Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Änderungskündigung zur Tarifanpassung
Orientierungssatz
1. § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT enthält ein grundsätzliches Verbot der fristlosen Kündigung des Angestelltenverhältnisses aus betriebsbedingtem wichtigen Grund.
2. Das Festhalten eines Angestellten an den vertraglichen Vereinbarungen und seine Ablehnung, einen anderen – schlechteren – Tarifvertrag (hier: KAT-NEK statt BAT) zu akzeptieren, stellt keinen in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grund iSd. § 55 Abs. 1 BAT dar.
3. Weder aus den besonderen Loyalitätspflichten des kirchlichen Arbeitsverhältnisses noch aus dem Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft folgt regelmäßig eine vertragliche Verpflichtung des kirchlichen Arbeitnehmers, Vergütungsveränderungen zu akzeptieren.
Normenkette
BAT §§ 54, 53 Abs. 3, § 55; Kirchlicher Angestelltentarifvertrag der Nordelbischen Evangelischen-Lutherischen Kirche (KAT-NEK); BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. November 1999 – 9 Sa 74/99 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Mai 1999 – 12 Ca 30/99 – wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.
Die beklagte Stiftung ist eine diakonische Einrichtung. Sie vereinbarte mit dem Kläger wie auch mit allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeitsvertraglich die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT). Seit März 1991 ist sie Mitglied im Verband Kirchlicher und Diakonischer Anstellungsträger Nordelbien (VKDA). Seitdem vereinbart sie mit den neu eingestellten Angestellten die Geltung des Kirchlichen Angestelltentarifvertrages der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (KAT-NEK). Auf Veranlassung der Beklagten sind alle älteren Arbeitsverträge überwiegend einvernehmlich vom BAT auf den KAT-NEK umgestellt worden.
Der am 22. Juli 1955 geborene Kläger ist seit dem 16. April 1981 bei der Beklagten auf dem Kerngelände im C.-Haus in einer Wohngruppe als Angestellter mit 20 Wochenstunden im erzieherischen Dienst tätig. Er erhält eine Vergütung nach der VergGr. VI b BAT.
Am 6. November 1998 schlossen der VKDA einerseits und die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG), die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), der Verband Kirchlicher Mitarbeiter Nordelbien sowie die Industrie-Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt andererseits den Tarifvertrag „Bündnis für Investitionen und Beschäftigung in der Evangelischen Stiftung” (Bündnis-TV), der ua. eine Reduzierung der Personalkosten um jährlich 4,6 % bis Ende 2003, einen Investitionsfond mit einem Volumen von 50 Mio. DM und den Ausschluß von betriebsbedingten Kündigungen, die vor dem 31. März 2005 wirksam werden, vorsieht. Durch den Abschluß des Bündnis-TV konnten seinerzeit 160 betriebsbedingte Kündigungen abgewendet werden.
In der Protokollnotiz Nr. 2 zum Bündnis-TV heißt es:
„Es besteht Einigkeit darüber, daß die Anstellungsverhältnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Evangelischen Stiftung A., für die auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarungen der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) gilt, aus betrieblichen Gründen ordentlich gekündigt werden mit dem Ziel, diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Weiterbeschäftigung auf der Grundlage des Kirchlichen Angestelltentarifvertrages (KAT-NEK) anzubieten. Für diesen Personenkreis gilt nicht die Regelungsabsprache nach § 3 Abs. 1. Änderungskündigungen sind zulässig.”
Bis auf den Kläger stimmten alle Arbeitnehmer der Beklagten einer Umstellung ihrer auf den BAT verweisenden Altverträge und einer entsprechenden Vergütungsreduzierung zu.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich aus dringenden betrieblichen Gründen zum 30. Juni 1999 und bot dem Kläger einen neuen Vertrag zu den Bedingungen des KAT-NEK und des Bündnis-TV an. Zur Kündigungsbegründung führte sie folgendes aus:
„Mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Evangelischen Stiftung als eine gemeinnützige, kirchliche Einrichtung mit sozialstaatlicher Zielsetzung, beschäftigungspolitischer Verantwortung und wirtschaftlicher Betriebsführung zu sichern, und der Vorgabe, dieses Ziel unter Abkehr von zur Zeit in der freien Wirtschaft gängigen Maßnahmen wie Ausgliederung und Wegrationalisierung zu erreichen, ist für die Angestellten, Arbeiter, Schüler, Auszubildenden und Praktikanten der Evangelischen Stiftung ein Tarifvertrag „Bündnis für Investitionen und Beschäftigung” über die Aufbringung eines Investitionsbeitrages durch die Mitarbeiter der Stiftung in Höhe von DM 50 Mio. geschlossen worden.
Der persönliche Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfaßt jedoch nur diejenigen Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen, die dem KAT-NEK angehören, da er sich als Änderungstarifvertrag zum KAT-NEK versteht. Hierbei handelt es sich um den überwiegenden Teil der Mitarbeiterschaft.
In der Stiftung arbeiten allerdings auch noch Mitarbeiter, für die aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT gilt. Diese Mitarbeiter unterliegen daher nicht dem Tarifvertrag „Bündnis für Investitionen und Beschäftigung”. Hierzu sind Sie zu zählen mit der Folge, daß Sie im Gegensatz zu dem größten Teil der Belegschaft den geplanten Lohnverzicht nicht hinzunehmen haben, gleichwohl aber in den Genuß der Vorteile gelangen, die sich nach dem Ablauf des Tarifvertrages „Bündnis für Investitionen und Beschäftigung” einstellen sollen, nämlich einer Stiftung, die in einem verschärften Wettbewerb durchaus bestehen und dadurch die weitergehende Beschäftigung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sicherstellen kann.
Diese Folge stellt zum einen eine soziale Ungerechtigkeit dar, die dazu geeignet sein kann, den Betriebsfrieden zu stören. Es ist denjenigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die nun per Tarifvertrag gezwungen sind, ein Sonderopfer in Form eines Lohnverzichts für die Stiftung zu erbringen, nur schwer, wenn nicht gar unmöglich nahezubringen, aus welchem Grund die Kollegen, die vor Jahren – zugegebenermaßen rechtens – nicht dem KAT-NEK beigetreten sind, sondern im BAT verblieben sind, von diesem Sonderopfer verschont bleiben sollen, gleichzeitig aber an den positiven Auswirkungen desselben teilhaben können.
An dieser Stelle sind innerbetriebliche Spannungen geradezu vorprogrammiert.
Zum anderen kann durch diese Folge auch die erfolgreiche Umsetzung des Tarifvertrages „Bündnis für Investitionen und Beschäftigung” gefährdet werden. Ein Solidarpakt, so wie er hier zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Einvernehmen geschlossen worden ist, hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und es nicht zu Sonderwegen und Abspaltungen kommt. Es darf nicht sein, daß die von einigen Mitarbeitern in der Vergangenheit und in einem vollkommen anderen Zusammenhang getroffene Entscheidung, im BAT zu verbleiben und sich nicht dem KAT-NEK anzuschließen, nun sich in der Gegenwart insoweit auswirkt, als daß der geschlossene Solidarpakt in seinem Erfolg bedroht sein kann, weil er aufgrund dieser Entscheidung nicht von allen mitgetragen werden kann.”
Der Kläger nahm die geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt an und hat im Rahmen seiner erhobenen Änderungsschutzklage die Auffassung vertreten, es liege kein wichtiger Grund für die Änderung seiner bisherigen Arbeitsbedingungen vor. Er sei auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen verpflichtet, auf seinen erworbenen tariflichen Kündigungsschutz zu verzichten, zumal sein Beitrag zum Investitionsfond nur gering wäre.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Änderungskündigung vom 22. Dezember 1998 sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. Juni 1999 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Ansicht vertreten, es bestehe ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Anpassung der bisherigen Arbeitsbedingungen des Klägers an den KAT-NEK, um die einheitliche Anwendung der im Betrieb geltenden Tarifordnung zu gewährleisten. Der Kläger unterliege wie alle kirchlichen und diakonischen Mitarbeiter besonderen Loyalitätspflichten und sei als Mitglied einer kirchlichen Dienstgemeinschaft zu solidarischem Verhalten verpflichtet. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu unveränderten Arbeitsbedingungen sei für sie nicht zumutbar, zumal der Kläger die Vorteile des Bündnis-TV in Anspruch nehme, ohne selbst einen Beitrag zum gesicherten Fortbestand der Stiftung zu leisten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die zum 30. Juni 1999 erklärte Änderungskündigung vom 22. Dezember 1998 ist rechtsunwirksam.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist sei rechtswirksam, weil ein wichtiger Grund gemäß § 54 BAT iVm. § 626 Abs. 1 BGB vorliege. Der Beklagten sei eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unzumutbar. Die Beklagte brauche es auch bei dem unkündbaren Kläger nicht hinzunehmen, daß er als einziger Mitarbeiter eine Vertragsumstellung auf den KAT-NEK und den Bündnis-TV verhindere und sich damit nicht an den gemeinsamen finanziellen Lasten beteilige. Ihr sei ein Ausscheren des Klägers aus der Dienstgemeinschaft nicht zuzumuten. Der Kläger stehe als Teil der Dienstgemeinschaft in der gemeinsamen Verantwortung für die Erfüllung des diakonischen Auftrages. Dementsprechend sei es hinzunehmen, wenn sich die Beklagte zur Begründung der Änderungskündigung des an sich unkündbaren Arbeitsverhältnisses auf die Herstellung der Dienstgemeinschaft berufe. Alle Mitarbeiter seien dem Ziel des Bündnis-TV verpflichtet, die Einrichtung und damit den Dienst an den behinderten Menschen langfristig zu sichern. Indem der Kläger eine einvernehmliche Vertragsänderung ablehne und auf der Anwendung des BAT beharre, verweigere er sich dem Vollzug der Dienstgemeinschaft. Dabei sei es unerheblich, ob er für seine Haltung Gründe habe. Seine Einzelinteressen hätten hinter den Gemeinschaftsgedanken und vor allem der gemeinsamen Aufgabe zurückzutreten.
B. Dem folgt der Senat nicht.
I. Die Änderungskündigung der Beklagten ist nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT iVm. § 134 BGB rechtsunwirksam.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT Anwendung findet und der Kläger angesichts seines Alters und seiner Beschäftigungszeit iSv. § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbar ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nur noch nach Maßgabe des § 55 BAT gekündigt werden konnte.
a) Der BAT regelt in § 54 BAT in Übereinstimmung mit § 626 BGB allgemein, wann ein Arbeitsverhältnis eines Angestellten aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Für die gemäß § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbaren Angestellten bestimmt die Sonderregelung des § 55 BAT zunächst in ihren Absatz 1, daß einem solchen Angestellten nur aus einem in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden kann. Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT berechtigen andere wichtige Gründe den Arbeitgeber nicht zur Kündigung, wobei dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, ausdrücklich als Beispiel eines solchen zur fristlosen Kündigung nicht ausreichenden wichtigen Grundes genannt werden. § 55 BAT enthält somit eine Beschränkung der Gründe für eine fristlose Kündigung, nämlich auf die in der Person und dem Verhalten des unkündbaren Angestellten liegenden wichtigen Gründe. Aus § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT ergibt sich ein grundsätzliches Verbot der fristlosen Kündigung aus einem betriebsbedingten wichtigen Grund (Senat 17. Mai 1984 – 2 AZR 161/83 – AP BAT § 55 Nr. 30; Bredemeier/Neffke BAT/BAT-O § 55 Rn. 7; Ramdohr/Crisolli Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst Stand September 2001 § 55 BAT Erl. 12; PK-BAT/Schmalz 2. Aufl. § 55 Rn. 3). Vielmehr soll der Bestand des Arbeitsverhältnisses eines tarifvertraglich unkündbaren Angestellten bei Wegfall seines Arbeitsplatzes umfassend geschützt werden (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand September 2001 § 55 Erl. 5).
b) Eine solche tarifliche Beschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts ist nicht grundsätzlich unzulässig und unvereinbar mit § 626 BGB (Senat 31. Januar 1996 – 2 AZR 158/95 – BAGE 82, 124, 132). Da eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ohnehin nur in Ausnahmefällen rechtlich zulässig ist, können die Tarifvertragsparteien eine Einschränkung auf bestimmte, fest umrissene Tatbestände zumindest dann vorsehen, wenn, wie in § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT geschehen, eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht völlig ausgeschlossen ist, sondern eine Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen ermöglicht wird, sofern eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist (Senat 31. Januar 1996 aaO). Bedenken könnten aus verfassungsrechtlicher Sicht nur insoweit bestehen, als der Ausschluß einer außerordentlichen Kündigung dazu führte, daß ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten werden müßte. Insoweit wäre allerdings eine geltungserhaltende Auslegung dahin zu erwägen, daß die Regelung für derartige Ausnahmefälle keine Anwendung findet (vgl. Senat 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10, 15).
c) Demnach konnte eine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers durch eine Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT nicht wirksam erfolgen.
Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT, der vom Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt wurde, berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entgegenstehen, die Beklagte nicht zu der ausgesprochenen Änderungskündigung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT konnte die Beklagte lediglich eine Änderungskündigung zur Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, nicht jedoch eine solche zur Änderung des Tarifsystems aussprechen. Eine Änderungskündigung zur Herabgruppierung steht aber vorliegend nicht im Streit. Es liegen im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dienstliche Gründe eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Arbeitsbedingungen nachweisbar unmöglich machen, zumal der Kläger weiterhin auf seinem bisherigen Arbeitsplatz mit seinen bisherigen Tätigkeiten eingesetzt wird.
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Protokollnotiz Nr. 2 zum Bündnis-TV. Für diese tarifliche Regelung fehlt es an einer Tarifbindung der Parteien.
II. Das Festhalten des Klägers an den vertraglichen Vereinbarungen stellt auch keinen in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grund iSd. § 55 Abs. 1 BAT dar.
1. Der in § 55 Abs. 1 BAT verwendete Begriff des wichtigen Grundes knüpft an die Grundsatznorm des § 54 BAT an. Für die Anwendung der allgemeinen Rechtsbegriffe des wichtigen Grundes gilt auch für den Personenkreis des § 53 Abs. 3 BAT die Bestimmung des § 54 BAT. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit die gesetzliche Regelung übernommen, ohne ihr einen bestimmten tariflichen, vom Gesetz abweichenden Inhalt zu geben. Es muß daher ein wichtiger Grund zur Änderungskündigung vorliegen, wie er in der Rechtsprechung zu § 626 BGB beurteilt worden ist (Senat 31. Januar 1996 aaO).
Der in den §§ 54, 55 BAT, § 626 Abs. 1 BGB verwendete Begriff des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter diese Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für und gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr., vgl. ua. Senat 31. Januar 1996 aaO).
2. Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält das angefochtene Urteil einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Landesarbeitsgericht hat schon nicht geprüft, ob ein verhaltensbedingter wichtiger Grund iSd. § 55 Abs. 1 BAT überhaupt vorlag. Einen solchen wichtigen verhaltensbedingten Grund hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht. Soweit das Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Prüfung eines wichtigen, betriebsbedingten Kündigungsgrundes auf die kirchliche Dienstgemeinschaft und die für die kirchlichen Mitarbeiter bestehenden Loyalitätsobliegenheiten hinweist und man in der Verletzung von Loyalitätspflichten durch den Arbeitnehmer einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund erkennen wollte, so kommt diesem Aspekt vorliegend schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, weil aus dem Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft sich lediglich solche besonderen Loyalitätsobliegenheiten entwickeln lassen, die die Kirche oder ihre Einrichtungen um ihrer Glaubwürdigkeit willen, wie beispielsweise die Beachtung der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre, von ihren Mitarbeitern verlangen kann (BVerfG 4. Juni 1985 – 2 BvR 1703, 1718/83 – und – 2 BvR 856/84 – BVerfGE 70, 138, 166). Eine vertragliche Verpflichtung des kirchlichen Arbeitnehmers, Vertragsänderungen der hier streitigen Art zu akzeptieren, läßt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Die Ablehnung führt daher auch nicht zu einer Vertragsverletzung, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könnte.
III. Die Kündigung ist schließlich auch nicht als außerordentliche Änderungskündigung ausnahmsweise nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam. Für die Annahme eines Ausnahmefalles einer eventuell auch tariflich nicht auszuschließenden Kündigungsmöglichkeit (so. B I 2 b; vgl. Senat 5. Februar 1998 aaO) liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Arbeitsplatz des Klägers ist nicht weggefallen, die Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Bedingungen führt nicht zu einer nicht hinzunehmenden Beschränkung der unternehmerischen Freiheit der Beklagten.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Rosendahl, Bartel
Fundstellen
ARST 2002, 21 |
FA 2002, 30 |
FA 2002, 331 |
NZA 2002, 1000 |
EzA |
PersR 2002, 489 |
PersV 2002, 569 |
ZMV 2002, 198 |
ZMV 2002, 33 |
ZfPR 2002, 275 |
NJOZ 2003, 1217 |