Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung durch Rentnergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
- Auch das Unternehmen, das liquidiert wurde und dessen einzig verbliebener Gesellschaftszweck die Abwicklung seiner Versorgungsverbindlichkeiten ist (Rentnergesellschaft), hat eine Anpassung der Betriebsrenten zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 16 BetrAVG).
- Es bleibt offen, ob bei einem solchen nicht mehr werbend tätigen Unternehmen zur Finanzierung der Anpassungslasten auch ein angemessener Eingriff in die Vermögenssubstanz geboten ist.
- Bei einer Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG kann es ausnahmsweise auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens ankommen. Für einen solchen Berechnungsdurchgriff müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zwischen dem Versorgungsschuldner und dem herrschenden Unternehmen muß eine verdichtete Konzernverbindung bestehen. Darüber hinaus muß die fehlende Anpassungsfähigkeit der Versorgungsschuldnerin darauf zurückzuführen sein, daß sich ein konzerntypisches Risiko realisiert hat; dies ist der Fall, wenn die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausgeübt worden ist, die auf die Belange des abhängigen Tochterunternehmens keine angemessene Rücksicht genommen und so die mangelnde Leistungsfähigkeit der Versorgungsschuldnerin verursacht hat (Bestätigung von BAGE 78, 87 = AP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG; Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – AP Nr. 35 zu § 16 BetrAVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte den Betriebsrentenanspruch des Klägers nach § 16 BetrAVG anpassen muß.
Der Kläger ist am 5. Juli 1925 geboren. Er war vom 24. Mai 1967 bis zum 31. Juli 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. August 1985 bezieht er eine monatliche Betriebsrente von 416,-- DM.
Aufgrund mehrerer Verträge vom 13. Juli 1987 änderten sich die Verhältnisse bei der Beklagten zum 30. Juni 1987 grundlegend: Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Kommanditanteile der Beklagten und die Gesellschaftsanteile von deren Komplementär-GmbH zu 60 % bei Herrn … W… und zu 40 % bei der Deutschen Texaco AG gelegen. Durch Verträge vom 13. Juli 1987 übernahm die B… KG (im folgenden: B… KG) von Herrn W… und der Deutschen Texaco AG die Gesellschaftsanteile der Beklagten. Die Beklagte veräußerte die bis dahin gehaltenen Gesellschaftsanteile an der I… GmbH … an Herrn W…, der auch das Betriebsgrundstück der Beklagten für 1,4 Mio. DM erwarb. Zugleich übernahm die I… GmbH durch Vertrag mit der Beklagten “sämtliche Verpflichtungen und Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung, welche bei der” Beklagten begründet worden waren, “wenn möglich nicht lediglich als interne Einstandspflicht, sondern mit unmittelbarer Wirkung gegenüber den Berechtigten”. Die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung für das Versorgungswerk wurden an die I… GmbH abgetreten. Sie hatten einen Wert von rund 520.000,-- DM. Außerdem erhielt die I… GmbH von der Beklagten einen Betrag von 2.242.075,-- DM. Hierauf belief sich nach einen Berechnung des Beratungsunternehmens H…, Mülheim, der Wert der übernommenen Pensionsverpflichtungen abzüglich der Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung. Zur Sicherung etwaiger Ausgleichsforderungen der Beklagten gegen die I… GmbH wurde zugunsten der Beklagten an dem veräußerten Betriebsgrundstück eine Sicherungsgrundschuld in Höhe von 2,9 Mio. DM bestellt.
Im Jahre 1987 stellte die Beklagte ihre wirtschaftliche Betätigung ein. Die bei ihr noch beschäftigten Arbeitnehmer schieden aufgrund eines Interessenausgleichs und Sozialplanes aus. Die alleinige Aufgabe der Beklagten ist es seither, die Betriebsrentenzahlungen abzuwickeln. Dies geschieht in der Weise, daß das Mutterunternehmen der Beklagten, die B… KG, für die Beklagte die Renten auszahlt. Der hierzu erforderliche Aufwand wird der Beklagten von der I… GmbH erstattet.
Im Jahre 1986 hatte es bei der Beklagten insgesamt 171 versorgungsberechtigte und -anwärter gegeben. Von ihnen hatten 154 noch tätige Arbeitnehmer eine Versorgungsanwartschaft erworben, während neun Mitarbeiter mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschieden waren und acht bereits Versorgungsleistungen bezogen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die bis zur Einstellung des Gewerbebetriebs entstandenen Versorgungsanwartschaften von der Beklagten zu einem großen Teil abgefunden worden. Die Zahl der zu Versorgenden verminderte sich dadurch auf 49. Von 1988 bis 1993 stieg die Zahl der Rentner von elf auf 20, während sich der Anteil der mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Mitarbeiter in demselben Zeitraum von 38 auf 28 verringerte.
Die Beklagte hat die Betriebsrente des Klägers bisher nicht angepaßt. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1989 wandte sich der Kläger erstmals an die Beklagte, sie solle seine Betriebsrente an die Kaufkraftentwicklung anpassen. Der Kläger, der zunächst auch die B… KG in Anspruch genommen hatte, hat zuletzt nur noch von der Beklagten verlangt, sie müsse seinen Betriebsrentenanspruch ab dem 1. August 1988 um 1,2 %, also 5,-- DM monatlich, und ab dem 1. August 1991 um 10,2 %, also 42,92 DM monatlich, erhöhen. Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei zur Anpassung seiner Betriebsrente im Umfang des geltend gemachten zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlustes verpflichtet. Sie sei zwar nicht mehr werbend tätig. Sie habe aber nicht dargelegt, daß sie nicht in der Lage sei, aus den bei ihr gebildeten Rücklagen Anpassungen zu finanzieren.
Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, selbst wenn die Beklagte nicht in der Lage sein sollte, die Anpassung aus den Rücklagen zu finanzieren, bestehe eine Anpassungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Berechnungsdurchgriffs im Konzern. Die B… KG führe die Geschäfte der Beklagten, die in der Abwicklung der Betriebsrenten bestünden, umfassend. Dies ergebe sich allein schon aus der Auszahlung der Renten durch sie. Darüber hinaus sei dem Vermögen der Beklagten ein Betrag von rund 650.000,-- DM durch die Übertragung der Pensionsverpflichtung auf die I… GmbH entzogen worden. Die auf diese Firma übertragenen Verpflichtungen seien um den genannten Betrag zu hoch angesetzt gewesen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.726,20 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1994 aus dem entsprechenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, die begehrte Anpassung bedeute für sie eine übermäßige Belastung. Es sei ihr nicht möglich, den erforderlichen Aufwand aus dem Wertzuwachs des Unternehmens oder durch Erträge in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen. Auf der Aktivseite ihrer Bilanzen stehe lediglich ein Freistellungsanspruch gegenüber der I… GmbH wegen der von ihr auszuzahlenden Betriebsrenten. Dieser Anspruch unterliege keinen Wertsteigerungen. Der in der Bilanz zu aktivierende Freistellungsanspruch sei der Höhe nach ausschließlich durch die auf der Passivseite ausgewiesene Rentenverpflichtung bestimmt, die jeweils durch ein versicherungsmathematisches Gutachten ermittelt werde. Im übrigen verfüge die Beklagte über keine Rücklagen, sondern nehme nur Rückstellungen entsprechend den versicherungsmathematischen Gutachten vor.
Den Versorgungsberechtigten sei auch nicht Vermögen im Werte von etwa 650.000,-- DM entzogen worden. Der Verpflichtungsumfang sei ausschließlich deshalb zurückgeführt worden, weil im Jahre 1987 die mit Versorgungsanwartschaften Ausgeschiedenen größtenteils hätten abgefunden werden können. Aus dem Anstieg der Rückstellungen könne nicht auf eine verbesserte Ertragssituation geschlossen werden. Der Rentenbarwert habe erhöht werden müssen, weil immer mehr Anwärter an den Versorgungsfall herangekommen seien.
Ein Berechnungsdurchgriff komme nicht in Betracht. Die Beklagte sei schon vor dem Verkauf der Gesellschaftsanteile konkursreif gewesen. Die B… KG beherrsche die Beklagte auch nicht, was sich schon daraus ergebe, daß die Beklagte selbst nicht mehr wirtschaftlich tätig sei. Bei der Auszahlung der Renten werde die B… KG nur treuhänderisch tätig.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Sachantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, daß sie seinen Betriebsrentenanspruch entsprechend dem Kaufkraftverlust nach § 16 BetrAVG anpaßt.
I. Nach § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung die Belange der Versorgungsempfänger und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Ausgangspunkt seiner Entscheidung ist der Anpassungsbedarf der Betriebsrentner. Er richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust. Eine dementsprechende Anpassung kann der Arbeitgeber aber ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch das Unternehmen übermäßig belastet würde. Das ist der Fall, wenn es dem Unternehmen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen. Sind Einbußen in der Unternehmenssubstanz zu befürchten, steht die gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers und diejenigen der aktiven Arbeitnehmer einer Anpassung entgegen (BAGE 48, 272, 278 f. = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, zu II 3 der Gründe; BAGE 78, 87, 94 = AP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG, zu A der Gründe).
Diese Grundsätze gelten auch im Fall einer sogenannten Rentnergesellschaft. Kemper (DB 1995, 373, 376) vertritt zwar die Auffassung, eine Gesellschaft wie die Beklagte, die sich vom Markt zurückgezogen hat und zu ihrer endgültigen Liquidation nur noch die entstandenen Versorgungsverbindlichkeiten erfüllt, sei von vornherein nicht zu einer Anpassung nach § 16 BetrAVG verpflichtet. Eine solche Rentnergesellschaft sei ebenso zu behandeln wie ein insolventes Unternehmen, demgegenüber es ebensowenig wie gegenüber dem Insolvenzversicherer einen Anpassungsanspruch nach § 16 BetrAVG gebe. Beide Gesellschaften hätten sich vom Markt zurückgezogen und erzielten keine Wertzuwächse mehr. Der Schutzzweck des § 16 BetrAVG ende dort, wo – aus welchem Grund auch immer – die unternehmerische Tätigkeit ende, die Voraussetzung für einen Wertzuwachs sei. Dem folgt der Senat aber nicht. Die Gleichstellung einer Rentnergesellschaft mit einem insolventen Unternehmen ist nicht gerechtfertigt. Entscheidend für den Ausschluß eines Anpassungsanspruchs gegenüber einem insolventen Unternehmen ist nicht, daß sich dieses Unternehmen vom Markt zurückgezogen hat, sondern daß es nicht in der Lage ist, die zusätzlichen Anpassungslasten aufzubringen. Der frühere Arbeitgeber ist als Versorgungsschuldner verpflichtet, den realen Wert der eingegangenen Versorgungsverbindlichkeiten zu erhalten, es sei denn, es ist ihm in seiner Eigenschaft als Schuldner, nicht etwa als Arbeitgeber oder als Unternehmer, aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zumutbar, die sich hieraus ergebenden Mehrbelastungen zu tragen.
II. Nach den zu § 16 BetrAVG entwickelten Grundsätzen muß die Beklagte die Betriebsrente des Klägers an die seit 1985 eingetretenen Kaufkraftverluste nicht anpassen.
1. Die Beklagte ist zur Anpassung aus eigenen Mitteln nicht in der Lage.
a) Die Beklagte ist seit dem Jahre 1987, also einem Zeitpunkt vor dem ersten Anpassungsstichtag, auf Dauer nicht mehr werbend am Markt tätig. Ihre Aktivitäten beschränken sich ausschließlich auf die Abwicklung der Verbindlichkeiten aus den von ihr erteilten Versorgungsversprechen. Die Beklagte kann damit aus werbender Tätigkeit auch keine Unternehmenserträge mehr erzielen, aus denen sie den Anpassungsaufwand bestreiten könnte. Auch für sonstige Einkünfte der Beklagten gibt es keine Anhaltspunkte. Dabei kommt es auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihr vorgelegten Bilanzen nicht an. Die Beklagte hat im einzelnen dargelegt, daß sie bei Erwerb der Gesellschaftsanteile durch die B… KG praktisch konkursreif gewesen sei und nach der Veräußerung des Betriebsgrundstücks keine Mittel mehr habe, die irgendwelche Wertsteigerungen erfahren könnten. Ihr einziger Vermögensgegenstand sei der Erstattungsanspruch gegenüber der I… GmbH wegen der von ihr zu erbringenden Betriebsrentenzahlungen. Der Kläger hat sich demgegenüber darauf beschränkt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der vorgelegten Bilanzen in Frage zu stellen, und allgemein zu behaupten, die wirtschaftliche Lage der Beklagten sei nicht so schlecht, wie sie von der Beklagten dargestellt werde. Dies reicht nicht aus. Der Kläger hätte das Vorbringen der Beklagten zumindest insoweit bestreiten müssen, als er Grund-, Aktien- oder Kapitalbesitz der Beklagten hätte behaupten müssen. Ohne ein solches Bestreiten ist davon auszugehen, daß die Beklagte seit dem Sommer 1987 nicht mehr in der Lage ist, die sich aus einer Anpassung der Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung ergebenden wirtschaftlichen Belastungen durch selbst erwirtschaftete Erträge auszugleichen.
b) Die Beklagte ist auch nicht aufgrund des ihr gegenüber der I… GmbH zustehenden Erstattungsanspruchs in der Lage, die Betriebsrente des Klägers an die Kaufkraftentwicklung anzupassen. Der Erstattungsanspruch umfaßt nicht den Ausgleich eines bei den Betriebsrentnern der Beklagten eintretenden Anpassungsbedarfs nach § 16 BetrAVG.
Im notariellen Vertrag zwischen der Beklagten und der I… GmbH vom 13. Juli 1987, der Grundlage des Erstattungsanspruchs der Beklagten ist, wird nur die Übernahme der zum 30. Juni 1987 “begründeten” Verbindlichkeiten und Anwartschaften festgelegt. Zu den zu einem bestimmten Stichtag begründeten Ansprüchen und Anwartschaften gehören nicht auch die Anpassungschancen eines Arbeitnehmers nach § 16 BetrAVG. Ein Arbeitgeber, der die laufende Rente an einen eingetretenen Kaufkraftverlust entsprechend seiner Leistungsfähigkeit anpaßt, verbessert die ursprünglich erteilte Versorgungszusage (BAGE 76, 299, 302 = AP Nr. 30 zu § 16 BetrAVG, zu II 1a der Gründe).
Daß die I… GmbH die Belastungen aus einer solchen Verbesserung der Versorgungszusage am 13. Juli 1987 nicht mitübernommen hat, ergibt sich auch aus der von den Vertragsparteien als “Abrechnung” bezeichneten Gegenleistung für den übernommenen Erstattungsanspruch. Die Beklagte hatte den zum 30. Juni 1987 errechneten Gutachtenwert der Pensionsverpflichtungen auszugleichen. Dieser Wert entsprach den möglichen Rückstellungen zum 30. Juni 1987, der versicherungsmathematisch unter Berücksichtigung des Rechnungszinsfußes von 6 % zu errechnen war. Bei der Berechnung dieses Wertes kann der Anpassungsbedarf, wie er sich aus § 16 BetrAVG ergeben kann, nach § 6a Abs. 3 Nr. 1 Satz 4 EStG nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich um Leistungen, die in ihrer Höhe ungewiß sind.
c) Der Senat kann unentschieden lassen, ob sich auch bei einer bloßen Abwicklungsgesellschaft wie der Beklagten deren Anpassungsfähigkeit ausschließlich nach den von ihr erzielten Erträgen richtet. Es erscheint zumindest denkbar, daß in einem solchen Fall zur Finanzierung des Anpassungsbedarfs auch ein angemessener Eingriff in die Vermögenssubstanz des früheren Arbeitgebers zugemutet werden kann und billigem Ermessen entspricht. Schließlich sind Grundgedanken, die für die Begrenzung der Anpassungspflicht maßgeblich sind, bei einer solchen Fallkonstellation nicht mehr tragfähig: Weder kann es darum gehen, die Belange der Betriebsrentner mit den Interessen der aktiven Arbeitnehmer des Betriebes abzuwägen, noch darum, die Substanz des Unternehmens und dessen Investitionskraft zu bewahren, damit ausreichende Anreize für weitere unternehmerische Aktivitäten erhalten bleiben. Auf der anderen Seite ist fraglich, ob es gerechtfertigt ist, auf die Ausübung des Rechts eines Unternehmers, sein Unternehmen zu liquidieren, dadurch zu reagieren, daß man erstmals zur Finanzierung des Anpassungsbedarfs aus § 16 BetrAVG einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz des früheren Arbeitgebers eröffnet.
Die aufgeworfene Frage kann unentschieden bleiben, weil der Kläger nicht bestreitet, daß die Beklagte nicht mehr an Vermögen hat, um die Versorgungsverbindlichkeiten zu erfüllen, als den Erstattungsanspruch gegenüber der I… GmbH. Eine Vermögensmasse bei der Beklagten, in die eingegriffen werden könnte, um die Anpassungslasten zu finanzieren, besteht nicht.
2. Der Kläger kann seinen Anpassungsanspruch auch nicht auf die Regeln stützen, die der Senat zum Berechnungsdurchgriff im Konzern aufgestellt hat.
a) In seinem Urteil vom 4. Oktober 1994 (BAGE 78, 87, 100 ff. = AP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG, zu B II 4b der Gründe; bestätigt durch Urteil vom 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – AP Nr. 35 zu § 16 BetrAVG, zu I 2b bb der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) hat der Senat die Voraussetzungen zusammengefaßt, unter denen ein Berechnungsdurchgriff stattfindet. Hiervon spricht man, wenn zwar der frühere Arbeitgeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht imstande ist, die Anpassungslasten aus den Erträgen und dem Wertzuwachs seines Unternehmens zu bestreiten, ihm aber eine günstigere wirtschaftliche Lage in dem Konzern, welchem er angehört, zuzurechnen ist. In einem solchen Fall kommt es darauf an, ob aufgrund der wirtschaftlichen Lage des im Konzern herrschenden Unternehmens von einer Anpassungsfähigkeit des Arbeitgeberbetriebes ausgegangen werden kann.
Ein solcher Berechnungsdurchgriff setzt zunächst voraus, daß zwischen dem Versorgungsschuldner und dem herrschenden Unternehmen eine verdichtete Konzernverbindung besteht. Dies ist dann der Fall, wenn ein Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen wurde. Es reicht aber auch aus, wenn ein konzernangehöriges Unternehmen die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich umfassend und nachhaltig führt. Außerdem muß die mangelnde Leistungsfähigkeit des früheren Arbeitgebers darauf zurückzuführen sein, daß sich in seinem Unternehmen eine konzerntypische Gefahr verwirklicht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Konzernleitungsmacht durch das herrschende Unternehmen in einer Weise ausgeübt worden ist, die auf die Belange des abhängigen Tochterunternehmens keine angemessene Rücksicht genommen und so die mangelnde Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners verursacht hat.
b) Nach diesen Grundsätzen kommt eine Zurechnung der wirtschaftlichen Lage der B… KG zur Herstellung der Anpassungsfähigkeit der Beklagten nicht in Betracht. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die einen solchen Berechnungsdurchgriff rechtfertigen.
Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß zwischen der B… KG und der Beklagten an den jeweiligen Anpassungsstichtagen eine verdichtete Konzernverbindung im Sinne der Senatsrechtsprechung bestand. Eine umfassende und nachhaltige Führung lag jedenfalls vor, als die B… KG als Gesellschafterin der Beklagten deren Stillegung und Liquidation beschloß.
Ob eine derartige Ausübung der Leitungsmacht über den Zeitpunkt ihrer Ausübung hinaus ausreicht, die erste Voraussetzung eines Berechnungsdurchgriffs im Konzern zu erfüllen, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, daß die B… KG ihre Leitungsmacht in einer Weise ausgeübt hat, die auf die Belange der Beklagten keine angemessene Rücksicht genommen und so die mangelnde Leistungsfähigkeit der Beklagten verursacht hat. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern sich ein konzerntypisches Risiko verwirklicht hat.
Die vom Kläger im einzelnen in Frage gestellten Rechtsgeschäfte zwischen der Beklagten und der I… GmbH oder Herrn W… persönlich mögen wirtschaftlich nur schwer nachvollziehbar sein. Es mag auch sein, daß die von der B… KG geführte Beklagte für den Erstattungsanspruch mehr bezahlt hat, als dieser Anspruch wert war. Hier handelt es sich jedoch nicht um die Verwirklichung eines konzerntypischen Risikos. Die B… KG verfolgte mit dem Abschluß dieser Geschäfte keine eigenen Interessen. Dies wird schon daraus deutlich, daß die möglicherweise überhöhte Gegenleistung für den Erstattungsanspruch nicht ohne weiteres ausgezahlt wurde. Die von der B… KG geführte Beklagte mußte insoweit verklagt werden.
Sonstige Verhaltensweisen der B… KG, die sich auf das Vermögen der Beklagten beziehen und die deren Interessen zuwiderlaufen könnten, trägt der Kläger nicht vor. Die Konzernverbindung der B… KG zur Beklagten, die nach deren unwidersprochen gebliebenem Vortrag zum Zeitpunkt der Veräußerung der Gesellschaftsanteile konkursreif war, hat damit nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Beklagten geführt.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Martschin, Kaiser
Fundstellen
BAGE, 246 |
BB 1998, 111 |
NZA 1997, 1111 |
SAE 1998, 121 |
ZIP 1997, 1303 |
MDR 1997, 751 |