Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Fristlose Kündigung gegenüber einer tariflich unkündbaren Finanzamtsangestellten wegen Steuerhinterziehung. Selbstanzeige. kündigungsrechtliche Verwertung steuerlicher Informationen aus einer Selbstanzeige. Personalratsanhörung
Leitsatz (amtlich)
Eine Steuerhinterziehung in erheblicher Höhe ist bei einem Angestellten einer Finanzbehörde als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung an sich auch dann geeignet, wenn der Angestellte die Hinterziehung gemäß § 371 AO selbst angezeigt hat.
Orientierungssatz
Eine über Jahre hinweg fortgesetzte Steuerhinterziehung in erheblicher Höhe (im Fall: ca. 67.000,00 DM) ist bei einem Angestellten einer Finanzbehörde als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung an sich geeignet.
Die Kündigung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Behörde von der Steuerhinterziehung erst durch eine Selbstanzeige des Betreffenden nach § 371 AO erfahren hat. Die Selbstanzeige ist allerdings bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Das Steuergeheimnis schließt in einem derartigen Fall eine Weitergabe des Inhalts der Selbstanzeige an die personalsachbearbeitende Stelle innerhalb der Behörde nicht aus.
Normenkette
BGB § 626; BAT § 54 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 8 Abs. 1 S. 1; AO §§ 370-371, 30
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. März 2000 – 3 Sa 109/00 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Die am 4. Oktober 1951 geborene Klägerin ist ausgebildete Steuerfachgehilfin. Sie wurde vom beklagten Land am 1. Oktober 1971 eingestellt. Zuletzt war sie als teizeitbeschäftigte Angestellte mit 62,5 % der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten zu einem Bruttomonatsverdienst von 2.692,00 DM beim Finanzamt Moers im Bereich der Kfz-Besteuerung beschäftigt. Sie ist nach § 53 Abs. 3 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren BAT ordentlich unkündbar.
Am 28. Juni 1999 übergab die Klägerin der Vorsteherin des Finanzamtes Moers ein von ihr und ihrem Ehemann unterzeichnetes Schreiben der Steuerberater H. und F. vom 25. Juni 1999. Mit diesem Schreiben erstatteten die Klägerin und ihr Ehemann eine Selbstanzeige gem. § 371 AO wegen gemeinschaftlich begangener Steuerhinterziehung. Im Zeitraum von 1989 bis 1997 hatten sie aus Kapitalanlagen in Luxemburg gemeinsame Zinseinkünfte iHv. insgesamt 169.452,97 DM erzielt, ohne diese steuerlich erklärt zu haben. Auf Grund dieses Sachverhalts ergaben sich Einkommenssteuernachforderungen iHv. 54.642,45 DM und Vermögenssteuernachforderungen iHv. 12.620,00 DM.
Mit der Klägerin am 8. Juli 1999 zugegangenem Schreiben vom gleichen Tag kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos. Zuvor hatte der Personalrat des Finanzamts M mit Schreiben vom 1. Juli 1999 erklärt, gegen die außerordentliche Kündigung keine Einwendungen zu erheben.
Die Klägerin hält die Kündigung für rechtsunwirksam. Sie hat behauptet, die Vorsteherin des Finanzamts habe ihr gegenüber am 28. Juni 1999 erklärt, die der Selbstanzeige zugrunde liegende Tat habe keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Dies stelle einen Verzicht auf das Recht zur fristlosen Kündigung dar. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis durch die Steuerhinterziehung nicht unmittelbar berührt. Zudem sei die Form der Anlage auf Initiative ihres Ehemannes erfolgt, gegen den sie sich nicht ausreichend habe durchsetzen können. Darüber hinaus dürfe ihr der Umstand, daß sie durch die Selbstanzeige, die eine Bestrafung wegen Steuerhinterziehung ausschließe, ihre Steuerunehrlichkeit aufgedeckt habe, nach Sinn und Zweck des § 371 AO arbeitsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen. Ansonsten wäre Angehörigen der Finanzverwaltung der Weg einer strafbefreienden Selbstanzeige verschlossen und das Gleichbehandlungsgebot verletzt. Die Offenbarung und Verwertung der Informationen über die Steuerhinterziehung stelle einen Verstoß gegen das Steuergeheimnis dar. Schließlich sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Dieser hätte darüber unterrichtet werden müssen, daß die Informationen unter Bruch des Steuergeheimnisses zur Kenntnis gelangt und verwertet worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 8. Juli 1999 nicht aufgelöst worden ist,
- falls sie mit dem Feststellungsantrag obsiegt, das beklagte Land zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Vorsteherin des Finanzamtes habe sich gegenüber der Klägerin die Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen ausdrücklich vorbehalten. Die Klägerin habe gegen ihre in § 8 Abs. 1 BAT normierte Pflicht verstoßen, sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Sie habe dem Ansehen ihres Arbeitgebers geschadet, indem sie über einen langen Zeitraum fortgesetzt Steuern in erheblichem Umfang hinterzogen habe. Der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf beziehe sich auf das Verschweigen erheblicher Besteuerungsgrundlagen, nicht auf die Form der Geldanlage im Ausland. Sie habe gewußt, daß auch im Ausland erzielte Zinserträge steuerpflichtige Einkünfte seien und im Ausland investiertes Kapital der Vermögenssteuer unterliege, zumal sie aufgrund ihrer Vorbildung als Steuerfachgehilfin über besondere steuerliche Kenntnisse verfüge. Da die Klägerin in der Finanzverwaltung tätig sei, wiege ihr steuerunehrliches Verhalten besonders schwer, auch wenn sie nicht unmittelbar mit der Steuerfestsetzung befaßt gewesen sei. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin sei deshalb nicht zumutbar gewesen. Das Steuergeheimnis gem. § 30 AO stehe der Verwertung der Informationen aus der Selbstanzeige nicht entgegen, da ein zwingendes öffentliches Interesse vorliege. Der Selbstanzeige komme über die Straffreiheit nach § 371 AO hinaus keine arbeitsrechtlich entlastende Bedeutung zu.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des beklagten Landes abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Es läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung beendet worden und demzufolge das beklagte Land zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet ist.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes sei wirksam. Die Klägerin habe in schwerwiegender Weise gegen die Verpflichtung verstoßen, auf das Ansehen des öffentlichen Dienstes Rücksicht zu nehmen, indem sie über Jahre hinweg Einkommens- und Vermögenssteuern hinterzogen habe. Dadurch sei das Arbeitsverhältnis unmittelbar berührt. Unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände könne auch die Selbstanzeige nicht zu einer für die Klägerin günstigen Bewertung führen. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zugunsten der Klägerin zwar neben der Tatsache der Unkündbarkeit nach § 53 Abs. 3 BAT zu berücksichtigen, daß diese bei dem beklagten Land langjährig beanstandungsfrei tätig gewesen sei und aufgrund ihres Lebensalters auf dem Arbeitsmarkt voraussichtlich erhebliche Schwierigkeiten haben werde. Der Klägerin sei andererseits der rechtswidrige Charakter ihrer Handlungsweise bewußt gewesen. Dennoch habe sie zur Erlangung von Steuervorteilen systematisch über Jahre hinweg unrichtige Steuererklärungen abgegeben. Auch im Rahmen der verschärften Anforderungen an die Pflichten des Arbeitgebers, bei ordentlich unkündbaren Beschäftigten mit allen zumutbaren Mitteln eine Weiterbeschäftigung zu versuchen, sei eine Versetzung bzw. Umsetzung der Klägerin nicht mehr zumutbar gewesen. Der Personalrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden.
B. Dem folgt der Senat in weiten Teilen der Begründung, nicht aber im Ergebnis. Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO), damit die angesichts des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung erforderliche Prüfung nachgeholt werden kann, ob eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB, § 54 Abs. 1 BAT nur unter Einhaltung einer Auslauffrist möglich war.
I. Die materiell-rechtlichen Rügen der Revision, mit denen diese die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu § 54 BAT angreift, sind überwiegend unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der in § 54 Abs. 1 BAT und der in § 626 Abs. 1 BGB verwandte Begriff des wichtigen Grundes identisch sind(Senat 26. März 1981 – 2 AZN 410/80 – BAGE 35, 185, 188; BAG 20. April 1977 – 4 AZR 778/75 – AP BAT § 54 Nr. 1 = EzA BGB § 626 nF Nr. 55).
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ferner angenommen, daß die von der Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann über Jahre hinweg fortgesetzt begangene Steuerziehung iHv. ca. 67.000,00 DM an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT geeignet ist.
a) Die Rechtfertigung einer Kündigung durch außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers setzt generell eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses voraus(Senat 20. September 1984 – 2 AZR 233/83 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 14; 24. September 1987 – 2 AZR 26/87 – AP aaO Nr. 19 = EzA aaO Nr. 18; KR-Fischermeier 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 414). Bei Angestellten des öffentlichen Dienstes kann die dienstliche Verwendbarkeit durch außerdienstliche Vorgänge beeinflußt werden, da die Öffentlichkeit das Verhalten eines öffentlichen Bediensteten an einem strengeren Maßstab mißt als dasjenige privat Beschäftigter. Deshalb erfaßt § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT, wonach sich der Angestellte so zu verhalten hat, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird, auch das außerdienstliche Verhalten des Angestellten(Senat 14. Februar 1996 – 2 AZR 274/95 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160, zu II 2 der Gründe; 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – BAGE 87, 153, 159 f.; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – EzA BGB § 626 nF Nr. 182, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Er muß sich auch außerdienstlich so verhalten, daß das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Der Angestellte des öffentlichen Dienstes hat zwar das Recht, sein Privatleben so zu gestalten, wie es ihm beliebt. Er hat jedoch auch außerhalb des Dienstes die Rechtsordnung zu wahren. Außerdienstlich begangene Straftaten sind jedenfalls dann zur Rechtfertigung einer Kündigung geeignet, wenn sie ein gewisses Gewicht haben(BAG 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – aaO mwN aus Rechtsprechung und Literatur). Die Reaktionsbefugnis des öffentlichen Arbeitgebers auf außerdienstliche Straftaten ist dabei nicht auf solche Verhaltensweisen des Angestellten beschränkt, die ihrer Art nach geeignet sind, das Vertrauen des Arbeitgebers in die korrekte Arbeitsleistung zu erschüttern. Die Tauglichkeit von Angestellten im öffentlichen Dienst zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung kann nicht nur durch Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien selbst beeinträchtigt werden. Vielmehr kommt es, da sie als Repräsentanten des Staates gegenüber der Öffentlichkeit auftreten – abhängig von der konkreten Dienstfunktion – auch auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit an(Senat 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – BAGE 87, 153, 159 ff.; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – EzA BGB § 626 nF Nr. 182).
b) Ob eine Steuerhinterziehung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes, der nicht in der Finanzverwaltung beschäftigt ist, nach diesen Grundsätzen generell einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann, hat der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls eine durch einen Angestellten der Finanzverwaltung begangene Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO ist in der Regel an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen(LAG Düsseldorf 20. Mai 1980 – 19 Sa 624/79 – EzA BGB § 626 nF Nr. 72). Mit einem solchen Verhalten setzt sich der Finanzangestellte in Widerspruch zu der Aufgabe seiner Beschäftigungsbehörde, den Steueranspruch des Staates durchzusetzen. Eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar. Sie hebt sich deutlich von der leichtfertigen Steuerverkürzung des § 378 AO ab, die lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, und kann angesichts ihrer Sozialschädlichkeit nicht verharmlost werden. Dies zeigt auch der vorgeschriebene Strafrahmen. Danach ist die Steuerhinterziehung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren bedroht (§ 370 Abs. 1 und 3 AO).
Ein Angestellter der Finanzverwaltung, der sich außerhalb des Dienstes fortgesetzt oder wiederholt der Steuerhinterziehung schuldig macht, verletzt damit in schwerer Weise seine aus § 8 Abs. 1 BAT folgende Pflicht, sich so zu verhalten, wie es von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. In diesem Zusammenhang wirkt sich besonders nachteilig aus, daß sich der Angestellte durch strafbares Verhalten unberechtigte Steuervorteile verschafft oder zu verschaffen versucht hat, obwohl er fiskalische Aufgaben wahrzunehmen hat. Dies beeinträchtigt in erheblichem Maße sein Ansehen und das Ansehen der Finanzverwaltung insgesamt, auf das diese besonders angewiesen ist, wenn sie die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben sachgerecht erfüllen will.
Von einem solchen Sachverhalt ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen. Rügen erhebt die Revision insoweit nicht. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen aufgestellte Behauptung, die Form der Geldanlage in Luxemburg sei auf Drängen ihres Ehemannes erfolgt, dem sie sich nicht habe widersetzen können, gehe an dem Vorwurf der Steuerhinterziehung vorbei. Das pflichtwidrige Verhalten der Klägerin besteht nicht in der Art und Weise der Geldanlage, die jedem Steuerbürger freisteht, sondern darin, daß sie bewußt inhaltlich unrichtige, die Kapitalanlage in Luxemburg und deren Zinserträgnisse verschweigende Steuererklärungen unterzeichnet hat. Für die arbeitsrechtliche Bewertung als schwerer Verstoß gegen § 8 Abs. 1 BAT kommt es weder, wie die Revision meint, darauf an, ob die Klägerin in dem Zeitraum, in dem sie für Steuerverkürzungen verantwortlich war, ihre Arbeitspflicht gewissenhaft verrichtet hat, noch steht es im Vordergrund, ob und in welchem Umfang das Fehlverhalten in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist; bedeutsam ist vielmehr, daß das Fehlverhalten dazu geeignet ist, einen Achtungs- und Vertrauensschaden herbeizuführen(BAG 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – aaO; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – aaO; vgl. auch BVerwG 9. November 1994 – 1 D 57/93 – BVerwGE 103, 184 ff. zur disziplinarrechtlichen Bewertung der Steuerhinterziehung eines Beamten). Es ist daher unerheblich, wenn die Revision meint, zu einem Ansehensverlust des beklagten Landes sei es nicht gekommen, da das private Fehlverhalten der Klägerin mangels eines Strafverfahrens keine Außenwirkung hervorgerufen habe. Abgesehen davon muß jederzeit damit gerechnet werden, daß das Verhalten der Klägerin nachträglich noch in der Öffentlichkeit bekannt wird.
c) Die generelle Eignung einer durch einen Angestellten der Finanzverwaltung verübten Steuerhinterziehung als Grund für eine außerordentliche Kündigung wird durch den Umstand, daß der Angestellte eine Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet, nicht berührt. Die gesetzliche Regelung der strafbefreienden Selbstanzeige, welche über den Rücktritt vom Versuch iSd. § 24 StGB hinaus auch die durch Eintritt des Verkürzungserfolges vollendete Tat ergreift, bezieht ihre Rechtfertigung allein aus steuerpolitischen Erwägungen. Strafrechtliche Nachsicht wird bei Vorliegen aller Voraussetzungen der Strafbefreiung iSd. § 371 Abs. 1 bis 3 AO demjenigen gewährt, der im Fall des § 370 AO unrichtige oder unvollständige Angaben berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt. Fiskalische Gesichtspunkte – Aufdeckung bisher verschlossener Steuerquellen – stehen insoweit im Vordergrund. Die Selbstanzeige stellt einen persönlichen Strafausschließungsgrund dar, der die Tat im übrigen nach Unrechtsgehalt und Schuld unberührt läßt(BVerwG 9. November 1994 – 1 D 57/93 – BVerwGE 103, 184 ff. mwN).
Dem Landesarbeitsgericht ist deshalb darin zuzustimmen, daß die Selbstanzeige dem Vorgang nicht den – auch arbeitsrechtlichen – Unrechtsgehalt nimmt. Nach Sinn und Zweck des § 371 AO sind der Finanzverwaltung als Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen nicht von vornherein verschlossen. Dem entspricht es, daß bei einer Steuerhinterziehung eines Beamten dessen Freispruch im Steuerstrafverfahren, der auf dem in § 371 Abs. 1 AO normierten persönlichen Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige beruht und den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung sowie den Schuldvorwurf gerade voraussetzt, die Rechtsfolge des § 17 Abs. 5 BDO nicht auslöst und einer disziplinarrechtlichen Maßregelung daher nicht entgegensteht(BVerwG 6. Juni 2000 – 1 D 66/98 – DÖD 2000, 290 mwN).
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten der Finanzverwaltung einerseits und sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes andererseits rügt und geltend macht, der Weg der Selbstanzeige werde ersteren auf diese Weise verschlossen, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, die Strafbefreiung komme auch diesem Beschäftigtenkreis in gleicher Weise zugute, könne jedoch allein die je nach den Einzelfallumständen zu stellende Frage nach geeigneten arbeitsrechtlichen Sanktionen nicht präjudizieren. Das Landesarbeitsgericht hat damit den Umstand, daß die Klägerin eine Selbstanzeige erstattet hat, zutreffend nicht bei der Frage der Eignung als Kündigungsgrund geprüft, sondern der abschließenden Interessenabwägung zugeordnet.
d) Das Steuergeheimnis nach § 30 AO schließt die Eignung des Verhaltens der Klägerin als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung ebenfalls nicht aus.
Das Steuergeheimnis schützt den Steuerbürger grundsätzlich vor dem unbefugten Offenbaren und Verwerten von Steuerdaten durch einen Amtsträger. Steuerdaten sollen nicht für andere als steuerliche Zwecke verwendet werden. Dieser Schutz greift allerdings gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ua. dann nicht ein, wenn für die Offenbarung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Da mit der Offenbarung in der Regel zugleich eine Verwertung verbunden ist, muß zudem davon ausgegangen werden, daß dann, wenn die Offenbarung zulässig ist, auch die Verwertung zulässig sein soll(Koch/Scholtz AO 5. Aufl. § 30 Rn. 17). Ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ist gegeben, wenn im Falle des Unterbleibens der Mitteilung die Gefahr bestünde, daß schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten(vgl. OVG Münster 4. Mai 2000 – 12d A 4145/99.O – IÖD 2001, 53; BFH 10. Februar 1987 – VII R 77/84 – BFHE 149, 387; BVerwG 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1; Koch/Scholtz AO 5. Aufl. § 30 Rn. 24). Die in § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. a bis c AO ausdrücklich genannten, nicht abschließenden Beispielsfälle bieten einen zusätzlichen Anhaltspunkt dafür, unter welchen Voraussetzungen schwere Nachteile für das allgemeine Wohl zu erwarten sind. Es muß sich um Fälle handeln, die von ähnlichem Gewicht wie die gesetzlichen Beispielsfälle sind. Es ist eine Interessenabwägung erforderlich, ob das öffentliche Interesse an der Offenbarung und Verwertung der dem Steuergeheimnis unterliegenden persönlichen Daten das Interesse des Steuerpflichtigen an der Geheimhaltung (deutlich) überwiegt(vgl. OVG Münster 4. Mai 2000 – 12d A 4145/99.O – aaO mwN; Nissen ZTR 2000, 402, 403).
Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das öffentliche Interesse an der – arbeitsrechtlichen – Offenbarung und Verwertung der steuerlichen Daten der Klägerin gehe deren Geheimhaltungsinteresse vor, ist dies jedenfalls mit Rücksicht darauf nicht zu beanstanden, daß die Klägerin in der Finanzverwaltung beschäftigt ist. Dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung und Aufrechterhaltung der Vertrauenswürdigkeit der Finanzverwaltung und damit deren Funktionsfähigkeit ist grundsätzlich ein hoher Stellenwert beizumessen(Nissen ZTR 2000, 402, 403; für den Fall der Steuerhinterziehung durch einen Finanzbeamten vgl. OVG Münster 4. Mai 2000 – 12d A 4145/99.O – aaO). Dieses Interesse würde bei einer strikten Wahrung des Steuergeheimnisses völlig leerlaufen, da die für Personalangelegenheiten zuständigen Stellen der Finanzverwaltung sonst von Informationen über Steuervergehen ihrer Beschäftigten abgeschnitten wären und es ihnen verwehrt wäre, solche gleichwohl bekannt gewordenen Informationen auch bei schwerwiegender Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses zu verwerten.
Allerdings kommt den öffentlichen Belangen kein absoluter Vorrang zu, da das Steuergeheimnis ebenfalls einen hohen, letztlich im Verfassungsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) wurzelnden Rang hat. Aus diesem Grund ist bei der Anwendung des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO in Anlehnung an die Regelbeispiele in Buchstabe lit. a und b der Vorschrift (besonders schwere und für die Allgemeinheit bzw. den Bestand der Wirtschaftsordnung gefährliche Rechtsbrüche) darauf abzustellen, ob die steuerlichen Vorgänge ihrer Art nach oder aus Gründen des Einzelfalles von erheblichem Gewicht sind und eine nähere arbeitsrechtliche Prüfung unabhängig von der Herkunft der zugrunde liegenden Informationen erfordern. Davon ist hier jedenfalls angesichts der Höhe der von der Klägerin über viele Jahre hinweg hinterzogenen Steuern auszugehen(zur entsprechenden Abwägung, ob bei der Steuerhinterziehung eines Finanzbeamten die Mitteilung steuerlicher Daten an die für Disziplinarmaßnahmen zuständigen Stelle von einem zwingenden öffentlichen Interesse iSv. § 30 Abs. 4 AO gedeckt ist, vgl. OVG Münster 4. Mai 2000 – 12d A 4145/99.O – aaO).
e) Das Landesarbeitsgericht ist ebenfalls ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß es vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vorliegend keiner Abmahnung bedurfte. Zwar ist eine Abmahnung bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen(BAG 4. Juli 1997 – 2 AZR 526/96 – BAGE 86, 95, 102; 11. März 1999 – 2 AZR 507/98 – AP BGB § 626 Nr. 149 = EzA BGB § 626 nF Nr. 176, zu II 1 b aa der Gründe; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – EzA BGB § 626 nF Nr. 182). Einen solchen Ausnahmefall hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
f) Soweit die Klägerin in den Tatsacheninstanzen behauptet hat, die Vorsteherin des Finanzamts habe ihr bei der Abgabe der Selbstanzeige am 28. Juni 1998 zugesichert, die Angelegenheit werde keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben, insbesondere nicht zu einer Kündigung führen, hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme festgestellt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß das beklagte Land durch die Vorsteherin des Finanzamts auf den Ausspruch einer Kündigung verzichtet oder der Klägerin verziehen hätte. Rechtsfehler sind insoweit weder ersichtlich noch von der Revision gerügt.
3. Auch die Rügen der Revision zur Interessenabwägung sind überwiegend unbegründet.
a) Im Revisionsverfahren kann die durch das Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nur darauf überprüft werden, ob bei der Zumutbarkeitsprüfung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls gewürdigt worden sind. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz und kann vom Revisionsgericht nicht durch seine eigene Wertung ersetzt werden(st. Rspr. des Senats, vgl. 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 – BAGE 85, 114, 125; 21. Januar 1999 – 2 AZR 665/98 – BAGE 90, 367, 369 f.; 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – EzA BGB § 626 nF Nr. 182, zu B I 3 der Gründe).
b) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Klägerin den Ausschluß der ordentlichen Kündigung nach § 53 Abs. 3 BAT, ihre langjährige beanstandungsfreie Beschäftigung bei dem beklagten Land und ihre altersbedingten Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es hat ferner den aufgrund der tariflichen Unkündbarkeit anzulegenden strengen Prüfungsmaßstab beachtet, indem es die verschärften Anforderungen an die Pflicht des Arbeitgebers, eine Weiterbeschäftigung zu versuchen(BAG 23. März 1972 – 2 AZR 216/71 – BAGE 24, 222 = AP BAT § 55 Nr. 1; 17. Mai 1984 – 2 AZR 161/83 – AP BAT § 55 Nr. 3; 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10; 17. September 1998 – 2 AZR 419/97 – AP § 626 BGB Nr. 148 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 3), in seine Überlegungen einbezogen hat. Es hat zudem bedacht, daß die Klägerin nicht im Bereich der Einkommenssteuer- bzw. Vermögenssteuerfestsetzung, sondern im Bereich der Kfz-Besteuerung tätig gewesen ist und zugunsten der Klägerin angenommen, ihre Steuerhinterziehung wäre nicht ohnehin im Rahmen laufender Ermittlungen seitens der Steuerfahndung aufgedeckt worden.
c) Wenn das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung all dieser für die Klägerin sprechenden Umstände sowie in Ansehung der Selbstanzeige gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt ist, die Interessen des beklagten Landes an der außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien höher zu bewerten, so hält sich dies zunächst im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht entscheidend auf die von Anfang an bestehende Kenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit ihres Tuns, auf die Dauer und die Höhe der Steuerverkürzung abgestellt, daraus auf eine zielgerichtete, beharrliche Begehungsweise geschlossen und aufgrund dieser Umstände dem Beendigungsinteresse des beklagten Landes den Vorrang eingeräumt hat. Das Landesarbeitsgericht hat damit dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Steuerbehörden selbst sowie ihrer Mitarbeiter vielmehr zu Recht einen hohen Stellenwert beigemessen.
d) Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Bedeutung der Selbstanzeige nicht verkannt, sondern eine Gesamtbetrachtung vorgenommen, bei der sich die Selbstanzeige letztlich nicht entscheidend zugunsten der Klägerin ausgewirkt hat. Die Revision will mit ihrer Rüge, der Selbstanzeige müsse ein höheres Gewicht beigemessen werden, lediglich ihre eigene Bewertung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts setzen.
Soweit die Revision auf die Beschlüsse des OVG Münster vom 4. Mai 2000(– 12d A 4145/99.O – IÖD 2001, 53) und vom 5. Mai 2000(– 12d A 4813/99.O –) hinweist, die aus Anlaß vorläufig verhängter disziplinarischer Maßnahmen gegenüber Beamten der Finanzverwaltung ergangen sind, die sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht und sich durch Selbstanzeigen geoffenbart hatten, vermag dies die einzelfallbezogene Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts nicht in Frage zu stellen. Ungeachtet des Umstands, daß das Arbeitsrecht und das Disziplinarrecht eigenständige Rechtsgebiete darstellen, weshalb die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verfehlt wäre(Conze ZTR 1989, 3 ff. mwN), sind die im Rahmen der disziplinarrechtlichen Interessenabwägung maßgeblichen Überlegungen zwar in ähnlicher Weise auch bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB anzustellen(Nissen ZTR 2000, 402, 403). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß das Beamtenverhältnis im Gegensatz zum Angestelltenverhältnis auf Lebenszeit angelegt ist.
Soweit das OVG Münster in den zitierten Entscheidungen die disziplinarrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit einer Selbstanzeige ua. damit begründet hat, die strafrechtlich günstigen Wirkungen der Selbstanzeige nach § 371 AO könnten den betroffenen Beamten auch disziplinarrechtlich in eine kaum auflösbare Konfliktlage bzw. Zwangslage bringen, da er gerade aufgrund seiner Selbstoffenbarung riskiere, wegen bislang noch unentdeckter Vorgänge disziplinarrechtlich verfolgt zu werden, handelt es sich um keinen Gesichtspunkt, der hier geeignet wäre, sich entscheidend zugunsten der Klägerin auszuwirken. Es fehlt insoweit an einer Schutzwürdigkeit, da sich die Klägerin durch ihr schwerwiegendes Steuerdelikt selbst in diese Konfliktsituation gebracht hat.
Wollte man – worauf die Revision letztlich abzielt – einer Selbstanzeige nach § 371 AO arbeitsrechtlich die Bedeutung eines „absoluten” Milderungsgrundes zubilligen, würde dies im Ergebnis bedeuten, einer von einer Angestellten der Finanzverwaltung verübten und nach der genannten Vorschrift offenbarten Steuerhinterziehung generell die Eignung als Grund für eine außerordentliche Kündigung abzusprechen. Eine solche Betrachtungsweise wäre indessen mit Sinn und Zweck des § 371 AO nicht vereinbar.
e) Dem angefochtenen Urteil ist allerdings nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das Landesarbeitsgericht geprüft hat, ob der tariflich ordentlich nicht mehr kündbaren Klägerin nur unter Einhaltung einer Auslauffrist hätte gekündigt werden können. Sinn und Zweck des tariflichen Alterskündigungsschutzes – hier § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 1 BAT – erfordern es im Falle einer allein noch möglichen außerordentlichen Kündigung, dem altersgesicherten Arbeitnehmer zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs eine der fiktiven Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuräumen, wenn einem vergleichbaren Arbeitnehmer ohne gesteigerten Kündigungsschutz bei gleicher Sachlage nur fristgerecht gekündigt werden könnte(BAG 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 – AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 nF Nr. 177). Das Landesarbeitsgericht hat zwar die tarifliche Unkündbarkeit der Klägerin nach § 53 Abs. 3 BAT im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin berücksichtigt und auf die verschärften Pflichten des Arbeitgebers abgestellt, bei ordentlich unkündbaren Beschäftigten mit allen zumutbaren Mitteln eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu versuchen. Als andere Möglichkeiten hat es dabei aber ausdrücklich nur eine Versetzung bzw. Umsetzung der Klägerin innerhalb der Finanzbehörde, nicht jedoch die Einräumung einer der sonst einschlägigen tariflichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist geprüft. Diese Prüfung, bei der die Tatsacheninstanz einen Beurteilungsspielraum hat, in den der Senat nicht eingreifen möchte, wird nach der Zurückverweisung nachzuholen sein. Sollte die Interessenabwägung ergeben, daß nur eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist möglich war, so wird allerdings zu beachten sein, daß für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist nach der Senatsrechtsprechung eine Beteiligung des Personalrats nach den für ordentliche Kündigungen geltenden Regelungen erforderlich ist(Senat 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10, 22).
II. Eine Zurückverweisung ist auch nicht im Hinblick auf die Rüge der Revision entbehrlich, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört (§ 565 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO). Die Personalratsanhörung nach § 72 Abs. 2 LPVG NW zu der außerordentlichen, fristlosen Kündigung ist nicht zu beanstanden.
a) Die Revision rügt ohne Erfolg, das beklagte Land habe die Steuerdaten der Klägerin an den Personalrat übermittelt und damit das Steuergeheimnis des § 30 AO verletzt, was zur Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Wie bereits dargelegt, war die arbeitsrechtliche Offenbarung und Verwertung der steuerlichen Daten aus der Selbstanzeige der Klägerin gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zulässig. Dies schloß auch die Mitteilung der entsprechenden Steuerdaten an den Personalrat ein.
b) Weitere konkrete Beanstandungen zur Personalratsanhörung hat die Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht mehr vorgebracht, nachdem das beklagte Land die Einzelheiten der Personalratsanhörung näher dargelegt hatte. Insbesondere die Rüge, der Kündigungsgrund sei dem Personalrat nicht ausreichend mitgeteilt worden, ist nicht erhoben worden. Die Revision geht selbst davon aus, der Steuervorgang der Klägerin sei dem Personalrat voll umfänglich dargelegt worden und sieht darin lediglich einen Verstoß gegen § 30 AO.
III. Die Zurückverweisung umfaßt auch den Weiterbeschäftigungsantrag.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Fischermeier, Heise, Baerbaum
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 682498 |
HFR 2003, 183 |
NJW 2002, 2582 |
NWB 2001, 4392 |
ARST 2002, 56 |
FA 2001, 379 |
FA 2002, 155 |
JR 2002, 132 |
NZA 2002, 1030 |
ZTR 2002, 81 |
AP, 0 |
EzA |
PStR 2002, 59 |
PersR 2001, 489 |
PersV 2002, 567 |