Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Fiktion eines Arbeitsverhältnisses. Verwirkung des Rechts, sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu berufen
Orientierungssatz
1. Der Senat lässt offen, ob das Recht, sich auf den (Fort-)Bestand eines gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG begründeten Arbeitsverhältnisses zu berufen, verwirken kann.
2. Die widerspruchslose Wiederaufnahme der Arbeit im Betrieb des Verleihers nach Beendigung der Tätigkeit bei einem Entleiher erfüllt regelmäßig noch nicht das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Die bloße Nichtergreifung von Maßnahmen durch den Leiharbeitnehmer gegen seine Abberufung vom Entleiher begründet bei diesem ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch kein schützenswertes Vertrauen, der Leiharbeitnehmer werde keine Rechte aus dem nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommenen Arbeitsverhältnis geltend machen.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 4. Juli 2017 – 15 Sa 73/16 – teilweise aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22. November 2016 – 16 Ca 7/16 – wird insgesamt zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob der Kläger das Recht verwirkt hat, sich für die Zeit ab dem 1. April 2014 auf das Bestehen eines kraft gesetzlicher Fiktion nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG begründeten Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu berufen.
Der Kläger schloss am 27. November 2007 einen Arbeitsvertrag mit der K GmbH über eine Tätigkeit als Kalibrier-/Servicetechniker. Er nahm seine Tätigkeit zum vereinbarten Vertragsbeginn am 1. Dezember 2007 im Betrieb der K GmbH auf. Diese setzte ihn vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2014 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, an deren Standort in S ein. Ab April 2014 arbeitete der Kläger auf Anweisung der K GmbH wieder in deren Betriebsräumen. Seit dem 5. September 2014 verfügt die K GmbH über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Die K GmbH kündigte ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 28. Februar 2017. Dagegen erhob dieser Kündigungsschutzklage.
Mit seiner am 30. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 11. Januar 2016 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, zwischen ihm und der Beklagten bestehe nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG seit dem 1. Januar 2008 ein Arbeitsverhältnis, da er für die Beklagte nicht im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags tätig geworden, sondern dieser zur Arbeitsleistung überlassen worden sei. Er sei vollständig in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen und habe ihrem Weisungsrecht unterstanden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 1. Januar 2008 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat ihren Antrag auf Abweisung der Klage ua. darauf gestützt, dass der Kläger seine Rechte, sich auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ihr kraft gesetzlicher Fiktion zu berufen, verwirkt hat. Der Kläger habe sich erstmals durch die Klageerhebung im vorliegenden Verfahren knapp ein Jahr und neun Monate nach Beendigung seiner Tätigkeit in ihrem Betrieb auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit ihr berufen. Sie habe nicht damit rechnen müssen, nach Ablauf dieses Zeitraums noch als Arbeitgeberin in Anspruch genommen zu werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt, dass zwischen den Parteien vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2014 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Es hat angenommen, der Kläger habe sein Recht verwirkt, sich für die Zeit ab 1. April 2014 auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu berufen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Kläger sein Recht verwirkt hat, sich auch für die Zeit ab dem 1. April 2014 auf das (Fort-)Bestehen eines gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses zu berufen. Das der Klage insgesamt stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts war deshalb wieder herzustellen.
A. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig. Sie genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dabei muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des revisionsrechtlichen Angriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik an dem angefochtenen Urteil zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen. Dazu hat der Revisionskläger darzulegen, aus welchen Gründen er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Die bloße Wiedergabe oder der Verweis auf das bisherige Vorbringen genügt hierfür nicht (vgl. BAG 23. Januar 2018 – 1 AZR 550/16 – Rn. 9 mwN).
II. Die Revisionsbegründung setzt sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils hinreichend auseinander.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ergäbe sich daraus, dass sich der Kläger ab dem 1. April 2014 widerspruchslos in den Betrieb der K GmbH habe eingliedern lassen. Dies habe bei der Beklagten das berechtigte Vertrauen begründet, der Kläger akzeptiere, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu ihr zu stehen.
2. Gegen diese selbstständig tragende Argumentation hat der Kläger sinngemäß eingewendet, dass jemand, der keine Kenntnis von einer Rechtsposition eines Dritten habe, nur allgemein darauf vertrauen könne, dass sich niemand auf ein solches Recht berufe. Hinsichtlich der konkreten Rechtsposition bestehe dieses Vertrauen dagegen nicht. Das Landesarbeitsgericht habe nicht geprüft, bei wem auf Beklagtenseite ein solches – konkretes – Vertrauen bestanden habe. Tatsächlich sei der Kläger keiner zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Person bei der Beklagten bekannt gewesen. Deshalb habe auch niemand konkret darauf vertrauen können, der Kläger werde sich nicht darauf berufen, Arbeitnehmer der Beklagten zu sein.
B. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
1. Soweit das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, dass zwischen den Parteien in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2014 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen (BAG 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 – Rn. 22; 23. Juni 2015 – 9 AZR 261/14 – Rn. 15, BAGE 152, 59).
3. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bestanden hat. Nach § 256 Abs. 1 ZPO muss eine Feststellungsklage grundsätzlich den gegenwärtigen Bestand eines Rechtsverhältnisses betreffen. Trotz des Vergangenheitsbezugs des Antrags besteht das besondere Feststellungsinteresse dann, wenn sich – wie im Streitfall – aus ihm Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung ergeben können (BAG 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 – Rn. 23 mwN).
4. Der Kläger hat das Recht, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten auch über den 31. März 2014 hinaus klageweise geltend zu machen, nicht nach den für eine Prozessverwirkung geltenden Grundsätzen verwirkt.
a) Das Recht, eine Klage zu erheben, kann verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch angebrachte Klage unzulässig ist. Dies kommt jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Das Klagerecht kann ausnahmsweise verwirkt sein, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, er werde gerichtlich nicht mehr belangt werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist. Durch die Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an das Zeit- und Umstandsmoment zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen (BAG 21. September 2017 – 2 AZR 57/17 – Rn. 29; 20. April 2011 – 4 AZR 368/09 – Rn. 23 mwN).
b) Die Voraussetzungen der Prozessverwirkung liegen im Streitfall nicht vor. Es kann dahinstehen, ob die Untätigkeit des Klägers ein ausreichendes Zeitmoment begründet. Jedenfalls fehlt es an dem für die Prozessverwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Die Beklagte hat keine besonderen Umstände vorgetragen, aufgrund derer es ihr aus Vertrauensgesichtspunkten nicht zugemutet werden könnte, sich im Rahmen eines Rechtsstreits auf das Klagebegehren einzulassen und sich hiergegen zu verteidigen. Sie hat sich insbesondere nicht darauf berufen, sie habe aufgrund eines bei ihr entstandenen Vertrauens, der Kläger werde keine Klage mehr erheben, Beweismittel nicht gesichert oder habe sonstige Schwierigkeiten bei der Verteidigung ihrer Rechtsposition im Prozess, die ihr bei früherer Klageerhebung nicht entstanden wären.
II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das zwischen den Parteien nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG zustande gekommene Arbeitsverhältnis besteht auch über den 31. März 2014 hinaus fort. Der Kläger hat sein Recht, sich auch auf ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über dieses Datum hinaus zu berufen, nicht materiell verwirkt.
1. Zwischen den Parteien ist kraft gesetzlicher Fiktion gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG mit Wirkung zum 1. Januar 2008 ein Arbeitsverhältnis begründet worden, das jedenfalls bis zum 31. März 2014 bestanden hat. Dies ergibt sich aus der den Senat bindenden Rechtskraft des Teils des zweit-instanzlichen Urteils, der nicht Revisionsgegenstand geworden ist.
2. Das so begründete Arbeitsverhältnis besteht über den 31. März 2014 hinaus fort. Die Beklagte hat insoweit keine Beendigungstatbestände vorgetragen.
3. Der Kläger hat das Recht, sich auf das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten über den 31. März 2014 hinaus zu berufen, nicht materiell verwirkt (§ 242 BGB). Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob das Recht, sich auf den (Fort-)Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, überhaupt verwirken kann (so BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 239/90 – zu II 1 der Gründe; bezweifelnd BAG 18. Februar 2003 – 3 AZR 160/02 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 105, 59; offengelassen von BAG 20. September 2016 – 9 AZR735/15 – Rn. 47). Denn die Voraussetzungen für die Verwirkung wären nicht erfüllt. Es ist der Beklagten nicht unzumutbar, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 2014 hinaus gegen sich gelten zu lassen.
a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar anzusehen (BAG 21. September 2017 – 2 AZR 57/17 – Rn. 33; 22. März 2017 – 5 AZR 424/16 – Rn. 23). Der Berechtigte muss unter solchen Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, sodass sich der Verpflichtete darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 – Rn. 48).
b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich dem Gericht der Tatsacheninstanz. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt allein, ob es alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (BAG 21. April 2016 – 2 AZR 609/15 – Rn. 24; vgl. auch BAG 24. August 2017 – 8 AZR 265/16 – Rn. 20).
c) Es kann offenbleiben, ob im Streitfall ein hinreichendes Zeitmoment gegeben wäre. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Umstandsmoments seien erfüllt.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat die besonderen Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten hätten begründen können, der Kläger werde den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr geltend machen, darin gesehen, dass sich dieser ab dem 1. April 2014 wieder den arbeitstechnischen Weisungen der K GmbH unterworfen und sich von dieser widerspruchslos in ihren Betrieb eingliedern lassen habe. Nach seiner Abberufung habe für den Kläger die Veranlassung bestanden, seine Rechte gegenüber der Beklagten alsbald geltend zu machen.
bb) Dies hält auch einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
(1) Die widerspruchslose Wiederaufnahme der Arbeit durch den Kläger im Betrieb der K GmbH nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Beklagten stellt keinen Gesichtspunkt dar, durch den das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt wurde. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger das Zustandekommen und das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihr nicht geltend machen würde. Die bloße Nichtergreifung von Maßnahmen durch den Kläger gegen seine Abberufung von der Beklagten konnte bei dieser nicht die begründete Erwartung hervorrufen, sie werde nicht mehr auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen. Selbst eine jahrelange Untätigkeit reicht für sich allein genommen für den Verwirkungseinwand nicht aus (vgl. BAG 17. Januar 2007 – 7 AZR 23/06 – Rn. 33). Weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich, dass die Beklagte es auch nur in Erwägung gezogen hat, es könne ein Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen haben und deshalb ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger fingiert worden sein. Wer überhaupt keine Kenntnis von einer möglichen Rechtsposition eines Dritten hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich einer bestimmten Rechtsposition vertrauen (vgl. BAG 25. September 2013 – 5 AZR 936/12 – Rn. 27; 18. Februar 2003 – 3 AZR 160/02 – zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 105, 59).
(2) Der Einwand der Beklagten, sie habe auch deshalb nicht davon ausgehen müssen, als Arbeitgeberin des Klägers in Anspruch genommen zu werden, weil dieser aufgrund einer Kündigung nicht mehr bei der K GmbH beschäftigt werde, ist nicht geeignet, das erforderliche Umstandsmoment zu begründen. Der Kläger hat seine Tätigkeit bei der Beklagten nicht aufgrund der Kündigung der K GmbH eingestellt. Die K GmbH hat die Kündigung mit Schreiben vom 14. November 2016 und damit erst zu einem Zeitpunkt ausgesprochen, als der Kläger seine Tätigkeit bei der Beklagten längst eingestellt und er seine Rechtsposition gegenüber der Beklagten bereits mit seiner am 30. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenen und dieser am 11. Januar 2016 zugestellten Klage geltend gemacht hatte.
(3) Auch die die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen seine Vertragsarbeitgeberin vermag das Umstandsmoment nicht zu erfüllen (vgl. BAG 26. Mai 2011 – 8 AZR 18/10 – Rn. 33). Ob Dispositionen des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber überhaupt das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment begründen können, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 239/90 – zu III 2 der Gründe). Als Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind jedenfalls nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers anzusehen, durch die es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt (vgl. BAG 26. Mai 2011 – 8 AZR 18/10 – Rn. 32). Hierfür ergeben sich im Streitfall aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vorbringen der Parteien keine Anhaltspunkte.
(4) Es sind auch keine weiteren Umstände festgestellt oder von der Beklagten behauptet worden, die es ihr unzumutbar gemacht hätten, einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegen sich gelten zu lassen. Die Beklagte hat sich insbesondere nicht auf Dispositionen berufen, die sie ihrerseits wegen der Einstellung der Tätigkeit des Klägers zum 31. März 2014 und im Vertrauen darauf getroffen habe, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht zustande gekommen sei.
C. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Unterschriften
Brühler, Krasshöfer, Zimmermann, Kranzusch, Anthonisen
Fundstellen
NJW 2018, 10 |
NJW 2018, 2510 |
FA 2018, 264 |
JR 2019, 415 |
NZA 2018, 931 |
AP 2018 |
EzA-SD 2018, 10 |
EzA 2018 |
AUR 2018, 438 |
ArbR 2018, 371 |