzes entzogenen Zuständigkeiten über Art. 37 Abs. 3 BayGO an sich ziehen. Der Gesichtspunkt der Einhaltung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB allein rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 18. Oktober 1978 - 4 AZR 188/77 - n. v.), an der festzuhalten ist, grundsätzlich nicht die Anwendung des Art. 37 Abs. 3 BayGO.
b) Erst recht kann der Leiter des Personalamts nicht als Kündigungsberechtigter angesehen werden. Da der Stadtrat die Personalangelegenheiten nicht auf den Oberbürgermeister delegiert hat, kommt es nicht darauf an, wie weit nach unten der Oberbürgermeister eine derartige Personalkompetenz weiterdelegieren kann.
2. Stellt man auf die Kenntnis des POA von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ab, so wahrt die Kündigung vom 25. Juli 1990 die Frist des § 54 Abs. 2 BAT.
a) Der gesamte POA als Gremium hat erst in der Sitzung vom 17. Juli 1990 in der Form einer Tischvorlage Kenntnis vom Kündigungssachverhalt erlangt.
b) Es reicht auch nicht aus, daß zwei Mitglieder des POA vor der Sitzung über den Kündigungssachverhalt informiert worden sind. Kündigungsberechtigter war der POA als Organ, der nur in einer Sitzung über die Kündigung entscheiden konnte. Die Kenntnis von zwei Ausschußmitgliedern kann dem POA nicht zugerechnet werden. Eine gesetzliche Regelung über die passive Stellvertretung des Ausschusses durch einfache Ausschußmitglieder, an die angeknüpft werden könnte, besteht nicht. Eine solche Regelung wäre auch nicht sinnvoll, denn die Kenntnis einzelner Ausschußmitglieder kann ersichtlich die erforderliche Entscheidung des Ausschusses, die erst in einer Sitzung getroffen werden kann, nicht beschleunigen.
3. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung der §§ 54 Abs. 2 BAT, 626 Abs. 2 BGB, indem das Landesarbeitsgericht davon ausgeht, es stelle einen zur Unwirksamkeit der Kündigung führenden Organisationsmangel dar, daß nach abschließender Ermittlung des Kündigungssachverhalts bis zum Ausspruch der Kündigung ein erheblich längerer Zeitraum als zwei Wochen vergangen sei. Das Landesarbeitsgericht konstatiert auch lediglich das Vorliegen eines Organisationsmangels, ohne näher auszuführen, wie die Beklagte in zumutbarer Weise ihre Verwaltung so hätte organisieren sollen, daß eine solche Verzögerung vermieden worden wäre.
a) Da § 626 Abs. 2 BGB ausdrücklich auf die Kenntnis des Kündigungsberechtigten abstellt, kann die Kenntnis Dritter vom Kündigungssachverhalt nur ausnahmsweise Berücksichtigung finden. Nach der Senatsrechtsprechung führt deshalb nicht allein die Tatsache, daß ein nicht kündigungsberechtigter Arbeitnehmer eine gewisse arbeitgeberähnliche Funktion im Betrieb hat, dazu, daß dem Arbeitgeber dessen Kenntnis im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB nach Treu und Glauben zugerechnet wird. Die Kenntnis eines Dritten muß sich der Kündigungsberechtigte nach Treu und Glauben nur dann zurechnen lassen, wenn dessen Stellung im Betrieb nach den Umständen erwarten läßt, er werde den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichten. Hinzu kommen muß, daß die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten darauf beruht, daß die Organisation des Betriebes zu einer Verzögerung des Fristbeginns führt, obwohl eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar wäre. Beide Voraussetzungen, selbständige Stellung des Dritten im Betrieb und Verzögerung der Kenntniserlangung des Kündigungsberechtigten durch eine schuldhaft fehlerhafte Organisation des Betriebs müssen also kumulativ vorliegen (BAG Urteil vom 5. Mai 1977, BAGE 29, 158 = AP Nr. 11 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; BAG Urteil vom 26. November 1987 - 2 AZR 312/87 - n.v.; BAG Urteil vom 7. September 1983 - 7 AZR 196/82 - n.v.; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 251).
b) Grundsätzlich ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß der Erste Bürgermeister nach der BayGO als ein nicht kündigungsberechtigter Dritter anzusehen ist, der eine arbeitgeberähnliche Stellung in der Gemeinde hat. Er ist Dienstvorgesetzter der Bediensteten der Gemeinde und Vorsitzender des Gemeinderats. Daher kann jeder Arbeitnehmer der Gemeinde erwarten, daß er bei Kenntniserlangung von einem Kündigungssachverhalt den für die Entlassung zuständigen Gemeinderat oder beschließenden Ausschuß von diesem Sachverhalt unterrichten wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Erste Bürgermeister unter bestimmten Voraussetzungen - die hier nicht vorliegen - auch selbst Kündigungsberechtigter sein kann.
c) Jedenfalls fehlt es aber an der weiteren Voraussetzung, nämlich einem Organisationsmangel, der es nach den Umständen rechtfertigen würde, im vorliegenden Fall die Frist der § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT vor tatsächlicher Kenntniserlangung durch den POA am 17. Juli 1990 beginnen zu lassen. Wenn zwischen dem Zeitpunkt, in dem der Oberbürgermeister von dem Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt hat, bis zum Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen vergingen, so beruhte dies nicht darauf, daß die Personalangelegenheiten der beklagten Stadt fehlerhaft organisiert waren, während eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre.
aa) Wie in einer Gemeinde die Zuständigkeiten in Personalangelegenheiten organisiert sind, beruht weitgehend auf gesetzlichen Vorgaben. Dabei ist zu beachten, daß die Personalhoheit der Gemeinde, also ihre Kompetenz, ihr Personal auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen, zum Kernbereich der durch Art. 28 Abs. 2 GG grundgesetzlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung gehört (BVerfGE 17, 172, 182; vgl. Berger-Delhey/Lütke, ZTR 1990, 47, 51).
bb) Es kann jedenfalls einer Gemeinde nicht als schuldhafter Organisationsmangel angelastet werden, wenn sie die Zuständigkeiten in Personalangelegenheiten so verteilt hat, wie dies die einschlägige Gemeindeordnung als Regelfall vorsieht. Die Zuständigkeitsverteilung, wie sie von der beklagten Stadt nach ihrem Satzungsrecht praktiziert wird, entspricht den gesetzlichen Vorgaben des Art. 43 BayGO. Es war der Beklagten nicht zumutbar, die Zuständigkeit oder jedenfalls die Eilzuständigkeit für fristlose Kündigungen dem Stadtrat vorzubehalten bzw. auf den Oberbürgermeister zu übertragen. Abgesehen davon steht auch nicht fest, ob überhaupt die entsprechende qualifizierte Ratsmehrheit für eine solche Übertragung von Kompetenzen auf den Oberbürgermeister zu erzielen gewesen wäre.
cc) Die vom Rat festgelegte Sitzungshäufigkeit des POA ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob es als ein der Gemeinde zurechenbares Organisationsverschulden angesehen werden kann, wenn diese die Sitzungen des für Personalangelegenheiten zuständigen Ausschusses in so großen Zeiträumen terminiert, daß die Zweiwochenfrist ab Kenntniserlangung durch den Oberbürgermeister bei fristlosen Kündigungen regelmäßig ganz erheblich überschritten wird. Das von der beklagten Stadt praktizierte Verfahren von jährlich im voraus festgelegten Sitzungen im Monatsrhythmus ist vom Schutzzweck des § 626 Abs. 2 BGB her jedenfalls unbedenklich. Da der Sitzungsplan feststand, mußte dem Kläger klar sein, daß ein Kündigungssachverhalt, von dem der Oberbürgermeister am 21. Juni 1990 Kenntnis erlangte, in der nächsten Ausschußsitzung am 17. Juli 1990 Gegenstand der Beschlußfassung sein würde. Die bei einem monatlichen Sitzungsturnus mögliche Verzögerung einer Kenntniserlangung durch den POA ist auch gering. Der beklagten Stadt war es daher nicht zumutbar, allein im Hinblick auf mögliche außerordentliche Kündigungen die Sitzungen des POA so häufig anzuberaumen, daß die Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis des Oberbürgermeisters gewahrt werden konnte. Dies hätte mehr als zwei ordentliche Sitzungen des POA pro Monat erfordert, was wegen der wenigen außerordentlichen Kündigungen sachlich nicht gerechtfertigt gewesen wäre, da der POA ersichtlich die laufenden Angelegenheiten im bisherigen Turnus monatlicher Sitzungen erledigen konnte.
dd) Es kann regelmäßig auch nicht als Organisationsmangel angesehen werden, wenn die Gemeinde in derartigen Fällen keine Sondersitzung des nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayGO zuständigen Ausschusses einberuft. Wenn der Sitzungsplan im voraus festliegt, ist der Gemeinde die Möglichkeit genommen, den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB willkürlich zu beeinflussen, solange die Kündigungsangelegenheiten jeweils in der nächsten Sitzung des Ausschusses behandelt werden. Die Abhaltung von Sondersitzungen hätte hier absehbare Terminschwierigkeiten verursacht. Die zahlreichen Sitzungen der anderen Ausschüsse waren ebenfalls bereits terminiert und viele der Mitglieder des POA waren - abgesehen von anderen Verpflichtungen - in mehreren Ratsausschüssen tätig. Wenn die Mitglieder des POA zusätzlich zu dem jährlich im voraus festgelegten engen Terminplan zu nicht vorhergesehenen Zeiten auch noch Sondersitzungen des POA hätten wahrnehmen müssen, hätten sich unzumutbare Terminkollisionen ergeben. Solche Probleme mußte die Beklagte nicht in Kauf nehmen. Angesichts der geringen Verzögerung bis zur nächsten ordentlichen Sitzung des POA war es darüber hinaus auch von der Bedeutung der Sache her nicht gerechtfertigt, eine Sondersitzung des POA anzuberaumen. Bei ca. 10 fristlosen Kündigungen im Jahr hätte dies einen unverhältnismäßigen Mehraufwand dargestellt.
d) Ob über das Organisationsverschulden hinaus dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Rahmen der § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT jedes Verschulden eines nicht kündigungsberechtigten Dritten mit arbeitgeberähnlicher Stellung entsprechend § 278 BGB zugerechnet werden muß (vgl. KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 251 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), kann dahinstehen. Ein solches Verschulden der nicht kündigungsberechtigten Organe der beklagten Stadt beim Vollzug der eingerichteten Organisation liegt jedenfalls nicht vor.
aa) Der Oberbürgermeister hat die Angelegenheit nicht schuldhaft verzögert, sondern sich nach den satzungsmäßig kraft Organisationsgewalt aufgestellten Vorgaben korrekt verhalten. Nachdem er selbst von dem Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt hat, hat er unverzüglich die notwendigen Schritte eingeleitet und dafür gesorgt, daß die Sache in der nächsten ordentlichen Sitzung des POA behandelt werden konnte. Zur Einberufung einer Sondersitzung war er, wie bereits dargelegt, nicht verpflichtet. Ebensowenig durfte er die Sache selbst an sich ziehen.
bb) Der Leiter des Personalamts der Beklagten hat schon nicht die von der Rechtsprechung geforderte arbeitgeberähnliche Stellung. Außerdem hat auch das Personalamt nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt die Bearbeitung der Angelegenheit nicht schuldhaft verzögert. Zu den neuen Sachverhalten, auf die die Beklagte die Kündigung stützen wollte, ist der Kläger angehört worden. Unverzüglich nach dieser Anhörung wurde der Oberbürgermeister über den Kündigungssachverhalt in Kenntnis gesetzt.
III. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
1. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nicht daran, daß die Anhörung des Personalrats gemäß Art. 77 Abs. 4 BayPersVG fehlerhaft wäre.
a) Gemäß Art. 80 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayPersVG war der Gesamtpersonalrat und nicht der bei dem zuständigen Referat gebildete Personalrat zu beteiligen, da für die Entscheidung über die Beteiligung des Klägers der POA zuständig war.
b) Das Anhörungsverfahren ist auch nicht fehlerhaft, nämlich zu früh durch das falsche Organ eingeleitet worden. Erforderlich für die Einleitung des Anhörungsverfahrens ist zwar ein aktueller Kündigungsentschluß des Arbeitgebers (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972 zur Betriebsratsanhörung). Dies bedeutet aber nur, daß der Arbeitgeber den Betriebsrat bzw. Personalrat nicht gewissermaßen auf Vorrat zu einer derzeit noch nicht aktuellen Kündigung anhören darf. Wenn hier der Oberbürgermeister den Entschluß zur Kündigung des Klägers gefaßt hat und im Rahmen seiner Zuständigkeiten die Beteiligung des zuständigen Gesamtpersonalrats veranlaßt hat, andererseits für den endgültigen Kündigungsentschluß aber der POA zuständig war, so beruht dies auf den Besonderheiten der Zuständigkeitsverteilung in Personalangelegenheiten durch die BayGO. Es entspricht Sinn und Zweck der Beteiligung des Personalrats, diesen einzuschalten, bevor der endgültige Beschluß über die Kündigung durch den POA gefaßt wird, denn bis zu einem endgültigen Beschluß des POA kann der Personalrat die Kündigungsabsicht noch am wirksamsten beeinflussen.
2. Ob die fristlose Kündigung nach §§ 54 Abs. 1 BAT, 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Die geltend gemachten Kündigungsgründe wiegen schwer. Sie sind an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Hat der Kläger tatsächlich in der geschilderten Art auch nach der Abmahnung fortlaufend ungenügende Leistungen erbracht, dienstlichen Weisungen zuwider gehandelt und sich unkollegial verhalten, so kann ein solches Fehlverhalten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Interessenabwägung angesichts der langen Beschäftigungszeit jedenfalls zugunsten des Klägers ausgehen muß. Dazu ist die von der Beklagten dargelegte Beharrlichkeit der Pflichtverstöße des Klägers zu gravierend. Andererseits ist aber der Sachverhalt, was die Kündigungsgründe und die Grundlagen der Interessenabwägung anbelangt, unaufgeklärt, nachdem die Vorinstanzen der Klage mit einer nach Auffassung des Senats unzutreffenden Begründung ohne weitere Sachaufklärung stattgegeben haben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.
IV. Der Kläger wird nach der Zurückverweisung klarzustellen haben, ob und gegebenenfalls welches Rechtsschutzinteresse er für den bisher von ihm - neben dem Antrag nach § 4 KSchG - verfolgten allgemeinen Fortbestandsantrag geltend machen will (vgl. dazu im einzelnen das Senatsurteil vom 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Bitter Bröhl Dr. Wißmann
Jansen Nipperdey
Fundstellen
Haufe-Index 438266 |
BB 1994, 1644 |
NZA 1994, 1086 |
NZA 1994, 1086-1089 (LT1-2) |
RzK, I 6g Nr 21 (LT1-2) |
AP § 626 BGB Ausschlußfrist (LT1-2), Nr 33 |
AP, 0 |
EzA-SD 1994, Nr 20, 7-9 (LT1-2) |
EzA § 626 BGB Ausschlußfrist, Nr 6 (LT1-2) |
EzBAT § 54 BAT, Nr 36 (LT1-2) |