Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung teilzeitbeschäftigter Musiklehrerin. Anspruch einer teilzeitbeschäftigten Musikschullehrerin auf Gleichbehandlung mit übertariflich vergüteten Vollzeitbeschäftigten
Leitsatz (amtlich)
- Ist die mit einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer getroffene Vergütungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nichtig, so ist die Höhe der dem Teilzeitbeschäftigten nach § 612 Abs. 2 BGB zustehenden üblichen Vergütung anhand der Vergütung zu ermitteln, die der Arbeitgeber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten zahlt.
- Dies gilt auch, wenn die den Vollzeitbeschäftigten gewährte Vergütung übertariflich ist, sofern nicht insoweit sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung vorliegen.
- Die Wahrung sozialer Besitzstände ist als sachlicher Grund zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung geeignet.
Normenkette
BGB § 612 Abs. 2; EWGVtr Art. 119; BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1; Musikschullehrer-Tarifvertrag vom 20. Februar 1987 VergGr. IVa
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 10.07.1992; Aktenzeichen 13/10 Sa 210/92) |
ArbG Siegburg (Urteil vom 29.01.1992; Aktenzeichen 3 Ca 2061/91) |
Tenor
- Auf die Revision der Kläger wird das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Juli 1992 – 13 (10) Sa 210/92 – aufgehoben.
- Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob noch Vergütungsansprüche für die Jahre 1987 und 1988 aus der Tätigkeit der 1991 verstorbenen Tochter der Kläger bestehen.
Die Kläger sind die Erben ihrer Tochter, die vom 1. August 1979 bis zum 30. August 1980 und sodann ununterbrochen seit dem 1. Januar 1981 bis zu ihrem Tod als staatlich geprüfte Musikschullehrerin an der Musikschule der Beklagten beschäftigt war. Die Tätigkeit der Erblasserin erfolgte zunächst bis Ende 1982 auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen. In dem für die Zeit vom 1. Januar 1983 an geschlossenen schriftlichen Vertrag war vereinbart, daß sich die Vergütung nach den jeweils gültigen Richtlinien der kommunalen Arbeitgeber richte.
Die Erblasserin war teilzeitbeschäftigt. Sie erteilte zwischen sechs und 14 Unterrichtsstunden pro Woche Musikunterricht. Zusätzlich hat sie 1989 bis 1991 mit durchschnittlich vier Unterrichtsstunden pro Woche Ensembles geleitet. Sie wurde wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung von der Beklagten zunächst nicht entsprechend dem BAT, sondern nach Jahreswochenstunden vergütet. Erst am 19. Dezember 1989 erklärte sich die Beklagte bereit, der Erblasserin “den Teil der Vergütung einer entsprechenden vollbeschäftigten Lehrkraft zu zahlen, der dem Maß der mit Ihnen vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit entspricht”. Der Neuberechnung der Vergütung legte die Beklagte die VergGr. Vb BAT zugrunde, wobei sie von einem Unterrichtssoll vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte von 30 Wochenstunden ausging. Das so ermittelte Arbeitsentgelt der Erblasserin war höher als die bis dahin bezogene Vergütung nach Jahreswochenstunden. Den Anspruch auf den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag hat die Beklagte anerkannt.
In der Musikschule der Beklagten waren neben dem vollzeitbeschäftigten Leiter und über 20 teilzeitbeschäftigten Musiklehrern drei vollzeitbeschäftigte Musiklehrer tätig, deren regelmäßiges wöchentliches Unterrichtspensum jeweils 28 Stunden betrug. Die seit 1978 als Klavierlehrerin vollzeitbeschäftigte Lehrkraft S… wurde zunächst nach VergGr. IVb BAT, später aufgrund eines rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Urteils, das die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in VergGr. IVa BAT als erfüllt ansah, nach dieser Vergütungsgruppe vergütet. Die beiden anderen vollzeitbeschäftigten Musiklehrer, die 1972 eingestellte Frau M… O… und der 1974 eingestellte Herr E… O…, erhielten Vergütung nach VergGr. IVa BAT; beide haben auch Ensembleunterricht erteilt, aber nach Auffassung der Parteien nicht die Voraussetzungen einer Eingruppierung in diese Vergütungsgruppe erfüllt.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe für die Jahre 1987 und 1988 Anspruch auf anteilige Vergütung nach VergGr. IVa BAT gehabt, berechnet auf der Grundlage eines wöchentlichen Unterrichtssolls vollzeitbeschäftigter Musiklehrer von 28 Stunden. Die Vereinbarung, wonach die Vergütung der Erblasserin nach Jahreswochenstunden erfolge, sei nämlich wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nach § 134 BGB nichtig gewesen. Daher habe sie nach § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf die übliche Vergütung gehabt. Dies sei die von der Beklagten den vollzeitbeschäftigten Musiklehrern gezahlte Vergütung nach VergGr. IVa BAT auf der Grundlage eines wöchentlichen Unterrichtssolls von 28 Stunden. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Erblasserin die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in VergGr. IVa BAT erfüllt habe, denn diese Voraussetzungen lägen auch bei den vollzeitbeschäftigten Musiklehrern M… und E… O… nicht vor. Im übrigen habe die Erblasserin auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts, da Teilzeitbeschäftigte weit überwiegend Frauen seien, nach Art. 3 Abs. 2 GG und nach Art. 119 EWG-Vertrag Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT gehabt.
Hilfsweise haben die Kläger geltend gemacht, daß die Erblasserin vor dem 1. Januar 1987 zumindest – im Wege des Bewährungsaufstiegs – in VergGr. IVb BAT eingruppiert gewesen sei.
Auf die zunächst auf Vergütung für 1987 beschränkte Klage hat das Arbeitsgericht durch Versäumnisurteil den Betrag von 7.311,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Dezember 1989 zuerkannt. Hiergegen hat die Beklagte Einspruch eingelegt, soweit der zugesprochene Betrag 1.990,53 DM überstieg.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
- das Versäumnisurteil vom 3. April 1990 aufrechtzuerhalten und den Einspruch der Beklagten insoweit zurückzuweisen, als er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung weiterer 5.231,09 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Dezember 1989 richtet;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 6.108,22 DM (Differenz für 1988) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Dezember 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage mit den über 1.990,53 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Dezember 1989 hinausgehenden Betrag abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Erblasserin habe die tariflichen Voraussetzungen der VergGr. IVa BAT nicht erfüllt. Anspruch auf Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe habe sie auch nicht nach § 612 Abs. 2 BGB gehabt, denn ein Entgelt nach VergGr. IVa BAT sei für ihre Tätigkeit nicht üblich. Die den Musiklehrern M… und E… O… gewährte übertarifliche Vergütung beruhe auf Einzelvereinbarungen, mit denen in diesen beiden Fällen vorliegenden Besonderheiten Rechnung getragen werde. Aus demselben Grunde komme auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT nicht in Betracht. Soweit die bei der Beklagten vollzeitbeschäftigten Musiklehrer abweichend von der tarifvertraglichen Regelung ein regelmäßiges wöchentliches Unterrichtspensum von lediglich 28 Stunden haben, habe die Erblasserin keine Gleichbehandlung verlangen können. Die Besserstellung der drei vollzeitbeschäftigten Musiklehrer sei nämlich zur Wahrung erworbener Besitzstände vorgenommen worden und damit sachlich gerechtfertigt. Bei ihrer Einstellung habe, anders als bei der letzten Einstellung der Erblasserin im Jahre 1981, das wöchentliche Unterrichtspensum nämlich nur 28 Stunden betragen.
Die Erblasserin habe auch keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVb BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs gehabt.
Das Arbeitsgericht hat anteilige Vergütung nach VergGr. IVb BAT, berechnet auf der Grundlage eines wöchentlichen Unterrichtspensums Vollzeitbeschäftigter von 30 Stunden, zuerkannt und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen haben sowohl die Kläger als auch die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger durch Teilurteil zurückgewiesen und über die Berufung der Beklagten noch nicht entschieden. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der von den Klägern geltend gemachte Anspruch der Erblasserin auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT nicht verneint werden. Ob der Klageanspruch begründet ist, läßt sich indessen aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die das Revisionsgericht nach § 561 ZPO binden, noch nicht abschließend beurteilen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat den auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT gerichteten Anspruch mit der Begründung verneint, die Erblasserin habe die tariflichen Voraussetzungen dieser Vergütungsgruppe nicht erfüllt. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 612 Abs. 2 BGB, weil die Vergütung nach VergGr. IVa BAT nicht die übliche Vergütung i.S. dieser Vorschrift sei. Auch auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz könnten sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen, denn es fehle an einer allgemeinen Regelung der Beklagten, Musikschullehrer nach VergGr. IVa BAT zu vergüten. Auch auf Art. 119 EWG-Vertrag lasse sich der geltend gemachte Anspruch nicht stützen, weil keine Benachteiligung der Erblasserin wegen ihres Geschlechts stattgefunden habe.
Diesen Überlegungen kann der Senat nur teilweise folgen.
I. Zwar ist dem angefochtenen Urteil darin zuzustimmen, daß die Erblasserin, wovon auch die Parteien ausgehen, nicht die Voraussetzungen erfüllte, die in den Musikschullehrer-Richtlinien vom 14. November 1980 und in dem diese am 1. März 1987 ablösenden Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT (Musikschullehrer- Tarifvertrag) vom 20. Februar 1987 für eine Eingruppierung in VergGr. IVa enthalten sind. So hatte die Erblasserin weder einen Fachbereich oder eine Zweigstelle zu leiten, noch war sie mit wöchentlich mindestens acht Unterrichtsstunden in der studienvorbereitenden Ausbildung oder als Leiterin von Ensembles tätig.
II. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch einen auf Art. 119 EWGV gestützten Anspruch wegen mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung durch die Entgeltpraxis der Beklagten verneint. Ein solcher Anspruch kann unter den Bedingungen des vorliegenden Falles nämlich nur dann in Betracht kommen, wenn diese Praxis der Beklagten – höhere Vergütung vollzeitbeschäftigter als vergleichbarer teilzeitbeschäftigter Musikschullehrer – erheblich mehr Frauen als Männer nachteilig trifft (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 152/92 – EzA Art. 119 EWG-Vertrag Nr. 7; vom 23. September 1992 – 4 AZR 30/92 – EzA § 612 BGB Nr. 16, jeweils m.w.N.). Vorliegend gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, daß der Frauenanteil unter den – benachteiligten – teilzeitbeschäftigten Musikschullehrern der Beklagten wesentlich höher wäre als unter den – begünstigten – Vollzeitbeschäftigten. Auch die Kläger haben dies nicht behauptet. Daher kann dahinstehen, ob die für den Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer wegen ihres Geschlechts erforderliche stärkere nachteilige Betroffenheit überhaupt in Betracht kommt, wenn diese wie im vorliegenden Fall 2/3 der durch die Entgeltpraxis des Arbeitgebers Begünstigten, nämlich der vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Musikschullehrer, stellen. Möglicherweise fehlt es in diesem Fall selbst dann, wenn alle von der Entgeltpraxis benachteiligten Teilzeitbeschäftigten Frauen sind, schon an der Voraussetzung, daß der Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten erheblich höher ist als unter den Vollzeitbeschäftigten.
III. Dagegen hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht einen Anspruch aus § 612 Abs. 2 BGB mit der Begründung verneint, im vorliegenden Fall sei die Vergütung nach VergGr. IVa BAT nicht die übliche Vergütung i.S. dieser Vorschrift.
1. Die Erblasserin hatte für den streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB, denn die mit ihr ursprünglich getroffene Vereinbarung über eine Vergütung nach Jahreswochenstunden war nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nichtig. Nach dieser Vereinbarung erhielt die Klägerin, was zwischen den Parteien unstreitig ist, wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung geringere Vergütung als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist im vorliegenden Fall eine Vergütung nach VergGr. IVa BAT, obwohl die Erblasserin die tariflichen Eingruppierungsvoraussetzungen hierfür nicht erfüllte, als übliche Vergütung i.S. des § 612 Abs. 2 BGB anzusehen, wenn sich herausstellen sollte, daß die Erblasserin nach Qualifikation und Tätigkeit den nach VergGr. IVa BAT vergüteten vollzeitbeschäftigten Musikschullehrern M… und E… O… vergleichbar war und keine sachlichen Gründe dafür vorlagen, sie – anteilig – niedriger zu vergüten als diese.
a) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß die “übliche Vergütung” i.S. des § 612 Abs. 2 BGB bei Bestehen eines Tarifvertrags die tarifliche Vergütung sei. Die übertarifliche Vergütung zweier vollzeitbeschäftigter Musikschullehrer könne an dieser Beurteilung nichts ändern, denn zwei Fälle könnten zur Schaffung einer vom Tarifvertrag abweichenden Üblichkeit gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht ausreichen.
b) Dem kann der Senat nicht folgen. Zwar ist im Regelfall die tarifliche Vergütung als übliche Vergütung anzusehen (BAGE 66, 76 = AP Nr. 9 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985). Dieser Grundsatz kann aber jedenfalls dann nicht ausnahmslos gelten, wenn Anspruch auf die übliche Vergütung deshalb besteht, weil die ursprüngliche Vergütungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nichtig ist. Hier kann, wie im vorliegenden Fall, der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des BeschFG gerade darin bestehen, daß der Arbeitgeber Vollzeitarbeitnehmer übertariflich, Teilzeitarbeitnehmer dagegen tarifgerecht vergütet. Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 liefe leer, wenn auch in diesem Fall Rechtsfolge des Verstoßes nach § 612 Abs. 2 BGB lediglich ein Anspruch auf die tarifliche Vergütung wäre, deren Gewährung gerade gegen das Benachteiligungsverbot verstößt.
In solchen Fällen muß, soll nicht § 612 Abs. 2 BGB in Widerspruch zu Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 treten, Richtschnur für die Ermittlung der “üblichen Vergütung” die Vergütung sein, die der Arbeitgeber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten zahlt. Dabei kann es auf die möglicherweise geringe Zahl der vom Arbeitgeber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht ankommen. Dies läßt sich an dem gedachten Fall verdeutlichen, daß ein Arbeitgeber zwei Arbeitnehmer beschäftigt, einen Teilzeitarbeitnehmer und einen Vollzeitarbeitnehmer, wobei er den Vollzeitarbeitnehmer übertariflich und den Teilzeitarbeitnehmer ausdrücklich “wegen der Teilzeitarbeit” nur tariflich vergütet. Die Wirksamkeit des Diskriminierungsverbotes des Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 kann nicht von der Zahl der im Einzelfall betroffenen Arbeitnehmer abhängen.
3. Zur Vergleichbarkeit der Erblasserin mit den von der Beklagten übertariflich vergüteten Vollzeitbeschäftigten hat das Landesarbeitsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Fest steht lediglich, daß der Leiter der Musikschule schon von seiner Tätigkeit her und die Lehrerin S… deswegen nicht mit der Erblasserin vergleichbar war, weil durch rechtskräftiges arbeitsgerichtliches Urteil festgestellt worden ist, daß sie die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in VergGr. IVa BAT erfüllt. Dagegen besteht nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durchaus die Möglichkeit, daß die Erblasserin nach ihrer Tätigkeit und ihren Qualifikationen den Lehrern M… und E… O… vergleichbar war, und daß es keine sachlichen Gründe dafür gegeben hat, diese im Unterschied zur Erblasserin übertariflich zu bezahlen.
Hierzu wird das Landesarbeitsgericht weitere Feststellungen treffen müssen. Dabei wird es davon auszugehen haben, daß als sachlicher Grund für eine Besserstellung der Vollzeitbeschäftigten durch übertarifliche Bezahlung nur außerhalb des tariflichen Bewertungssystems liegende Gesichtspunkte in Betracht kommen können. Dagegen läßt sich eine Bevorzugung von Vollzeitarbeitnehmern gegenüber Teilzeitbeschäftigten durch übertarifliche Vergütung nicht durch Umstände rechtfertigen, die Gegenstand der tariflichen Regelung und von den Tarifvertragsparteien als unzureichend für eine Eingruppierung nach VergGr. IVa BAT angesehen worden sind. So kann es hier keine Bedeutung haben, ob die Musikschullehrer M… und E… O… möglicherweise in etwas größerem Maße als die Erblasserin Ensembleunterricht erteilt haben, sofern sie dabei nicht die für eine Eingruppierung in … VergGr. IVa BAT erforderliche Zahl von acht Wochenstunden erreicht haben.
IV. Soweit die Kläger ihr Klagebegehren auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes stützen, kann es hierauf nach dem vorstehend Gesagten unabhängig davon, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der Vergütung nur beschränkt anwendbar ist, nicht mehr ankommen. Wenn nämlich die Erblasserin mit den Musikschullehrern M… und E… O… vergleichbar war und sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung nicht bestanden, so ergibt sich der Anspruch schon aus § 612 Abs. 2 BGB. Fehlt es aber an der Vergleichbarkeit, so scheidet ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus; liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor, so verstößt diese nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
B. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß der anteilige Vergütungsanspruch der Erblasserin auf der Grundlage eines Wochenstundensolls vollzeitbeschäftigter Musikschullehrer von 30 und nicht, wie die Kläger meinen, von 28 Stunden zu berechnen ist. Dies ergibt sich aus § 612 Abs. 2 BGB.
I. Insoweit ist die tarifliche Vergütung, die nach Nr. 2 der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte an Musikschulen im Bereich der VKA (SR 2 l II BAT) auf der Grundlage von 30 Unterrichtsstunden pro Woche zu berechnen ist, hier als die übliche Vergütung anzusehen, die an die Stelle der unter Verstoß gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ursprünglich vereinbarten Vergütung tritt (siehe oben A III 1 und 2).
II. Erfolglos machen die Kläger geltend, daß die Beklagte die bei ihr insoweit vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Musikschullehrer S…, M… und E… O… auf der Grundlage eines Wochensolls von 28 Stunden und damit übertariflich vergüte.
1. Hierin liegt zwar eine Benachteiligung der Erblasserin, denn ihre Vergütung pro Wochenstunde ist selbst dann, wenn sie nach Vergütungsgruppe IVa BAT erfolgt, aufgrund der unterschiedlichen Stundenzahlen für das dem vollen Gehalt entsprechende Wochensoll niedriger als diejenige der vollzeitbeschäftigten Musikschullehrer.
2. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die drei vollzeitbeschäftigten Lehrer sind zwischen 1972 und 1978 bei der Beklagten eingestellt worden. Zu dieser Zeit betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Musikschullehrer nach den Musikschullehrer-Richtlinien noch 28 Unterrichtsstunden. Dagegen war das Unterrichtssoll seit 1980, vor dem Beginn der ununterbrochenen Beschäftigung der Erblasserin bei der Beklagten, auf 30 Stunden pro Woche festgesetzt. Die Beklagte konnte die Musikschullehrer, deren Arbeitsverhältnisse noch auf der Grundlage eines Wochenpensums von 28 Unterrichtsstunden begründet worden waren, zur Erhaltung ihres Besitzstandes auch nach der allgemeinen Erhöhung des Wochenpensums auf 30 Stunden weiterhin auf der Grundlage der günstigeren bisherigen Bedingungen vergüten. Die Wahrung sozialer Besitzstände ist als sachlicher Grund zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung geeignet (Senatsurteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 30/92 –, aaO, zu B II 4c aa der Gründe).
III. Auch insoweit war dem Senat indessen eine abschließende Entscheidung über die mit der Klage geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht möglich, weil über die zutreffende Eingruppierung der Erblasserin noch nicht entschieden und die für das Unterrichtspensum Vollzeitbeschäftigter maßgebliche Zahl von Wochenstunden nur einer der Faktoren ist, aus denen sich die Höhe des Anspruchs errechnet.
Unterschriften
Schaub, Dr. Wißmann, Gotsche, Kamm
Zugleich für Richter am BAG Schneider, der sich in Urlaub befindet.
Schaub
Fundstellen
NJW 1994, 959 |
NZA 1993, 1049 |