Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung von nachwirkenden Tarifverträgen durch einen nachfolgenden Verbandstarifvertrag. Klageänderung in der Revisionsinstanz. Gleichstellungsabrede
Orientierungssatz
1. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf eines Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Das kann durch einen für beide Parteien geltenden Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Regelung erfolgen. Die Nachwirkung des abgelaufenen Tarifvertrages entfällt aber nur insoweit, als die andere Abmachung denselben Regelungsbereich erfasst.
2. Die Ablösung eines nachwirkenden Tarifvertrages erfolgt nicht nur dann, wenn ein neuer Tarifvertrag die nachwirkenden Regelungen aufgreift, bestätigt, abändert oder ausdrücklich für beendet erklärt. Sie kann stillschweigend geschehen, wenn der Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu regelt, der bislang Gegenstand des nachwirkenden Tarifvertrages war.
Normenkette
TVG §§ 3, 4 Abs. 5; ZPO § 264 Nr. 2; Tarifvertrag für die Angestellten der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken vom 17. Dezember 1979; Tarifvertrag über die Zahlung von Zulagen gem. § 3 Nr. 4 des MTVAng-Arge Reha vom 17. Dezember 1979; vorläufiger Änderungstarifvertrag zur Änderung des BG-AT vom 29. August 2006
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 3. April 2008 – 17 Sa 2055/07 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 19. Oktober 2007 – 1 Ca 766/07 – teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 731,70 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 243,90 Euro seit dem 1. April 2007 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 9/20 und die Beklagte zu 11/20 zu tragen, von den weiteren Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Anwendung tariflicher Regelungen auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis und sich daraus ergebende Vergütungsansprüche des Klägers.
Rz. 2
Der Kläger war seit dem 1. April 1990 bei der Bergbau Berufsgenossenschaft als Krankenpfleger in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik B… mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 33,3 Stunden beschäftigt. Der Arbeitsvertrag des Klägers vom 20. August 2001 enthält in § 3 folgende Regelung:
“Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT) in Verbindung mit dem Tarifvertrag für die Angestellten der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (MTVAng-VBGK) und den diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.”
Rz. 3
Die Bergbau Berufsgenossenschaft war Mitglied des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. (HVBG). Der vom HVBG geschlossene Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT) vom 25. November 1961 enthielt seit dem 1. Januar 1980 ua. folgende Regelungen:
Ҥ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer der gewerblichen Berufsgenossenschaften …, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte).
…
§ 3 Ausnahmen vom Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
…
f) Angestellte, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages vom 17. Dezember 1979 für die Angestellten in berufsgenossenschaftlichen Rehabilitationseinrichtungen (MTVAng-Arge Reha) fallen.”
Rz. 4
Der am 17. Dezember 1979 geschlossene Tarifvertrag für die Angestellten in berufsgenossenschaftlichen Rehabilitationseinrichtungen (MTVAng-Arge Reha) lautete auszugsweise wie folgt:
“Zwischen
den in der Arbeitsgemeinschaft der Träger berufsgenossenschaftlicher Rehabilitationseinrichtungen (Arge Reha) zusammengeschlossenen Institutionen
1. Bergbau-Berufsgenossenschaft,
2. …
…
und
der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand –, Stuttgart,
wird folgender Tarifvertrag geschlossen:
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt
für Arbeitnehmer der in der Arge Reha zusammengeschlossenen berufsgenossenschaftlichen Rehabilitationseinrichtungen
und
für Arbeitnehmer von Berufsgenossenschaften, die überwiegend in einer dieser Rehabilitationseinrichtungen eingesetzt sind, in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung.
…
§ 2 Geltung des BG-AT-Rechts
Für die unter diesen Tarifvertrag fallenden Arbeitnehmer gilt das jeweils für die Angestellten der gewerblichen Berufsgenossenschaften geltende Tarifrecht, soweit nachstehend nichts Abweichendes vereinbart ist.
§ 3 Abweichungen vom BG-AT-Recht
Bei Anwendung des BG-AT gelten folgende Besonderheiten:
…
4. Unbeschadet des § 33 BG-AT können Zulagen nach Maßgabe eines besonderen Zulagentarifvertrages gewährt werden.
…
§ 5 Inkrafttreten
1. Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Januar 1980 in Kraft. Er kann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres, erstmalig zum 31. Dezember 1981, schriftlich gekündigt werden. Zur Kündigung ist jede der vertragsschließenden Parteien selbständig berechtigt. …”
Rz. 5
Der von den Parteien des MTVAng-Arge Reha geschlossene Tarifvertrag über die Zahlung von Zulagen gem. § 3 Nr. 4 des MTVAng-Arge Reha (ZulagenTV) vom 17. Dezember 1979 sah für die unter den Geltungsbereich des MTVAng-Arge Reha fallenden Arbeitnehmer eine monatliche Leistungszulage vor. Infolge einer Umbenennung der Arge Reha in die “Vereinigung berufsgenossenschaftlicher Kliniken” (VBGK) lautet die Bezeichnung des MTVAng-Arge Reha nunmehr “MTVAng-VBGK”.
Rz. 6
Mit Schreiben vom 24. Juni 2005 kündigte ua. die Bergbau Berufsgenossenschaft, vertreten durch den Verein für Berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung e. V., den MTVAng-VBGK und den ZulagenTV zum 30. September 2005. Am 29. August 2006 schlossen der HVBG und die Gewerkschaft ver.di einen “vorläufigen Änderungstarifvertrag” zur “Änderung des BG-AT” (ÄndTV). Dieser lautet ua.:
“Die Tarifverhandlungen des Bundes und der Kommunen zur Neugestaltung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst sind mit der Unterzeichnung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD-Bund), des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) … am 13. September 2005 zum Abschluss gekommen.
Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, im Interesse der Beschäftigten eine terminnahe Überleitung zu ermöglichen und gegebenenfalls mit zu verrechnenden Abschlagszahlungen zu überbrücken.
…
Daher wird auf der Grundlage dieses Tarifergebnisses folgender Änderungstarifvertrag zu dessen wirkungsgleicher Übernahme auf der Basis eigenständiger noch auszuformulierender Tarifverträge getroffen.
Dies bedeutet:
I. Wirkungsgleiche Übernahme der Regelungen des TVöD-Bund ab dem 1. September 2006
II. Wirkungsgleiche Übernahme der Regelungen des TVÜ-Bund ab dem 1. September 2006
…
In diesem Änderungstarifvertrag werden Besonderheiten der gewerblichen Berufsgenossenschaften wie folgt berücksichtigt:
1. Inkrafttreten am 1. September 2006
Die Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund treten für Beschäftigte der gewerblichen Berufsgenossenschaften am 1. September 2006 wirkungsgleich durch Übernahme in den BG-AT in Kraft. Zur Klarstellung wird festgestellt, dass die Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund ab 1. September 2006 auch für Angestellte der Berufsgenossengenossenschaften in “Eigenträgerkliniken” gelten; insoweit gilt die “Öffnungsklausel” in Kapitel III Nr. 18 BT-V.
…
12. In-Kraftsetzung gekündigter Tarifverträge
Mit Inkrafttreten dieses vorläufigen Tarifvertrages zur Übernahme des TVöD-/TVÜ-Bund in den BG-AT erfolgt Zug um Zug die Wiederinkraftsetzung der Anlage 1a der Entgeltordnung zum BG-AT mit Ausnahme des Teils II Abschnitt F (Angestellte im Schreib- und im Fernschreibdienst).
13. Weitergeltung bg-spezifischer Sonderregelungen
• Jubiläumszulage …
• Haftungsausschluss …
• …
• Für Beschäftigte der gewerblichen Berufsgenossenschaften werden Regelungen zum Besonderen Teil Krankenhäuser aufgenommenen, sofern sie hiervon nicht tarifvertraglich ausgenommen sind oder werden.
• …
14. Beide Vertragsparteien verpflichten sich, die Punkte 11 – 12 einvernehmlich zu regeln, Punkt 13 einvernehmlich auszuformulieren.
Durch diesen vorläufigen Tarifvertrag werden die Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund in die bislang geltende Fassung des BG-AT überführt und ersetzen die darin enthaltenen entsprechenden Regelungen. Die in Anlage 1 Teil A und B zu diesem Änderungstarifvertrag genannten Tarifverträge finden keine Anwendung mehr; die in Anlage 1 Teil C zu diesem Änderungstarifvertrag genannten Tarifverträge gelten fort, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die ausformulierte Fassung des Tarifvertrages zur Übernahme der Regelungen des TVöD-/TVÜ-Bund in den BG-AT ersetzt diesen vorläufigen Tarifvertrag insgesamt. …”
Rz. 7
Das Entgelt des Klägers wurde bis einschließlich Februar 2007 zunächst weiterhin auf Grundlage des MTVAng-VBGK sowie des ZulagenTV abgerechnet. Die Gehaltsabrechnungen enthielten ab dem Monat September 2006 bis einschließlich Februar 2007 den Hinweis, dass die Zahlungen als Abschlag unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung anhand der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen und “einer Verrechnung ggf. entstandener Überzahlungen” erfolgen “bzw. Nachzahlungen bei eventuell erfolgten Unterzahlungen geleistet” werden.
Rz. 8
Zum 1. Januar 2007 ging die Berufsgenossenschaftliche Klinik B… im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese ist nicht Mitglied des HVBG.
Rz. 9
Im März 2007 berechnete die Beklagte das Entgelt des Klägers sowohl für den Monat August 2006, für den sich eine Nachzahlung ergab, als auch für die Zeit von September 2006 bis einschließlich Februar 2007 erneut und nunmehr auf Basis der Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst in der Fassung des Bundes (TVöD) und des TVÜ-Bund. Die zuvor gezahlte Leistungszulage nach dem ZulagenTV in Höhe von monatlich 40,65 Euro brutto berücksichtigte sie ab 1. September 2006 nicht mehr. Insgesamt ergab sich nach den zwischen den Parteien unstreitigen Berechnungen der Beklagten ein Überzahlungsbetrag von 449,66 Euro brutto. Den sich daraus ergebenden Nettobetrag iHv. 296,52 Euro brutto brachte sie von dem Nettoentgelt des Klägers für den Monat März 2007 in Abzug. Der Kläger wendete sich erfolglos gegen den erfolgten Einbehalt.
Rz. 10
Mit der am 30. März 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger den einbehaltenen Nettobetrag und im Verlauf des Rechtsstreits auch die Zahlung der Leistungszulage für die Monate März 2007 bis Februar 2008. Auf sein Arbeitsverhältnis finde der ÄndTV keine Anwendung. Maßgebend seien nach wie vor der MTVAng-VBGK und der ZulagenTV, die von dem tariffähigen VBGK als Verbandstarifverträge geschlossen worden seien. Der HVBG sei für einen Tarifabschluss mit Wirkung für die von der Beklagten übernommene Klinik nicht zuständig gewesen. Zudem sei eine ausdrückliche Ablösung des MTVAng-VBGK im ÄndTV nicht vorgesehen und es sollten auch nur Regelungsbereiche des früheren BG-AT neu vereinbart werden. Daher sei die in einem besonderen Tarifvertrag geregelte Leistungszulage nicht vom ÄndTV erfasst.
Rz. 11
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 296,52 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basisdiskontsatz seit dem 1. April 2007 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 487,80 Euro brutto (Zulagen von 40,65 Euro brutto für die Monate März 2007 bis Februar 2008) zu zahlen.
Rz. 12
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der HVBG habe als zuständiger Verband durch den ÄndTV beide nachwirkenden Tarifverträge – MTVAng-VBGK und ZulagenTV – wirksam abgelöst. Ein ausdrücklicher Hinweis auf den ZulagenTV sei nicht erforderlich gewesen. Bei dem VBGK handele es sich nicht um einen tariffähigen Arbeitgeberverband. Dieser habe lediglich in Vertretung für einzelne Arbeitgeber Firmentarifverträge geschlossen.
Rz. 13
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seinen Antrag zu 1 dahingehend geändert, dass er nunmehr die Zahlung von 449,66 Euro brutto nebst Zinsen begehrt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Rz. 14
I. Die Revision des Klägers ist zulässig. Bei der Erweiterung seines Leistungsantrags zu 1 handelt sich um eine auch in der Revisionsinstanz noch statthafte Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, bei der der geänderte Antrag auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten und zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt gestützt wird (BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – zu I 2 der Gründe, AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 28; 26. August 2003 – 3 AZR 431/02 – zu A der Gründe, BAGE 107, 197, 201).
Rz. 15
II. Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Der Kläger kann von der Beklagten ab dem 1. September 2006 die Zahlung der monatlichen Zulage iHv. 40,65 Euro brutto und damit für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Gesamtbetrag iHv. 731,70 Euro brutto nebst den beantragten Zinsen verlangen. Der nachwirkende ZulagenTV wurde nicht durch den ÄndTV als andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG ersetzt. Demgegenüber ist das weitergehende Zahlungsbegehren unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers ersetzte der ÄndTV den nachwirkenden MTVAng-VBGK sowie die Regelungen des durch § 2 MTVAng-VBGK in Bezug genommenen nachwirkenden BG-AT.
Rz. 16
1. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand aufgrund der Gleichstellungsabrede in § 3 des Arbeitsvertrages ab dem 1. September 2006 der BGAT idF des ÄndTV Anwendung. Der ÄndTV ersetzte als andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG den nachwirkenden MTVAng-VBGK und den nachwirkenden BG-AT. Mit diesem Inhalt ist das Arbeitsverhältnis zum 1. Januar 2007 gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte war daher befugt, das Arbeitsverhältnis des Klägers ab dem 1. September 2006 nach den Regelungen des BG-AT idF des ÄndTV abzurechnen und etwaige Überzahlungen zu verrechnen.
Rz. 17
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Bezugnahmeklausel in § 3 des Arbeitsvertrages zu Recht als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung angesehen.
Rz. 18
aa) Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Verweisungsklauseln wie diejenige im Formulararbeitsvertrag des Klägers in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Diese Auslegungsregel hält der Senat nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die wie der des Klägers vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 geschlossen worden sind (BAG 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 42 ff., BAGE 122, 74, 87 ff.; 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/06 – Rn. 20 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; 10. Dezember 2008 – 4 AZR 881/07 – Rn. 18 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68).
Rz. 19
bb) Danach handelte es sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag des Klägers um eine Gleichstellungsabrede. Die vormalige Arbeitgeberin, die Bergbau Berufsgenossenschaft war als Mitglied des HVBG unmittelbar an den BG-AT und als Tarifvertragspartei auch an den MTVAng-VBGK gebunden, § 3 Abs. 1 TVG. Ob es sich bei dem VBGK um einen tariffähigen Arbeitgeberverband handelt, wie die Revision meint, ist unerheblich. Der MTVAng-VBGK wurde, wie sich aus dem Wortlaut des Tarifvertrages ergibt, nicht vom VBGK selbst geschlossen, sondern von dessen im Tarifvertrag einzeln aufgeführten Mitgliedern in Form eines mehrgliedrigen Tarifvertrages (vgl. dazu nur BAG 7. Mai 2008 – 4 AZR 229/07 – zu II 2a aa der Gründe, AP TVG § 1 Nr. 45). Dass der in § 3 des Arbeitsvertrages genannte BG-AT idF bis zum 31. August 2006 aufgrund der Regelung in § 3 Buchst. f) BG-AT nicht unmittelbar für die Klinik der vormaligen Arbeitgeberin galt, ist ohne Bedeutung. Denn der BG-AT galt nach der Verweisungsregelung in § 2 MTVAng-VBGK, die die damals noch von der Bergbau Berufsgenossenschaft betriebene Klinik als Rehabilitationseinrichtung nach § 1 Abs. 1 Fall 2 MTVAng-VBGK erfasste. Diese Verknüpfung beider Tarifverträge kommt auch in § 3 des Arbeitsvertrages durch die Formulierung “in Verbindung mit” zum Ausdruck. Das sehen die Parteien nicht anders.
Rz. 20
b) Ab dem 1. September 2006 war nicht mehr der MTVAng-VBGK auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden, sondern der BG-AT idF des ÄndTV, der den nachwirkenden MTVAng-VBGK als andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG ablöste. Dies ergibt die Auslegung des ÄndTV (zu den Maßstäben vgl. etwa BAG 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – Rn. 40, BAGE 124, 240).
Rz. 21
aa) Der MTVAng-VBGK wirkte aufgrund der Kündigung durch die Bergbau Berufsgenossenschaft, vertreten durch den Verein für Berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung e.V., ab dem 1. Oktober 2005 lediglich nach, § 4 Abs. 5 TVG. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war als Partei des MTVAng-VBGK (s. auch oben unter 1a bb) nach § 5 MTVAng-VBGK selbständig zur Kündigung des Tarifvertrages berechtigt. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Kläger nicht rechtzeitig darauf hingewiesen, es zweifele an der Tariffähigkeit des VBGK, ist unerheblich, da nicht entscheidungserheblich. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
Rz. 22
bb) Der ÄndTV ersetzte den MTVAng-VBGK als andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG.
Rz. 23
(1) Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf eines Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Das kann ua. durch einen für beide Parteien geltenden Tarifvertrag geschehen. Die Nachwirkung des abgelaufenen Tarifvertrages entfällt aber nur insoweit, als die andere Abmachung denselben Regelungsbereich erfasst (BAG 22. Oktober 2007 – 4 AZR 789/07 – Rn. 27, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 37 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43; 4. Juli 2007 – 4 AZR 439/06 – Rn. 21, EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 40; vgl. auch BAG 20. April 2005 – 4 AZR 288/04 – zu I 3c bb der Gründe, AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38). Maßgebend ist, inwieweit die andere tarifliche Abmachung die in den nachwirkenden Rechtsnormen behandelten Gegenstände betrifft. Dabei wird die Nachwirkung nicht nur dann beendet, wenn der neu in Kraft getretene Tarifvertrag die ursprüngliche Regelung aufgreift, bestätigt, abändert oder ausdrücklich für beendet erklärt. Auch eine stillschweigende Ablösung ist möglich, wenn ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu regelt, der bislang Gegenstand eines anderen Tarifvertrages war (vgl. BAG 6. November 1985 – 4 AZR 478/84 –; 30. Januar 2002 – 10 AZR 359/01 – zu II 1b aa der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2).
Rz. 24
(2) Durch den ÄndTV haben die Tarifvertragsparteien nicht nur lediglich schuldrechtliche Verpflichtungen wie in Nr. 14 ÄndTV vereinbart, sondern auch Rechtsnormen, die Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen (§ 1 Abs. 1 TVG) betreffen. Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen. Durch die in Nr. 1 Satz 1 und den nach Nr. 14 ÄndTV aufgeführten Regelungen wurden die Bestimmungen des TVöD und des TVÜ-Bund mit Wirkung zum 1. September 2006 in die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung des BG-AT überführt und ersetzten die darin enthaltenen entsprechenden Regelungen. Dies wird durch die Tarifsystematik bestätigt. Die in dem nach Nr. 14 ÄndTV folgenden Absatz vereinbarte Außerkraftsetzung der in der Anlage 1 Teil A und B genannten tariflichen Regelungen – ua. der BG-AT für das Beitrittsgebiet, der Manteltarifvertrag für die Arbeiterinnen und Arbeiter der gewerblichen Berufsgenossenschaften sowie der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen für Arbeiter im Beitrittsgebiet – mit Wirkung zum 1. September 2006 fügt sich nur dann in einen tariflichen Gesamtzusammenhang ein, wenn die Regelungen des TVöD und des TVÜ-Bund aufgrund des ÄndTV ab diesem Zeitpunkt normativ gelten sollen.
Rz. 25
(3) Der BG-AT idF des ÄndTV galt nach Nr. 1 Satz 2 ÄndTV auch für die bislang lediglich vom nachwirkenden MTVAng-VBGK erfassten Angestellten der Bergbau Berufsgenossenschaft, die wie der Kläger in der als Eigenträgerklinik betriebenen Klinik eingesetzt waren.
Rz. 26
Nr. 1 Satz 2 ÄndTV bezieht sich nach Wortlaut (“zur Klarstellung”) und systematischer Stellung auf das in Nr. 1 Satz 1 ÄndTV geregelte “wirkungsgleiche” Inkrafttreten der Regelungen des TVöD und des TVÜ-Bund durch Übernahme in den BG-AT. Diese neuen tariflichen Regelungen sollen auch für die Angestellten in den so genannten Eigenträgerkliniken gelten, also jenen Kliniken, deren unmittelbarer Träger die Berufsgenossenschaften sind. Damit haben die Tarifvertragsparteien die bis dahin bestehende Bereichsausnahme des § 3 Buchst. f) BG-AT für die Angestellten in Rehabilitationseinrichtungen jedenfalls für den Bereich der Eigenträgerkliniken aufgehoben. Das bestätigt auch Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ÄndTV. Mit dem Begriff der “Öffnungsklausel” beziehen sich die Tarifvertragsparteien auf die in § 46 Nr. 18 TVöD – Besonderer Teil Verwaltung in der Fassung des Bundes (TVöD-BT-V) enthaltene Bestimmung, nach der für Angestellte in Bundeswehrkrankenhäusern die Regelungen der §§ 41 bis 52 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Besonderer Teil Krankenhäuser – (TVöD-BT-K) mit den in den Nr. 19 bis Nr. 21 TVöD-BT-V enthaltenen Änderungen gelten. Durch diesen Verweis sollen die ergänzenden besonderen Bestimmungen im TVöD-BT-K einschließlich der in § 46 Nr. 19 bis 21 TVöD-BT-V (Bund) enthaltenen Änderungen auch für die Angestellten der Eigenträgerkliniken Anwendung finden.
Rz. 27
Schließlich spricht die damalige tarifliche Situation für diese Auslegung des ÄndTV. Die nach § 2 MTVAng-VBGK geltende Tarifdynamik endete mit Ablauf der Kündigungsfrist des MTVAng-VBGK am 30. September 2005. Durch den Eintritt der Nachwirkung des MTVAng-VBGK erstreckte sich die Verweisung in § 2 MTVAng-VBGK nicht auf im Nachwirkungszeitraum vereinbarte Änderungen des in Bezug genommenen BG-AT (vgl. BAG 10. März 2004 – 4 AZR 140/03 – zu I 1b der Gründe, EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 36; 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – zu I 4b aa der Gründe, BAGE 94, 367, 377; 29. August 2001 – 4 AZR 332/00 – zu I 3b bb [2] der Gründe, BAGE 99, 10, 21). Die Angestellten der Berufsgenossenschaften in den Eigenträgerkliniken wären ohne eine Erweiterung des personellen Geltungsbereichs des BG-AT idF des ÄndTV nicht von den in den BG-AT aufgenommenen Bestimmungen des TVöD und des TVÜ-Bund erfasst worden. Dies sollte durch Nr. 1 Satz 2 ÄndTV vermieden werden.
Rz. 28
(4) Der BG-AT idF des ÄndTV löste den MTVAng-VBGK sachlich insgesamt ab.
Rz. 29
(a) Regelt ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu, ersetzt er nach dem Ablösungsprinzip den vorangehenden Tarifvertrag insoweit grundsätzlich insgesamt. Abweichend von diesem Grundsatz können die Tarifvertragsparteien zwar vereinbaren, dass trotz einer Neuregelung bisher geltende Regelungen auch künftig weiter gelten sollen. In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag die alte Ordnung nur in dem vorgesehenen Umfang ab (vgl. nur BAG 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – zu II 2c cc [1] der Gründe, BAGE 100, 377, 383; 30. Januar 2001 – 10 AZR 359/01 – zu II 1b aa der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2).
Rz. 30
(b) Durch die nach den Regelungen in Nr. 14 ÄndTV vereinbarte Übernahme der Bestimmungen des TVöD und des TVÜ-Bund in den BG-AT wurden alle bisherigen Regelungen im BG-AT ersetzt, soweit nicht in Nr. 13 der ÄndTV ausdrücklich ihre Weitergeltung als “bg-spezifische” – hier nicht einschlägiger – Regelungen anordnete. Die bislang im BG-AT geregelten Arbeitsbedingungen sollten entsprechend der neuen Tariflage im öffentlichen Dienst des Bundes für die Angestellten der Berufsgenossenschaften durch den ÄndTV umfassend neu geregelt werden.
Rz. 31
(c) Diese Ablösung betraf auch den MTVAng-VBGK. Auch für den durch den MTVAng-VBGK erfassten Arbeitnehmerkreis in den Eigenträgerkliniken sollten die im TVöD und dem TVÜ-Bund geregelten Arbeitsbedingungen an die Stelle der bisherigen tariflichen Regelungen treten (unter [3]). Hierfür spricht auch die Tarifsystematik. Die Regelungen des MTVAng-VBGK bestanden aufgrund der Verweisung in § 2 zu einem weit überwiegenden Teil aus den jeweiligen Bestimmungen des BG-AT. Durch diese Regelungstechnik bildeten der verweisende MTVAng-VBGK und der jeweils in Bezug genommene BG-AT inhaltlich eine Einheit. Der Verweisungstarifvertrag wird erst durch die in Bezug genommenen Regelungen des Bezugstarifvertrages vollständig. Diese sind der Sache nach Teil der Normen des Verweisungstarifvertrages (vgl. BAG 10. März 2004 – 4 AZR 140/03 – zu I 1b der Gründe, EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 36; 29. Januar 2008 – 3 AZR 426/06 – zu II 2b der Gründe, AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 49). Eine Ablösung des MTVAng-VBGK nur hinsichtlich des verweisenden Teils in § 2 MTVAng-VBGK und einen weiterhin nachwirkenden Teil in § 3 MTVAng-VBGK ist sinnvoll nicht möglich. Denn die wenigen abweichenden Bestimmungen in § 3 Nr. 1 bis 5 MTV-VBGK beziehen sich, soweit sie Rechtsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG enthalten, nicht auf sachlich abtrennbare Regelungsgegenstände, sondern modifizieren lediglich einzelne Vorschriften des früheren BG-AT. Sie sind zudem vorliegend nicht einschlägig.
Rz. 32
(d) Der Ablösung steht nicht entgegen, dass der MTVAng-VBGK in der Anlage 1, Teil A und B zum ÄndTV nicht aufgeführt ist. Eine Ablösung nach § 4 Abs. 5 TVG setzt nicht voraus, dass der ablösende Tarifvertrag die nachwirkenden Rechtsnormen ausdrücklich für beendet erklärt (vgl. BAG 30. Januar 2002 – 10 AZR 359/01 – zu II 1b aa der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2). Die fehlende Nennung erklärt sich auch aus dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien des ÄndTV hierzu nicht befugt waren. Der MTVAng-VBGK wurde auf Arbeitgeberseite – anders als der ÄndTV – nicht von der HVBG geschlossen, sondern von den in der Arge Reha zusammengeschlossenen Arbeitgebern, zu denen die Bergbau Berufsgenossenschaft gehörte. Die Tarifparteien des ÄndTV können daher den MTVAng-VBGK nur durch eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG ablösen, nicht aber durch eine eigene Tarifregelung außer Kraft setzten (vgl. nur Däubler/Zwanziger TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 937). Schließlich ist der MTVAng-VBGK auch nicht in der Anlage 1, Teil C zum ÄndTV aufgeführt, die die weiter geltenden Tarifverträge aufführt.
Rz. 33
(5) Aus den Grundsätzen zur Auflösung einer Tarifkonkurrenz ergibt sich kein anderes Ergebnis. Da der BG-AT idF des ÄndTV den nachwirkenden MTVAng-VBGK abgelöst hat, kommt es nicht zu einer Tarifkonkurrenz zwischen den beiden Tarifverträgen. Ob ein nachwirkender Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG durch einen anderen Tarifvertrag abgelöst wird, ist eine gegenüber dem Konkurrenzverhältnis zwischen einem nachwirkenden Firmentarifvertrag und einem nach Eintritt der Nachwirkung geschlossenen Verbandstarifvertrag vorrangig zu beantwortende Frage (s. auch BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 439/06 – Rn. 24 mwN, EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 40).
Rz. 34
(6) Schließlich folgt aus der Entscheidung des Senats vom 20. April 2005 (– 4 AZR 288/04 – zu I 2d der Gründe, AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38) keine andere Beurteilung. Soweit der Senat in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen hat, ob ein Tarifvertrag, der nach Eintritt der Nachwirkung eines spezielleren Tarifvertrages wirksam wird, auch dann nach § 4 Abs. 5 TVG als “andere Abmachung” an dessen Stelle tritt, wenn über einen veränderten Neuabschluss des spezielleren Tarifvertrages bereits verhandelt wird, bedarf dies auch vorliegend keiner Entscheidung. Solche Verhandlungen vor Abschluss des ÄndTV sind weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt noch von den Parteien vorgetragen. Eine Aufforderung der im VBGK zusammengeschlossenen Trägereinrichtungen an die Gewerkschaften des MTVAng-VBGK zur Aufnahme von Tarifverhandlungen ist erst nach Abschluss des ÄndTV erfolgt.
Rz. 35
c) Die Beklagte war daher berechtigt, den sich aus der vorläufigen Anwendung der bisherigen Regelungen des MTVAng-VBGK iVm. dem BG-AT für die Zeit von September 2006 bis einschließlich Februar 2007 ergebenden Überzahlungsbetrag mit dem Entgeltanspruch des Klägers für den Monat März 2007 zu verrechnen. Dem steht nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers erst zum 1. Januar 2007 auf die Beklagte übergegangen ist. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB geht das Arbeitsverhältnis mit den zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf den Betriebsübernehmer über. Hierzu gehört auch die Pflicht des Arbeitnehmers, vom früheren Arbeitgeber zu viel entrichtete Vergütung zurückzuerstatten (ErfK/Preis 9. Aufl. § 613a BGB Rn. 79).
Rz. 36
2. Demgegenüber wurde der nachwirkende ZulagenTV durch den BG-AT in der Fassung des ÄndTV nicht nach § 4 Abs. 5 TVG abgelöst. Die Beklagte ist daher auch nach dem 1. September 2006 verpflichtet, dem Kläger die nachträglich einbehaltene Zulage für die Monate September 2006 bis Februar 2007 und für den nachfolgenden Zeitraum vom März 2007 bis Februar 2008 iHv. monatlich 40,65 Euro brutto zu zahlen.
Rz. 37
a) Der ZulagenTV wirkte wie der MTVAng-VBGK durch die nach § 5 Abs. 2 ZulagenTV zulässige selbständige Kündigung der Bergbau Berufsgenossenschaft ab dem 1. Oktober 2005 lediglich nach (s. auch oben unter 1b aa).
Rz. 38
b) Der ÄndTV führte aber nicht zur Ablösung des nachwirkenden ZulagenTV. Das ergibt die Auslegung des ÄndTV.
Rz. 39
aa) Die Regelung in Nr. 1 Satz 2 ÄndTV sollte die Geltung der neuen Regelungen des BG-AT auch für die Angestellten in den Eigenträgerkliniken herbeiführen. Dem Wortlaut von Nr. 1 Satz 2 ÄndTV können jedoch keine Anhaltspunkte entnommen werden, dass über die Ablösung des dem BG-AT in weiten Teilen inhaltlich entsprechenden und funktional vergleichbaren MTVAng-VBGK hinaus auch der weitere, den MTVAng-VBGK ergänzende ZulagenTV abgelöst werden sollte.
Rz. 40
bb) Dies ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Ablösung des MTVAng-VBGK auch dessen § 3 Nr. 4 erfasst. Der MTVAng-VBGK und der ZulagenTV sind nicht derart miteinander verbunden, dass der Bestand des ZulagenTV von der Existenz des § 3 Nr. 4 MTVAng-VBGK abhängt. Wenn die Tarifverträge selbständig geschlossen, getrennt ausformuliert und mit unterschiedlichen Laufzeiten und Kündigungsmöglichkeiten versehen sind, ist davon auszugehen, dass es sich um selbständige Tarifverträge handelt (BAG 20. April 2005 – 4 AZR 288/04 – zu I 3b der Gründe mwN, AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38). Aus dem Inhalt des ZulagenTV ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sein Bestand vom dem des MTVAng-VBGK abhängen soll. Die Tarifvertragsparteien haben nicht etwa festgelegt, der ZulagenTV solle Bestandteil des MTVAng-VBGK sein (dazu BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 577/02 – zu II 2a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 165). Allein die Bezeichnung des Tarifvertrages (“Tarifvertrag … gem. § 3 Ziff. 4 MTVAng-Arge Reha”) und der Umstand, dass sich der Geltungsbereich des ZulagenTV auf den des MTVAng-VBGK bezieht, reichen für die Annahme einer solchen Verbindung beider Tarifverträge nicht aus.
Rz. 41
cc) Eine stillschweigende Ablösung des ZulagenTV liegt nicht vor. Allein der Neustrukturierung des Entgelts durch die Übernahme der §§ 15 bis 23 TVöD in den BG-AT kann nicht entnommen werden, dass zugleich die Leistungszulage nach dem ZulagenTV ersatzlos entfallen sollte. Der ÄndTV hat auch andere Zulagen aufrecht erhalten. Seiner Systematik lässt sich nicht entnehmen, Zulagen wie diejenige nach dem ZulagenTV sollten ersatzlos entfallen.
Rz. 42
(1) Nach den tariflichen Voraussetzungen im ZulagenTV handelt es sich auch bei der Leistungszulage um einen zusätzlichen monatlichen Vergütungsbestandteil, der an die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit anknüpft. Gleiches gilt für weitere Zulagen, die durch den ÄndTV nicht abgelöst werden. Nach der Anlage 1 Teil B zum ÄndTV gelten die §§ 4a bis 7 des vom HVBG geschlossenen Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982 (ZulagenTV-Ang) bis zum Inkrafttreten einer Entgeltordnung fort. Nach § 4a ZulagenTV-Ang erhalten Meister in bestimmtem Vergütungsgruppen eine monatliche Meisterzulage. In der durch den ÄndTV in den BG-AT übernommenen Protokollerklärung zu § 5 Absatz 2 Satz 3 TVÜ-Bund ist bestimmt, dass neben der Meisterzulage bisher gewährte Techniker- und Programmiererzulagen unter den bisherigen Voraussetzungen als persönliche Besitzstandszulage erhalten bleiben, wodurch die entsprechenden Zulagen nach §§ 3, 4 ZulagenTV-Ang aufrecht erhalten bleiben. Gleichzeitig erhalten Beschäftigte, die erst nach dem 1. September 2006 eingestellt werden, in Anwendung von § 17 Abs. 6 TVÜ-Bund iVm. Nr. 2 Satz 1 ÄndTV bis zum Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung die “entfallene” Techniker-, Meister- und Programmierzulage als persönliche Zulage fort (dazu Dannenberg in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD März 2009 § 5 TVÜ-Bund Rn. 8).
Rz. 43
(2) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus der Einführung eines Leistungsentgelts, welches über § 18 TVöD Inhalt des BG-AT idF des ÄndTV geworden ist. Das Leistungsentgelt nach § 18 TVöD betrifft einen anderen Regelungsgegenstand. Es handelt sich um eine variable und leistungsorientierte Bezahlung, deren Gewährung vom Erreichen bestimmter Ziele abhängt. Demgegenüber knüpft die Leistungszulage an die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit an. Auf die fehlende tarifliche Umsetzung nach § 18 Abs. 3 TVöD durch den ÄndTV, der den zuvor zustande gekommenen Tarifvertrag über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes vom 25. August 2006 nicht “wirkungsgleich” übernommen hat, kommt es nicht an.
Rz. 44
dd) Die Auflösung einer Tarifkonkurrenz ist nicht erforderlich. Zwischen dem ÄndTV und dem ZulagenTV besteht keine solche.
Rz. 45
(1) Eine Tarifkonkurrenz liegt vor, wenn mehrere Tarifverträge denselben Sachverhalt regeln und nebeneinander auf dasselbe Arbeitsverhältnis anwendbar sind (BAG 22. Oktober 2008 – 4 AZR 789/07 – Rn. 36, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 37 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43). Voraussetzung hierfür ist, dass das Arbeitsverhältnis gleichzeitig unter den räumlichen, betrieblichen, fachlichen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fällt (vgl. nur BAG 6. August 2003 – 4 AZR 441/02 – zu I 1 der Gründe, BAGE 107, 140, 143 f.; 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4).
Rz. 46
(2) Zwischen dem ZulagenTV und dem BG-AT idF des ÄndTV bestand keine Tarifkonkurrenz. Zwar waren beide Tarifverträge nebeneinander auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar; jedoch regelten sie nicht denselben Sachverhalt. Die im ZulagenTV vorgesehene Leistungszulage war in den Bestimmungen des BG-AT nicht – auch nicht in anderweitiger Form – enthalten. Beim ZulagenTV handelt es nicht um einen konkurrierenden, sondern um einen ergänzenden Tarifvertrag.
Rz. 47
c) Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD iVm. ÄndTV.
Rz. 48
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Creutzfeldt, Treber, Pfeil, Pieper
Fundstellen
Haufe-Index 2279520 |
BB 2010, 180 |