Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des KSchG
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG sind nur Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die bereits am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigt waren. Danach neu oder zum Ersatz für ausgeschiedene Arbeitnehmer eingestellte Personen sind nicht mitzuzählen.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. September 2005 – 7 Sa 959/05 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und über die Frage, ob die monatliche Arbeitszeit der Klägerin 86,40 Stunden beträgt.
Die am 11. September 1952 geborene Klägerin war seit dem 15. Februar 2000 als Teilzeitkraft im Büro der Beklagten gegen einen Stundenlohn von 15,00 DM tätig.
Die Arbeitszeit der Klägerin hing vom Arbeitsanfall ab. Die Beklagte bietet Zeiterfassungssysteme mit Hard- und Software-Komplettlösungen an. Die Aufgabe der Klägerin bestand darin, Telefonakquise bei bestehendem Kundeninteresse durchzuführen, Nachfragen zur Auftragsausführung vorzunehmen und den Kundenbestand zu pflegen. Es handelte sich hierbei um Vorbereitungen für nachfolgende sog. Erstgespräche. Die eigentlichen Beratungsgespräche sowie die Präsentation der Produktpalette der Beklagten erfolgte durch andere Mitarbeiter. Von Anfang an arbeitete die Klägerin nahezu 20 Wochenstunden. Die Beklagte zahlte ihr hierfür ein Entgelt in Höhe von 1.300,00 DM (= 664,68 Euro). Im Verlauf ihrer Zusammenarbeit erhielt sie ein monatliches Entgelt in Höhe von 851,33 Euro brutto. Diesem Bruttoentgelt lag eine monatliche Sollarbeitszeit von 86,40 Stunden zugrunde.
Unter Berufung auf § 10 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 16. Oktober 2000 reduzierte die Beklagte die Wochenstundenzahl ab Mai 2004 auf zehn Stunden.
Die Beklagte beschäftigte neben der Klägerin unstreitig folgende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F… seit dem 13. Januar 2000 (40 Stunden), H… seit dem 17. Juli 1995 (40 Stunden), S… seit dem 29. März 1999 (40 Stunden), O… seit dem 9. September 2003 (20 Stunden), G… bis zum 30. September 2003, R… in der Zeit vom Oktober 2003 bis Januar 2004, wobei deren Stundenumfang streitig ist, Z… ab 20. April 2004 (40 Stunden), Sk in den Monaten Januar und Februar 2004, J… bis zum 31. Dezember 2003 sowie N… ab dem 24. Mai 2004.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 1. September 2004.
Mit ihrer am 27. Mai 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellung eines Beschäftigungsanspruchs von mindestens 20 Wochenstunden geltend gemacht. Mit Klageerweiterung vom 5. August 2004 hat sie sich gegen die Kündigung vom 20. Juli 2004 gewandt. Zur Begründung ihrer Klage hat sie die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis habe sich auf 20 Wochenstunden konkretisiert; die Beklagte habe dies in der Vergangenheit über die in die EDV vorgegebene Sollzeit von 86,40 Monatsstunden festgeschrieben. Eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit werde nicht vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte führe weiterhin Telefonakquise durch. Auf das Arbeitsverhältnis finde auch das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Beklagte habe am 31. Dezember 2003 mehr als fünf Arbeitnehmer, nämlich F…, R…, H…, S…, J… sowie O… (0,5) und sie, die Klägerin (0,5), beschäftigt. Im Jahr 2003 seien für die ausgeschiedenen Angestellten G… und J… Nachfolger, nämlich N… und Z…, eingestellt worden. Bis zu deren Einstellung hätten andere Mitarbeiter, wie beispielsweise Ri, die anfallenden Arbeiten ausgeführt.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision noch von Interesse – zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juli 2004 aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass ihre regelmäßige monatliche Arbeitszeit bei 86,40 Stunden liegt und die Beklagte ihr ein monatliches Festgehalt von 851,33 Euro brutto schuldet.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt: Auf Grund des Arbeitsvertrags sei ein 10-stündiger Einsatz möglich. Die Kündigung sei rechtswirksam. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe sie sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt; zum 31. Dezember 2003 hingegen regelmäßig nicht mehr als fünf Mitarbeiter. Bei der Bestimmung der Betriebsgröße per 31. Dezember 2003 seien die Mitarbeiter Z… und N… nicht zu berücksichtigen, sie seien erst im Verlauf des Jahres 2004 eingestellt worden. Zum Kündigungszeitpunkt habe sie nur noch vier Arbeitnehmer beschäftigt. Ri sei als freier Handelsvertreter tätig geworden und deshalb bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die Kündigung sozial gerechtfertigt. Sie habe die Telefonakquise eingestellt, andere Einsatzmöglichkeiten hätten für die Klägerin nicht bestanden. Die Kundengewinnung erfolge nunmehr ausschließlich durch Schaltung von Anzeigen und Internetauftritten bzw. Werbemaßnahmen über Berichte in Fachzeitschriften.
Das Arbeitsgericht hat – soweit für die Revision noch von Interesse – die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung der Beklagten vom 20. Juli 2004 sei rechtswirksam. Sie sei nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF nicht am Kündigungsschutzgesetz zu überprüfen. Die Beklagte habe zum Kündigungszeitpunkt in ihrem Betrieb in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Besitzstandsregel des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen. Durch das Absinken der Zahl der bis zum 31. Dezember 2003 beschäftigten Arbeitnehmer auf nur noch vier Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt sei der Kündigungsschutz für alle “Altbeschäftigten” entfallen. Dieser Kündigungsschutz sei davon abhängig, dass entweder mehr als fünf “Altbeschäftigte” im Betrieb verblieben oder dass – sofern dies nicht der Fall sei – unter Hinzuziehung der Neueinstellungen der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern überschritten werde. Eine Nachbesetzung von Arbeitsplätzen wirke sich nicht kündigungsschutzerhaltend aus, solange die neue regelmäßige Beschäftigtenzahl von zehn Arbeitnehmern nicht erreicht werde. Die Klägerin habe im Entscheidungsfall nicht dargelegt, dass die erforderliche Betriebsgröße von 5,25 “Altbeschäftigten” im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch vorgelegen habe. Es seien lediglich vier “Altbeschäftigte” und zwei Neubeschäftigte zum Kündigungszeitpunkt bei der Beklagten tätig gewesen. Es sei ohne rechtliche Bedeutung, dass die nunmehr vollbeschäftigten Mitarbeiter Z… und N… möglicherweise der Mitarbeiterin G… bzw. der in der Zwischenzeit beschäftigten Mitarbeiterin R… oder den Mitarbeitern Ri bzw. N… nachgefolgt seien. Schließlich widerspreche die Kündigung auch nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben oder sei nach § 612a BGB unwirksam. Sachwidrige Kündigungsmotive seien nicht dargelegt worden. Auch habe die Klägerin auf Grund der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kein rechtliches Interesse mehr an der Feststellung des Inhalts ihres Arbeitsvertrages, weshalb die Klage insoweit unzulässig sei.
B. Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in wesentlichen Teilen der Begründung.
I. Die Kündigung vom 20. Juli 2004 zum 1. September 2004 ist rechtswirksam. Sie ist nicht am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfen. Auf Grund der geringen Betriebsgröße findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung (§ 23 Abs. 1 KSchG).
1. Auf die Kündigung vom 20. Juli 2004 ist das Kündigungsschutzgesetz idF ab 1. Januar 2004 (Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 BGBl. I S. 3002) anzuwenden.
2. Die Klägerin genießt keinen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung, weil die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt weder mehr als zehn Arbeitnehmer noch mehr als fünf “Alt-Arbeitnehmer” in ihrem Betrieb beschäftigte. Entgegen der Auffassung der Revision reichen Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene “Alt-Arbeitnehmer” nicht aus, um noch zu einer Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu gelangen. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF als auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung.
3. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG genießen Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel fünf oder weniger beschäftigten Arbeitnehmern nach der Zählweise des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG keinen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes.
Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtslage. Mit Überschreiten dieses Schwellenwertes findet deshalb grundsätzlich der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung. § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF schränkt diese Rechtsfolge allerdings ein: Nur wenn der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG wegen des Bestehens von “Alt-Arbeitsverhältnissen” überschritten ist, wird der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet.
a) § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF regelt, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis (erst) nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat, nicht unter den Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme der §§ 4 – 7 und § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG fallen, wenn nicht mehr als zehn Arbeitnehmer im Beschäftigungsbetrieb tätig sind. Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung somit erstmalig am 1. Januar 2004 oder später aufgenommen haben, können sich auf die Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nur dann berufen, wenn im Beschäftigungsbetrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren, von § 23 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. KSchG nF nicht erfasst sind. Für sie richtet sich der Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes weiterhin nach dem Schwellenwert, wie er sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG ergibt. Damit hat das Gesetz nicht nur einen Bestandsschutz für “Alt-Arbeitnehmer” formuliert, sondern zugleich eine “gespaltene” Anwendung des Kündigungsschutzes geschaffen. Das Kündigungsschutzgesetz gilt für am 31. Dezember 2003 beschäftigte Arbeitnehmer unverändert. Arbeitnehmer, die dagegen erst seit dem 1. Januar 2004 eingestellt wurden, genießen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes erst dann, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dies gilt auch für die Arbeitnehmer, die zwar bereits vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren, deren Beschäftigungsbetrieb jedoch nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte (vgl. APS-Moll 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 32a ff.; KR-Weigand 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 33, 33b ff.; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 23 Rn. 17; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 895 a; ders. in DB 2004, 70, 78; Bader/Bram/Dörner/Wenzel-Dörner KSchG Stand: August 2006 § 23 Rn. 24b ff.; Bader NZA 2004, 65, 66 f.; Hanau ZIP 2004, 1169, 1170; Willemsen/Annuß NJW 2004, 177, 184; Tschöpe MDR 2004, 193 f.; Bauer/Krieger DB 2004, 651; Rolfs Sozialer Fortschritt 2006, 34, 36; Quecke RdA 2004, 86, 103 f.; Bauer/Preis/Schunder NZA 2004, 195; Bender/Schmidt NZA 2004, 358 f.).
b) Die “virtuelle Spaltung des Kleinunternehmens” (vgl. zu diesem Begriff Preis in: Bauer/Preis/Schunder NZA 2004, 195)endet allerdings nicht bei der bloßen Berechnung der Schwellenwerte für die bereits zum 31. Dezember 2003 Beschäftigten einerseits und die erst ab dem 1. Januar 2004 Beschäftigten andererseits. Sie setzt sich vielmehr dahingehend fort, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur dann erfüllt sind, wenn dieser Schwellenwert von “Alt-Arbeitnehmern”, dh. solchen, die bereits zum 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren, erfüllt wird. Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF.
§ 23 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. KSchG nF befasst sich nach seinem Wortlaut mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat. § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF bezieht sich auf “diese Arbeitnehmer” und regelt weiter, dass sie bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen sind. Daraus folgt, dass Arbeitnehmer, die erst seit dem 1. Januar 2004 eingestellt werden, bei der Prüfung, ob der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung findet, erstmalig dann berücksichtigt werden, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Werden zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt, sind die erst ab dem 1. Januar 2004 eingestellten Arbeitnehmer dagegen nicht zu berücksichtigen. Weder erhalten sie den Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes für “Alt-Arbeitnehmer” noch eröffnen sie ihn für neu eingestellte Arbeitnehmer. Bei der Prüfung, ob Arbeitnehmern Kündigungsschutz zusteht, die bereits vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren, werden deshalb solche Arbeitnehmer nicht mitgerechnet, die nicht ebenfalls vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt waren. Die besitzstandswahrende Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG verliert also ihre Wirkung, wenn im maßgebenden Zeitpunkt des Kündigungszugangs wegen des Wegfalls berücksichtigungsfähiger “Alt-Arbeitnehmer” der Schwellenwert des Satzes 2 nicht allein durch “Alt-Arbeitnehmer” erreicht wird. Der im Ansatz unbefristete Bestandsschutz gilt nur so lange, wie der am 31. Dezember 2003 bestehende “virtuelle Altbetrieb” nicht auf fünf oder weniger “Alt-Arbeitnehmer” absinkt (APS-Moll 2. Aufl. § 23 KSchG Rn. 32d; KR-Weigand 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 33c; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 23 Rn. 17; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. § 23 Rn. 895a; ders. in DB 2004, 70, 78; Backmeister/Trittin/Mayer-Backmeister KSchG 3. Aufl. § 23 Rn. 21; Bader NZA 2004, 65, 67; Willemsen/Annuß NJW 2004, 177, 184; Tschöpe MDR 2004, 193, 194; Bauer/Krieger DB 2004, 651; Rolfs Sozialer Fortschritt 2006, 34, 36; Quecke RdA 2004, 86, 104; Bauer/Preis/Schunder NZA 2004, 195; Bender/Schmidt NZA 2004, 358; Insam/Zöll DB 2006, 726 und 1214, 1216 f.; aA für den Fall von Ersatzeinstellungen: Eylert/Schinz AE 2005, 5, 12; Däubler AiB 2004, 7, 8; Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner KSchR 6. Aufl. § 23 KSchG Rn. 27c; Fleischmann DB 2006, 1214, 1215).
4. Auch Sinn und Zweck der Neuregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG nF sprechen dagegen, eine Perpetuierung des Kündigungsschutzes der “Alt-Arbeitnehmer” durch Berücksichtigung von “Ersatzeinstellungen” zu bewirken.
a) Grundsätzlich wird durch die Anhebung des Schwellenwertes in § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF der betriebliche Anwendungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes eingeschränkt. Dem läuft es an sich zuwider, wenn den Arbeitnehmern ein dauerhafter Besitzstand eingeräumt wird, die zum 31. Dezember 2003 bereits beschäftigt waren. Beschäftigungsfördernd wirkt sich die Anhebung des Schwellenwertes zwar grundsätzlich bereits dann aus, wenn neu eingestellte Arbeitnehmer bis zur Schwelle des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF keinen Kündigungsschutz genießen. Wird der neu eingestellte Arbeitnehmer dagegen auch zugleich als Ersatz für einen “Alt-Arbeitnehmer” eingestellt, wird der beschäftigungsfördernde Zweck dadurch gemindert, dass der neue Arbeitnehmer den Besitzstand des “Alt-Arbeitnehmers” wahrt. Beschäftigungsförderung und Besitzstandswahrung geraten so in ein Konfliktfeld (vgl. Quecke RdA 2004, 86, 105), das so vom Gesetzgeber angesichts des klaren Wortlauts nicht angelegt werden sollte.
b) Beschäftigungsfördernd kann § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nF zudem nur dann wirken, wenn den Kleinbetrieben und ihren Arbeitgebern eine verständliche Regelung an die Hand gegeben wird. Der Gesetzgeber hat deshalb die Verständlichkeit und Praktikabilität seiner Normen zu bedenken und darf deswegen von Differenzierungen absehen, die diesem Ziel entgegenstehen. Dies betrifft vor allem Regelungen von Massenerscheinungen. Jede gesetzliche Regelung generalisiert. Der Gesetzgeber kann deshalb die Vielfalt der Fälle, die er mit seiner Regelung erfasst, nicht im Vorhinein abschließend erkennen und muss sich deswegen mit Einschätzungen begnügen. Er darf Rechtsfolgen an ein typisches Erscheinungsbild des Regelungsgegenstands knüpfen und dabei in Kauf nehmen, dass er nicht jeder Besonderheit gerecht wird. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Sachgesetzlichkeiten und die damit begründeten Randunschärfen normativer Regelungen in ständiger Rechtsprechung anerkannt (st. Rspr. vgl. 28. Juni 1960 – 2 BvL 19/59 – BVerfGE 11, 245, 254; 8. Juni 1993 – 1 BvL 20/85 – BVerfGE 89, 15, 24; 27. Januar 1998 – 1 BvL 22/93 – BVerfGE 97, 186).
Würden Ersatzeinstellungen beim Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG berücksichtigt, würde die Handhabung der Übergangsregelung angesichts des ohnehin schon nicht auf den ersten Blick eingängigen Wortlauts erheblich erschwert. Bei jeder Wiederbesetzung eines Arbeitsplatzes wäre zu fragen, ob es sich um eine “Ersatzeinstellung”, dh. konkret um den Arbeitsplatz des ausgeschiedenen “Alt-Arbeitnehmers” handelt. Problematisch wären dann bereits organisatorische Änderungen des Arbeitsplatzes und zeitliche Veränderungen und Unterbrechungen. Die Schwierigkeiten würden sich verstärken, wenn ein “Alt-Arbeitnehmer” sowie ein erst im Jahr 2004 Eingestellter mit identischem Aufgabenbereich den Betrieb zeitgleich verlassen und nur ein neuer Arbeitnehmer eingestellt wird und man prüfen müsste, auf welchen Arbeitsplatz dieser anzurechnen ist.
c) Dem kann schließlich nicht entgegengehalten werden, der Arbeitgeber könne durch einen bewussten Austausch von “Alt-Arbeitnehmern” den (Alt-) Arbeitnehmern den gesetzlichen Kündigungsschutz entziehen. Einem missbräuchlichen Verhalten des Arbeitgebers kann durch Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB begegnet werden: Austauschkündigungen, die nur dem Ziel der “Verjüngung” der Belegschaft dienen, indem sie den Kündigungsschutz von “Alt-Arbeitnehmern” abbauen, können dann unbeachtlich sein. Da dem Arbeitnehmer der Nachweis derart sachfremder Motive naturgemäß nur schwer gelingen kann, wird hierauf im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast Bedacht zu nehmen sein (vgl. hierzu BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169, zu B I 3b cc der Gründe; nachfolgend Senat 6. Februar 2003 – 2 AZR 672/01 – BAGE 104, 308). Durch eine vernünftige Anwendung der Grundsätze zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast, wie sie der Senat insbesondere zu Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes formuliert hat, wird sicherzustellen sein, solche Umgehungssachverhalte sachgerecht zu erfassen (vgl. hierzu BAG 6. Februar 2003 – 2 AZR 672/01 – aaO; 25. April 2001 – 5 AZR 360/99 – AP BGB § 242 Kündigung Nr. 14 = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 4; 21. Februar 2001 – 2 AZR 15/00 – BAGE 97, 92).
5. Auch die Gesetzesgeschichte spricht nicht gegen das sich aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG nF ergebende Ergebnis. Ein möglicher Wille des Gesetzgebers für eine umfassendere Besitzstandswahrung zu Gunsten der “Alt-Arbeitnehmer” hat sich in der Regelung nicht ausreichend niedergeschlagen.
a) Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach dem Wortlaut und Sinnzusammenhang ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf diesem Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfG 21. Mai 1952 – 2 BvH 2/52 – BVerfGE 1, 299, 312; Palandt-Heinrichs BGB 65. Aufl. Einl. Rn. 40 ff.). Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Gesetzestext Niederschlag gefunden hat. Nicht entscheidend ist deshalb die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Die Materialien dürfen deshalb nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (st. Rspr. vgl. nur BVerfG 16. Februar 1983 – 2 BvE 1-4/83 – BVerfGE 62, 3, 45).
b) Die Gesetzesgeschichte ist für die Auslegung im Entscheidungsfall wenig ergiebig. Die Ausgestaltung der Besitzstandswahrungsregelung unterlag einer wechselhaften Gesetzgebungsgeschichte. Der Gesetzgeber hat bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens, das letztendlich im Arbeitsmarkt-Reformgesetz vom 24. Dezember 2003 mündete, die “Schwellenproblematik” in § 23 KSchG als besonderes Hindernis für Neueinstellungen angesehen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 24. Juni 2003 (BT-Drucks. 15/1204 S. 1) wurde ausgeführt, dass gerade in Kleinbetrieben ein hohes Beschäftigungspotential bestehe, das durch Entschärfung der “Schwellenproblematik” im Kündigungsschutzgesetz wirksam erschlossen werden könnte. Deshalb sollten neu eingestellte Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag auf den Schwellenwert nicht angerechnet werden. Nach Art. 1 Nr. 7 Buchst. b des entsprechenden Gesetzentwurfes sollte nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nachfolgender Satz eingefügt werden (BT-Drucks. 15/1204 S. 6):
“Bis zum 31. Dezember 2008 sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag nicht zu berücksichtigen, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem … [einsetzen: Tag vor Inkrafttreten dieses Gesetzes] begonnen hat.”
In der Begründung wird unter B…. Besonderer Teil zu Art. 1 Nr. 7 Buchst. b (BT-Drucks. 15/1204 S. 14) weiter ausgeführt:
“Für die Berücksichtigung der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits im Betrieb befristet beschäftigten Arbeitnehmer gilt die frühere Rechtslage, so dass durch die Gesetzesänderung kein Arbeitnehmer seinen Kündigungsschutz verliert.”
Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU vom 18. Juni 2003 (BTDrucks. 15/1182) sah vor, den Schwellenwert des § 23 KSchG zu erhöhen. Das Kündigungsschutzgesetz sollte danach nur für Neueinstellungen nicht gelten (BTDrucks. 15/1182 S. 2). In Art. 3 Nr. 5 Buchst. b des Gesetzentwurfs war wie folgt formuliert (BT-Drucks. 15/1182 S. 7):
“Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 wird folgender Satz 3 eingefügt:
Die Vorschriften des ersten Abschnitts gelten nicht für neu eingestellte Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel 20 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt sind.”
In der Begründung zu dieser Neuregelung führt der Gesetzentwurf aus (BT-Drucks. 15/1182 S. 15):
“Es wird klargestellt, dass das Kündigungsschutzgesetz für neu eingestellte Arbeitnehmer keine Anwendung findet in Betrieben mit in der Regel weniger als 20 Arbeitnehmern. Bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben von dieser Regelung unberührt.”
Der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern zum Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung von Kleinunternehmen vom 24. September 2003 sah vor, neben der Erhöhung des Schwellenwertes auf in der Regel 20 Arbeitnehmer in § 23 KSchG einen Satz 4 einzufügen, der folgenden Wortlaut haben sollte (BR-Drucks. 701/03 S. 4, 12 und 19):
“Satz 2 berührt bis zum 31.12.2006 nicht die Rechtsstellung der Arbeitnehmer, die am 31.12.2003 gegenüber ihrem Arbeitgeber Rechte aus der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des Satzes 2 in Verbindung mit dem ersten Abschnitt dieses Gesetzes hätten herleiten können.”
In dem “Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsrechts” des Bundesrats vom 26. September 2003 (BR-Drucks. 464/03 [Beschluss]) war folgende Formulierung vorgeschlagen worden (BR-Drucks. 464/03 [Beschluss] S. 10):
“Die Vorschriften des ersten Abschnitts gelten nicht für neu eingestellte Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel 20 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt sind.”
In der Begründung zum Gesetzesentwurf (BR-Drucks. 464/03 [Beschluss] S. 36) ist ausgeführt:
“Bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben von dieser Regelung unberührt.”
Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses (vgl. BT-Drucks. 15/1792 vom 22. Oktober 2003) enthält dessen Beschlussempfehlung vom 16. Dezember 2003 (BTDrucks. 15/2245 S. 2) als Änderung zu dem vom Deutschen Bundestag am 26. September 2003 beschlossenen Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt zu Art. 1 Nr. 7 Buchst. b folgende Formulierung, die dann in das Gesetz Eingang fand:
“Nach Satz 2 wird folgender Satz eingefügt:
In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel 10 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 – 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem … [einsetzen: Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes] begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel 10 Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.”
Eine schriftliche Begründung hierzu liegt nicht vor.
c) Aus den Ausführungen zu b) ergibt sich verlässlich nur, dass eine gesetzliche Besitzstandsregelung geschaffen werden sollte. Darüber hinaus lassen sich der Gesetzgebungsgeschichte keine Anhaltspunkte für einen im Gesetzeswortlaut objektivierten Willen des Gesetzgebers finden, der über die Wortlautauslegung hinausreicht. Soweit der Gesetzgeber zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens eine weitergehende Besitzstandswahrung im Sinn gehabt haben mag, findet sich dieser Aspekt weder in den abschließenden Beratungen noch letztendlich im Wortlaut der verabschiedeten Regelung wieder. Die Beschränkung des § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF auf Fälle, in denen keine Ersatzeinstellung erfolgt, lässt sich deshalb auch unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte nicht rechtfertigen.
6. Schließlich bestehen auch weder verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Erhöhung des Schwellenwertes auf 10 Arbeitnehmer (die Verfassungsmäßigkeit bejahend: HaKo-Pfeiffer 2. Aufl. § 23 Rn. 19; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 23 Rn. 2; Löwisch BB 2004, 154, 161; Bader NZA 2004, 65, 66; kritisch: KR-Weigand 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 14 ff.) noch hinsichtlich der besitzstandswahrenden Übergangsregelung (bejahend: Eylert/Schinz AE 2005, 5,12; Hanau ZIP 2004, 1169, 1171; Quecke RdA 2004, 86, 105; aA Fleischmann DB 2006, 1214, 1215).
a) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar. Durch die Kleinbetriebsklausel werden die davon betroffenen Arbeitnehmer zwar gegenüber anderen, die in größeren Betrieben arbeiten, benachteiligt. Die Benachteiligung ist jedoch durch die besondere Interessenlage der Arbeitgeber von kleineren Betrieben gerechtfertigt (vgl. hierzu BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169). Dies gilt auch – noch – für die vorliegend vom Gesetzgeber gewählte Betriebsgröße (so auch im Ergebnis BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 22/93 – BVerfGE 97, 186). Denn der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist jedenfalls bei mehr als 20 Arbeitnehmern eröffnet, die bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten.
b) Die Neuregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG aF genügt auch dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Vertrauensschutz.
aa) Gesetzliche Regelungen müssen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) beachten. Dieses umfasst den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gebot des Vertrauensschutzes. Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet es aber nicht, die von einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeglicher Enttäuschung ihrer Hoffnungen und Erwartungen auf die Dauerhaftigkeit einer bestehenden Rechtslage zu schützen (BVerfG 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256; BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3; vgl. zu Änderungen tarifvertraglicher Regelungen über die ordentliche Unkündbarkeit: Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gewerkschaften Nr. 7 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 7).
bb) Dabei ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine unechte Gesetzesrückwirkung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich zulässig (BVerfG 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44, 48/92 – BVerfGE 95, 64, 86 ff.). In solchen Fällen ist das Vertrauen des Normadressaten in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung gegen die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (BVerfG 5. Februar 2002 – 2 BvR 305, 348/93 – BVerfGE 105, 17, 40). Diese Abwägung ergibt, dass das durch Auslegung ermittelte Ergebnis mit Verfassungsrecht im Einklang steht.
Der Gesetzgeber sieht gerade in Kleinbetrieben ein hohes Beschäftigungspotential, das durch Entschärfung der “Schwellenproblematik” im Kündigungsschutzgesetz wirksam erschlossen werden könnte (so bereits BT-Drucks. 15/1204 S. 1; ebenso BT-Drucks. 15/1509 S. 1). Die Einschätzung der maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169). Zum Abbau des vom Gesetzgeber angeführten Anstieges der Arbeitslosigkeit ist das beabsichtigte Ausschöpfen von Beschäftigungsquellen in Kleinbetrieben durch Anheben des Schwellenwerts geeignet und erforderlich.
Die Erstreckung des höheren Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf die Klägerin ist auch angemessen. Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung des Kündigungsschutzes unabhängig von der Zahl der beschäftigten “Alt-Arbeitnehmer” wiegt demgegenüber geringer. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kündigungsschutz grundsätzlich unbefristet auf der Grundlage des niedrigeren Schwellenwerts gewahrt bleibt. Lediglich bei Absinken der am 31. Dezember 2003 bestehenden Arbeitnehmer auf fünf oder weniger verliert der “Alt-Arbeitnehmer” den Kündigungsschutz. Auch die Klägerin behauptet nicht, dass der so geregelte Vertrauensschutz regelmäßig in Bälde aufgebraucht sein wird. Vielmehr stellt die vom Gesetzgeber gewählte Übergangsregelung eine vermittelnde Lösung dar: Sollen nur “Alt-Arbeitnehmer” Kündigungsschutz nach dem Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG behalten, sollen auch nur die Arbeitnehmer, die diesen ebenfalls genießen, zählen.
Hinzu kommt, dass bereits § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) als Schwellenwert eine Beschäftigung von mehr als zehn Arbeitnehmern vorsah. Die damalige Anrechnungsvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sah sogar eine Berücksichtigung von Arbeitnehmern, die nicht mehr als zehn Stunden wöchentlich arbeiteten, mit lediglich 0,25 vor. Der Schwellenwert lag damit also noch höher als nunmehr. Auch wenn der damalige Schwellenwert mit dem am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843) wiederum auf fünf gesenkt wurde, konnten die Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass es hierbei angesichts der beschäftigungspolitischen Situation auf dem Arbeitsmarkt bleiben würde.
7. Da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Klägerin zwar die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt hatte, die Beklagte jedoch in ihrem Betrieb weder mehr als fünf “Alt-Arbeitnehmer” (§ 23 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG nF) noch mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte, fand das Kündigungsschutzgesetz auf die streitgegenständliche Kündigung keine Anwendung.
Zum Zeitpunkt der Kündigung am 20. Juli 2004 bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine ausreichende “Altmannschaft” mehr. Zu diesem Zeitpunkt waren aus der “Altmannschaft” nur noch F…, H…, S… sowie die Teilzeitbeschäftigte O und die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt. Auf die möglichen “Nachbesetzungen” kommt es nach dem oben Ausgeführten nicht an.
II. Andere Unwirksamkeitsgründe hat die Klägerin in der Revisionsinstanz nicht mehr geltend gemacht.
III. Die Revision ist, soweit sie den Antrag zu 2) betrifft, unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
1. Zur Zulässigkeit der Revision gehört deren Begründung (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Die Revisionsklägerin hat für jedes mit der Revision verfolgte Begehren die Umstände darzulegen, aus denen sich eine Rechtsverletzung ergeben soll. Hat das Landesarbeitsgericht – wie hier – über mehrere selbständige Streitgegenstände mit jeweils eigenständiger Begründung entschieden, muss die Revision für jeden dieser Streitgegenstände begründet werden. Hinsichtlich eines Streitgegenstandes, für den keine Revisionsbegründung vorliegt, ist die Revision unzulässig (BAG 20. März 2002 – 4 AZR 91/01 –; 3. September 1997 – 5 AZR 428/96 – BAGE 86, 261, 263; 13. März 2003 – 6 AZR 585/01 – BAGE 105, 205). Dabei ist es notwendig, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des anzufechtenden Urteils auseinandersetzt (BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41, 44; 13. März 2003 – 6 AZR 585/01 – aaO).
2. Diesen Anforderungen genügt die Revision hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2) nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat ihn wegen des fehlenden Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO als unzulässig abgewiesen. Mit dieser Begründung hat sich die Revision nicht auseinandergesetzt. Sie hat sich vielmehr mit ihrer Revisionsbegründung allein auf den Antrag zu 1) konzentriert und zum selbständigen Streitgegenstand des Antrags zu 2) überhaupt keine Ausführungen gemacht.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Schmitz-Scholemann, Eylert, Baerbaum, Beckerle
Fundstellen