Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfallklausel. Teilbarkeit. Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt („equal pay”). Lohnabrechnung
Leitsatz (amtlich)
Enthält eine Verfallklausel – sprachlich verschränkt – inhaltlich trennbare Ausschlussfristenregelungen für verschiedene Arten von Ansprüchen, kann der Vertragstext des unwirksamen Teils der Klausel zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden.
Orientierungssatz
1. Der Teilbarkeit einer Verfallklausel steht nicht entgegen, dass der verbleibende Teil wegen der Auflösung der sprachlichen Verschränkung auslegungsbedürftig wird. Dies lässt nicht die inhaltliche Eigenständigkeit der verbleibenden Regelung entfallen, sondern betrifft deren Transparenz.
2. Eine Verfallklausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn ihm zur Geltendmachung nicht eine Mindestfrist von drei Monaten ab Fälligkeit des nicht erfüllten Anspruchs verbleibt.
3. Eine Klausel, mit der die Parteien anlässlich des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrags festhalten, alle Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsvertrag seien „abgegolten und erledigt”, hat allenfalls die Bedeutung eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses.
4. Die rückwirkende Vereinbarung tariflicher Regelungen iSd. § 9 Nr. 2 AÜG, die auf den Ausschluss bereits entstandener Ansprüche auf gleiches Arbeitsentgelt zielt, benachteiligt den Leiharbeitnehmer in der Regel unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
5. Der Anspruch auf Erteilung einer Lohnabrechnung entsteht nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO erst, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird und ist vorher nicht erfolgreich klagbar.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4; BGB § 305 Abs. 1, § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2; GewO § 108 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 2013 – 6 Sa 357/13 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.
Der Kläger war vom 5. März 1998 bis zum 29. November 2013 bei der Beklagten, die neben einem eigenen Produktionsbetrieb auch Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Putzer von Gussteilen beschäftigt. In dem in die Revisionsinstanz gelangten Streitzeitraum – die Jahre 2008 und 2009 – war der Kläger mehrfach der F GmbH & Co. KG (fortan Entleiherin) überlassen und erhielt dabei einen Bruttostundenlohn von 10,00 Euro nebst Zuschlägen für Nacht- und Feiertagsarbeit. Von März bis September 2009 sowie im Dezember 2009 war der Kläger von Kurzarbeit betroffen.
Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein Formulararbeitsvertrag vom 1. Januar 1999 (im Folgenden AV 1999) zugrunde, in dem es ua. heißt: „§ 11 Ausschlußfrist
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen wie folgt geltend gemacht werden: Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Abrechnung des Zeitraums, bei dem sie hätten abgerechnet werden müssen; alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.
(2) Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziffer 1 festgesetzten Frist ist ausgeschlossen.
(3) Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt der Arbeitgeber seine Erfüllung ab, so hat der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.
§ 12 Ergänzende Vorschriften
Soweit in diesem Vertrag einzelne Bestimmungen des Manteltarifvertrages einbezogen sind, handelt es sich hierbei um den Manteltarifvertrag für das Metallbauer-Handwerk, das Maschinenbaumechaniker-Handwerk, das Werkzeugmacher-Handwerk, das Dreher-Handwerk, das Feinmechaniker-Handwerk, das Metallformer- und das Metallgießer-Handwerk in Hessen in der jeweils gültigen Fassung. Über die ausdrücklich in diesem Vertrag bezeichneten Bestimmungen hinaus findet der Manteltarifvertrag aber keine Anwendung.”
Am 29. Januar 2010 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag
(im Folgenden AV 2010), der auszugsweise lautet:
„§ 2 Anwendung eines Tarifvertrages
1. Für diesen Arbeitsvertrag kommen der Manteltarifvertrag, der Entgeltrahmentarifvertrag, der Entgelttarifvertrag und der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen in ihrer jeweiligen gültigen Fassung zur Anwendung. Eine Tarifbindung besteht nicht.
§ 4 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses
Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund des zwischen den Vertragsschließenden vereinbarten Arbeitsvertrages vom 05.03.1998 bereits zum 05.03.1998 begonnen. Es ist unbefristet. Zwischen den Vertragsschließenden besteht Einigkeit darüber, dass der vorgenannte Arbeitsvertrag durch die Regelungen dieses Vertrages ersetzt wird.
§ 23 Besondere Vereinbarungen
Zwischen den Vertragsschließenden besteht Einigkeit darüber, dass die vorstehend vereinbarten arbeitsvertraglichen Regelungen sämtliche Regelungen des bisherigen Arbeitsvertrages ersetzen und aus dem bisherigen Arbeitsvertrag sämtliche Ansprüche, gleich welcher Art, bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt sind; die bisherige Dauer der Betriebszugehörigkeit (zeitliche Faktor) bleibt hiervon unberührt. Im Übrigen besteht zwischen den Vertragsschließenden Einigkeit darüber, dass die Bestimmungen der vorstehend bezeichneten tariflichen Regelungen bereits im Rahmen des bisherigen Vertragsverhältnisses Anwendung gefunden haben.”
Mit Schreiben vom 20. August 2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm beginnend ab Januar 2007 für die Zeiten der Überlassung an die Entleiherin „ordnungsgemäße” Abrechnungen unter Berücksichtigung des Lohnrahmentarifvertrags für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen zu erteilen und „sich daraus ergebende Lohnansprüche” auszugleichen. Dem kam die Beklagte nicht nach.
Mit der am 2. März 2011 eingereichten Klage hat der Kläger zunächst dieses Begehr für die Zeit ab Januar 2008 weiterverfolgt. Nachdem er von der Entleiherin eine Auskunft nach § 13 AÜG eingeholt hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. August 2011 auf eine bezifferte Leistungsklage umgestellt und unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG für die Zeiträume der Überlassungen an die Entleiherin die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll, verlangt. Außerdem stehe ihm ein jährliches Urlaubsgeld in der von vergleichbaren Stammarbeitnehmern bezogenen Höhe sowie eine auf der Grundlage des Vergleichsentgelts berechnete „Kurzarbeitervergütung” zu.
Der Kläger hat – soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt
ist – zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.540,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. März 2011 zu zahlen und über die Zahlungsbeträge neue Abrechnungen zu erteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, möglichen Ansprüchen des Klägers stehe die Abgeltungsklausel in § 23 AV 2010 entgegen. Jedenfalls sei Verfall nach der in § 11 AV 1999 vereinbarten Ausschlussfristenreglung eingetreten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten dem Kläger nur (Differenz-)Zuschläge iHv. 904,89 Euro brutto nebst Zinsen zuerkannt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat – unter nicht tenorierter, aber sich aus den Gründen ergebender und rechtskräftig gewordener Zurückweisung der Berufung im Übrigen – der Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht in dem ausgeurteilten Umfang stattgegeben. Die Klage ist hinsichtlich der noch anhängigen Ansprüche unbegründet.
I. Der Kläger hat für jede Überlassung für deren jeweilige Dauer Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 24; 23. Oktober 2013 – 5 AZR 135/12 – Rn. 27, BAGE 146, 217). Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien im AV 1999 nicht getroffen.
II. Den Ansprüchen des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt steht § 23 AV 2010 nicht entgegen.
1. Unabhängig von der Frage, ob die „Erledigungsklausel” in § 23 Satz 1 AV 2010 überhaupt rechtsgeschäftliche Erklärungen enthalten soll, hätte ein – zugunsten der Beklagten unterstellter – rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dieses Verbrauchervertrags (§ 310 Abs. 3 BGB) allenfalls die Bedeutung eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses. Entsprechend ihrem Wortlaut hält die Klausel die übereinstimmende Auffassung der Parteien fest, dass mit der Ersetzung des AV 1999 durch den AV 2010 alle Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsvertrag „abgegolten und erledigt” sind. Damit fixieren die Vertragsparteien typischerweise die von ihnen angenommene Rechtslage und dokumentieren das, wovon sie ausgingen: Es bestehen nach diesem Zeitpunkt keine Ansprüche aus dem „alten” Arbeitsverhältnis mehr (vgl. BAG 23. Oktober 2013 – 5 AZR 135/12 – Rn. 16 ff., BAGE 146, 217; 28. Januar 2015 – 5 AZR 122/13 – Rn. 21).
2. Soweit § 23 Satz 2 AV 2010 die erst im neuen Arbeitsvertrag in Bezug genommenen tariflichen Regelungen aus der Leiharbeitsbranche rückwirkend zur Anwendung bringen soll, benachteiligt die Klausel den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG entsteht als ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch mit jeder Überlassung (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 42, BAGE 144, 306). Die rückwirkende Vereinbarung tariflicher Regelungen iSd. § 9 Nr. 2 AÜG zielt auf den Ausschluss der während der Geltung des AV 1999 bereits entstandenen Ansprüche des Klägers auf equal pay und damit auf einen Anspruchsverzicht. Ein solcher einseitig und kompensationslos den Leiharbeitnehmer treffender Entzug von erworbenen Ansprüchen auf gleiches Arbeitsentgelt widerspricht einer ausgewogenen Vertragsgestaltung und ist sachlich nicht zu begründen (vgl. BAG 19. Februar 2014 – 5 AZR 920/12 – Rn. 20 ff.).
III. Die Ansprüche des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt sind jedoch nach § 11 AV 1999 wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.
1. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet zudem das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 19. März 2014 – 5 AZR 299/13 (F) – Rn. 17 mwN), der keine der Parteien entgegengetreten ist.
Unter Zugrundelegung des für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden Maßstabs (dazu zB BAG 16. Dezember 2015 – 5 AZR 567/14 – Rn. 12 mwN, st. Rspr.), erfasst die Klausel den Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt. Denn zu den „beiderseitigen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis” gehören alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ankäme (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 39, BAGE 144, 306).
2. Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden.
Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (BAG 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – zu IV 3 der Gründe, BAGE 115, 19; 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 46, BAGE 144, 306). Die Regelung findet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle. Sie ist vielmehr in einem mit „Ausschlussfrist” überschriebenen eigenen Paragraphen enthalten.
3. Die Regelung zur Geltendmachung von Ansprüchen auf „Zuschläge aller Art” ist unwirksam, im Übrigen hält § 11 Abs. 1 AV 1999 der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.
a) Die erste Stufe der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen ist unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie wegen ihrer Kürze den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ihm verbleibt zur Geltendmachung nicht eine Mindestfrist von drei Monaten ab Fälligkeit des nicht erfüllten Anspruchs (vgl. BAG 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – Rn. 34 ff., BAGE 116, 66; 19. Februar 2014 – 5 AZR 920/12 – Rn. 25).
b) Die Unwirksamkeit der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen bedingt nicht die Unwirksamkeit der – den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB genügenden – Frist zur Geltendmachung aller übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Klausel ist teilbar.
aa) Ohne Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ist bei einer teilbaren Klausel die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – Rn. 32, BAGE 118, 36; 14. Januar 2009 – 3 AZR 900/07 – Rn. 23, BAGE 129, 121). Maßgeblich ist dabei die inhaltliche Teilbarkeit (BAG 13. November 2013 – 10 AZR 848/12 – Rn. 27, BAGE 146, 284; BGH 10. Oktober 2013 – III ZR 325/12 – Rn. 14 mwN; ErfK/Preis 16. Aufl. §§ 305 – 310 BGB Rn. 103; HWK/Gotthardt 6. Aufl. § 306 BGB Rn. 3; Bonin in Däubler/Bonin/Deinert 4. Aufl. § 306 BGB Rn. 12a). Deshalb können inhaltlich trennbare Regelungen in einer Verfallklausel nach Anwendung des sog. blue-pencil-Test wirksam sein (BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 251/11 – Rn. 37, BAGE 141, 340).
bb) Gemessen daran ist § 11 Abs. 1 AV 1999 inhaltlich teilbar. Er enthält – sprachlich verschränkt und in einer Klausel zusammengefasst – für die erste Stufe der Geltendmachung zwei Ausschlussfristenregelungen, nämlich eine für Zuschläge, eine weitere für alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine solche Aufspaltung mag bei arbeitsvertraglichen Verfallfristen ungewöhnlich sein, in tariflichen Ausschlussfristenregelungen ist eine unterschiedliche Länge der Geltendmachungsfrist für verschiedene Arten von Ansprüchen nicht unüblich. So enthält der in § 12 AV 1999 erwähnte Manteltarifvertrag für das Metallbauer-, Maschinenbaumechaniker-, Werkzeugmacher-, Dreher-, Feinmechaniker-, Metallformer- und Metallgießerhandwerk für das Land Hessen in § 26 eine wortgleiche Ausschlussfristenregelung (zwischen Ansprüchen auf Zuschläge und „alle übrigen Ansprüche” differenzierend zB auch § 22 MTV für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie). Bei einer Ausschlussfristenregelung müssen nicht zwingend alle Ansprüche einer Ausschlussfrist – noch dazu einer gleich langen – unterworfen werden. Auch ohne Ausschlussfristenregelung für Zuschläge enthält § 11 AV 1999 für alle Ansprüche, die nicht auf Zuschläge gerichtet sind, ein sinnvolles, in sich geschlossenes Ganzes.
Der Teilbarkeit der Klausel steht nicht entgegen, dass der verbleibende Teil – Ausschlussfristenregelung für „alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” – wegen der Auflösung der sprachlichen Verschränkung auslegungsbedürftig wird. Dies lässt nicht die inhaltliche Eigenständigkeit der verbleibenden Regelung entfallen, sondern betrifft deren Transparenz.
4. Die in § 11 Abs. 1 AV 1999 verbleibende Regelung ist hinreichend transparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
a) Bei einer die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Anspruchs – und damit zugleich dessen Untergang – regelnden Klausel ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen kann, was „auf ihn zukommt”: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge der Arbeitnehmer zu gewärtigen und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 48, BAGE 144, 306). Dabei führt die Auslegungsbedürftigkeit der Klausel nicht automatisch zu deren Intransparenz (BAG 17. August 2011 – 5 AZR 406/10 – Rn. 16 mwN, BAGE 139, 44).
b) Diesen Anforderungen genügt die verbleibende Ausschlussfristenregelung.
Die gedankliche Prüfung der Teilbarkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt nicht dazu, dass der unwirksame Teil einer Klausel „unter dem blauen Stift verschwindet”. Vielmehr kann der Vertragstext weiterhin zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden. Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer ist unbeschadet des späteren blue-pencil-Test erkennbar, dass mit der Formulierung „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” all diejenigen gemeint sind, die nicht „Zuschläge aller Art” zum Inhalt haben. Auch über den Rechtsbegriff der „Zuschläge” ist der durchschnittliche Arbeitnehmer nicht im Unklaren und weiß, dass es sich dabei um über das Grundentgelt hinausgehende Vergütungen etwa für Arbeit zu besonderer Zeit oder unter besonderen Bedingungen handelt. Dementsprechend hatte der Kläger keine Schwierigkeiten, die vergleichbaren Stammarbeitnehmern von der Entleiherin gewährten (tariflichen) Zuschläge in seine Vergleichsberechnung einzubeziehen.
Des Weiteren kann der Arbeitnehmer aus der Klausel ersehen, dass diese Ansprüche „ausgeschlossen” sind (also – untechnisch – in Wegfall geraten), wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden.
IV. Der Kläger hat keinen Anspruch auf neue Abrechnungen.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer „bei Zahlung” des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Der Abrechnungsanspruch entsteht danach erst, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird und ist vorher nicht klagbar (BAG 13. Oktober 2015 – 1 AZR 130/14 – Rn. 29; 16. Dezember 2015 – 5 AZR 567/14 – Rn. 34 ff. mwN).
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Biebl, Weber, Kremser, Pollert
Fundstellen
Haufe-Index 9422533 |
BAGE 2017, 93 |
BB 2016, 1331 |
DB 2016, 1446 |
DB 2016, 7 |
DStR 2016, 14 |