Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung der Kündigung bei früher vorgelegter Vollmacht. Anerkennung des Verfahrens nach Chapter 11 B.C.. Befugnisse des „debtor in possession” bei in Deutschland erklärter Kündigung. Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO. Inkenntnissetzen von der Bevollmächtigung
Leitsatz (amtlich)
Der Erklärungsempfänger ist iSv. § 174 Satz 2 BGB von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt, wenn eine früher vorgelegte, den Anforderungen des § 174 Satz 1 BGB genügende Vollmacht sich auch auf das später vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft erstreckt, etwa auf eine Folgekündigung, sofern dem Erklärungsempfänger nicht zwischenzeitlich vom Vollmachtgeber das Erlöschen der Vollmacht angezeigt worden ist.
Orientierungssatz
1. Bei einseitigen Rechtsgeschäften genügt es – im Gegensatz zu zweiseitigen Rechtsgeschäften – für den Nachweis iSv. § 174 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht, dass für ein früheres einseitiges Rechtsgeschäft eine Vollmacht vorgelegt war.
2. Ein Inkenntnissetzen iSv. § 174 Satz 2 BGB liegt auch vor, wenn einem früheren einseitigen Rechtsgeschäft eine Vollmacht beigefügt war, wenn daraus für den Empfänger deutlich wird, dass sie sich auch auf das spätere einseitige Rechtsgeschäft erstreckt, und wenn sie nicht zwischenzeitlich widerrufen ist. § 174 BGB schützt den Empfänger nicht davor, dass er der Mitteilung über die Vertretungsverhältnisse keinen Glauben schenkt, sondern will ihm nur die Nachforschung darüber ersparen. Bei Zweifeln hinsichtlich der Vertretungsmacht kann er gemäß § 180 BGB deren Fehlen rügen.
3. Das Verfahren nach Chapter 11 B.C. ist als ausländisches Insolvenzverfahren nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO anzuerkennen.
4. In einem anerkannten ausländischen Insolvenzverfahren kann der für den ausländischen insolventen Schuldner Handelnde grundsätzlich in Wahrnehmung der Befugnisse, die ihm sein Heimatrecht verleiht, im Inland die Masse sichern, sammeln und verwerten.
5. Der „debtor in possession” im Verfahren nach Chapter 11 B.C. kann die Kündigung mit der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO erklären, wenn diese Bestimmung über die Sonderanknüpfung in § 337 InsO auf die Kündigung Anwendung findet. Insoweit ist im Wege der Substitution das Tatbestandsmerkmal des Insolvenzverwalters in § 113 InsO zu ersetzen.
Normenkette
BGB §§ 174, 180; InsO §§ 113, 337, 343; Chapter 11 Bankruptcy Code i.d.F. vom 17. Oktober 2005 11 U.S.C. sec. 1107
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. März 2014 – 12 Sa 265/13 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Oktober 2012 beendet worden ist.
Die Klägerin war seit dem 15. Mai 2011 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Schuldnerin), einer Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in den USA, als Rechtsanwältin beschäftigt. In Ziff. 5.2 des Anstellungsvertrags war eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vereinbart.
Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 28. Mai 2012 führte der United States Bankruptcy Court Southern District of New York ein Restrukturierungsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code idF vom 17. Oktober 2005 (Chapter 11 B.C.) durch. Bereits am 22. Mai 2012 hatte das Abwicklungskomitee der Schuldnerin Herrn M zum Chief Restructuring Officer (CRO) eingesetzt und ihn mit der Befugnis zur Vornahme sämtlicher im Zusammenhang mit dem Verfahren nach Chapter 11 B.C. erforderlichen Willenserklärungen ausgestattet. Die Schuldnerin beschloss, ua. ihren Standort in Frankfurt am Main, für den die Klägerin eingestellt war, zu schließen. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 20. Juni 2012. Der Kündigung war eine Originalvollmacht der Schuldnerin vom 19. Juni 2012, die durch Herrn M unterzeichnet war, beigefügt. Auszugsweise lautet diese Vollmacht wie folgt:
„D LLP, vertreten durch den Chief Restructuring Officer M, bevollmächtigt hiermit
das Anstellungsverhältnis mit Frau F sowohl ordentlich als auch außerordentlich zu kündigen und einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Die Vollmacht umfasst auch die Befugnis, im Namen von D LLP alle sonstigen Handlungen vorzunehmen bzw. Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, welche anlässlich der Kündigung des Anstellungsvertrages noch erforderlich werden. …”
Diese Kündigung war unwirksam, weil die Klägerin im Zeitpunkt ihres Zugangs schwanger war. Ihre Schwangerschaft teilte sie den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin mit Schreiben vom 2. Juli 2012 mit. Nachdem die zuständige Behörde die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte die Schuldnerin über ihre Prozessbevollmächtigten das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31. Juli 2012 erneut mit der Frist des § 113 InsO zum 31. Oktober 2012. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am selben Tag zu. Darin heißt es ua.:
„Wir hatten Ihnen bereits ausweislich der als Anlage 2 dem Schreiben vom 20. Juni 2012 beigefügten Originalvollmacht vom 19. Juni 2012 nachgewiesen, dass uns die Firma D LLP … bevollmächtigt hat, das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis durch Kündigung zu beenden.”
Die Klägerin wies die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht mit Schreiben vom 1. August 2012 gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zurück. Eine spätere Kündigung des zwischenzeitlich bestellten Sekundär-Insolvenzverwalters vom 29. August 2012 zum 30. November 2012 griff sie nicht mehr an.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage noch gegen die Kündigung vom 31. Juli 2012. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 31. Juli 2012 sei unwirksam, weil ihr keine Originalvollmacht beigefügt gewesen sei. Die Zurückweisung sei nur dann nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn die Bevollmächtigung unzweifelhaft bestehe bzw. fortbestehe. Vorliegend sei es ihr unmöglich gewesen, Klarheit über den Fortbestand der Bevollmächtigung zu erreichen.
Jedenfalls habe die Kündigung nicht mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO erfolgen können. § 113 InsO könne auf ausländische Insolvenzverfahren nur Anwendung finden, wenn die Stellung der zur Erklärung der Kündigung berechtigten Person wenigstens in den Grundzügen mit dem Insolvenzverwalter nach deutschem Recht vergleichbar sei und im Rahmen eines vergleichbaren Verfahrens tätig werde. Bei dem Verfahren nach Chapter 11 B.C. handele es sich aber um ein Reorganisationsverfahren, während § 113 InsO vor allem der Erleichterung der Einstellung des Betriebs diene. Zudem stehe der verfassungsrechtlich gebotene Kündigungsschutz der Verkürzung der Kündigungsfrist unter Berufung auf das ausländische Insolvenzverfahren entgegen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung mit Schreiben vom 31. Juli 2012, zugegangen am selben Tag, aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin habe aufgrund der ihr vorliegenden Vollmacht Kenntnis der Bevollmächtigung auch hinsichtlich der zweiten Kündigung gehabt. § 174 BGB regele nicht die Frage, ob die behauptete Vollmacht bestehe oder wirksam sei. Die Schuldnerin habe auch die Kündigungsfrist des § 113 InsO heranziehen können, weil sie im Verfahren nach Chapter 11 B.C. gerichtlicher Aufsicht unterstanden habe.
Das Arbeitsgericht hat mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Kündigung vom 31. Juli 2012 richtete. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Schuldnerin vom 31. Juli 2012 mit Ablauf der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO am 31. Oktober 2012 beendet worden. Die Vorinstanzen haben darum zu Recht die Klage abgewiesen.
I. Die von den Vorinstanzen unterlassene Prüfung, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist, hat der Senat von Amts wegen nachzuholen (BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn. 13, BAGE 143, 129). Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus den autonomen nationalen Regelungen der Zivilprozessordnung über die örtliche Zuständigkeit.
1. Ist – wie hier – ein deutsches Gericht nach §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, ist es regelmäßig auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (vgl. BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 882/11 (A) – Rn. 20; 13. November 2007 – 9 AZR 134/07 – Rn. 20, BAGE 125, 24). Das Arbeitsverhältnis unterfiel nach den weder mit der Revision noch mit Gegenrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM I, ABl. L 177 vom 4. Juli 2008 S. 6, künftig ROM I-VO) dem deutschen Arbeitsrecht. Der zeitliche Anwendungsbereich der ROM I-VO ist gemäß Art. 28 ROM I-VO eröffnet. Auch sachlich ist sie anwendbar, obwohl außer der Anwendung des deutschen Rechts nur noch die des US-amerikanischen Rechts in Betracht kommt. Die ROM I-VO ist gemäß Art. 2 als „loi uniforme” ausgestaltet. Sie kommt darum auch gegenüber Nichtmitgliedstaaten der Europäischen Union zur Anwendung (MüKoBGB/Martiny 6. Aufl. ROM I-VO Art. 2 Rn. 3) und ist für Fragen des anzuwendenden Statuts immer dann heranzuziehen, wenn ein staatliches Gericht mit Sitz in der Europäischen Union international zuständig ist (Ostendorf RIW 2014, 93, 94).
2. Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe ihre Tätigkeit ausschließlich in der Niederlassung der Schuldnerin in Frankfurt am Main verrichtet, sind weder Revisions- noch Gegenrügen erhoben. Das eröffnet den Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO und damit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (vgl. BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 882/11 (A) – Rn. 21).
II. Die Kündigung vom 31. Juli 2012 ist nicht deshalb unwirksam, weil die Klägerin sie nach § 174 Satz 1 BGB berechtigterweise hätte zurückweisen können. Die Schuldnerin hatte die Klägerin bereits mit der der Kündigung vom 20. Juni 2012 beigefügten Originalvollmacht iSv. § 174 Satz 2 BGB ausreichend davon in Kenntnis gesetzt, dass ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten sie auch bei der Folgekündigung vom 31. Juli 2012 vertreten konnten. Das Zurückweisungsrecht war darum ausgeschlossen.
1. § 174 BGB fand auf die Kündigung vom 31. Juli 2012 Anwendung. Dies kann der Senat auch ohne dementsprechende Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst feststellen.
a) Die ROM I-VO regelt nicht, welches Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf Fragen, die sich im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlich erteilten Vollmachten stellen, anzuwenden ist. Art. 1 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung nimmt die Frage, ob der Vertreter den Vertretenen gegenüber Dritten verpflichten kann, ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich aus. Es kann dahinstehen, ob für die Frage, ob für die Klägerin bei Zugang der Kündigung vom 31. Juli 2012 hinreichende Gewissheit bestand, dass sich die Schuldnerin diese Kündigung zurechnen lassen wollte, das Vollmachts-, das Form- oder das Vertragsstatut maßgeblich ist. In allen drei Fällen führen diese Anknüpfungspunkte zur Anwendbarkeit deutschen Rechts.
b) Das Vollmachtsstatut bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht des Wirkungsorts (BAG 13. Dezember 2012 – 6 AZR 608/11 – Rn. 53). Von der in den USA ausgestellten Vollmacht vom 19. Juni 2012 sollte in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht werden, um das dort bestehende Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Schuldnerin zu beenden. Darum galt über das Vollmachtsstatut deutsches Recht für alle Fragen, die die Vollmacht selbst betrafen, insbesondere ihr Bestehen und ihren Umfang (BAG 13. Dezember 2012 – 6 AZR 608/11 – Rn. 55). § 174 BGB regelt jedoch keine Fragen der Wirksamkeit oder der Wirkung der Vollmacht, sondern räumt dem Dritten gerade unabhängig vom tatsächlichen Bestehen der Vollmacht ein Zurückweisungsrecht ein, wenn weder eine Vollmachtsurkunde vorgelegt noch der Empfänger über das Bestehen der Vollmacht in Kenntnis gesetzt ist (vgl. BAG 14. April 2011 – 6 AZR 727/09 – Rn. 20, BAGE 137, 347; Ostendorf RIW 2014, 93, 94). Das spricht dagegen, § 174 BGB dem Vollmachtsstatut zu unterstellen (Ostendorf aaO mwN in Fn. 21 zu abweichenden Ansichten im Schrifttum).
c) Das Formstatut ergibt sich aus Art. 11 ROM I-VO. Danach ist ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die oder deren Vertreter sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in demselben Staat befinden, formgültig, wenn er die Formerfordernisse des auf ihn nach dieser Verordnung anzuwendenden materiellen Rechts oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates, in dem er geschlossen wird, erfüllt. Für die Form der Kündigung vom 31. Juli 2012 gilt deshalb deutsches Recht. Art. 11 ROM I-VO erfasst neben Schuldverträgen auch die darauf bezogenen einseitigen Rechtsgeschäfte, so dass seine Anwendung auf § 174 BGB grundsätzlich in Betracht kommt. Die bisher entwickelten Definitionen, was unter „Form” iSd. Art. 11 ROM I-VO zu verstehen ist, erfassen jedoch insbesondere die Schriftform von Willenserklärungen (MüKoBGB/Spellenberg 6. Aufl. ROM I-VO Art. 11 Rn. 6, 23 f.), nicht aber die von § 174 BGB geregelte, vorgelagerte Frage, ob der Empfänger der Erklärung davon ausgehen kann, dass diese dem vorgeblich Vertretenen auch zurechenbar ist, was gegen die Subsumtion des § 174 BGB unter das Formstatut spricht (Ostendorf RIW 2014, 93, 95).
d) Greifen anderweitige Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht ein, fällt § 174 BGB kollisionsrechtlich in den Anwendungsbereich des Vertragsstatuts (Ostendorf RIW 2014, 93, 95). Da deutsches Recht Arbeitsvertragsstatut war, findet über das Vertragsstatut § 174 BGB auch dann Anwendung, wenn weder das Vollmachts- noch das Formstatut einschlägig sind.
2. Die Zurückweisung der Kündigung vom 31. Juli 2012 war nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
a) Allerdings geht die Klägerin im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass bei einseitigen Rechtsgeschäften die Vollmachtsurkunde vom Vertreter zum Nachweis iSv. § 174 Satz 1 BGB nach dem Zweck dieser Bestimmung grundsätzlich bei jedem neuen Rechtsgeschäft vorgelegt werden muss (Soergel/Leptien 13. Aufl. § 174 Rn. 2; Erman/Maier-Reimer BGB 14. Aufl. § 174 Rn. 5).
aa) Bei zweiseitigen Rechtsgeschäften kann der Vertragspartner selbst entscheiden, ob er den Vertragsabschluss von der Vertretungsmacht des für einen anderen Handelnden abhängig macht (Erman/Maier-Reimer BGB 14. Aufl. § 174 Rn. 1). Darum reicht es bei solchen Rechtsgeschäften gemäß § 172 Abs. 2 BGB aus, dass die Urkunde dem Dritten einmal vorgelegt wird.
bb) Derjenige, demgegenüber ein einseitiges Rechtsgeschäft vorgenommen wird, ist an diesem nicht willentlich, sondern nur passiv als Adressat beteiligt (Staudinger/Schilken (2014) § 174 Rn. 1; Erman/Maier-Reimer BGB 14. Aufl. § 174 Rn. 1). § 174 BGB soll deshalb zu seinen Gunsten klare Verhältnisse schaffen. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob er bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen. Hat ihm der Vertretene keine Gewissheit verschafft, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und sich der Vertretene dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen muss, kann der Erklärungsempfänger die einseitige Willenserklärung zurückweisen (vgl. BAG 25. September 2014 – 2 AZR 567/13 – Rn. 19; 14. April 2011 – 6 AZR 727/09 – Rn. 23, BAGE 137, 347). Darum genügt es bei einseitigen Rechtsgeschäften für den Nachweis iSv. § 174 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht, dass für ein früheres einseitiges Rechtsgeschäft die erforderliche Vollmacht vorgelegt war.
b) Die Klägerin missversteht jedoch § 174 BGB, wenn sie annimmt, eine Zurückweisung sei nach § 174 Satz 2 BGB nur ausgeschlossen, wenn der Empfänger objektiv keine begründeten Zweifel daran haben könne, dass keine Änderung der tatsächlichen Umstände erfolgt sei. Die von § 174 BGB angestrebte Gewissheit für den Erklärungsempfänger verschaffen diesem gerade die Vorlage der Vollmachtsurkunde (Fall des § 174 Satz 1 BGB) bzw. das Inkenntnissetzen (Fall des § 174 Satz 2 BGB, vgl. BAG 25. September 2014 – 2 AZR 567/13 – Rn. 19). Ist eine dieser beiden Voraussetzungen geschaffen, kann der Empfänger das einseitige Rechtsgeschäft nicht mehr nach § 174 BGB zurückweisen. Das dadurch geschützte Gewissheitsinteresse erstreckt sich nicht auf die von der Klägerin angeführten Zweifel, ob die nachgewiesene bzw. mitgeteilte Vollmacht (noch) den Tatsachen entspricht. § 174 BGB schützt den Empfänger nicht davor, dass er der Mitteilung über die Vertretungsverhältnisse keinen Glauben schenkt, sondern will ihm nur die Nachforschung darüber ersparen. Bei Zweifeln über die Vertretungsmacht kann er gemäß § 180 BGB deren Fehlen rügen (vgl. Klostermann-Schneider § 174 BGB: Zurückweisung der vom Bevollmächtigten vorgenommenen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und ihre Grenzen [künftig Klostermann-Schneider] S. 64, 214). Das hat die Klägerin nicht getan, sondern als Juristin die Kündigung ausdrücklich nur zurückgewiesen, weil die Originalvollmacht nicht beigefügt war.
c) Ausgehend von diesem Zweck des § 174 BGB ist der Erklärungsempfänger iSv. § 174 Satz 2 BGB von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt, wenn die früher vorgelegte, den Anforderungen des § 174 Satz 1 BGB genügende Vollmacht sich auch auf das später vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft erstreckt, etwa auf eine Folgekündigung.
aa) Für das Inkenntnissetzen nach § 174 Satz 2 BGB ist keine Form vorgeschrieben (Staudinger/Schilken (2014) § 174 Rn. 11; Klostermann-Schneider S. 212 f.). Es genügt eine Mitteilung des Vollmachtgebers, die sich zumindest auch an den (späteren) Empfänger der einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung richtet (Soergel/Leptien 13. Aufl. § 174 Rn. 4). Darum kann das Inkenntnissetzen auch durch die Vollmachtsurkunde erfolgen, die einem früheren einseitigen Rechtsgeschäft beigefügt war, wenn daraus für den Empfänger deutlich wird, dass sich die Vollmacht auch auf das spätere einseitige Rechtsgeschäft erstreckt (vgl. BAG 10. August 1977 – 5 AZR 394/76 – zu I 1 a bb der Gründe; Rimmelspacher Anm. AP ZPO § 81 Nr. 2 zu II 2 a und 3). In einem solchen Fall ist die Vollmachtsurkunde die direkteste Form des Inkenntnissetzens (Rimmelspacher aaO). Damit hat der Vertretene für den Empfänger erkennbar gemacht, dass er auch erst später notwendig werdende, einseitige Rechtsgeschäfte, die der Bevollmächtigte für ihn vornimmt, gegen bzw. für sich gelten lassen will. Damit ist dem Zweck des § 174 Satz 2 BGB genügt. Der Empfänger bedarf in einem solchen Fall des von § 174 Satz 1 BGB intendierten Schutzes nicht mehr (vgl. BAG 29. Oktober 1992 – 2 AZR 460/92 – zu II 2 a der Gründe; Klostermann-Schneider S. 214). Der Schwebezustand, den § 174 BGB gerade vermeiden will (Gehrlein/Wienland in Herberger/Martinek/Rößmann/ Weth jurisPK-BGB 7. Aufl. § 174 Rn. 1), besteht dann nicht. Darum ist die von der Klägerin geforderte Aktualisierung der Information über die Bevollmächtigung nicht erforderlich (vgl. Klostermann-Schneider aaO).
bb) Ist dagegen die Vollmacht nur für eine bestimmte, zugleich mit der Vorlage der Vollmacht erklärte Kündigung erteilt, oder wird dem (späteren) Erklärungsempfänger vom Vollmachtgeber das Erlöschen der Vollmacht angezeigt, besteht bei späteren einseitigen Rechtsgeschäften (wieder) die Ungewissheit, die § 174 BGB ausräumen will, so dass eine Zurückweisung wieder in Betracht kommt (vgl. Klostermann-Schneider S. 214).
d) Die Schuldnerin hatte die Klägerin über die Vollmacht ihrer späteren Prozessbevollmächtigten, auch die Kündigung vom 31. Juli 2012 zu erklären, bereits durch die der ersten Kündigung vom 20. Juni 2012 beigefügte Originalvollmacht vom 19. Juni 2012 in Kenntnis gesetzt. Die Zurückweisung der zweiten Kündigung war darum gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vollmacht vom 19. Juni 2012 habe nach ihrem Wortlaut und Zweck auch die streitbefangene Folgekündigung erfasst. Diese Würdigung greift die Revision nicht an. Sie lässt auch keine revisiblen Fehler erkennen. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die Reichweite der Mitteilung nach § 174 Satz 2 BGB das Verständnis des Empfängers maßgeblich ist (Rimmelspacher Anm. AP ZPO § 81 Nr. 2 zu II 3).
bb) Auf die von der Klägerin angeführten 201 „verfahrensrelevanten Dokumente”, die nach ihrer Darstellung zwischen den beiden Kündigungen zur elektronischen Akte des Verfahrens nach Chapter 11 B.C. gelangt sind, kam es deshalb ebenso wenig an wie auf die von ihr herangezogenen Pressemeldungen. Eine Ungewissheit über die Vertretungssituation konnte durch diese Umstände wegen der durch die Vollmacht vom 19. Juni 2012 erfolgten, nach wie vor beachtlichen Mitteilung über die Kündigungsbefugnis der späteren Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin nicht entstehen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Schuldnerin, vertreten durch ihren CRO M, mit Ablauf der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO von drei Monaten und damit am 31. Oktober 2012 beendet worden ist. Insoweit ist der Rechtsbegriff des „Insolvenzverwalters” in § 113 Satz 1 InsO durch den amerikanischen „debtor in possession” zu substituieren. Der deutsche ordre public steht dem ebenso wenig entgegen wie Verfassungsrecht.
1. Das Verfahren nach Chapter 11 B.C. ist nach einhelliger Meinung als ausländisches Insolvenzverfahren nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO anzuerkennen (BAG 27. Februar 2007 – 3 AZR 618/06 – BAGE 121, 309; BGH 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 –; Uhlenbruck/Lüer 14. Aufl. § 343 Rn. 3; Mankowski EWiR 2007, 759, 760; Hergenröder/Gotzen DZWIR 2010, 273, 276; Paulus Anm. ZZP 2010, 248, 250; Brinkmann IPRax 2011, 143, 145).
2. Über die Sonderanknüpfung des § 337 InsO galt für die Kündigung vom 31. Juli 2012 deutsches Recht und damit § 113 InsO.
a) Gemäß § 337 InsO unterliegen die anerkannten Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf das Arbeitsverhältnis dem nach dem Arbeitsrechtsstatut maßgeblichen Recht. Für dessen Ermittlung war hier noch § 337 InsO in der bis zum 29. Februar 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003 (BGBl. I S. 345) und damit Art. 30 EGBGB maßgeblich (vgl. MünchKommInsO/Reinhart 3. Aufl. § 337 Rn. 1). Danach war aufgrund der Anknüpfung in Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB deutsches Recht maßgeblich.
b) § 337 InsO erfasst nur die „Wirkungen auf ein Arbeitsverhältnis” und damit die insolvenzrechtlichen Vorschriften, die eine Änderung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Insolvenzsituation regeln, nicht aber verfahrensrechtliche Fragen. Zu den danach maßgeblichen Vorschriften des deutschen Rechts gehört auch § 113 InsO (Mankowski EWiR 2007, 759, 760; MünchKommInsO/Reinhart 3. Aufl. § 337 Rn. 9; FK-InsO/Wenner/Schuster 8. Aufl. § 337 Rn. 4).
3. § 113 Satz 1 und Satz 2 InsO geben dem „Insolvenzverwalter” das Recht, das Arbeitsverhältnis unter Brechung längerer vertraglicher Fristen mit einer Höchstfrist von drei Monaten zu kündigen. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die streitbefangene Kündigung nicht von einem Insolvenzverwalter mit Befugnissen, die denen eines Verwalters nach deutschem Recht vergleichbar wären, erklärt worden ist, sondern von der Schuldnerin selbst, die dabei von ihrem CRO vertreten worden ist. Deren Stellung im Verfahren nach Chapter 11 B.C. ist jedoch der eines nach § 113 InsO Kündigungsberechtigten funktionsäquivalent, so dass auch sie als „debtor in possession” im Rahmen des Verfahrens nach Chapter 11 B.C. die Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO für sich in Anspruch nehmen konnte.
a) Ist ein ausländisches Insolvenzverfahren nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO zu qualifizieren, bestimmen sich Rechtsstellung und Befugnisse des für den insolventen Schuldner Handelnden oder an seine Stelle Getretenen auch in Fällen, in denen über § 337 InsO deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet, nach der lex fori concursus. Dieser kann grundsätzlich in Wahrnehmung der Befugnisse, die ihm sein Heimatrecht verleiht, in der Bundesrepublik Deutschland die Masse sichern, sammeln und verwerten (vgl. FK-InsO/Wenner/Schuster 8. Aufl. § 335 Rn. 17; Gottwald/Kolmann/Keller Insolvenzrechts-Handbuch 5. Aufl. § 133 Rn. 12). Für die materiell-rechtliche Vorfrage (zu diesem Institut des IPR Kropholler Internationales Privatrecht 6. Aufl. § 32 zu I; Reinhart IPRax 2012, 417, 420), nach welchem Recht sich die Frage der Stellung des Insolvenzverwalters für die Wahrnehmung dieser Befugnisse richtet, erfolgt insoweit über die Kollisionsnorm des § 343 InsO eine eigenständige (Rück-)Anknüpfung an das ausländische Insolvenzrecht (vgl. für die Rechtslage nach der EuInsVO BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn. 36 ff., Rn. 63, BAGE 143, 129; BGH 3. Februar 2011 – V ZB 54/10 – Rn. 12, BGHZ 188, 177; Reinhart IPRax 2012, 417, 420 f.).
b) Im Verfahren nach Chapter 11 B.C. war die Befugnis, das zur Masse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, bei der Schuldnerin selbst verblieben, und nicht, wie von § 80 InsO angeordnet, auf einen unabhängigen, gerichtlich bestellten Verwalter übergegangen.
aa) Das Verfahren nach Chapter 11 B.C. zielt auf die Reorganisation des Schuldners. Üblicherweise wird dabei – abweichend vom in 11 U.S.C. sec. 1108 gesetzlich vorgesehenen Regelfall – kein „trustee” (= Treuhänder; Priebe ZInsO 2011, 1676, 1682) bestellt, der in die rechtliche Stellung des Schuldners eintritt (Kemper Die U.S.-amerikanischen Erfahrungen mit „Chapter 11” [künftig Kemper] S. 65; Gräwe ZInsO 2012, 158, 160 f.; Jander/Sohn RIW 1981, 744, 746), sondern der Schuldner bleibt selbst verwaltungs- und verfügungsbefugt. In dieser Form der Eigenverwaltung hat er die Stellung des „debtor in possession”. Er hat dabei gemäß 11 U.S.C. sec. 1107 grundsätzlich die Aufgaben und Befugnisse des „trustee”, fungiert also als Treuhänder der Gläubiger und muss seine Befugnisse zu deren Gunsten ausüben (BAG 27. Februar 2007 – 3 AZR 618/06 – Rn. 17, BAGE 121, 309; Kemper S. 57; Jander/Sohn RIW 1981, 744, 750).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass im Insolvenzverfahren der Schuldnerin nach Chapter 11 B.C. ein „trustee” bestellt worden ist. Der am 22. Mai 2012 vom Abwicklungskomitee der Schuldnerin berufene CRO M hatte keine einem „trustee” vergleichbaren Aufgaben, sondern war als bloßer Sanierungsgeschäftsführer bzw. Interim-Manager Teil der Geschäftsführung der Schuldnerin.
(1) Das Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 B.C. sieht den CRO nicht vor. Gleichwohl wird in diesem Verfahren üblicherweise ein solcher Manager bestellt (Waisman/Lucas in The Americas Restructuring and Insolvency Guide 2008/2009 S. 200). Die Funktion kann sowohl von einem internen, bei der Schuldnerin angestellten Manager als auch von einem externen, auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags tätigen Manager ausgeübt werden (Kaufmann in Buth/Hermanns RSI 4. Aufl. § 20 Rn. 45a). In jedem Fall ist seine Stellung nicht mit der eines „trustee” vergleichbar. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt auch nach der Bestellung eines CRO bei dem Schuldner (Waisman/Lucas aaO S. 201, 205).
(2) CRO M hat nach diesen Grundsätzen nicht die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis von der Schuldnerin übernommen, sondern diese lediglich nach außen vertreten. Das folgt bereits aus der zeitlichen Abfolge: Der Eigenantrag ist erst am 28. Mai 2012 gestellt worden, der CRO aber bereits am 22. Mai 2012 bestellt worden. Diese Bestellung ist zudem durch die Schuldnerin selbst und nicht – wie gemäß 11 U.S.C. sec. 1104 (a) für einen „trustee” erforderlich – durch den zuständigen Bankruptcy Court erfolgt.
c) Die Schuldnerin konnte jedoch auch als „debtor in possession” im Verfahren nach Chapter 11 B.C. die Kündigung mit der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO erklären. Insoweit ist das Tatbestandsmerkmal des „Insolvenzverwalters” in § 113 InsO zu ersetzen.
aa) Tatbestandsmerkmale inländischer Normen, die nach dem Kollisionsrecht anzuwenden sind, können auch durch eine davon abweichende ausländische Gestaltung bzw. Rechtserscheinung als erfüllt anzusehen sein (Substitution). Voraussetzung dafür ist, dass die auszulegende inländische Norm nicht nur für die Gestaltung durch das eigene Recht geöffnet ist und dass auch die ausländische Rechtserscheinung der inländischen funktional gleichwertig ist. Für eine funktionale Äquivalenz ist keine völlige Gleichstellung der Bezeichnung oder des Rechtsinhalts zu verlangen. Ausreichend ist eine Übereinstimmung der wesentlichen Merkmale im Sinne eines Wirkungsvergleichs. Nur so lässt sich der Vielgestaltigkeit der Rechtsordnungen, der § 343 InsO Rechnung tragen will, gerecht werden (vgl. zum Rechtsinstitut der Substitution BGH 13. Mai 2015 – IV ZB 30/14 – Rn. 33; 17. April 2002 – XII ZR 182/00 – zu 3 der Gründe; v. Bar/Mankowski IPR Bd. I 2. Aufl. § 7 Rn. 239 f., 243; Kropholler Internationales Privatrecht 6. Aufl. § 33 zu II; Reinhart IPRax 2012, 417, 421).
bb) Ist ein ausländisches Insolvenzverfahren nach § 343 InsO anzuerkennen, scheidet nach diesen Grundsätzen bei den nach § 337 InsO anzuwendenden Vorschriften des deutschen Rechts, die auf die Befugnisse des Insolvenzverwalters abstellen, nur in Ausnahmefällen eine Substitution aus. Anderenfalls wäre es dem zum Handeln für die Masse Berufenen, dessen Rechtsstellung sich nach seinem Heimatrecht von der eines Insolvenzverwalters iSv. § 56 Abs. 1 Satz 1, § 80 InsO unterscheidet, unmöglich, seine ihm nach der lex fori concursus in Deutschland zustehenden Befugnisse effektiv zu nutzen. Das würde die Anerkennungswirkung des § 343 InsO konterkarieren. Soweit die nach § 337 InsO maßgeblichen Vorschriften auf die Stellung als Insolvenzverwalter abstellen, ist eine Substitution darum grundsätzlich immer dann vorzunehmen, wenn für die Masse in der vom Insolvenzrecht der lex fori concursus vorgesehenen Weise gehandelt wird (vgl. für den Anwendungsbereich der EuInsVO BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn. 38, 40, BAGE 143, 129). Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn in einer über § 337 InsO anzuwendenden Norm spezifisch an die mit einer Insolvenzverwalterstellung iSv. § 56 Abs. 1 Satz 1, § 80 InsO verbundene Rechtsstellung angeknüpft wird, wenn also gerade ein Handeln einer natürlichen Person, die haftungs- und strafrechtlich persönlich verantwortlich und allzuständig ist, die der beständigen Aufsicht des Insolvenzgerichts unterliegt (vgl. dazu BGH 19. September 2013 – IX AR (VZ) 1/12 – Rn. 12, BGHZ 198, 225), und auf die die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis übergeht, gefordert wird.
cc) Wird ein ausländisches Insolvenzverfahren wie das nach Chapter 11 B.C. in Form der Eigenverwaltung durchgeführt, besteht ein derartiger spezifischer Bezug auf das deutsche Verständnis des Insolvenzverwalters jedenfalls dann nicht, wenn der ausländische Schuldner von den sich aus §§ 108, 113, 121 sowie §§ 123 bis 125 InsO ergebenden Befugnissen Gebrauch macht. Der Gesetzgeber hat durch § 279 Satz 1 InsO zu erkennen gegeben, dass in der Eigenverwaltung dem Schuldner selbst diese Befugnisse zukommen sollen. Darum besteht insoweit hinsichtlich der Befugnisse des „debtor in possession” Funktionsäquivalenz.
(1) Der Gesetzgeber hat ungeachtet seiner Bedenken, dass ein Schuldner, der die Insolvenz nicht hat vermeiden können, meist nicht dazu geeignet sein werde, die Masse selbst optimal zu verwerten und die Interessen der Gläubiger über seine eigenen zu stellen, in §§ 270 ff. InsO das Eigenverwaltungsverfahren als Alternative zum fremdverwalteten Regelverfahren eingeführt. Er hat sich dabei neben dem Gedanken, dass dadurch Aufwand und Kosten gespart würden, vor allem von der Erkenntnis leiten lassen, dass dieses Verfahren dem Schuldner Anreiz bietet, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei der Ausgestaltung des Verfahrens hat er sich nicht nur an der Vergleichsordnung, sondern auch am Verfahren nach Chapter 11 B.C. orientiert (BT-Drs. 12/2443 S. 106, 222 f.; ausführlich zum Gesetzgebungsverfahren MünchKommInsO/ Tetzlaff 3. Aufl. Vor §§ 270 – 285 Rn. 3 ff.).
(2) Bei der Ausgestaltung des Verfahrens der Eigenverwaltung hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, für dieses Verfahren kein besonderes materielles Insolvenzrecht einzuführen, sondern es grundsätzlich unverändert zur Geltung zu bringen, um so den Gleichlauf mit dem Regelfall eines fremdverwalteten Verfahrens herzustellen. § 279 Satz 1 InsO ist Ausprägung dieser Grundentscheidung. Danach tritt bei der Anwendung der §§ 103 bis 128 InsO der Schuldner an die Stelle des Insolvenzverwalters. Sind die Arbeitgeberbefugnisse beim Schuldner verblieben, ist es konsequent, diesem auch die Ausübung der mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in der Eigenverwaltung zusammenhängenden Entscheidungen, insbesondere die Wahrnehmung des Kündigungsrechts, zu belassen. Der Gesetzgeber hat darum auch bei gegenseitigen Verträgen bewusst auf Sonderregelungen für die Eigenverwaltung verzichtet, um die Entscheidung des Schuldners, ob er Fremd- oder Eigenverwaltung beantragt, nicht dadurch zu beeinflussen, dass unterschiedliche materiellrechtliche Regeln zur Anwendung kommen (BT-Drs. 12/2443 S. 223, 225; vgl. MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern 3. Aufl. § 279 Rn. 1, 16). Darum kann der Schuldner in der Eigenverwaltung mit der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO kündigen (vgl. BAG 20. Januar 2005 – 2 AZR 134/04 – zu B II 1 b und 2 a der Gründe, BAGE 113, 199; MünchKommInsO/Tetzlaff/Kern aaO Rn. 16). Soweit er dabei entgegen der Sollvorschrift des § 279 Satz 2 InsO zuvor kein Einvernehmen mit dem Sachwalter herstellt, ist die Kündigung gleichwohl wirksam, sofern nicht gemäß § 277 InsO Zustimmungsbedürftigkeit angeordnet ist. Der Gesetzgeber hat nur in den in § 279 Satz 3 InsO ausdrücklich genannten Fällen, in denen in die Rechtsstellung einer Vielzahl von Arbeitnehmern eingegriffen wird, einen Zustimmungsvorbehalt normiert (BT-Drs. 12/2443 S. 225; Graf-Schlicker in Graf-Schlicker InsO 4. Aufl. § 279 Rn. 4 f.).
(3) § 113 InsO ist eine in sich geschlossene Spezialregelung, die allen längeren Kündigungsfristen vorgeht (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 301/12 – Rn. 10, 22, BAGE 147, 267). Sie dient dem Ausgleich zwischen den sozialen Belangen der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens auf der einen und den Interessen der Insolvenzgläubiger am Erhalt der Masse als Grundlage ihrer Befriedigung auf der anderen Seite. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass Arbeitnehmer aufgrund der Länge der Kündigungsfrist nicht mehr bis zu deren Ablauf beschäftigt werden können und die Masse durch die dann zu zahlende Annahmeverzugsvergütung entleert wird (BT-Drs. 12/7302 S. 169).
(4) Nach diesen maßgebenden Grundgedanken der § 279 Satz 1 InsO und § 113 InsO ist die Kündigung durch einen „debtor in possession”, der damit in der im Verfahren nach Chapter 11 B.C. vorgesehenen Weise von seinen Befugnissen in der Insolvenz Gebrauch macht, wirkungsgleich mit einer Kündigung durch die Personen, die nach der Entscheidung des Gesetzgebers die Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO auf Arbeitgeberseite in Anspruch nehmen können. Der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass es ihm auch in einem Verfahren, das wie das nach Chapter 11 B.C. zumindest dem Erhalt des Unternehmens dient, um so das schuldnerische Vermögen zu maximieren und damit zugleich die Gläubiger in ihrer Gesamtheit zu schützen (vgl. zu dieser Zielrichtung BGH 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 – Rn. 8 ff.; Kemper S. 11 ff.; Gräwe ZInsO 2012, 158, 159), darauf ankommt, die unterschiedlichen Interessen von Arbeitnehmern und Gläubigern durch eine Begrenzung der Kündigungsfrist auf eine Höchstfrist auszugleichen. Dafür ist nach seiner in § 279 Satz 1 InsO kodifizierten Grundentscheidung nicht zwingend erforderlich, dass der Schuldner die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis verloren hat. Mit der bloßen Sollvorschrift des § 279 Satz 2 InsO, die sanktionslos ist, hat er erkennen lassen, dass er insoweit auch die Aufsicht durch einen Sachwalter als nicht ausschlaggebend ansieht.
4. Anders als die Revision annimmt, führt diese Auslegung nicht zu einem Verstoß gegen den ordre public.
a) Ein verfahrensrechtlicher Verstoß gegen den ordre public, der sich bereits aus der bloßen Anerkennung der Verfahrenseröffnung im Verfahren nach Chapter 11 B.C. ergeben könnte und zur Folge hätte, dass der Verfahrenseröffnungsakt nicht anerkannt werden kann (vgl. BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 882/11 (A) – Rn. 73), wird von der Klägerin nicht gerügt und liegt offenkundig nicht vor (vgl. BGH 13. Oktober 2009 – X ZR 79/06 – Rn. 21 ff.).
b) Der von der Revision angenommene Verstoß gegen den deutschen materiell-rechtlichen ordre public, der aus der Anerkennung der Rechtsstellung der Schuldnerin nach dem Verfahren nach Chapter 11 B.C. folge, kann nicht zu dem von der Klägerin angestrebten Ausschluss des § 113 InsO führen. Er hätte lediglich die Nichtanwendung der gegen den ordre public verstoßenden US-amerikanischen Rechtsnormen zur Folge (vgl. BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 882/11 (A) – Rn. 73; zu den diskutierten Anwendungsfällen s. MünchKommInso/Reinhart 2. Aufl. § 343 Rn. 25 ff.). Die von der Revision erhobenen Rügen betreffen allein die Möglichkeit der Substitution des Tatbestandsmerkmals „Insolvenzverwalter” durch den „debtor in possession” in § 113 Satz 1 InsO. Das ist kein Fall des (materiell-rechtlichen) ordre public (vgl. BAG 25. April 2013 – 6 AZR 49/12 – Rn. 68).
5. Entgegen der Annahme der Klägerin verstößt die Abkürzung der vertraglichen Kündigungsfrist durch § 113 Satz 2 InsO nicht gegen Verfassungsrecht.
a) Art. 12 Abs. 1 GG gewährt keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht tragen die geltenden Kündigungsvorschriften hinreichend Rechnung (BVerfG 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). Zu diesen Vorschriften gehört auch § 113 Satz 2 InsO, durch den der Gesetzgeber einen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausgleich zwischen den sozialen Belangen der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens auf der einen und den Interessen der Insolvenzgläubiger am Erhalt der Masse auf der anderen Seite gefunden hat (BT-Drs. 12/7302 S. 169; vgl. BAG 22. September 2005 – 6 AZR 526/04 – zu II 1 der Gründe, BAGE 116, 19; 16. Juni 1999 – 4 AZR 191/98 – BAGE 92, 41).
b) Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 4 GG ist nicht eröffnet, weil § 113 Satz 2 InsO nicht allein Mütter betrifft (BVerfG 12. März 1996 – 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90 – zu C III der Gründe, BVerfGE 94, 241). Der Staat hat auch seinen Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG durch § 113 Satz 2 InsO nicht verletzt. Die Durchbrechung vertraglicher oder tariflicher Kündigungsfristen trifft alle Arbeitnehmer gleichermaßen, knüpft also nicht in besonderer Weise an die Schwangerschaft der Klägerin an. § 113 InsO durchbricht auch nicht den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz nach § 9 MuSchG, von dem die Klägerin dementsprechend durch die Unwirksamkeit der ersten Kündigung vom 20. Juni 2012 profitiert hat. Der durch die Abkürzung der Kündigungsfrist gegenüber der vereinbarten vertraglichen Kündigungsfrist entstehende wirtschaftliche Nachteil wird systemimmanent durch den Schadenersatzanspruch nach § 113 Satz 3 InsO ausgeglichen (zur Vereinbarkeit des § 113 InsO mit Art. 6 GG vgl. auch BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 301/12 – Rn. 19 ff., BAGE 147, 267).
6. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass und wie (werdende) Mütter in besonderer Weise von der Abkürzung der Kündigungsfrist durch § 113 InsO nachteilig betroffen sind (zur Darlegungslast BAG 22. April 2010 – 6 AZR 966/08 – Rn. 19 ff., BAGE 134, 160). Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts ist damit nicht aufgezeigt.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, D. Knauß, M. Geyer
Fundstellen
Haufe-Index 8736470 |
BAGE 2016, 363 |
BB 2015, 2995 |
BB 2015, 3068 |
DB 2015, 7 |