Entscheidungsstichwort (Thema)
Staateninsolvenz. außerordentliche Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
Ist die Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich, um der konkreten Gefahr einer Insolvenz oder Staatspleite des Arbeitgebers zu begegnen, kann eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung begründet sein.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2, § 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 31. Juli 2014 – 15 Sa 1123/13 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2011 – 6 Ca 7591/10 – wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.
Die beklagte Hellenische Republik betreibt in D eine Ergänzungsschule. An dieser ist die Klägerin seit 1985 als Lehrerin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug ab dem 1. März 2010 2.980,51 Euro. Die Bezüge der Klägerin werden in Griechenland besteuert.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1985, in dem es auszugsweise heißt:
„§ IV |
Die Einstellung erfolgt nach dem deutschen BAT und ihre Vergütung wird wie folgt sein: |
a) Grundgehalt BAT IVa, |
… |
… |
Alter 30 Jahre: |
b) Ortszuschlag IC, ST 3: |
… |
… |
§ VI |
Das Weihnachtsgeld 1985 wird 889,40 DM betragen.” |
Bei Gehaltserhöhungen nach den Vergütungstarifverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L erhöhte die Beklagte auch jeweils entsprechend das Bruttomonatsgehalt der Klägerin. Diese erhielt zudem jährliche Weihnachtsgeldzahlungen.
Seit dem Jahr 2009 befand sich die Beklagte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Zusammenhang mit ihrer Zusage, ua. das bestehende Haushaltsdefizit zu verringern, bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in einer Erklärung vom 11. Februar 2010, im Bedarfsfall entschlossen und koordiniert handeln zu wollen, um die Finanzmarktstabilität im gesamten Euro-Währungsgebiet zu wahren.
Der Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 8. Juni 2010 gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen (2010/320/EU – ABl. EU L 145/6 vom 11. Juni 2010), fordert von der Beklagten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung. Zu diesen gehören ua. die Kürzung des Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgelds für Beamte, eine Reform der Lohngesetzgebung sowie die Straffung und Vereinheitlichung der Tarifstruktur im öffentlichen Sektor.
Die Beklagte erließ aufgrund der mit der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) getroffenen Vereinbarungen ua. das Gesetz Nr. 3833/2010 (Schutz der nationalen Wirtschaft – Dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 40 vom 15. März 2010). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem auszugsweise:
„Artikel 1
Minderung der Bezüge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
…
4. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7%) herabgesetzt. …
Artikel 3
Einkommenspolitik des Jahres 2010
1. Ab Inkrafttreten dieses Artikels und bis zum 31.12.2010 sind Abschluss und Gewährung von Erhöhungen, im gleichen Zeitraum, auf die Gehälter und Bezüge von Beamten, Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, in kommunalen Gebietskörperschaften, bei den Körperschaften des Privaten Rechts, welche dem Staat gehören oder vom staatlichen Haushalt regelmäßig finanziert werden, nicht gestattet. …
5. Bestimmungen des Gesetzes oder Bestimmungen, Bedingungen oder Klauseln von Tarifverträgen, Schiedssprüchen, Ministerialbeschlüssen oder Verwaltungsakten jeder Art und Bedingungen individueller Arbeitsverträge oder Vereinbarungen, die im Widerspruch zu den Bestimmungen dieser Bestimmungen und der vorherigen Artikel stehen, werden aufgehoben.”
Art. 1 des Gesetzes trat mit Wirkung zum 1. Januar 2010 und Art. 3 am Tag der Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 3833/2010 im Regierungsblatt in Kraft.
Darüber hinaus erließ die Beklagte das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die griechische Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 65 vom 6. Mai 2010). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem auszugsweise:
„Artikel 3 |
Maßnahmen zur Minderung der öffentlichen Ausgaben |
…
3. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3%) herabgesetzt.
…
6. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
- Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
- Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
- Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt. …
8. Die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen überwiegen aller Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen.”
Art. 3 des Gesetzes trat mit Wirkung zum 1. Juni 2010 in Kraft.
In Art. 3 Gesetz Nr. 3899/2010 (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 212 vom 17. Dezember 2010) ist festgelegt, dass die Bestimmungen in Art. 3 Gesetz Nr. 3833/2010 auch auf die Haushaltspolitik des Jahres 2011 Anwendung finden. Das Gesetz Nr. 4024/2011 (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 226 vom 27. Oktober 2011) regelt in seinem Kapitel 2 ua. ein grundlegendes Besoldungssystem für die Staatsangestellten.
Mit Schreiben vom 9. November 2010, der Klägerin am 11. November 2010 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot der Klägerin die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:
„… zur Überwindung der Wirtschaftskrise und zur Anwendung des unterstützenden Mechanismus der griechischen Wirtschaft von den Mitgliedsstaaten der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, beschloss der griechische Staat die Kürzung der Gehälter aller Beschäftigten/von ihm Besoldeten (G 3833/2010 und G 3845/2010). Für Arbeitsverträge wie Ihren wurde eine Kürzung des monatlichen Bruttoeinkommens von 7% und 3% vorgenommen, d.h. 250,87 Euro monatlich, sowie die Abschaffung der Jahressonderzahlung. Die Minderung von 7% erfolgte ab dem 01.01.2010 und die Minderung von 3% erfolgte ab dem 01.06.2010.
Aus den o.g. Gründen und der Anweisung der Direktion für das Auslandswesen interkultureller Bildung Prot. Nr. 821/2930/E/130071/Z1 vom 15.10.2010, kündigen wir den bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag zu folgenden Bedingungen an:
- Minderung des monatlichen Einkommens um 250,87 Euro
- Abschaffung der Jahressonderzahlung
Zusätzlich setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern nach Entscheidung Ihres Arbeitgebers, nämlich entsprechend der Einsparpolitik des Griechischen Staates.
Alle anderen Bedingungen bleiben unverändert. …”
Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen. Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sie sich gegen die – aus ihrer Sicht – unverhältnismäßige Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Die Beklagte habe zudem ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 9. November 2010 rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 wirkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin ein und führten ohne jeden weiteren Umsetzungsakt zu einer Verminderung ihrer Vergütung. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei auch gerechtfertigt. Sie sei ohne Finanzhilfen Dritter seit Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa einer Million Beschäftigten aufzubringen. Zur Vermeidung ihrer Zahlungsunfähigkeit habe sie Verhandlungen mit Geberländern aufgenommen. Aufgrund deren Vorgaben habe sie die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 erlassen. Die Geschäftsgrundlage für die ursprünglich mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen sei daher weggefallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In seiner neuen Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil zu Unrecht abgeändert. Die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen. Die zulässige Änderungsschutzklage ist in vollem Umfang begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 9. November 2010 unwirksam ist.
A. Die Klage ist zulässig. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GVG liegen nicht vor. Die Beklagte genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Staatenimmunität. Andere Zulässigkeitshindernisse für die erhobene Klage bestehen nicht. Das hat der Senat in einem Parallelverfahren für eine Lehrkraft, die an der Ergänzungsschule der Beklagten in B beschäftigt wird, in seinem am 20. Oktober 2017 ergangenen Urteil (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 19 ff.), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, entschieden. Insoweit weist der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens keine entscheidungserheblichen Unterschiede auf. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses hoheitliche Tätigkeiten ausübt.
B. Die Klage ist begründet. Die der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung angetragene fristlose – nicht „überflüssige” – Änderung der Vertragsbedingungen ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet deutsches materielles Recht Anwendung. Mit der bei Begründung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Geltung des BAT haben die Parteien konkludent deutsches Recht gewählt. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Gegenteiliges macht auch die Beklagte in der Revisionsinstanz nicht geltend.
II. Die Klägerin hat das ihr mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot analog § 2 KSchG unverzüglich (zu diesem Erfordernis BAG 19. Juni 1986 – 2 AZR 565/85 – zu B III 2 der Gründe) unter Vorbehalt angenommen und – rechtzeitig – entsprechend § 4 Satz 2 KSchG Änderungsschutzklage erhoben.
III. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Änderungsschutzklage – wie die Beklagte meint – unter dem Gesichtspunkt der „Überflüssigkeit” des Änderungsangebots ohne Weiteres abzuweisen wäre, wenn die Beklagte aufgrund der in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 enthaltenen Regelungen auch ohne Änderungskündigung berechtigt gewesen wäre, die Vergütung der Klägerin einseitig herabzusetzen. Eine solche Wirkung entfalten die vorgenannten Gesetze für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht. Durch diese ist auch nicht die Geschäftsgrundlage der bisher mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen entfallen. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte Senatsentscheidung vom 20. Oktober 2017 verwiesen (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 25 ff.).
IV. Die fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht wegen eines Mangels in der Kündigungserklärung unwirksam. Die Beklagte hat der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot in der gebotenen Form des § 623 BGB unterbreitet. Danach sollte das Gehalt der Klägerin monatlich um exakt 250,87 Euro gekürzt werden und der Anspruch auf eine Jahressonderzahlung entfallen. Bestandteil des Änderungsangebots ist ferner die Änderung der bisherigen vertraglichen Abreden dahingehend, dass künftig Gehaltserhöhungen nicht mehr „automatisch” geleistet werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den vor Zugang der Änderungskündigung bestehenden vertraglichen Vereinbarungen rechtsfehlerfrei entnommen, dass sich das Arbeitsverhältnis – einschließlich der Höhe der Vergütung – nach dem TV-L in seiner jeweils geltenden Fassung bestimmte. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die „jeweils geltenden” Tarifbestimmungen verwiesen. Die die dort unter § IV verwandte Formulierung „Die Einstellung erfolgt nach dem deutschen BAT” ist aber dahin zu verstehen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist, welches sich in seiner Struktur an den genannten Tarifverträgen ausrichtet (ebenso BAG 26. April 2017 – 5 AZR 962/13 – Rn. 41). Die darauf bezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die (kleine) dynamische Bezugnahme erfasse nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – die Bestimmungen des TV-L in ihrer jeweiligen Fassung, ist nachvollziehbar. Die Überleitung in den TV-L als solche entspricht der Vorstellung beider Parteien. Ein „Einfrieren” der Vergütung auf dem Niveau des (letzten) Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT vom 31. Januar 2003 ist – wie auch die geübte Vertragspraxis zeigt – nicht erfolgt.
2. Hiervon ausgehend erweist sich die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin die Erklärung im Kündigungsschreiben, „setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern” nur als Angebot verstehen konnte, die vertraglich vereinbarte Dynamik hinsichtlich künftiger Tariflohnerhöhungen aufzuheben, als rechtsfehlerfrei.
V. Die der Klägerin angetragene fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ist unwirksam, da es hierfür an einem wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB fehlt.
1. Die Klägerin genoss aufgrund der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifwerke für den öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeit besonderen Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L. Der dort geregelte Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt auch für eine Änderungskündigung.
2. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn. 32). Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor (ausführlich dazu BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 40 ff.). Zwar bestand im Kündigungszeitpunkt nach der der Beklagten in Art. 2 (1) Buchst. f des Beschlusses des Rates der Europäischen Union 2010/320/EU auferlegten Verpflichtung zur Beschränkung der dort genannten Sonderzuwendungen sowie den in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 festgelegten Entgeltkürzungen ein berechtigter Anlass für eine außerordentliche Änderungskündigung zur Reduzierung des Bruttomonatsentgelts der Klägerin (vgl. BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – aaO). Das dieser unterbreitete Änderungsangebot ist aber unverhältnismäßig. Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, der Klägerin die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses mit den Vertragsbedingungen anzubieten, die den Vorgaben der im Kündigungszeitpunkt geltenden Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 entsprechen (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 63 ff.). Diese verhalten sich nicht zu Vereinbarungen über die Gehaltsentwicklung nach dem Jahr 2010. Die Änderung der bisherigen vertraglichen Abreden dahingehend, dass künftig Gehaltserhöhungen nicht mehr „automatisch” geleistet werden sollen, beruht nicht auf normativen Vorgaben. Das Änderungsangebot erweist sich in dem fraglichen Punkt auch nicht aus anderen Gründen als verhältnismäßig. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, aus welchen Gründen – unabhängig vom Inhalt der von ihr erlassenen Gesetze – eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Gehaltserhöhungen nach dem (deutschem) TV-L auf Dauer mit griechischem Recht und den sich daraus ergebenden Maßnahmen zur Bewältigung ihrer Finanzkrise unvereinbar sein werde (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 70).
C. Die Kostentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Koch, Niemann, Richterin am BAG Berger ist wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit an der Beifügung der Unterschrift gehindert. Koch, F. Löllgen, Sieg
Fundstellen
Dokument-Index HI11549887 |