Entscheidungsstichwort (Thema)
Probezeitkündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses. keine Anrechnung eines vorausgegangenen Praktikums. Praktikum. Berufsausbildung. Probezeitkündigung
Leitsatz (amtlich)
Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums ist auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis nicht anzurechnen.
Orientierungssatz
1. § 20 Satz 1 BBiG ordnet zwingend an, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit beginnt. Beide Vertragspartner sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen.
2. Eine Anrechnung von Zeiten, in denen zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden bereits ein anderes Vertragsverhältnis bestand, sieht § 20 BBiG nicht vor. Die Vorschrift knüpft allein an den rechtlichen Bestand des Ausbildungsverhältnisses an.
3. Dies entspricht der unterschiedlichen Pflichtenbindung in einem Berufsausbildungsverhältnis im Vergleich zu einem Arbeitsverhältnis oder einem anderen Vertragsverhältnis iSd. § 26 BBiG. Die im Rahmen der Probezeit vorzunehmende Prüfung ist nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich.
4. Folglich ist auch die in einem vorausgegangenen Praktikum zurückgelegte Zeit nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen. Auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums kommt es nicht an.
Normenkette
BBiG §§ 20, 22 Abs. 1, §§ 26, 68; BetrVG § 102 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1; MiLoG § 22 Abs. 1 S. 3; SGB III § 54a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. Juli 2014 – 3 Sa 523/14 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Probezeitkündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses und um einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Filialen im Bundesgebiet. Es ist ein Betriebsrat gebildet, welcher für die Filiale in H zuständig ist.
Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Ihm wurde daraufhin die Aufnahme der Ausbildung zum 1. August 2013 zugesagt. Als Überbrückung für die Zeit bis zum Ausbildungsbeginn bot ihm die Beklagte ein Praktikum an. Am 27. März 2013 schlossen die Parteien einen „Praktikantenvertrag”. Nach dessen § 1 soll der Kläger vom 11. März 2013 bis 31. Juli 2013 in der Filiale in H „zum Erwerb von Erfahrungen und Kenntnissen im Fachbereich Handel-Verkaufsvorbereitung” eingesetzt werden. Es war eine Probezeit von zwei Monaten vorgesehen. Während dieser Probezeit erfolgte keine Kündigung. Unter dem 22. Juni 2013 zeichneten die Parteien einen Berufsausbildungsvertrag für die Ausbildung des Klägers zum Kaufmann im Einzelhandel in der Zeit vom 1. August 2013 bis zum 31. Juli 2016. Es wurde eine Probezeit von drei Monaten vereinbart. Der Kläger nahm die Ausbildung wie vorgesehen in der Filiale H auf.
Mit Formularschreiben vom 21. Oktober 2013 informierte die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Klägers während der Probezeit. Sie gab an, dass der Kläger seit dem 11. März 2013 bei ihr beschäftigt sei und zwar „als Praktikant, ab 01.08.2013 als KEH Azubi”. Als Grund für die beabsichtigte Kündigung wurde mitgeteilt: „Herr K hat unseren Erwartungen aufgrund fehlender Eigeninitiative nicht entsprochen. Er wird innerhalb der Probezeit, die am 31.10.2013 endet, gekündigt.” Der Betriebsrat stimmte der Kündigung zu. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis zum 29. Oktober 2013.
Mit seiner am 15. November 2013 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Zudem hat er den zuständigen Schlichtungsausschuss bei der Industrie- und Handelskammer O angerufen. Der von diesem am 13. Dezember 2013 gefällte Versäumnisspruch wurde von der Beklagten nicht anerkannt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 29. Oktober 2013 sei unwirksam. Sie sei erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden. Das dem Ausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Das Praktikum sei im Zusammenhang mit dem bereits zugesagten Ausbildungsbeginn am 1. August 2013 durchgeführt worden und habe der Vorbereitung der Ausbildung dienen sollen. Tatsächlich habe die Beklagte bereits während des Praktikums mit der Vermittlung von Ausbildungsinhalten begonnen. So habe er gleich zu Beginn des Praktikums eine Schulung zum Thema Oberbetten absolviert. Direkt im Anschluss daran habe er Waren verkaufen dürfen. Zudem habe er im weiteren Verlauf des Praktikums nahezu sämtliche Schulungen der vorgesehenen Ausbildung besucht. Letztlich habe er „mehr oder minder” sämtliche Tätigkeiten ausgeübt, die ein Auszubildender oder bereits ausgelernter Mitarbeiter zu verrichten hatte. Dazu gehörten allgemeine Lagertätigkeiten, Lagerwirtschaft, Kommissionierung sowie das Bearbeiten von Bestellungen und das Erstellen von Angeboten. Selbst die Prospektvorbereitungskontrolle sei von ihm bereits sporadisch durchgeführt worden.
Die Beklagte habe sich daher bereits während des Praktikums, welches seinerseits einer Probezeitvereinbarung unterfiel, ein vollständiges Bild über ihn machen können. Die Vereinbarung einer weiteren Probezeit von drei Monaten im Ausbildungsverhältnis ohne Anrechnung der Praktikumszeit sei eine unangemessene Benachteiligung. Bei Addierung der Praktikumszeit und der dreimonatigen Probezeit im Ausbildungsverhältnis liege faktisch eine Probezeit von fast acht Monaten vor. Dies sei weder mit Sinn und Zweck der gesetzlich vorgesehenen Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis noch mit den Grundsätzen von Treu und Glauben zu vereinbaren.
Zudem sei die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Dem Betriebsrat sei Art und Umfang des Praktikums nicht mitgeteilt worden. Für diesen sei daher nicht überprüfbar gewesen, inwiefern im Rahmen des Praktikums bereits Ausbildungskenntnisse vermittelt wurden. Der Betriebsrat hätte ansonsten beurteilen können, ob die Vereinbarung einer weiteren Probezeit eine unangemessene Benachteiligung gewesen sei und inwiefern er (der Kläger) sich im Rahmen des Praktikums bereits als geeignet gezeigt habe. Die Kündigungsabsicht sei nicht hinreichend konkret begründet worden. Was mit der Angabe einer angeblich fehlenden Eigeninitiative gemeint war, sei für den Betriebsrat nicht ansatzweise erkennbar gewesen.
Der Kläger hat deshalb beantragt
- festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2013 beendet worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten ausbildungsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag mit der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung begründet. Diese sei während der nach den gesetzlichen Vorgaben vereinbarten Probezeit erklärt worden. Die Zeit des Praktikums sei auf die Probezeit nicht anrechenbar. Es handle sich um Rechtsverhältnisse mit unterschiedlichen Verpflichtungen der Vertragsparteien. Auf den vereinbarten Inhalt und die tatsächliche Durchführung des Praktikums komme es nicht an. Zudem seien dem Kläger während des Praktikums nur die üblichen Praktikumsinhalte vermittelt worden. Er habe nicht an nahezu sämtlichen Schulungen der Ausbildung bereits während des Praktikums teilgenommen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden. Nähere Angaben zu dem Praktikum seien nicht erforderlich gewesen. Die Mitteilung des erst innerhalb der Probezeit im Ausbildungsverhältnis gebildeten Werturteils („fehlende Eigeninitiative”) sei ausreichend gewesen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 6 AZN 814/14 – zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2013 hat das Berufsausbildungsverhältnis mit ihrem Zugang am selben Tag gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ohne Einhalten einer Kündigungsfrist beendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an.
1. Nach § 22 Abs. 1 BBiG kann ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die streitgegenständliche Kündigung wurde formgerecht während der im Berufsausbildungsvertrag vom 22. Juni 2013 vereinbarten Probezeit erklärt. Die Zeit der Tätigkeit des Klägers vom 11. März 2013 bis zum 31. Juli 2013 auf der Grundlage des sog. Praktikantenvertrags vom 27. März 2013 findet keine Anrechnung auf die Probezeit im anschließenden Berufsausbildungsverhältnis. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger in dieser Zeit tatsächlich ein Praktikum absolviert hat oder entgegen der vertraglichen Bezeichnung in einem Arbeitsverhältnis stand.
a) Nach § 20 Satz 1 BBiG beginnt das Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit. Eine Anrechnung von Zeiten, in denen zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden bereits ein anderes Vertragsverhältnis bestand, sieht § 20 BBiG nicht vor. Die Vorschrift knüpft allein an den rechtlichen Bestand des Ausbildungsverhältnisses an. Selbst bei mehreren Ausbildungsverhältnissen zwischen denselben Parteien beginnt demnach jedes nach einer rechtlichen Unterbrechung neu begründete Ausbildungsverhältnis erneut mit einer Probezeit. Eine erneute Vereinbarung einer Probezeit ist nur dann unzulässig, wenn zwischen dem neuen Berufsausbildungsverhältnis und dem vorherigen Ausbildungsverhältnis derselben Parteien ein derart enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass es sich sachlich um ein Berufsausbildungsverhältnis handelt. Insoweit ist § 20 Satz 1 BBiG teleologisch zu reduzieren (BAG 12. Februar 2015 –6 AZR 831/13 – Rn. 29 ff.).
b) Demgegenüber stehen Zeiten eines anderen Vertragsverhältnisses derselben Parteien vor Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses weder der Vereinbarung einer Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis entgegen noch findet eine Anrechnung auf die gemäß § 20 Satz 1 BBiG zu vereinbarende Probezeit statt. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 20 Satz 1 BBiG und dem Zweck der Probezeit unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rechte und Pflichten in anderen Vertragsverhältnissen.
aa) Die gesetzlich vorgeschriebene Probezeit soll einerseits sicherstellen, dass der Ausbildende den Auszubildenden dahingehend überprüfen kann, ob dieser für den zu erlernenden Beruf geeignet ist (vgl. BT-Drs. V/4260 S. 10) und sich in das betriebliche Geschehen mit seinen Lernpflichten einordnen kann. Andererseits muss die Prüfung, ob der gewählte Beruf seinen Vorstellungen und Anlagen entspricht, auch dem Auszubildenden möglich sein (BAG 16. Dezember 2004 – 6 AZR 127/04 – zu II 2 b der Gründe). Letztlich soll die Probezeit beiden Vertragspartnern ausreichend Gelegenheit einräumen, die für das Ausbildungsverhältnis im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen (BT-Drs. 15/4752 S. 35; BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 28).
bb) Dies ist nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinem spezifischen Pflichtenkatalog nach §§ 13, 14 BBiG möglich. Andere Vertragsverhältnisse weichen hiervon ab.
(1) Dies gilt zum einen für Arbeitsverhältnisse. Berufsausbildungsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen, weil beide Vertragsverhältnisse unterschiedliche Pflichtenbindungen aufweisen (BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 348/02 – zu 2 a bb der Gründe, BAGE 107, 72; vgl. auch 16. Juli 2013 – 9 AZR 784/11 – Rn. 37, BAGE 145, 371). Dies berücksichtigt § 10 Abs. 2 BBiG, wonach die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze auf den Berufsausbildungsvertrag nur anzuwenden sind, soweit sich aus dessen Wesen und Zweck und aus dem BBiG nichts anderes ergibt. Inhalt eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 BGB die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gegen Zahlung eines Entgelts. Demgegenüber schuldet der Auszubildende, sich ausbilden zu lassen, während die Hauptpflicht des Ausbildenden nach § 14 BBiG darin besteht, dem Auszubildenden die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Der Auszubildende schuldet im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts, sondern hat sich nach § 13 Satz 1 BBiG zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist (BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13 – Rn. 37; 18. Mai 2011 – 10 AZR 360/10 – Rn. 13 mwN). Folglich ist die in einem vorhergehenden Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen (vgl. zu § 13 BBiG aF BAG 16. Dezember 2004 – 6 AZR 127/04 – zu II 2 der Gründe).
(2) Die Dauer anderer Vertragsverhältnisse iSd. § 26 BBiG ist wegen deren Unterschiede zu einem Berufsausbildungsverhältnis ebenfalls nicht auf eine nach § 20 BBiG vereinbarte Probezeit anzurechnen. Dies gilt auch für die hier in Streit stehende Zeit eines unmittelbar vorausgegangenen Praktikums. Auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums kommt es entgegen der Revision nicht an. Ihre diesbezüglich erhobenen Verfahrensrügen sind deshalb unbeachtlich.
(a) § 26 BBiG ordnet die Anwendbarkeit der für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden Vorschriften der §§ 10 bis 23 und 25 BBiG für Rechtsverhältnisse an, die nicht als Arbeitsverhältnisse ausgestaltet sind und die Personen betreffen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben. § 26 BBiG erfasst damit nur solche Rechtsverhältnisse, die im Gegensatz zur Umschulung oder Fortbildung auf die erstmalige Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen gerichtet sind, wie dies etwa bei Anlernlingen, Volontären oder Praktikanten der Fall ist (BAG 12. Februar 2013 – 3 AZR 120/11 – Rn. 12).
(b) Für die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf untersagt § 4 Abs. 2 BBiG, wonach nur nach der Ausbildungsordnung ausgebildet werden darf, hingegen die Vereinbarung eines anderen Vertragsverhältnisses nach § 26 BBiG (BAG 27. Juli 2010 – 3 AZR 317/08 – Rn. 23, BAGE 135, 187; kritisch Benecke NZA 2012, 646). Dies ist der Struktur der Berufsausbildung geschuldet. Mit ihr soll berufliche Handlungsfähigkeit in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BBiG). Bei einem Praktikum ist das nicht der Fall. Ein Praktikant ist in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen (BAG 29. April 2015 – 9 AZR 78/14 – Rn. 18). Dabei findet aber keine systematische Berufsausbildung statt (vgl. BAG 13. März 2003 – 6 AZR 564/01 – zu II 2 b der Gründe). Praktikanten sind auch nicht zur Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen verpflichtet (vgl. § 13 Satz 2 Nr. 2, § 15 BBiG).
(c) An der Unterscheidung von Berufsausbildungsverhältnis und Praktikum hat sich durch das Mindestlohngesetz nichts geändert. Zwar enthält § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG für dieses Gesetz mit Wirkung ab dem 16. August 2014 nunmehr eine Legaldefinition der Praktikantenstellung in Anlehnung an den Erwägungsgrund 27 der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 10. März 2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika (BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24; HK-MiLoG/Schubert/Jerchel § 22 Rn. 17). Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG ist ein Praktikum aber keine Berufsausbildung im Sinne des BBiG („ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes … handelt”).
(d) Mit dieser gesetzlichen Differenzierung von Berufsausbildungsverhältnis und Praktikum ist eine Anrechnung von Zeiten eines Praktikums auf die Probezeit in einem späteren Berufsausbildungsverhältnis nicht vereinbar (vgl. Herkert/Töltl BBiG Stand November 2013 § 20 Rn. 6; Reinartz DB 2015, 1347; Schieckel/Oestreicher/Decker/Grüner BBiG Bd. I Stand 1. Mai 2015 § 20 nF Rn. 4; Schulien in Hurlebaus/Baumstümmler/Schulien Berufsbildungsrecht Stand September 2014 § 20 Rn. 22; Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 20 Rn. 8; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 174 Rn. 86; KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21 bis 23 BBiG Rn. 43b; LAG Berlin 12. Oktober 1998 – 9 Sa 73/98 – zu II 1 der Gründe). Die Zwecksetzung von Praktikum und Probezeit ist unterschiedlich, es besteht auch keine relevante Teilidentität (aA ErfK/Schlachter 16. Aufl. § 20 BBiG Rn. 2). Wegen der grundsätzlichen Unterschiede kommt es auf die Umstände des Einzelfalls nicht an. Es ist auch ohne Bedeutung, ob Praktikum und Berufsausbildungsverhältnis in einem inneren Zusammenhang stehen (aA Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG § 20 Rn. 7; Lakies in Lakies/Malottke BBiG 4. Aufl. § 20 Rn. 15). Gleiches gilt bzgl. der tatsächlichen Gestaltung des Praktikums und des Besuchs eines Berufsschulunterrichts. Diese Differenzierung ist zugleich ein Gebot der Rechtssicherheit, denn die Abgrenzung eines „anrechnungsfähigen” Praktikums von einem anderen Praktikum im Einzelfall wäre nur schwer möglich.
(e) Für die Nichtanrechnung einer Praktikumszeit spricht ferner, dass der Gesetzgeber sogar bei gesetzlich vorgesehenen Qualifizierungsmaßnahmen im Vorfeld einer Berufsausbildung eine Anrechnung auf die Probezeit im folgenden Ausbildungsverhältnis nicht vorgesehen hat (vgl. LAG Baden-Württemberg 8. November 2011 – 22 Sa 35/11 –). Dies betrifft die Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III, welche der Vermittlung und Vertiefung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit dient und nach § 54a Abs. 2 Nr. 1 SGB III auf der Grundlage eines Vertrags iSd. § 26 BBiG durchgeführt werden kann. Auch die Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 f. BBiG ist eine vorgelagerte Qualifizierungsmaßnahme, bzgl. deren Dauer der Gesetzgeber keine Anrechnung auf die Probezeit der späteren Berufsausbildung angeordnet hat. Dies entspricht der Unterschiedlichkeit der Rechtsverhältnisse.
(f) Wollen die Parteien bei der Begründung des Berufsausbildungsverhältnisses den Umstand berücksichtigen, dass sie sich bereits im Rahmen eines Praktikums kennengelernt haben, bleibt ihnen daher nur die Vereinbarung der Mindestprobezeit von einem Monat gemäß § 20 Satz 2 BBiG (vgl. Reinartz DB 2015, 1347). Eine vertragliche Vereinbarung der Anrechnung eines Praktikums, die zu einer weiter gehenden Reduzierung oder zum Entfall der Probezeit führt, wäre gemäß § 25 BBiG nichtig. Es würde sich um eine Vereinbarung handeln, die zuungunsten des Auszubildenden von § 20 BBiG abweicht. Die Probezeit ermöglicht, wie ausgeführt, die beiderseitige Prüfung der Umstände des Ausbildungsberufs. Die Vereinbarung einer Probezeit liegt darum gerade auch im Interesse des Auszubildenden (vgl. BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 39; 15. Januar 1981 – 2 AZR 943/78 – zu II 3 c der Gründe, BAGE 36, 94). Eine Regelung, die von einer Probezeit absieht, ist folglich unwirksam (vgl. BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 19). Die gesetzliche Vorgabe der Mindestprobezeit kann auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass vertraglich die Anrechnung eines Praktikums vereinbart wird.
c) Demnach erfolgte die streitgegenständliche Kündigung vom 29. Oktober 2013 während der im Berufsausbildungsvertrag vom 22. Juni 2013 wirksam vereinbarten Probezeit von drei Monaten.
aa) Nach § 20 Satz 2 BBiG muss die Probezeit mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. Dem Gesetz lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, nach welchen Kriterien und Maßgaben die Probezeit zu bemessen ist. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens ist die tatsächliche Dauer der Probezeit vielmehr frei vereinbar (BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 39). Ist die Regelung der Probezeit in einem Formularausbildungsvertrag des Ausbildenden enthalten, unterliegt eine Klausel hinsichtlich der Dauer der Probezeit einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, da es sich insoweit um eine normausfüllende (rechtsergänzende) Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Ein Unterschreiten des vom Gesetzgeber mit § 20 BBiG für den Auszubildenden angestrebten Schutzniveaus ist jedoch regelmäßig auch dann nicht festzustellen, wenn der Ausbildende die gesetzliche Höchstdauer der Probezeit durch eine AGB-Klausel ausschöpft. Dem gesetzlichen Schutzanliegen und den Interessen des Auszubildenden ist grundsätzlich auch bei einer viermonatigen Probezeit noch in vollem Umfang Rechnung getragen. Eine Probezeit im Umfang der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer steht darum im Gerechtigkeitskern mit der gesetzlichen Bewertung und Gewichtung der von § 307 BGB geschützten Interessen des Auszubildenden im Einklang und ist deshalb grundsätzlich nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 37, 40).
bb) Vorliegend sieht der Formularausbildungsvertrag vom 22. Juni 2013 eine Probezeit von drei Monaten vor. Dies ist nicht zu beanstanden. Die gesetzliche Höchstdauer wurde um einen Monat unterschritten. Die Zeit des Praktikums ist aus den genannten Gründen unbeachtlich.
cc) Die Kündigung erfolgte gemäß § 22 Abs. 1 BBiG während der Probezeit. Nach dem Berufsausbildungsvertrag vom 22. Juni 2013 begann diese am 1. August 2013 und endete bei einer Dauer von drei Monaten am 31. Oktober 2013. Die gemäß § 22 Abs. 3 BBiG schriftliche Kündigung ging dem Kläger am 29. Oktober 2013 und damit während der Probezeit zu.
2. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Dieser wurde mit dem Schreiben vom 21. Oktober 2013 hinreichend über die Gründe der beabsichtigten Kündigung iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unterrichtet.
a) Ebenso wie bei einer Kündigung in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist die Substantiierungspflicht bei der Anhörung des Betriebsrats im Falle einer Kündigung während der Probezeit nach § 22 Abs. 1 BBiG allein an den Umständen zu messen, aus denen der Ausbildende subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Dies folgt aus dem Grundsatz der subjektiven Determination. Demnach ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Ausbildenden bei Probezeitkündigungen zu stellen sind, ist deshalb zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden, und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. In der ersten Konstellation genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrunde liegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Ausbildende ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen. Liegen dem subjektiven Werturteil des Ausbildenden nach Zeit, Ort und Umständen konkretisierbare Tatsachenelemente zugrunde, muss er den Betriebsrat über diesen Tatsachenkern bzw. die Ansatzpunkte seines subjektiven Werturteils nicht informieren. Es genügt für eine ordnungsgemäße Anhörung, wenn er allein das Werturteil selbst als das Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt (vgl. zu einer Kündigung während der Wartezeit BAG 12. September 2013 – 6 AZR 121/12 – Rn. 20 ff. mwN; zustimmend Gragert ArbRAktuell 2013, 599; ablehnend Müller-Wenner AuR 2014, 85).
b) Bei der Betriebsratsanhörung handelt es sich um eine atypische Willenserklärung, deren Auslegung grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist (BAG 22. September 2005 – 6 AZR 607/04 – zu II 4 b bb (1) der Gründe). Die Auslegung atypischer Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht kann in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13 – Rn. 98 mwN).
c) Vorliegend wurde dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom 21. Oktober 2013 zur Begründung der beabsichtigten Kündigung mitgeteilt, dass der Kläger den Erwartungen der Beklagten aufgrund fehlender Eigeninitiative nicht entsprochen habe. Das Landesarbeitsgericht ist bei Berücksichtigung des Grundsatzes der subjektiven Determination in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Auffassung gelangt, dass dies ausreichend war und dem Betriebsrat nicht mehr erläutert werden musste, aufgrund welcher Umstände der Kläger den Erwartungen der Beklagten nicht entsprochen hat. Die Mitteilung des bloßen Werturteils reicht vorliegend aus. Dieses war der Anlass für die Kündigung. Weitere Informationen waren auch hinsichtlich des Praktikums nicht erforderlich. Der Betriebsrat wurde darüber informiert, dass der Kläger bereits seit dem 11. März 2013 als Praktikant beschäftigt war. Entgegen der Revision mussten weitere Informationen zur Vertragsgrundlage sowie zu Art und Umfang des Praktikums nicht bekannt gegeben werden. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Praktikum zur Überbrückung bis zum Ausbildungsbeginn vorgesehen war. Die Revision geht im Ansatz unzutreffend davon aus, dass dem Betriebsrat durch solche Informationen die Einschätzung hätte ermöglicht werden müssen, inwiefern sich der Kläger im Rahmen des Praktikums bereits als geeignet gezeigt hat. Dies entspricht der nach Ansicht der Revision vorzunehmenden Anrechnung des Praktikums auf die Probezeit des Berufsausbildungsverhältnisses. Wie dargelegt, steht das Praktikum aber in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dieser Probezeit. Für die Kündigungsentscheidung ist die Einschätzung der Beklagten hinsichtlich der Eignung des Klägers bezogen auf die Ausbildung maßgeblich. Der Ablauf des Praktikums ist hierbei grundsätzlich ohne Bedeutung. Anderes könnte nur gelten, wenn die Beklagte ihre Kündigungsentscheidung wegen konkreter Vorfälle im Praktikum getroffen hätte. Dies ist hier nicht ersichtlich.
3. Die streitgegenständliche Kündigung verstößt entgegen der Revision auch nicht gegen Treu und Glauben (vgl. hierzu BAG 15. Januar 2015 – 6 AZR 646/13 – Rn. 34). Die Beklagte hat lediglich von ihren gesetzlichen Rechten Gebrauch gemacht.
4. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist mit der Entscheidung des Senats abgeschlossen (vgl. BAG 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – Rn. 52).
5. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Wollensak, W. Kreis
Fundstellen
Haufe-Index 8977015 |
BAGE 2016, 286 |
BB 2015, 2996 |
BB 2016, 244 |
BB 2016, 381 |
DB 2015, 15 |
DB 2016, 360 |
DB 2016, 6 |
DStR 2015, 12 |
DStR 2016, 422 |