Entscheidungsstichwort (Thema)
Fluggesellschaft. Bordpersonal. Einsatzort
Leitsatz (redaktionell)
Eine einseitige Veränderung des Einsatzorts, der den Beginn der für die Arbeitszeit maßgeblichen “Arbeitstätigkeit” bestimmt, ist eine Versetzung, wenn die tariflichen Regelungen die Arbeitszeit am Einsatzort beginnen lassen.
Normenkette
GewO § 106; BGB § 315 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2, § 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 10.03.2008; Aktenzeichen 17 Sa 1548/07) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.08.2007; Aktenzeichen 12 Ca 9209/06) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 2008 – 17 Sa 1548/07 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei Versetzungen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.
Rz. 2
Die Beklagte ist eine Luftverkehrsgesellschaft, die ca. 2.000 Mitarbeiter des fliegenden Personals beschäftigt. Der zentrale Einsatzort des fliegenden Personals ist Frankfurt am Main; daneben ist in geringerem Umfang fliegendes Personal auch in Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart stationiert. Außerdem waren bis 31. März 2007 ca. 100 Mitarbeiter des fliegenden Personals in Berlin stationiert. Bei der Beklagten besteht eine Personalvertretung für das fliegende Personal.
Rz. 3
Die 1967 geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltsverpflichtete und in Berlin wohnende Klägerin ist seit Oktober 1991 bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft individualvertraglicher Bezugnahme die jeweils gültigen kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen Anwendung. Der noch mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1991 lautet auszugsweise:
“1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
…
Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main.
SÜDFLUG kann Frau R… auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen.”
Rz. 4
Die Klägerin wird seit 1992 vom Stationierungsort Berlin-Schönefeld aus eingesetzt.
Rz. 5
Sie wurde seit geraumer Zeit, zumindest aber in den letzten zwei Jahren vor den hier im Streit stehenden Maßnahmen, nur noch in geringem Umfang, etwa fünfmal im Jahr, von Berlin-Schönefeld aus eingesetzt. Für die restlichen Flugeinsätze wurde sie zu den an anderen Flughäfen beginnenden Flügen auf Kosten der Beklagten befördert (sog. Dead-Head-Zeit). Hierzu heißt es in dem ab 1. Februar 2005 geltenden Manteltarifvertrag Nr. 1a Kabinenpersonal Condor (MTV Nr. 1a) ua.:
Ҥ 7 Arbeits-, Flugdienst- und Ruhezeiten
(1) Die Arbeitszeit umfasst die Zeit, in der der Mitarbeiter auf Anordnung der Condor Dienst leistet.
Zur Arbeitszeit zählt:
…
b) die Zeit, in der der Mitarbeiter zum Antritt bzw. nach Beendigung des Dienstes ohne eigene Arbeitsleitung mitfliegt oder mit Ersatztransportmitteln befördert wird,
…
§ 7a Freie Tage am dienstlichen Wohnsitz
(1) Den Mitarbeitern stehen in jedem Kalenderjahr 122 freie Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz zu (dienstlicher Wohnsitz ist der im Arbeitsvertrag hierzu bestimmte Ort). …
…
§ 9 Vergütung
…
(7) Die in jedem Monat erfolgten Dead-Head-Einsätze werden gesondert erfasst und ausgewiesen. Alle über 2,5 Stunden monatlich hinausgehenden Dead-Head-Stunden werden mit dem Stundensatz gemäß § 2 des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zusätzlich vergütet. …”
Rz. 6
Am 22. August 2006 schlossen die Beklagte und die bei ihr bestehende Personalvertretung des fliegenden Personals einen “Interessenausgleich/Sozialplan für die Beendigung der Stationierung von Cockpit- und Kabinenpersonal in Berlin-Schönefeld”. Dieser lautet auszugsweise:
“Präambel
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Condor abzusichern und darüber hinaus die notwendige Wachstumsfähigkeit des Unternehmens wieder zu erlangen, ist beabsichtigt, im Kalenderjahr 2006 den Stationierungsort Schönefeld für das fliegende Personal der Condor zu beenden. Dies ist im Hinblick auf die dauerhaft geringe Anzahl an An- und Abflügen von Schönefeld unumgänglich.
I. Interessenausgleich
…
§ 2 Beschreibung
Es wurde eine Crew-Bedarfsplanung für die Station SXF auf der Basis der langfristigen Netzplanung erstellt, das für diesen Stationierungsort mit Wirkung zum 31.03.2007 zu einer Betriebsschließung und damit zu einem Wegfall von insgesamt 100 Stellen führt:
…
§ 3 Zeitplan
Die notwendigen überörtlichen Versetzungen auf anderweitige Arbeitsplätze werden voraussichtlich bis 30.09.2006 ausgesprochen.
Die betroffenen Mitarbeiter werden über die Einzelheiten ihrer Weiterbeschäftigung individuell befragt. Mitarbeiter, die sich nicht oder nicht rechtzeitig erklären, erhalten einen Versetzungsvertrag zum Stationierungsort Frankfurt (FRA) zum Schließungstermin.
§ 4 Ziele/Maßnahmen
…
Für unmittelbar vom Arbeitsplatzverlust in SXF betroffene Mitarbeiter, die vor dem 01.04.1952 geboren sind, besteht trotz der grundsätzlichen Beendigung des Stationierungsortes SXF insoweit Bestandsschutz bis zum Ende ihrer aktiven fliegerischen Tätigkeit bei CFG.
Der Stationierungsort für diese Mitarbeitergruppe ist Berlin.
…
Im Übrigen ist der Personalabbau bei SXF vorrangig durch folgende Maßnahmen zu bewirken:
1. Weiterbeschäftigung bei Condor
Jedem vom Arbeitsplatzverlust in SXF betroffenen Mitarbeiter wird angeboten, an einem anderen Stationierungsort weiter in seiner bisherigen Funktion zu arbeiten. …
…
§ 5 Personelle Maßnahmen
1. Versetzung/Änderungskündigung
a) Versetzungen können in Form der arbeitsvertraglichen Vereinbarung als auch bei Änderungskündigungen schriftlich und unter Berücksichtigung nach § 2 Nachweisgesetz erfolgen.
…”
Rz. 7
Die Beklagte bot den betroffenen Arbeitnehmern formularmäßig mit der Bitte um verbindliche Erklärung bis zum 22. September 2006 ua. eine einverständliche Versetzung zu den Flughäfen Frankfurt am Main, Hamburg und Stuttgart an. Die Flughäfen Hamburg und Stuttgart sind keine Stationierungsorte. Dasselbe gilt für die Flughäfen Düsseldorf, Hannover und München. Diese Flughäfen sind dennoch Einsatzorte von fliegendem Personal.
Rz. 8
Mit Schreiben vom 9. November 2006 beantragte die Beklagte bei der Personalvertretung die Zustimmung zur Versetzung der Klägerin an den neuen Stationierungsort Frankfurt am Main sowie zu einer vorsorglichen entsprechenden Änderungskündigung. Die Personalvertretung stimmte mit Schreiben vom 13. November 2006 zu.
Rz. 9
Mit Schreiben vom 29. November 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit:
“…
Sehr geehrte Frau …
in dem mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag ist das Recht vorbehalten, Sie an einem anderen Ort in Deutschland zu beschäftigen. Mit Wirkung zum 01.04.2007 werden sie daher unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion von Schönefeld nach Frankfurt versetzt.
…
Rein vorsorglich für den Fall der Nichtannahme dieser Vertragsänderung sind wir gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin, dies ist nach unserer Rechnung zum 30.06.2007, zu kündigen. Gleichzeitig bieten wir Ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.07.2007 zu den oben genannten geänderten Bedingungen an. Die Kündigung ist notwendig geworden, weil für Sie nach Schließung des Stationierungsortes Schönefeld dort kein Arbeitsplatz mehr vorhanden ist.
Sofern Sie zur Versetzung ihre Zustimmung nicht erteilen, endet Ihr Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2007. Bitte bestätigen Sie uns Ihr Einverständnis mit der Versetzung durch Unterzeichnung und Rückgabe der Kopie dieses Schreibens bis spätestens 22.12.2006.”
Rz. 10
Bei Zugang dieses Schreibens befand sich die Klägerin in Elternzeit. Eine Zulässigkeitserklärung der zuständigen Landesbehörde zur Änderungskündigung liegt nicht vor. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 nahm die Klägerin das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen unter Vorbehalt an. Die Beklagte erläuterte der Klägerin mit auf den 22. Dezember 2006 datiertem Schreiben, bei dem Schreiben vom 29. November 2006 habe es sich um eine unbedingte und nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängige Versetzung gehandelt. Mit Schreiben vom 6. März 2007 erklärte sie erneut die Versetzung der Klägerin von Berlin-Schönefeld nach Frankfurt am Main mit Wirkung vom 1. April 2007.
Rz. 11
Mit ihrer am 20. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Versetzungen und die Änderungskündigung gewandt. Sie hat bestritten, dass die Beklagte tatsächlich die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die Station Berlin-Schönefeld für das fliegende Personal zu schließen. Sofern es eine solche Entscheidung gegeben haben sollte, sei diese jedenfalls nicht umgesetzt worden. Die Station Berlin-Schönefeld werde in bisherigem Umfang weitergeführt. Nach wie vor sei fliegendes Personal in Berlin-Schönefeld verblieben. Dies seien die vor dem 1. April 1952 geborenen Mitarbeiter des fliegenden Personals. Es fänden auch weiterhin in unverändertem Umfang An- und Abflüge nach/von Berlin-Schönefeld statt. Die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin in Berlin-Schönefeld sei daher nicht weggefallen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochenen Versetzungen seien schon deshalb unwirksam, weil der Beschäftigungsort auf Berlin festgelegt sei. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel sei zudem zu unbestimmt und verstoße daher gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Ausspruch der Versetzungen sei auch nicht unter Beachtung billigen Ermessens erfolgt, weil die sozialen Belange der einzelnen, von den Versetzungen betroffenen Arbeitnehmer nicht hinreichend in die Abwägung einbezogen worden seien. Die Versetzungen verstießen zudem gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Im Rahmen der Änderungskündigung sei die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Rz. 12
Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, dass die mit Schreiben vom 29. November 2006 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist,
2. festzustellen, dass die mit Schreiben vom 6. März 2007 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist,
3. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 29. November 2006 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
Rz. 13
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, ihre Geschäftsleitung habe im Frühjahr 2006 beschlossen, die Station Berlin-Schönefeld für das fliegende Personal vollständig zu schließen und den Betrieb stillzulegen. Dies habe sie zum 31. März 2007 umgesetzt. In Berlin-Schönefeld befänden sich nur noch der frühere Betriebsleiter für den Stationsbetrieb und der ehemals für die Crew-Betreuung zuständige Mitarbeiter. Beide seien nunmehr mit anderen Aufgaben betraut und jedenfalls nicht mehr für die Betreuung des fliegenden Personals zuständig. Die in Berlin-Schönefeld stationierten Mitarbeiter seien bis zum 31. März 2007 von der Stationsleitung Berlin-Schönefeld geführt worden und hätten von dort ihre Einsatzanweisung erhalten. Seit dem 31. März 2007 gebe es in Berlin-Schönefeld keine Einsatzleitung, keine Räumlichkeiten für die Stationsmitarbeiter, keine Postfächer und keine sonstigen Anlaufstellen mehr. Leitung und Einsatz erfolgten nunmehr von Frankfurt am Main aus. Die Aufgabe von Berlin-Schönefeld als Stationierungsort für das fliegende Personal sei daher mit einer Betriebsstilllegung gleichzusetzen. Sie habe im Rahmen der Versetzungsentscheidung ihr wirtschaftliches Interesse gegen das Interesse der Mitarbeiter abgewogen.
Rz. 14
Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit für die Revision maßgeblich, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Rz. 15
In der mündlichen Revisionsverhandlung vom 21. Juli 2009 hat die Beklagte die Revision insoweit zurückgenommen, als sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Änderungskündigung der Beklagten vom 29. November 2006 gerichtet hat.
Entscheidungsgründe
Rz. 16
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen die klagestattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Über die Wirksamkeit der Änderungskündigung ist nicht mehr zu entscheiden. Die Beklagte hat insoweit die Revision zurückgenommen.
Rz. 17
I. Die Klage ist begründet. Die von der Beklagten ausgesprochenen Versetzungen der Klägerin von Berlin-Schönefeld nach Frankfurt am Main vom 29. November 2006 und vom 6. März 2007 sind unwirksam.
Rz. 18
1. Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 29. November 2006 so ausgelegt, dass es nicht nur ein Angebot zur Vertragsänderung, sondern auch eine Versetzungsanordnung enthalte, die nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt sei. Dem ist zuzustimmen.
Rz. 19
a) Bei dem Schreiben vom 29. November 2006 handelt es sich um eine vom Senat überprüfbare typische Willenserklärung. Der Wortlaut des Schreibens ist in allen 26 Revisionsverfahren identisch. Die Beklagte hat den vorformulierten Text damit in einer Vielzahl von Fällen verwendet. Solche Mustererklärungen unterliegen der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (Senat 17. Juli 2007 – 9 AZR 1113/06 – Rn. 31, AP ATG § 6 Nr. 3). Entgegen der Revision ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
Rz. 20
b) Das ergibt sich bereits aus der Gestaltung des Schreibens der Beklagten. Im ersten Absatz heißt es, die Klägerin werde “von Schönefeld nach Frankfurt versetzt”. Die Absätze 3 und 4 des Schreibens enthalten eine davon zu trennende andere Willenserklärung, nämlich eine Änderungskündigung.
Rz. 21
2. Die Beklagte ordnete Versetzungen im arbeitsrechtlichen Sinn an, mit denen die Zuordnung zum Einsatzort geändert werden sollte.
Rz. 22
Eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort setzt in der Regel den dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle/in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers voraus. Dem Versetzungsbegriff ist immanent, dass mit dem Wechsel auch eine Änderung des Tätigkeitsbereichs, dh. der Art, des Orts oder des Umfangs der Tätigkeit verbunden ist (Senat 13. März 2007 – 9 AZR 362/06 – Rn. 15, EzTöD 100 TVöD-AT § 4 Abs. 1 Versetzung Nr. 2). Eine Versetzung setzt nicht notwendig die Zuordnung zu einem anderen Betrieb voraus. Auch die Zuweisung eines anderen regelmäßigen Arbeitsorts kann ausreichen. Das ist vor allem bei den Arbeitnehmern der Fall, die ihre regelmäßige Tätigkeit nicht in einer ortsgebundenen betrieblichen Organisation erbringen. So ist es hier. Regelmäßiger Arbeitsort der Flugbegleiter ist nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen keinen gewöhnlichen Arbeitsort (Senat 18. November 2008 – 9 AZR 815/07 – Rn. 43, EzA AWbG NW § 7 Nr. 32). Das Flugzeug wird auch nicht zwangsläufig am Einsatzort bestiegen. Es ist durchaus üblich und wird durch den Flugplan bestimmt, dass der Flug an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen startet. Eine Veränderung des Einsatzorts bedeutet deshalb nicht ohne Weiteres und nicht unmittelbar eine Änderung des tatsächlichen Arbeitsorts. Der Einsatzort hat eine andere Bedeutung. Nach § 7 Abs. 1 Buchst. b MTV Nr. 1a ist die Zeit, “in der der Mitarbeiter zum Antritt bzw. nach Beendigung des Dienstes ohne eigene Arbeitsleistung mitfliegt oder mit Ersatztransportmitteln befördert wird” (Dead-Head) Arbeitszeit. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 1a stehen dem Mitarbeiter in jedem Kalenderjahr 122 freie Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz zu. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Arbeitszeit. Weicht der Flughafen, an dem der Flug startet, hiervon ab, ändert dies nichts. Die Arbeit wird am Einsatzort angetreten. Der “Dead-Head”-Transport vom Einsatzort zum Flughafen des Abflugs gilt tariflich als Arbeitszeit. Eine Veränderung des Einsatzorts hat deshalb wesentliche Auswirkungen. Die Arbeitszeit und die notwendigen Ruhezeiten berechnen sich anders. Der in Berlin wohnende Flugbegleiter, dessen Einsatzort von Berlin nach Frankfurt am Main verlagert wird, muss die Fahrtkosten zum Abflughafen Frankfurt am Main selbst tragen. Die Fahrtzeit gilt nicht mehr als Arbeitszeit. Eine einseitige Veränderung des Einsatzorts, der den Beginn der für die Arbeitszeit maßgeblichen “Arbeitstätigkeit” bestimmt, ist deshalb eine Versetzung. Denn die tariflichen Regelungen lassen am Einsatzort die Arbeitszeit beginnen.
Rz. 23
3. Die Versetzungen der Klägerin vom Einsatzort Berlin-Schönefeld zum Einsatzort Frankfurt am Main sind unwirksam. Sie entsprechen schon nicht billigem Ermessen. Deshalb kann der Senat offenlassen, ob die Versetzungen überhaupt vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst sind.
Rz. 24
a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat 11. April 2006 – 9 AZR 557/05 – Rn. 35, BAGE 118, 22). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar. Stehen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen fest, kann das Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen (Senat 11. April 2006 – 9 AZR 557/05 – Rn. 50, aaO). Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 28. November 1989 – 3 AZR 118/88 – zu II 1a der Gründe, BAGE 63, 267).
Rz. 25
b) Diesen Erfordernissen wird der Sachvortrag der Beklagten nicht gerecht. Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 106 GewO. Dazu gehört, dass er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht (Senat 13. März 2007 – 9 AZR 433/06 – Rn. 81, AP BGB § 307 Nr. 26). Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, welche berechtigten eigenen Interessen an den Versetzungen bestehen. Sie beruft sich ausschließlich darauf, der Arbeitsplatz der Flugbegleiter sei weggefallen, weil die Station Berlin-Schönefeld zum 31. März 2007 vollständig stillgelegt worden sei. Das würde voraussetzen, dass nur Stationierungsorte auch Einsatzorte von Flugbegleitern sein können. Dies ist schon nach dem Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Sie hat vorgetragen, sie betreibe nicht an jedem Einsatzort des Personals auch einen Stationierungsort, wie etwa an den Flughäfen Düsseldorf, Hannover, Hamburg, München, Stuttgart und ab April 2007 Berlin-Tegel. Die Beklagte bot konsequenterweise betroffenen Arbeitnehmern formularmäßig an, sich mit einer Versetzung/Stationierung ua. nach Hamburg oder Stuttgart einverstanden zu erklären. Warum dort ein Einsatzort ohne vorhandene Station bestehen kann, in Berlin-Schönefeld aber nicht, ist nicht nachvollziehbar. Auf wirtschaftliche Gründe beruft sich die Beklagte nicht. Diese könnten daraus folgen, dass wegen veränderter Flugpläne nur noch wenige oder keine Flüge mehr in Berlin-Schönefeld starten würden. Dann könnten sich die “Dead-Head”-Zeiten der in Berlin wohnenden Flugbegleiter erheblich ausweiten mit der Konsequenz höherer unproduktiver Arbeitszeiten. Hierzu hat die Beklagte nichts vorgetragen.
Rz. 26
II. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Gallner, Krasshöfer, Jungermann, Müller
Fundstellen