Entscheidungsstichwort (Thema)
Werkstudentenprivileg. Freiversuch. Sozialversicherungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die im Sozialrecht begründete Versicherungs- und Beitragsfreiheit von Personen, die “während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule … gegen Entgelt beschäftigt werden”, endet nicht ohne weiteres, wenn der Beschäftigte nach dem erfolgreichen Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung sein Studium fortsetzt, um durch eine Wiederholungsprüfung eine Notenverbesserung zu erreichen.
Orientierungssatz
- Personen, die “während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule … gegen Entgelt beschäftigt sind”, sind nach näherer Maßgabe des Sozialversicherungsrechts versicherungs- und beitragsfrei.
- Diese Voraussetzung ist nicht bereits mit der Immatrikulation erfüllt. Das Studium muß vielmehr Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nehmen und der Betroffene damit seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht Arbeitnehmer sein. Die Stellung als Werkstudent wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Studierende im Wege des Freiversuchs das erste juristische Staatsexamen erfolgreich abschließt, um durch eine Wiederholungsprüfung seine Note zu verbessern.
- Nach § 14 JAO Berlin können “Kandidaten, die die Prüfung … nach Abs. 1 bestanden haben, … diese zur Notenverbesserung … einmal wiederholen”. Der erste und der zweite Versuch sind integrierte Bestandteile eines einheitlichen Prüfungsverfahrens. Dieses ist erst abgeschlossen, wenn der Student die Prüfungen des Wiederholungsversuchs abschließt und ihm das endgültige Prüfungsergebnis mitgeteilt wird oder wenn er auf die Wiederholungsprüfung verzichtet. Bis dahin ist der geprüfte Rechtskandidat Werkstudent, wenn er nach seinem äußeren Erscheinungsbild Student ist.
Normenkette
SGB IV §§ 2, 28g; SGB V § 6 in der bis 30. Juni 2000 geltenden Fassung; SGB VI § 5 in der bis 30. September 1996 geltenden Fassung; AFG § 169b; Hochschulrahmengesetz (HRG) § 15; Deutsches Richtergesetz (DRiG) § 5d; Berliner Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAO Berlin) § 14
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. Februar 2000 – 14 Sa 2165/99 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Der Beklagte war bei der Klägerin für das Studium der Rechtswissenschaften immatrikuliert. Im Mai 1995 schloß er mit ihr einen befristeten Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft iSd. § 121 Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) mit einer monatlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte II (TV Stud II) anzuwenden. Die Klägerin wies den Beklagten schriftlich darauf hin, für die Beschäftigung als studentische Hilfskraft sei die Immatrikulation an einer Berliner Hochschule Voraussetzung. Er sei verpflichtet, den Abschluß des Hochschulstudiums mitzuteilen. Nach § 15 TV Stud II endet das Arbeitsverhältnis einer studentischen Hilfskraft mit Ablauf des Semesters, in dem die Abschlußprüfung abgelegt wird.
Am 31. Oktober 1996 bestand der Kläger im Wege des sog. Freiversuchs nach § 14 der Berliner Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAO Berlin) das Erste Juristische Staatsexamen. Hiervon informierte er die Personalabteilung der Klägerin nicht. Unter Vorlage seines Examenszeugnisses schrieb er sich erneut für das Wintersemester 1996/1997 und für das Sommersemester 1997 für den Studiengang Rechtswissenschaften mit dem Studienziel “Staatsexamen” ein. Er nahm auch nach dem 31. Oktober 1996 an universitären Veranstaltungen teil, belegte Klausurenkurse und besuchte Vorlesungen in seinem Wahlfach, um sich auf die Wiederholungsprüfung vorzubereiten. Im Februar 1997 vereinbarten die Parteien auf Antrag des Beklagten die Verlängerung des Arbeitsvertrags als studentische Hilfskraft bis zum 31. März 1998.
Der Beklagte nahm zum 1. August 1997 den juristischen Vorbereitungsdienst auf und schrieb im September 1997 erneut Examensklausuren. Von der Wiederholungsprüfung nahm er Abstand, weil er sich keine Notenverbesserung versprach. Er kündigte das Beschäftungsverhältnis zum 30. September 1997 und setzte seine Tätigkeit für die Klägerin bis dahin fort.
Im November 1997 erfuhr die Personalabteilung der Klägerin von dem am 31. Oktober 1996 bestandenen Ersten Staatsexamen. Auf Anforderung der AOK entrichtete die Klägerin für die Beschäftigungszeit des Beklagten vom 1. November 1996 bis 30. September 1997 Sozialversicherungsbeiträge. Im Januar 1998 forderte sie ihn schriftlich unter Fristsetzung zum 15. Februar 1998 zur Erstattung der entrichteten Arbeitnehmeranteile in Höhe von 1.737,23 DM auf. Der Beklagte erstattete Beiträge für die Monate August und September 1997. Weitere Zahlungen lehnte er ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe auch für die übrigen Monate die Sozialversicherungsbeiträge zu Recht an die AOK abgeführt, weil der Beklagte mit Bestehen des Ersten Staatsexamens sozialversicherungspflichtig geworden sei. Der Beklagte habe seine falsche sozialversicherungsrechtliche Einordnung billigend in Kauf genommen.
Das Arbeitsgericht hat gegen die Klägerin ein klagabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Hiergegen hat sie fristgerecht Einspruch eingelegt.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 18. Februar 1999 den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.417,92 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Februar 1998 sowie 6,00 DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Der Beklagte beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der für den Beklagten nachentrichteten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 28g Satz 1 iVm. Satz 4 SGB IV. Der Beklagte war nämlich als sog. Werkstudent vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 1997 nicht sozialversicherungspflichtig. Die Klägerin hat deshalb auch dann keinen Anspruch auf Entrichtung, wenn der Beklagte Meldepflichten nach § 28o Abs. 1 Satz 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sein sollte.
1. Nach den gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung ist eine Person regelmäßig dann in den Zweigen der Sozialversicherung versichert, wenn sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IV). Die Versicherungspflicht für eine entgeltlich ausgeübte Tätigkeit führt zu Beitragslasten, die ganz oder zum Teil vom Arbeitnehmer zu tragen sind. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag für alle Zweige der Versicherungen ist nach § 28e Abs. 1 SGB IV zunächst vom Arbeitgeber zu zahlen. Nach § 28g SGB IV hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten “einen Anspruch” auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags.
2. Der Inanspruchnahme des Beklagten stehen die Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit von Studenten entgegen.
a) Für die Krankenversicherung bestimmte § 6 Abs. 1 Ziff. 3 SGB V in der vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 2000 geltenden Fassung die Versicherungsfreiheit für Personen, “die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule … gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind”. Gleiches galt nach der insoweit wortgleichen Regelung des § 5 SGB VI für den Zweig der Rentenversicherung. Nach der bis zum 6. November 2001 geltenden Übergangsregelung (§ 230 SGB VI) blieben Personen, die am 1. Oktober 1996 in einer Beschäftigung als ordentliche Studierende einer Hochschule versicherungsfrei waren, weiterhin für diese Tätigkeit befreit. Arbeitnehmer, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausübten, waren nach § 169b AFG in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung beitragsfrei.
b) Der Beklagte übte nach diesen im wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften seine Tätigkeit als studentische Hilfskraft “während der Dauer” seines Studiums aus. Der Begriff “während der Dauer des Studiums” wird in den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nicht näher erläutert, sondern als bekannt vorausgesetzt.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügt hierfür nicht die Immatrikulation. Versicherungs- und Beitragsfreiheit sind nicht schon dann anzunehmen, sobald jemand als Studierender an einer Hochschule eingeschrieben ist (BSG 29. September 1992 – 12 RK 31/91 – BSGE 71, 144). Das Studium muß zusätzliche Zeit und Arbeitskraft des Studenten zumindest so überwiegend in Anspruch nehmen, daß der Betroffene nach seinem Erscheinungsbild Student und nicht Arbeitnehmer ist (BSG 10. Dezember 1998 – B 12 KR 22/97 R – SozR 3-2500 § 6 Nr. 16 mwN). Maßgeblich ist dieses Abgrenzungskriterium für sog. Werkstudenten. Das sind Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Der arbeitende Student ist versicherungs- und beitragsfrei, wenn und solange er “neben” dem Studium arbeitet und seine Erwerbstätigkeit dem Studium nach Zweck und Dauer untergeordnet ist. Das Studium muß daher das Erscheinungsbild des Beschäftigten prägen (BSG 10. Dezember 1998 – B 12 KR 22/97 R – aaO). Abzustellen ist auf die konkrete, individuelle Gestaltung und Planung des Studiums des Betroffenen (BSG 17. Dezember 1997 – 11 RAr 25/97 – DBIR 4412 AFG § 103a).
Nach diesen allgemeinen Merkmalen war der Beklagte im fraglichen Zeitraum Werkstudent. Er war durchgehend als Student für den Studiengang der Rechtswissenschaften bei der Klägerin eingeschrieben. Seine Tätigkeit als studentische Hilfskraft betrug monatlich lediglich 40 Stunden. Dementsprechend sind alle Beteiligten einschließlich der AOK bis zum Ablegen des Ersten Juristischen Staatsexamens von der Versicherungs- und Beitragsfreiheit des Beklagten ausgegangen.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Studium des Beklagten nicht mit dem erfolgreichen Bestehen der Ersten Juristischen Staatsprüfung iSd. Sozialversicherungsrecht geendet.
(1) Das ergibt sich aus der besonderen Ausgestaltung von § 14 JAO Berlin. Nach § 15 Abs. 1 Hochschulrahmengesetz (HRG) wird “das Studium … in der Regel durch eine Hochschulprüfung, eine staatliche oder eine kirchliche Prüfung abgeschlossen”. Für geeignete Studiengänge können nach § 15 Abs. 2 Satz 1 HRG Voraussetzungen bestimmt werden, unter denen nach näherer Maßgabe bei Nichtbestehen der abgelegten Abschlußprüfung diese als nicht unternommen gilt (Freiversuch). Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 HRG kann durch Landesrecht geregelt werden, daß eine im Freiversuch bestandene Prüfung auch zur Notenverbesserung wiederholt werden kann. Für die Ausbildung von Juristen sieht § 5d Deutsches Richtergesetz (DRiG) in seiner ab 28. November 1992 geltenden Fassung vor, eine erfolglose Erstprüfung könne nach näheren Maßgaben als nicht unternommen gelten. Die Länder könnten eine Wiederholung der Prüfung auch zur Notenverbesserung vorsehen.
Von diesem Vorbehalt hat das Land Berlin Gebrauch gemacht. Nach § 14 Abs. 2 JAO Berlin idF vom 4. November 1993 können “Kandidaten, die die Prüfung … nach Abs. 1 bestanden haben, … diese zur Notenverbesserung … einmal wiederholen”. Vorgesehen ist damit ebenso wie im Fall einer nicht bestandenen ersten Prüfung trotz erfolgreichen Abschlusses die Möglichkeit einer erneuten Prüfung. Endet das Studium mit einer Abschlußprüfung und sieht die Prüfungsordnung ein Prüfungsverfahren vor, das aus mehreren “Anläufen” bestehen kann, so ist das Verfahren der Abschlußprüfung erst dann beendet, wenn der Studierende sämtliche ihm offenstehende Möglichkeiten ausgeschöpft hat und das Prüfungsverfahren durch Bekanntgabe des endgültigen Prüfungsergebnisses abgeschlossen ist. Erst dann steht das Ergebnis der Abschlußprüfung fest.
Der erste und der zweite Versuch sind danach als integrierte Teile eines einheitlichen Prüfungsverfahrens zu betrachten. Mit der Entscheidung des Studierenden, die Prüfung nach § 14 Abs. 2 JAO Berlin zu wiederholen, setzt er zugleich das begonnene Prüfungsverfahren fort. Das Studium endet dann erst mit dem Abschluß der Prüfungen des Wiederholungsversuchs oder mit einem Verzicht auf die Wiederholungsprüfung. Bis dahin bleibt der geprüfte Rechtskandidat versicherungs- und beitragsfrei, soweit er die übrigen Voraussetzungen erfüllt (so auch Dalichau/Grüner Gesundheitsstrukturgesetz Kommentar zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung Stand 1. August 2002 § 6 SGB V Art. 1 S 26; aA SozG Berlin 22. Oktober 1999 – S 72 KR 290/98 – nv.; Krauskopf/Baier SozKV Stand April 2002 § 6 SGB V Rn. 19 unter Hinweis auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände: … “gilt” nicht als Student).
Demgegenüber greift die Erwägung der Klägerin nicht durch, § 14 JAO Berlin sei allein “prüfungsrechtlich” und nicht sozialversicherungsrechtlich ausgerichtet. Richtig ist, daß § 14 JAO Berlin ua. die Modalitäten regelt, unter denen das Erste Juristische Staatsexamen wiederholt werden kann. Das bedingt aber nicht den Wegfall der sozialversicherungsrechtlich zu beurteilenden Versicherungsfreiheit. Das gilt auch für ihr Argument, die Notenverbesserung diene allein der Verbesserung der Berufs- (und Einkommens-) chancen, ohne daß noch zusätzliche Kenntnisse erworben würden. Die formale Qualifikation werde nicht ausgeweitet. Hierauf stellt das Sozialversicherungsrecht zum einen nicht ab. Zum anderen beruht die Gestaltung des § 14 JAO Berlin erkennbar auf der Unterstellung des Gesetzgebers, daß der geprüfte Rechtskandidat nach erfolgreichem Freiversuch zusätzliche Kenntnisse erwerben und mithin bei der Wiederholungsprüfung eine bessere Note erzielen kann.
(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigt der Umstand, daß es sich bei dem Werkstudentenprivileg um eine Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht entgeltlicher Beschäftigung handelt, keine andere Beurteilung. Die von der Klägerin hervorgehobenen schwierigen finanziellen Verhältnisse der Sozialversicherung rechtfertigen keine einschränkende Auslegung. Welche Beschäftigten nach welchen Merkmalen von der Versicherungspflicht ausgenommen sind, bestimmt sich nach den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen.
(3) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. September 1992 (– 12 RK 31/91 – aaO). Dort war zu beurteilen, ob ein eingeschriebener Lehramtsstudent, der in zwei Fächern erfolgreich das Erste Staatsexamen abgelegt und hieran ein Erweiterungsstudium mit dem Ziel des Abschlusses in einem weiteren Fach angeschlossen hatte, als Werkstudent anerkannt werden könne. Das hat das BSG grundsätzlich bejaht. Der erste berufsqualifizierende Abschluß stehe nicht notwendigerweise der Versicherungsfreiheit entgegen. Für einen ersten Prüfungsversuch im Erststudium, der zwar bestanden wird, jedoch zur Notenverbesserung wiederholt werden kann, gilt nichts anderes.
(4) Die Klägerin kann auch aus den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 29. September 1992 (– 12 RK 31/91 – aaO) kein günstigeres Ergebnis herleiten. Zwar hat das BSG dort hervorgehoben, neben einer Einschreibung müsse ein Studium absolviert werden, das in einem geregelten Studiengang auf einen weiteren Abschluß gerichtet sei. Der Besuch der Hochschule allein zu allgemeiner Fort- und Weiterbildung genüge nicht. Auf die Frage eines weiteren Abschlusses kommt es hier aber nicht an. Für den Streitfall ist entscheidend, daß das rechtswissenschaftliche Studium noch nicht mit dem Freiversuch abgeschlossen war.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LAG hat sich das Erscheinungsbild des Beklagten vor und nach dem Freiversuch nicht verändert. Er hat weiterhin an universitären Veranstaltungen teilgenommen, Klausurenkurse absolviert und Vorlesungen in seinem Wahlfach besucht. Zeitlich überwiegend war seine Arbeitskraft durch das Studium in Anspruch genommen. Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Beklagten, seine Studien zum Zwecke der weiteren Vorbereitung auf eine (wiederholte) Abschlußprüfung fortzusetzen, bestehen nicht. Er trat auch tatsächlich erneut zu den schriftlichen Prüfungen an. Der Abschluß des Studiums im Wege eines vorgesehenen Freiversuchs unter Inanspruchnahme der Wiederholungsprüfung diente nicht dem Erschleichen einer weiteren Versicherungsfreiheit. Mit ihm entsprach der Beklagte vielmehr dem mit § 15 HRG, § 5d DRiG und § 14 JAO Berlin verfolgten Zweck, einen beschleunigten, frühzeitigen Abschluß des Studiums zu erreichen (vgl. hierzu Gesetzentwurf zum Gesetz zur Verkürzung der Juristenausbildung vom 17. März 1992 und Beschlußempfehlung des Rechtsausschuß vom 2. Oktober 1992 BT-Drucks. 12/2280 S 2 bzw. BT-Drucks. 12/3337 S 2, 9). Die Konsequenz einer unerwünschten Verlängerung des Status als versicherungsfreier Werkstudent ist bereits auf Grund der näheren Ausgestaltung der zeitlichen Grenzen des Freiversuchs und der umfassenden Fiktion eines Verzichts auf die Wiederholungsprüfung nach § 14 JAO Berlin nicht zu besorgen.
(5) Gestützt wird dieses Ergebnis durch den Grundsatz der versicherungsrechtlichen Kontinuität, wie er aus der Entwicklung der sozialversicherungsrechtlichen Stellung eines Studenten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum “Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG)” deutlich wird. Das Werkstudentenprivileg dient danach auch dem Zweck, einen Wechsel des Versicherungsgrundes während des Studiums möglichst zu vermeiden. Aus diesem Grund wurden die verschiedenen krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften bei Einführung einer selbständigen Krankenversicherung für Studenten so ausgestaltet, daß eingeschriebene Studenten, die neben ihrem Studium einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, weiterhin als Studenten und nicht als Arbeitnehmer versichert werden (BT-Drucks. 7/3640 S 5; BSG 29. September 1992 – 12 RK 31/91 – aaO; Küttner/Schlegel Personalbuch 2002 Studentenbeschäftigung Rn. 40). Eine von der einschlägigen Prüfungsordnung losgelöste Betrachtung des Status eines Rechtsstudenten vor dem ersten Prüfungsversuch als Student und während seiner Vorbereitung auf den zweiten Prüfungsversuch als versicherungspflichtig Beschäftigter, widerspräche dem Grundsatz. Er gebietet, einen Studenten nach den für diese Beschäftigtengruppe geltenden Sondervorschriften zu behandeln, solange er seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt (BSG 17. Dezember 1997 – 11 RAr 25/97 – aaO).
(6) Schließlich entspricht dieses Auslegungsergebnis der geschichtlichen Entwicklung.
(6.1) Nach den Bestimmungen der RVO in der Fassung vom 15. Dezember 1924 waren Personen rentenversicherungsfrei, die “während der wissenschaftlichen Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf”, bzw. krankenversicherungsfrei, die “zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für ihren zukünftigen Beruf”, gegen Entgelt tätig waren. Damit reichte die Versicherungsfreiheit über die Zeit des Studiums hinaus. Sie war für wissenschaftliche Assistenten und Rechtsreferendare, die als wissenschaftliche Hilfskräfte beschäftigt waren, umstritten (BSG 29. September 1992 – 12 RK 31/91 – aaO, mwN). Anläßlich des Gesetzgebungsverfahrens zur Rentenreform von 1957 wurde bemängelt, die Versicherungsfreiheit sei durch die Rechtsprechung zunehmend ausgedehnt worden. Es sei jedoch nicht erwünscht, daß zunehmend Ärzte und Juristen nach abgeschlossenen Studium in Bezug auf Tätigkeiten versicherungsfrei seien, für die sie zwar ein Entgelt erhielten, die aber auch ihrer weiteren Ausbildung dienten (BT-Drucks. 2/2437 Anlage 1 S 2).
Demgemäß erhielt das spätere Gesetz die heute noch weitgehend wortgleiche Formulierung. Solche Beschäftigungen sollten nicht mehr erfaßt werden, die nach dem Hochschulstudium und gegen Entgelt ausgeübt wurden, von längerer Dauer waren und sich inhaltlich eher als Vorstufe der späteren Berufsausübung darstellten (BSG 29. September 1992 – 12 RK 31/91 – aaO). Privilegiert waren nur noch Werkstudenten, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen (BSG 10. Dezember 1998 – B 12 KR 22/97 R – aaO).
(6.2) Dieser Wertentscheidung des Gesetzgebers entspricht die Aufrechterhaltung des Werkstudentenprivilegs über die Ablegung des Ersten Juristischen Staatsexamens hinaus. Die geprüfte studentische Hilfskraft befindet sich zwischen beiden Prüfungsversuchen nicht in einem beruflichen Lebensabschnitt, der bereits ihrer weiteren Ausbildung im Anschluß an das Hochschulstudium dient. Dieser Ausbildungsabschnitt beginnt erst mit der Aufnahme des Vorbereitungsdienstes. Bis dahin dient die Vergütung aus der Tätigkeit als studentische Hilfskraft weiterhin dem Bestreiten des Lebensunterhalts und dem Erwerb finanzieller Mittel zur Durchführung des Studiums, das er zur Vorbereitung auf die erneute Abschlußprüfung fortführt.
(7) § 15 TV Stud II ist für die Auslegung des Begriffs “Dauer des Studiums” nicht heranzuziehen. Danach endet das Beschäftigungsverhältnis einer studentischen Hilfskraft mit dem Semester, in dem der Student die Abschlußprüfung ablegt. Die Vorschrift regelt nicht die Dauer des Studiums. Sie zielt allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
III. Die Klägerin hat als unterlegene Partei nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Reinecke, Gosch, B. Lang
Fundstellen
Haufe-Index 905852 |
BAGE 2004, 234 |
BB 2003, 692 |
DB 2003, 891 |
NWB 2003, 989 |
ARST 2003, 227 |
EWiR 2003, 431 |
FA 2003, 153 |
ZAP 2003, 441 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 19 |
JuS 2004, 260 |
PERSONAL 2003, 65 |
BAGReport 2003, 285 |
SPA 2003, 8 |