Entscheidungsstichwort (Thema)
Massenentlassung. Konsultationsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Die Massenentlassungsrichtlinie EGRL 59/98 und die Umsetzung in § 17 Abs. 2 KSchG beschränken nicht die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers oder einflussnehmender Dritter. Materieller Kündigungsschutz wird nach nationalem Recht gewährt.
Normenkette
KSchG § 17 Abs. 2, § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 08.07.2016; Aktenzeichen 9 Sa 484/16) |
ArbG Berlin (Urteil vom 23.02.2016; Aktenzeichen 27 Ca 9900/15) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2016 – 9 Sa 484/16 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Februar 2016 – 27 Ca 9900/15 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und hilfsweise um einen Nachteilsausgleich.
Die Klägerin (klagende Partei) war bei der Beklagten auf dem Flughafen T beschäftigt. Sie war Mitglied des für den dortigen Betrieb gewählten Betriebsrats.
In der Vergangenheit hatte die G GmbH & Co. KG (GGB) sämtliche Vorfeld- und Passagedienstleistungen an den Flughäfen T und S erbracht. Im Zuge gesellschaftsrechtlicher Umorganisationen gliederte sie den Geschäftsbereich Passage aus. Die betreffenden Arbeitsverhältnisse gingen im Mai 2012 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese spaltete ihren Betrieb im Jahr 2014 in die Betriebsteile T und S auf und übertrug den Bereich der Passagierabfertigung des Betriebsteils S auf eine neu gegründete Gesellschaft. Die Arbeitsverhältnisse der am Flughafen T beschäftigten Arbeitnehmer verblieben überwiegend bei der Beklagten, die zuletzt etwa 190 Arbeitnehmer beschäftigte.
Einzige Auftraggeberin sowie einzige Kommanditistin und in der Gesellschafterversammlung allein stimmberechtigte Gesellschafterin der Beklagten ist die GGB. Deren Kommanditanteile wurden von einem Unternehmen der sog. W-Gruppe gehalten.
Auf die Arbeitsverhältnisse mit der GGB fanden zunächst deren Vergütungstarifverträge Anwendung. Im September 2013 traten allgemeinverbindliche Tarifverträge für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg in Kraft, die deutlich niedrigere Entgelte vorsahen. Für die von der GGB übernommenen Altbeschäftigten vereinbarte die Beklagte einen Überleitungstarifvertrag, der einen Ausgleich der Differenzvergütung über eine Besitzstandszulage vorsieht.
Im September 2014 kündigte die GGB sämtliche der Beklagten erteilten Aufträge spätestens zum 31. März 2015. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten wies daraufhin den Geschäftsführer der Komplementärin an, alle zur Vorbereitung einer Betriebsstilllegung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die GGB vergab die gekündigten Aufträge, so sie weiter ausgeführt wurden, an andere, überwiegend der sog. W-Gruppe zugehörige Gesellschaften.
Die Beklagte unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. September 2014 von der geplanten Betriebsstilllegung. Nach ergebnislosen Verhandlungen über einen Interessenausgleich vereinbarten die Betriebsparteien in einem gerichtlichen Vergleich die Einsetzung einer Einigungsstelle betreffend den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Weiter kamen sie überein, zu einer der ersten beiden Sitzungen der Einigungsstelle solle ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit „eingeladen” werden.
Die Einigungsstelle tagte im November und Dezember 2014 an vier Terminen. In einem an den Einigungsstellenvorsitzenden gerichteten Anwaltsschreiben vom 15. Dezember 2014 beanstandete der Betriebsrat das Fehlen von Informationen zu den wirtschaftlichen und sozialen Gründen für die beabsichtigte Betriebsänderung. Insbesondere müsse die Beklagte anhand von Unterlagen die „konzerninterne Kalkulation” gegenüber den von den Fluggesellschaften vergebenen Aufträgen offenlegen. Die Beklagte erteilte die verlangten Auskünfte nicht. In der Einigungsstellensitzung am 18. Dezember 2014 erklärten ihre Vertreter die Interessenausgleichsverhandlungen für gescheitert. Ein Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit war zu diesen nicht hinzugezogen worden. Am 21. Januar 2015 beschloss die Einigungsstelle mit Stimmenmehrheit einen Sozialplan sowie die Einrichtung einer Transfergesellschaft.
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten entschied am 20. Januar 2015, den Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Die Beklagte erklärte anschließend – nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige – im Januar und Februar 2015 die ordentliche Kündigung aller Arbeitsverhältnisse.
Nachdem mehrere Kammern des Arbeitsgerichts die Kündigungen dieser ersten „Welle” unter Hinweis auf Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG für nichtig erklärt hatten, beschloss die Beklagte, vorsorglich erneut Kündigungen auszusprechen. Sie unterrichtete den Betriebsrat mit einem durch Telefax übermittelten Schreiben vom 10. Juni 2015 gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Am 12. Juni 2015 leitete sie gegenüber dem Betriebsrat die Verfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ein. Dabei teilte sie jeweils mit, dass es bei der Betriebsstilllegung verbleiben solle. Der Betriebsrat dankte mit Telefax vom 12. Juni 2015 für die Information nach § 17 Abs. 2 KSchG und unterbreitete am 17. Juni 2015 Vorschläge zur Vermeidung von Entlassungen. Hierzu erstellte die Beklagte eine Präsentation, auf deren Grundlage am 24. Juni 2015 Beratungen mit einer vom Betriebsrat entsandten „Verhandlungskommission” stattfanden. Eine Einigung über die „Wiedereröffnung” des Betriebs wurde nicht erzielt. Die Beklagte übermittelte der Betriebsratsvorsitzenden auf deren Wunsch noch am gleichen Tag die Präsentation und gab Gelegenheit, sich bis um 18:00 Uhr des Folgetags zu erklären. Die Betriebsratsvorsitzende erwiderte mit Schreiben vom 25. Juni 2015, das Gremium werde auf der Grundlage der Erörterungen in seiner nächster Sitzung am 30. Juni 2015 unverzüglich und abschließend Stellung nehmen. Die Mitglieder der Verhandlungskommission hätten nichts zu ergänzen und hofften, auf der Basis ihrer am Vortag geäußerten Informationswünsche, in einem neuen Termin „inhaltlich weiterzukommen”. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 26. Juni 2015, sie sehe keine Grundlage für ernsthafte Gespräche über die Wiedereröffnung des Betriebs und habe sich deshalb entschlossen, die Kündigungen zu wiederholen. Am gleichen Tag reichte sie übereinstimmende Massenentlassungsanzeigen bei den Agenturen für Arbeit in C und B ein. Darin teilte sie mit, dass sich der „offizielle Betriebssitz” in S befunden habe, während der überwiegende Teil der Arbeitnehmer vor der Betriebsstilllegung am Flughafen T beschäftigt gewesen sei. Nach einer internen Abstimmung der Agenturen für Arbeit traf diejenige in C die Entscheidung gemäß §§ 18, 20 KSchG.
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 27. Juni 2015 das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei zum 31. Dezember 2015.
Die klagende Partei hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die Kündigung gewandt. Die Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, sei rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Stilllegung habe den von langer Hand geplanten Versuch dargestellt, sich der „teuren” Altbeschäftigten zu entledigen. Die Aufträge der Fluggesellschaften seien lediglich innerhalb der „W-Gruppe” verschoben worden. Der Kündigung sei weder eine korrekte Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG noch ein gesetzmäßiges Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG vorausgegangen.
Die klagende Partei hat sinngemäß beantragt
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juni 2015 aufgelöst worden ist;
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei als Schadensersatz gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG, §§ 9, 10 KSchG einen Betrag zu zahlen, der in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 32.175,00 Euro nicht unterschreiten sollte.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der klagenden Partei hat das Landesarbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die streitbefangene Kündigung ist wirksam (A.). Das kann der Senat ohne eine darauf bezogene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden (B.). Die klagende Partei hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs (C.).
A. Die streitbefangene fristgerechte Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zu dem im Kündigungsschreiben angegebenen Zeitpunkt aufgelöst. Sie ist nach näherer Maßgabe der Senatsentscheidung vom 22. September 2016 (– 2 AZR 276/16 – BAGE 157, 1) weder sozial ungerechtfertigt noch aus anderen Gründen unwirksam.
I. Die Kündigungserklärung war hinreichend bestimmt (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 62, BAGE 157, 1).
II. Die ordentliche Kündigung ist sozial gerechtfertigt und auch sonst zulässig iSv. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 iVm. § 15 Abs. 4 KSchG. Sie ist auch nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die vom Senat in seiner Entscheidung vom 22. September 2016 gegebene Begründung verwiesen (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 63 bis 66, BAGE 157, 1).
III. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 iVm. § 21b BetrVG angehört (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 67, BAGE 157, 1). Es handelte sich nicht um eine unzulässige Anhörung „auf Vorrat”, weil vor Ausspruch der Kündigung auch noch die Verfahren gemäß § 17 KSchG und ggf. nach §§ 85 ff. SGB IX zu durchlaufen waren (zu letztem BAG 23. Oktober 2008 – 2 AZR 163/07 – Rn. 32). Die Beklagte hatte ihren Kündigungsentschluss abschließend gefasst. Der Betriebsrat sollte sich nicht bloß gutachterlich zu einem fiktiven Sachverhalt äußern. Der mitgeteilte Kündigungssachverhalt bedurfte bei Misserfolg des Konsultationsverfahrens keiner Neubewertung (BAG 17. März 2016 – 2 AZR 182/15 – Rn. 17, 21, BAGE 154, 303). Eine andere Frage ist es, ob die Beklagte den Betriebsrat erneut gemäß § 102 BetrVG hätte anhören müssen, wenn sie sich – wie nicht – aufgrund der Konsultationen (oder der Einwände des Integrationsamts) entschlossen hätte, den Betrieb teilweise wieder aufzunehmen und dementsprechend lediglich einen Teil der verbliebenen Arbeitsverhältnisse zu kündigen (dazu BAG 22. September 2016 – 2 AZR 700/15 – Rn. 33).
IV. Entgegen der im Revisionsverfahren von der klagenden Partei vertieften Auffassung hat die Beklagte auch das gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG für die erneute Kündigung erforderliche Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG korrekt durchlaufen.
1. Die Beklagte hat das Konsultationsverfahren rechtzeitig ordnungsgemäß eingeleitet. Sie hat den Betriebsrat vollständig unterrichtet und ihn zu Beratungen aufgefordert. Insbesondere hat sie ihm die „Gründe für die geplanten Entlassungen” iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KSchG mitgeteilt. Hierfür reichte die Angabe, dass nicht beabsichtigt sei, den stillgelegten Betrieb wieder aufzunehmen. Die Übermittlung des Unterrichtungsschreibens vom 10. Juni 2015 durch Telefax genügte den in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestimmten Formanforderungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die vom Senat in seiner Entscheidung vom 22. September 2016 gegebene Begründung verwiesen (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 38, 40 und 41 bis 47, BAGE 157, 1).
2. Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat ausreichend gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG beraten. Dabei kann zugunsten der klagenden Partei unterstellt werden, dass zumindest ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Beklagte ausüben konnte (so bereits ausdrücklich BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 54, BAGE 157, 1) und diese nicht allein darüber entscheiden konnte, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sie ihren Betrieb wieder aufnimmt und sich um neue Aufträge – sei es von innerhalb, sei es von außerhalb der sog. W-Gruppe – bemüht.
a) Die Beklagte hat es nicht bei der Mitteilung belassen, es solle – vorbehaltlich besserer Erkenntnis aufgrund von Vorschlägen des Betriebsrats – bei der erfolgten Stilllegung verbleiben. Sie hat diese Absicht in dem die Konsultationen einleitenden Schreiben vom 10. Juni 2015 und der zur Grundlage der Beratungen gemachten Power-Point-Präsentation vom 23. Juni 2015 insbesondere mit zu hohen Personalkosten begründet und zugleich einen Weg gewiesen, den Betrieb wieder aufzunehmen. Hierzu müssten die Vergütungen rechtssicher und zeitnah auf das Niveau des Flächentarifvertrags abgesenkt werden. Damit wurde die Einschätzung des maßgeblichen Entscheidungsträgers – wer auch immer dies gewesen sein sollte – erneuert, die im Betrieb der Beklagten anfallenden Personalkosten seien zu hoch, weshalb eine Betriebsfortführung nicht in Betracht komme (so bereits BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 53, BAGE 157, 1).
b) Vor diesem Hintergrund hätte der Betriebsrat entweder versuchen können, ein anderweitiges Einsparpotenzial aufzuzeigen, oder sich ernsthaft auf das ihm von der Beklagten eröffnete Szenario einlassen müssen. Letztes hat er nicht dadurch getan, dass er darauf beharrt hat, ihm müsse die „konzerninterne Kalkulation” der Aufträge der Fluggesellschaften eröffnet werden. Damit war nicht etwa das Signal verbunden, der Betriebsrat werde sich ggf. für die aus Sicht der Beklagten erforderliche Absenkung der Personalkosten einsetzen. Vielmehr konnte die Beklagte angesichts der im Verhandlungstermin am 24. Juni 2015 abgegebenen Erklärungen davon ausgehen, der Betriebsrat wolle ausschließlich Argumente gegen eine – zumindest nennenswerte – Vergütungsabsenkung sammeln, nämlich auf der Grundlage konkreter Zahlen einwenden können, die „Konzernspitze” möge in ihren Gewinnerwartungen zugunsten der Mitarbeiter der Beklagten „zurückstecken”.
c) Darauf musste die Beklagte sich nicht einlassen. Die Freiheit des Arbeitgebers oder eines hinter ihm stehenden Dritten, zu entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt Massenentlassungen erfolgen sollen, wird durch die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (– MERL –, ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16), deren Umsetzung § 17 Abs. 2 KSchG dient, nicht beschränkt. Die MERL bezweckt nur eine Teilharmonisierung. Sie überlässt es dem nationalen Recht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen festzulegen, unter denen der Arbeitgeber gegebenenfalls Massenentlassungen vornehmen kann oder nicht (EuGH 21. Dezember 2016 – C-201/15 – [AGET Iraklis] Rn. 29 ff.). Deshalb kann eine über das nach dem Kündigungsschutzgesetz vorgesehene Maß hinausgehende Kontrolle der unternehmerischen Entscheidung nicht mittelbar über das Konsultationsverfahren erzwungen werden. Das gilt unabhängig davon, ob die Entscheidung „aus freien Stücken” von dem Vertragsarbeitgeber getroffen oder ob sie ihm von einem beherrschenden Unternehmen „diktiert” wird.
V. Die streitbefangene Kündigung ist nicht gemäß § 17 Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Die Beklagte hat am 26. Juni 2015 eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet. Der Einwand, sie habe durch Falschangaben bewirkt, dass die für den Betriebssitz nicht zuständige Agentur für Arbeit C nach §§ 18, 20 KSchG entschieden habe, geht angesichts der erfolgten Betriebsstilllegung und dem damit verbundenen Untergang der betrieblichen Einheit jedenfalls bezüglich der zweiten „Kündigungswelle” fehl (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 69 f., BAGE 157, 1).
VI. Weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich.
B. Der Senat hat bereits in der Entscheidung vom 22. September 2016 (– 2 AZR 276/16 – insbesondere Rn. 83 bis 85, BAGE 157, 1) ausführlich dargelegt, warum es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht bedarf. Daran hält er auch unter Berücksichtigung der dem Gerichtshof vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 24. November 2016 (– 10 Sa 284/16, 10 Sa 921/16 –) zur Vorabentscheidung unterbreiteten Fragen fest. Die dort formulierten Fragestellungen sind im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Der Senat hat zugunsten der klagenden Partei unterstellt, dass zumindest ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Beklagte ausüben konnte und diese nicht allein darüber entscheiden konnte, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sie sich an weiteren Ausschreibungen von Fluggesellschaften oder anderen Auftragnehmern beteiligt (Fragen 1, 2, 4 und 5). Zudem ist der Senat davon ausgegangen, dass der Betriebsrat wusste, „welche betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gründe das beherrschende Unternehmen” (zu hohe Personalkosten) für seine Entscheidung hatte, den Betrieb der Beklagten nicht wiederaufzunehmen (Frage 3). Ob im Einzelfall die für ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren erforderlichen Informationen erfolgt sind, haben nach der Aufgabenverteilung zwischen dem Europäischen Gerichtshof und den nationalen Gerichten letztere zu entscheiden.
C. Die klagende Partei hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die vom Senat in seiner Entscheidung vom 22. September 2016 gegebene Begründung verwiesen (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 73 bis 81, BAGE 157, 1).
Unterschriften
Koch, Rachor, Niemann, Söller, K. Schierle
Fundstellen
Dokument-Index HI11399085 |