Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenbedingte Kündigung wegen Sicherheitsbedenken
Orientierungssatz
Die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer der Bundeswehr wegen Sicherheitsbedenken kann nicht allein auf die Erklärung einer Dienststelle gestützt werden, daß Sicherheitsbedenken bestünden, sondern es müssen tatsächliche Umstände vorgebracht werden, aus denen sich die Sicherheitsbedenken ergeben, wobei die Gerichte selbst entscheiden müssen, ob wegen des vorgetragenen Sachverhalts und eines sich daraus ergebenden Sicherheitsbedenkens die Kündigung sozial gerechtfertigt ist.
Normenkette
BGB §§ 242, 162; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war seit 1979 als Soldat und später als Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR in der Funktion eines Dolmetschers/Übersetzers im dortigen Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV, später: Ministerium für Abrüstung und Verteidigung) eingesetzt. Seit Oktober 1990 war er als sog. Weiterverwender im Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (Außenstelle S ) im Dienstgrad eines Hauptmanns tätig. Auf eine Bewerbung vom 15. Oktober 1990 hin wurde er mit Vertrag vom 26. August 1991 in der Hauptdienststelle, die ihren Sitz in G hat, als Sprachmittler unter Einreihung in die VergGr. II a BAT (5.200,-- DM brutto) eingestellt, ohne daß zunächst eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wurde. Seine Tätigkeit ist die eines Sprachenüberprüfers und Konferenzdolmetschers, außerdem vertritt er den Leiter des Sprachendienstes ZVBw.
An sich erfolgt im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) die Einstellung auf einem sicherheitsempfindlichen Dienstposten erst nach einer abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfung. Die Notwendigkeit von Sicherheitsüberprüfungen wird auf sog. sicherheitsempfindlichen Dienstposten derzeit durch das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz-SÜG) vom 20. April 1994, in Kraft seit dem 29. April 1994 (BGBl I 1994, 867 ff.) geregelt. Das SÜG löste im wesentlichen inhaltsgleich die "Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes" - Sicherheitsrichtlinien/SiR - (GMBl 1988, 30) vom 11. November 1987 ab, die ab 1. Mai 1988 in Kraft waren. Diese Sicherheitsrichtlinien wurden für den Geschäftsbereich des BMVg umgesetzt durch die zentrale Dienstvorschrift 2/30 VS NfD in der ab 30. Januar 1990 geltenden Fassung; der Umsetzung war ein Schreiben des BMVg vom 27. November 1989 vorausgegangen, das eine Vorabregelung vornahm. Nach Ziff. 2 dieses Schreibens ist die vorgeschriebene Sicherheitsprüfung "in allen Fällen vor Einstellung durchzuführen". Dabei war vor der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung in drei Steigerungsstufen vorgesehen, nämlich die "einfache Sicherheitsüberprüfung" (Ü1), die "erweiterte Sicherheitsüberprüfung" (Ü2) sowie die "erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen" (Ü3), heute geregelt in §§ 8 f. SÜG. Obwohl nach dem Vortrag der Beklagten die für die Sicherheitseinstufung zuständige Dienststelle nach ihrem Fernschreiben vom 18. Dezember 1990 für die Dienstposten der Übersetzer des gehobenen Dienstes die höchste Sicherheitsstufe Ü3 vorsah, sah man im Falle des Klägers zunächst von einer Sicherheitsüberprüfung ab, nach Darstellung der Beklagten, weil der Kläger dringend benötigt wurde und um ihm einen nahtlosen Übergang vom Soldatenstatus zum Zivilangestellten zu ermöglichen.
Nach Übernahme des Klägers in das Angestelltenverhältnis ab 26. August 1991 wurde jedoch unter dem 17. März 1992 für den Kläger die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü2) eingeleitet. Für deren Durchführung ist der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesamt für Wehrverwaltung (BAWV) berufen; er bedient sich des militärischen Abschirmdienstes (MAD) als mitwirkender Behörde. Letztere schloß die Überprüfungsmaßnahmen am 11. März 1993 ab und unterrichtete den Geheimschutzbeauftragten, der am 6. Juli 1993 entschied, die erweiterte Sicherheitsüberprüfung habe Umstände ergeben, die ein Sicherheitsrisiko darstellten. Dabei bezog er sich auf die zentrale Dienstvorschrift, wonach ein Sicherheitsrisiko vorliegt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bestehen und eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen. Dies teilte er dem personalführenden Referat beim BMVg mit. Nach Einleitung des Überprüfungsverfahrens, aber vor dessen Abschluß am 6. Juli 1993, hatte das personalführende Referat dem Kläger eröffnet, daß aufgrund der dem MAD vorliegenden Erkenntnisse mit der Erteilung eines Sicherheitsbescheides nicht gerechnet werden könne und daher eine Verwendung im Sprachendienst der Bundeswehr nicht (mehr) möglich sei; daher müsse es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen; bislang bekannter Grund sei eine vorübergehende Zuordnung des Klägers zur "Verwaltung Aufklärung" der NVA während seines Aufenthaltes in Mosambik im Jahre 1985. Über die hierzu vorgebrachte mündliche Stellungnahme des Klägers fertigte die Personalstelle einen Aktenvermerk vom 17. Juli 1992, der zu den Personalakten genommen wurde. Mit Schreiben vom 7. August 1992 und später erneut mit Schreiben vom 20. April 1993 äußerte sich der Kläger gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten zu den Vorhaltungen; letzteres Schreiben leitete er auch in Kopie an den örtlichen Personalrat weiter. Unter dem 22. April 1993 hatte der Dienststellenleiter des Klägers dem Geheimschutzbeauftragten geschrieben und sich für den Kläger verwandt; in diesem Schreiben heißt es, der Kläger gelte bei seinen Vorgesetzten als sehr kompetenter, äußerst leistungsbereiter, loyaler und integrer Mitarbeiter; er habe für das Amt - auch in Amtshilfe für den Deutschen Bundestag - stets hervorragende Leistungen gezeigt, er sei bei seinen Kollegen wegen der Fachkompetenz, aber auch aufgrund seines persönlichen Verhaltens geschätzt und geachtet; er selbst habe bisher vom Kläger einen gleich positiven Eindruck gewinnen können. Am 26. Mai 1993 hat der Dienststellenleiter ferner der Wehrbereichsverwaltung III mitgeteilt, der Kläger sei - selbst wenn er vorerst keine Sicherheitsermächtigung erhalte - als Dolmetscher im eigentlichen Arbeitsbereich des ZVBw ohne Einschränkung einsetzbar. Im übrigen wurde im Schreiben des ZVBw vom 15. September 1993 bestätigt, für den Dienstposten des Klägers sei die Ü1 ausreichend. Dies ergibt sich auch aus einer Stellungnahme des Fachreferates des BMVg vom 7. Oktober 1993, nämlich daß Sprachmittler im Geschäftsbereich des BMVg in der Regel einen Sicherheitsbescheid Ü2, mindestens jedoch Ü1 haben sollten. Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten wird laut Schreiben vom 7. Januar 1994 damit begründet, die erweiterte Sicherheitsüberprüfung Ü2 sei abgeschlossen und dabei lägen der Entscheidung folgende sicherheitserhebliche Umstände zugrunde:
1. Eine unzutreffende Bezeichnung des Dolmet-
schereinsatzes in der "Verwaltung Aufklärung"
(Nachrichtendienst des MfNV) durch den Kläger
als Dolmetscherpraktikum in Mosambik,
2. die Nichtangabe eines Kindes aus erster Ehe in
der Sicherheitserklärung,
3. die Verneinung der Frage 7 der Sicherheitser-
klärung nach Kontakten zu fremden Nachrichten-
diensten und
4. besondere nachrichtendienstliche Gefährdung
durch die Dienstleistungen in einem aufklären-
den militärischen Nachrichtendienst (Verwal-
tung Aufklärung) und die sich daraus ergeben-
den Ansatzpunkte für eine Werbung durch einen
fremden Nachrichtendienst.
In einem Gespräch am 23. November 1993 hatte der Geheimschutzbeauftragte dem Kläger diese Gründe für die negative Entscheidung erläutert, wobei das Gespräch auf Wunsch des Klägers ohne Mitarbeiter der personalführenden Dienststelle stattfand. Diese leitete am 3. Dezember 1993 zur Durchführung der beabsichtigten Kündigung das Anhörungsverfahren beim Hauptpersonalrat ein; in diesem Schreiben berichtete die personalführende Dienststelle von der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten, schilderte den Aufenthalt des Klägers in Mosambik und stellte klar, daß der Kläger eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit verrichte. Der Hauptpersonalrat äußerte sich hierauf nicht. Unter dem 7. Januar 1994 teilte der Geheimschutzbeauftragte der personalführenden Dienststelle erstmals die näheren Gründe für seine Entscheidung in dem erwähnten Schreiben vom 7. Januar 1994 mit. Über die nach ihrer Ansicht unvollständigen und unzutreffenden Angaben des Klägers - so behauptet die Beklagte - habe sie den Sprecher der Angestelltengruppe beim Hauptpersonalrat noch vor Ausspruch der Kündigung ausführlich telefonisch unterrichtet. Mit Schreiben vom 11. Februar 1994 hat alsdann die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1994 aus personenbedingten Gründen aufgekündigt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Annahme eines Sicherheitsrisikos sei nicht gerechtfertigt, zumal sein Dienstposten seinerzeit nicht als sicherheitsempfindlich eingestuft gewesen sei. Schon die Ausschreibung sei ohne jeden Hinweis auf Sicherheitsanforderungen erfolgt, während in neueren Ausschreibungen ausdrücklich die Sicherheitsüberprüfung als Voraussetzung der Einstellung genannt werde. Auch bei dem Einstellungsvorgang sei von einer Sicherheitsüberprüfung nicht die Rede gewesen. Offensichtlich habe die Wehrbereichsverwaltung selbst die Vorgänge nicht mehr als kündigungsrelevant angesehen, nachdem die angeblich erforderliche Sicherheitsüberprüfung vor seiner Einstellung versäumt worden sei (Schreiben vom 27. September 1993). Richtig sei, daß er in der Sicherheitserklärung von einem Dolmetscherpraktikum in Mosambik gesprochen habe, weil er zum ersten Mal eine portugiesische Dolmetschertätigkeit dort praktiziert habe; völlig haltlos sei die Behauptung, daß er Angehöriger der "Verwaltung Aufklärung" des MfNV gewesen sei. Tatsächlich habe er einer gesonderten Delegation der "Verwaltung Operativ" des MfNV angehört, deren dienstlicher Auftrag in der Untersuchung von Todesfällen von DDR-Bürgern in Mosambik Ende 1984 bestanden habe, wobei unter der Leitung von Oberst J aus der "Verwaltung Operativ" die Beziehungen zu den Behörden in Mosambik verbessert werden sollten; dieser Gruppe sei er als Dolmetscher beigeordnet worden, wobei allerdings vor Ort diese Gruppe dem Militärattache in Maputo als höchstem militärischem Repräsentanten unterstellt worden sei. Damit sei er aber nicht Angehöriger der Verwaltung Aufklärung geworden; er habe auch ausdrücklich versichert, zu keiner Zeit Angehöriger des MfS bzw. wissentlich IM oder Angehöriger der Verwaltung Aufklärung der NVA gewesen zu sein, noch entsprechende Aufklärungstätigkeiten geleistet zu haben. Wenn er sein Kind aus erster Ehe in der Sicherheitserklärung nicht angegeben habe, so deshalb, weil eine solche Angabe DDR-unüblich gewesen sei, nachdem er keine Erziehungsberechtigung mehr gehabt und das Kind nicht mehr in seinem Haushalt gelebt habe. Außerdem habe er gegenüber dem Wehrbereichsgebührnisamt seine Tochter angegeben, er habe also allenfalls unbewußt im Lebenslauf zur Sicherheitserklärung seine Tochter nicht angeführt. Auch die Frage 7 der Sicherheitserklärung nach Beziehungen zu einem fremden Nachrichtendienst habe er zutreffend mit "Nein" beantwortet und außerdem auf Punkt 13 der Sicherheitserklärung verwiesen, wonach er vor Dolmetschereinsätzen im nicht-sozialistischen Ausland eine Einweisung über Verhaltensmaßregeln durch einen Offizier des MfS erhalten und nach den Dolmetschereinsätzen hinsichtlich aufgetretener sicherheitsrelevanter Fragen angesprochen worden sei, wobei eine direkte Anbahnung während dieser Gespräche nicht stattgefunden habe. Schließlich sei die Bewertung des Geheimschutzbeauftragten zum vierten Punkt unzutreffend, was die Gleichsetzung der Abteilung Aufklärung mit einer Tätigkeit für das MfS angehe, abgesehen davon, daß er nicht Mitarbeiter der Verwaltung Aufklärung gewesen sei.
Der Kläger hat sich schließlich darauf berufen, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden; die Informationen im Anhörungsschreiben vom 3. Dezember 1993 seien nicht ausreichend, zumal dem Hauptpersonalrat seine Gegendarstellung nicht zugeleitet worden sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien durch die am 11. Februar 1994 ausge-
sprochene Kündigung nicht beendet worden sei.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, aufgrund der unzutreffenden Angaben des Klägers im Personalfragebogen und in der Sicherheitsüberprüfung bestünden erhebliche Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit. Dies dürfe bei einem künftigen Geheimnisträger nicht sein. Die Verwaltung Aufklärung, der der Kläger während seines Aufenthaltes in Mosambik durch seine Unterstellung unter den dortigen Militärattache der DDR zugeordnet gewesen sei, sei ein aufklärender militärischer Nachrichtendienst des MfNV gewesen, der fachlich an das MfS angebunden gewesen sei. Laut MAD sei eine hauptamtliche Zugehörigkeit zur Verwaltung Aufklärung des MfNV einer Zugehörigkeit zur Hauptverwaltung Aufklärung gleichzusetzen, die dem MfS unterstellt gewesen sei.
Die Anhörung des Hauptpersonalrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Sicherheitsakte und vor allem die Stellungnahme des Klägers an den Geheimschutzbeauftragten vom 20. April 1993 habe sie selbst nicht gekannt und habe deshalb entsprechende Umstände auch dem Personalrat nicht mitteilen können; im übrigen habe der Kläger dieses Schreiben selbst an den örtlichen Personalrat geschickt, wobei die Personalräte untereinander Kontakt hätten aufnehmen können. Jedenfalls habe sie über den Inhalt des Schreibens des Geheimschutzbeauftragten vom 7. Januar 1994 den Sprecher der Angestelltengruppe beim Hauptpersonalrat noch vor Ausspruch der Kündigung unterrichtet (Beweis: St ).
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Kündigung des Klägers ist nicht aus Gründen in seiner Person sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die streitige Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Hauptpersonalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei, § 79 Abs. 4 BPersVG. Der Beklagten seien bei Kündigungsausspruch nähere, über den Pauschalgrund "Sicherheitsbedenken" hinausgehende Gründe bekannt gewesen, wie schon der Aktenvermerk vom 17. Juli 1992 belege; deshalb habe die Beklagte den Personalrat auch über diese Umstände informieren müssen.
Selbst wenn man aber von einer ordnungsgemäßen Personalratsanhörung ausgehe, so sei die Kündigung gleichwohl nach § 1 KSchG unwirksam, weil die berücksichtigungsfähigen Gründe die Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt erscheinen ließen.
II. Dem folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis, wobei er nicht zu prüfen brauchte, ob das Landesarbeitsgericht nicht zu strenge Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung des Hauptpersonalrats gestellt hat. Denn das Berufungsurteil hält hinsichtlich der Alternativbegründung und unter ergänzender Berücksichtigung der von der Beklagten selbst vorgetragenen Kündigungsgründe einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat einen personenbedingten Kündigungsgrund (§ 1 Abs. 2 KSchG) wegen bestehender Sicherheitsbedenken nicht schlüssig darzustellen vermocht. Dabei sind allerdings im Anschluß an die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zusätzliche Erwägungen erforderlich, die indessen auf dem unstreitigen und vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt (§ 561 ZPO) beruhen.
1. Das Landesarbeitsgericht weist zunächst zutreffend daraufhin, daß der Beklagten der Lebenslauf des Klägers einschließlich der Tatsache der militärischen Abkommandierung für sechs Monate nach Mosambik schon bei der Einstellung bekannt war. Es ist insofern unstreitig - davon geht die Beklagte insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 1994 aus -, daß der Kläger die angeblich unzutreffenden und unvollständigen Angaben aus der späteren Sicherheitserklärung vom 1. März 1992 bereits im Personalfragebogen vor seiner Einstellung gemacht hat. Die Beklagte war damit in die Lage versetzt und aufgrund der Vorabregelung des BMVg vom 27. November 1989 sogar gehalten, die nach den Sicherheitsrichtlinien vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung "in allen Fällen vor Einstellung durchzuführen". Wenn die Beklagte davon entgegen den geltenden Sicherheitsrichtlinien keinen Gebrauch machte, und zwar obwohl seit der Bewerbung des Klägers vom 15. Oktober 1990 bis zu seiner Übernahme in den Zivildienst und dem Abschluß des Arbeitsvertrages am 26. August 1991 fast ein Jahr ins Land ging, so handelte sie auf eigenes Risiko. Das gilt jedenfalls insoweit, als sich im nachhinein Sicherheitsbedenken ergaben, die jedenfalls nicht von einem solchen Gewicht waren, daß eine Anfechtung z. B. wegen arglistiger Täuschung gem. §123 BGB in Frage kam. Der Kläger hat sich - auch dies ist unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) - auf eine Ausschreibung der Beklagten für den Dienstposten "Überprüfer Ostsprachen" unter dem Kennwort 50 a/90 beworben, in der von Sicherheitsüberprüfung als Voraussetzung für die Einstellung nicht die Rede war, ebensowenig wie dies Gegenstand von Absprachen beim Einstellungsvorgang war. Insofern widerspricht es dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB und dem Grundsatz des venire contra factum proprium (§ 242 BGB), wenn die Beklagte sich nunmehr auf einen Umstand (fehlender Sicherheitsbescheid) beruft, den sie selbst erklärtermaßen nicht bei Einstellung als relevant angesehen hat. Würde man der Beklagten die nachträgliche Berufung auf den fehlenden Sicherheitsbescheid gestatten, käme dies der Herbeiführung einer Bedingung wider Treu und Glauben durch die Partei, zu deren Vorteil sie gereicht, gleich. Durch die Unterlassung der Sicherheitsüberprüfung vor Einstellung des Klägers würde die Beklagte eine Rechtsposition erhalten, die sie in Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger (culpa in contrahendo) und unter Nichtbeachtung der seinerzeit geltenden Sicherheitsrichtlinien erworben hätte. Darin liegt eine unzulässige Rechtsausübung (vgl. zum Ganzen Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 162 Rz 2 f., 6 und § 242 Rz 42 f., 46). So hat auch der Senat es dem Arbeitgeber in vergleichbaren Situationen verwehrt (Urteile vom 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung und vom 5. Oktober 1995 - 2 AZR 269/95 - DB 1996, 281, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), sich auf eine von ihm selbst wider Treu und Glauben herbeigeführte Kündigungssituation zu berufen. Auf diese Umstände braucht letztlich aber nicht einmal entscheidend abgestellt zu werden.
2. Die Kündigung der Beklagten ist auch deshalb nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte für den Dienstposten des Klägers nach den von ihr selbst aufgestellten Richtlinien überspannte Sicherheitsmaßstäbe angelegt hat.
a) Nach den Sicherheitsrichtlinien, wie sie für den Geschäftsbereich des BMVg durch die zentrale Dienstvorschrift 2/30 VSNfD in der ab 30. Januar 1990 geltenden Fassung verabschiedet wurden, war eine Sicherheitsüberprüfung in drei Steigerungsstufen vorgesehen, nämlich die einfache Sicherheitsüberprüfung Ü1, die erweiterte Sicherheitsüberprüfung Ü2 sowie die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Ü3. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten und für den Senat nach § 561 ZPO verbindlichen Sachverhalt (Berufungsurteil S. 6) war für den konkreten Dienstposten des Klägers beim ZVBw die Ü1 ausreichend. Wie dem Schreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 7. Januar 1994 zu entnehmen ist, beruhen seine Feststellungen aber auf einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung Ü2 und der daraus gezogenen Schlußfolgerung eines Sicherheitsrisikos. Die eigenen Feststellungen der Beklagten reichen daher zur Begründung der gegenüber dem Kläger geltend gemachten Sicherheitsbedenken nicht aus. Das gilt um so mehr, als der Geheimschutzbeauftragte in diesem Schreiben gleichzeitig die Einleitung einer Wiederholungsüberprüfung nach Ablauf von zwei Jahren zugelassen hat, was ersichtlich nur dahin verstanden werden kann, daß für die Zuverlässigkeitsüberprüfung nach Zeitablauf ein weniger hoher Sicherheitsgrad maßgebend sein kann. Die vorliegende Feststellung des Geheimschutzbeauftragten erweist sich damit zur Begründung einer Sicherheitsempfindlichkeit des Dienstpostens des Klägers als nicht tragfähig. Dies gilt auch im Hinblick auf die eigene Darstellung des Fachreferats des BMVg, wonach die Feststellung sicherheitsempfindlicher Dienstposten des ZVBw dem Dienststellenleiter obliegt, der eben mit Schreiben vom 15. September 1993 für den Dienstposten des Klägers die Ü1 als ausreichend bezeichnet hat. Aber selbst das Fachreferat des BMVg hat im Schreiben vom 7. Oktober 1993 nur zusätzlich bemerkt, der Sprachmittler im Geschäftsbereich BMVg solle in der Regel einen Sicherheitsbescheid Ü2, mindestens jedoch Ü1 haben. Gerade die Formulierungen "in der Regel" und "sollten" belegen unmißverständlich, daß dies nicht für alle Fälle bedingungslos gilt.
b) Aber auch die vom Geheimschutzbeauftragten angeführten Umstände sind auf der Basis des von der Beklagten bisher vorgetragenen Sachverhalts nicht schlüssig, um Sicherheitsbedenken ernsthaft zu begründen. Dabei geht der Senat von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, wonach die vorgetragenen Sicherheitsbedenken unter dem Gesichtspunkt einer personenbedingten Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung inhaltlich jedenfalls auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft werden können (vgl. Urteile vom 28. September 1961 - 2 AZR 428/60 - BAGE 11, 278 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung; vom 28. Februar 1963 - 2 AZR 342/62 - BAGE 14, 103 = AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; vom 26. Oktober 1978 - 2 AZR 24/77 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, zu II 2 und 3 der Gründe und vom 20. Juli 1989 - 2 AZR 114/87 - BAGE 62, 256, 265 f. = AP Nr. 2, aaO, zu II 2 b der Gründe). Danach kann die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer der Bundeswehr wegen Sicherheitsbedenken nicht allein auf die Erklärung einer Dienststelle gestützt werden, daß Sicherheitsbedenken bestünden, sondern es müssen tatsächliche Umstände vorgebracht werden, aus denen sich die Sicherheitsbedenken ergeben, wobei die Gerichte selbst entscheiden müssen, ob wegen des vorgetragenen Sachverhalts und eines sich daraus ergebenden Sicherheitsbedenkens die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Dies entspricht auch der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluß des ersten Wehrdienstsenats vom 12. Dezember 1985 - 1 WB 8/85 - BVerwGE 83, 90, 96), das ebenfalls davon ausgeht, das betreffende Verhalten sei einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung daraufhin zugänglich, ob es bei der zuständigen Dienststelle Sicherheitsbedenken hervorzurufen geeignet sei.
Insofern ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) unstreitig, daß der Kläger bei seinem Auslandsaufenthalt 1985 in Mosambik tatsächlich der "Verwaltung Operativ" des MfNV angehörte und bei dem Auftrag unter der Leitung des Oberst J in Maputo nur zeitweilig zur "Verwaltung Aufklärung" des MfNV unter Leitung des zuständigen Militärattaches in Maputo zugeordnet wurde. Diese Sachdarstellung hat die Beklagte im Prozeß nie bestritten; sie ist nicht einmal der mit Vorlage eines Teil-Organigramms dieser Organisationsstruktur belegten Darstellung des Klägers im Schriftsatz vom 8. August 1994 entgegengetreten. Die Beurteilung des Geheimschutzbeauftragten in der Entscheidung vom 6. Juli 1993, wie sie im Brief vom 7. Januar 1994 näher begründet wird, geht im Anschluß an die Darstellung des MAD (vgl. Schreiben vom 28. April 1994) davon aus, damit habe eine hauptamtliche VA-Zugehörigkeit vorgelegen, die mit derjenigen bei der HVA des MfS gleichzusetzen sei. Dabei wird nach Auffassung des Senats übersehen, daß die zeitweilige Abordnung des Klägers aus der "Verwaltung Operativ" damit nicht zu einer hauptamtlichen Zugehörigkeit zur "Verwaltung Aufklärung" wird. Das gilt zumindest im Hinblick auf den wiederum unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers, er habe nur Dolmetschertätigkeiten für die Delegation zum Schutze der DDR-Bürger wahrgenommen und keine Kontakte zum MfS - mit Ausnahme der vorhergehenden und nachträglichen Befragung - gehabt. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang außerdem - wiederum unbestritten - auf einen Widerspruch in der Darstellung des MAD vom 28. April 1994 hingewiesen, wenn es dort einerseits heißt, ein Beweis, daß die konkrete Tätigkeit des Klägers in Mosambik mit der eines hauptamtlichen MfS-Angehörigen vergleichbar sei, sei nicht möglich, während auf der anderen Seite abstrakt eine Gleichsetzung der hauptamtlichen VA-Zugehörigkeit mit der zur HVA als geboten bezeichnet wird. Die Beklagte hat insofern auch nicht näher begründet, inwiefern aufgrund der fehlerhaften Bezeichnung "Dolmetscherpraktikum" statt "Dolmetschereinsatz" die von ihr gezogenen negativen Rückschlüsse gerechtfertigt sein sollen.
Die beteiligten Behörden (vgl. MAD-Schreiben vom 28. April 1994) stellen im übrigen entscheidend darauf ab, Angehörige einer Organisation, die - dem MfS vergleichbar - nachrichtendienstlich gegen die BRD gearbeitet hätten, stellten grundsätzlich ein Sicherheitsrisiko dar, wobei die Dauer der Zugehörigkeit und die Art der Tätigkeit im Einzelfall unbeachtlich sei. Daß der Kläger bei seinem Aufenthalt in Maputo in dieser Hinsicht tätig gewesen sei, ja daß er in dieser Hinsicht von den entscheidenden Behörden überhaupt befragt worden sei, behauptet die Beklagte selbst nicht. Zumindest wird in diesem Zusammenhang nicht begründet, warum der wiederholten Erklärung des Klägers, u. a. im Rahmen seiner Sicherheitserklärung (zu Punkt 7 und 13), nicht gefolgt wird, er habe nicht in Beziehung zu einem fremden Nachrichtendienst gestanden und habe über die erwähnten Befragungen des MfS hinaus auch nicht für diese Behörde gearbeitet. Die angeblich sicherheitserheblichen Umstände, wie sie zu Ziff. 3 und 4 im Schreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 7. Januar 1994 festgehalten werden, sind daher nicht annähernd belegt. Auch zu Ziff. 2 ist es unstreitig, daß der Kläger zwar sein Kind aus erster Ehe in der Sicherheitserklärung nicht erwähnt, gegenüber der gleichen Behörde, nämlich dem Wehrbereichsgebührenamt, indessen seine Tochter aus erster Ehe angegeben hat. Auch dies wird ersichtlich weder von den Geheimdienstbehörden noch von der Beklagten überhaupt einer Würdigung unterzogen. Wenn daher der Geheimschutzbeauftragte in seiner Entscheidung (dokumentiert im Schreiben vom 7. Januar 1994) aufgrund dieser angeblich unrichtigen Angaben Rückschlüsse auf die mangelnde Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit des Klägers glaubt ziehen zu können, so ist das aufgrund der im Prozeß vorgetragenen Gesamtumstände nicht nachvollziehbar.
c) Es braucht nach alledem nicht mehr vertieft zu werden, ob nicht bei der Beurteilung der für den Sicherheitsbescheid notwendigen Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit auch das Verhalten des Klägers nach der sog. Wende wegen der gebotenen einzelfallbezogenen Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers hätte einbezogen werden müssen (vgl. dazu BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 - 1 BVR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 = AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Die Beklagte hat insofern im gesamten Prozeß nicht dazu Stellung genommen, daß der Leiter der Dienststelle des Klägers diesen laut Schreiben vom 22. April 1993 nicht nur als kompetent, äußerst leistungsbereit, loyal, sondern auch als integeren Mitarbeiter bezeichnet hat, der auch bei seinen Kollegen wegen seiner Fachkompetenz, aber auch aufgrund seines persönlichen Verhaltens geschätzt und geachtet werde, wobei er gleichfalls einen gleich positiven Eindruck vom Kläger gewonnen habe. Daß der Geheimschutzbeauftragte diese Würdigung auch nur in seine Beurteilung einbezogen habe, wird von der Beklagten nicht einmal behauptet.
Angesichts aller dieser Umstände sind - selbst bei einer eingeschränkten Überprüfung durch die Gerichte (BVerwG, aaO) - die dargestellten Sicherheitsbedenken nicht begründet.
Etzel Bitter Bröhl
Thelen Beckerle
Fundstellen