Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung wegen MfS-Tätigkeit. Ordentliche Kündigung eines Gymnasiallehrers (Sport und Biologie) wegen Tätigkeit als IMS. Interessenabwägung: Jugendliches Alter, Tätigkeit nur während Wehrdienst, seitheriger Zeitablauf, kein Verschweigen der Tätigkeit. Anhörung des Personalrats: Anhörung zur konkreten Kündigung. Anhörung zur fristlosen, hilfsweise gleichzeitig beabsichtigten fristgerechten Kündigung als hinreichende Anhörung bei Ausspruch der fristgerechten Kündigung erst ca. zwei Monate später (mit entsprechender Verschiebung des Kündigungstermins)
Orientierungssatz
- Zwar ist die Beteiligung des Personalrats grundsätzlich auch dann fehlerhaft, wenn dem Personalrat nicht in ausreichendem Maße offen gelegt worden ist, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung wirken soll.
- Dazu ist es jedoch nicht stets erforderlich, dass dem Personalrat der konkrete Kündigungstermin genannt wird. Der Personalrat ist idR ausreichend informiert, wenn die für den zu kündigenden Arbeitnehmer geltende Kündigungsfrist feststeht und der Arbeitgeber außerdem klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden soll.
- Zur Auslegung eines Anhörungsschreibens, in dem der Arbeitgeber einen Kündigungstermin angibt, den er später nicht einhalten kann.
Normenkette
ThürPersVG § 78 Abs. 4; BPersVG § 108 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 17. Februar 2005 – 1 Sa 115/03 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 24. Januar 2003 – 3 Ca 156/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über eine ordentliche Kündigung des Beklagten wegen einer Tätigkeit als Mitarbeiter/IMS für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS).
Der am 1. Juni 1965 geborene Kläger (verheiratet, ein Kind) war seit 1. September 1999 zunächst ohne schriftlichen Anstellungsvertrag als Gymnasiallehrer für die Fächer Biologie und Sport beim Beklagten beschäftigt. Am 19. September 1999 wurde dem Kläger der Fragebogen über eine Tätigkeit für das MfS übergeben. Der Kläger beantwortete die Frage nach einer Zusammenarbeit wie folgt: “Stellung und Funktion: UfsZ. D… NVA – Ort und Land: E… – Zeitraum: 08.85 – 08.87”. Die Frage, ob er von einem der Dienste zur Mitarbeit angesprochen worden sei, beantwortete der Kläger wie folgt: “1985 – Es erschien mir eine Pflicht, mit Behörden zusammenzuarbeiten. Über die Konsequenzen wurde ich mir erst später bewusst”.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 wurde der Kläger auf Grund seiner Angaben in dem Fragebogen zunächst auf den 13. Januar 2000 zur persönlichen Anhörung geladen. Nach Darstellung des Beklagten hatte sich die Anhörung ua. wegen eines Wechsels und einer Erkrankung des zuständigen Sachbearbeiters verzögert. Bei dieser Anhörung räumte der Kläger ein, eine Verpflichtungserklärung geschrieben, mehrere handschriftliche Berichte personenbezogenen Inhalts verfasst und mit einem Decknamen unterschrieben zu haben. Die Anhörungskommission empfahl daraufhin die ordentliche Kündigung des Klägers während der Probezeit. Dieser Empfehlung schlossen sich der Staatssekretär und der Kultusminister am 14. Januar 2000 an. Der mit Schreiben vom 26. Januar 2000 über die Kündigungsabsicht unterrichtete Personalrat verweigerte nach Beteiligung der Stufenvertretung und einem Erörterungstermin am 23. Februar 2000 mit Schreiben vom 1. März 2000 seine Zustimmung zur Kündigung. Mit Schreiben vom 15. März 2000 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. April 2000. Es steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 22. August 2002 in dem Parallelverfahren im Hinblick darauf, dass der Personalrat nur über die Angaben des Klägers im Anhörungstermin unterrichtet war, nur diese als Kündigungsgrund behandelt mit dem Ergebnis, sie reichten zur Begründung einer ordentlichen Kündigung nicht aus.
Beim Beklagten ging am 10. März 2000 die am 4. Januar 2000 angeforderte Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ein. Daraus geht hervor, dass der Kläger – er hatte sich für drei Jahre zum Dienst in der NVA verpflichtet – vom 22. November 1985 bis 3. November 1987 Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) des Ministeriums für Staatssicherheit war. Er hatte eine handschriftliche Verpflichtungserklärung abgegeben und erhielt einen Decknamen. In den Unterlagen finden sich 50 Treffberichte der Führungsoffiziere, sechs Berichte der Führungsoffiziere nach mündlichen Informationen des IMS sowie 58 handschriftliche Berichte des IMS. Der Kläger berichtete über Armeeangehörige, indem er Persönlichkeitseinschätzungen, Auskunft über Charaktereigenschaften, familiäre Verhältnisse, den Umgangskreis, die Dienstdurchführung, die politische Einstellung, die Freizeitgestaltung, das Verhalten gegenüber Vorgesetzten bzw. Untergebenen und die Einstellung zum Dienst an der Waffe abgab. Er informierte über Personen, die Westradio oder Westfernsehen empfingen, übermäßig dem Alkohol zusprachen oder Alkohol in die Kaserne mitbrachten und an andere Armeeangehörige weitergaben. Ab dem 27. Mai 1987 berichtete der Kläger fast ausschließlich über einen Armeeangehörigen, der in die Ausbildungsbatterie versetzt worden war. Dieser Armeeangehörige wollte eigentlich den Wehrdienst verweigern und zeigte deshalb eine negative und widerwillige Einstellung zum Dienst. Diese Person wurde verdächtigt, Fahnenflucht zu beabsichtigen. Deshalb erfolgte die Aufklärung und Bearbeitung dieser Person in der OPK. Die Erfassung des Klägers als IMS endete mit seiner Entlassung aus der NVA wegen Perspektivlosigkeit auf Grund seines Studienantritts an der Universität.
Nach Eingang der Auskunft des Bundesbeauftragten fand am 14. März 2000 eine weitere Anhörung des Klägers statt. Die Anhörungskommission, der Staatssekretär und der Kultusminister empfahlen daraufhin die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 15. März 2000 teilte der Beklagte dem Hauptpersonalrat mit, es sei beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis des Klägers “zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach der Beteiligung des Hauptpersonalrates fristlos aus wichtigem Grund zu kündigen und gleichzeitig nochmals hilfsweise die ordentliche Kündigung auszusprechen” und bat um Stellungnahme zur außerordentlichen Kündigung und Zustimmung zum hilfsweisen Ausspruch der ordentlichen Kündigung. Der Hauptpersonalrat teilte mit Schreiben vom 15. März 2000 mit, er verzichte auf eine weitere Erörterung und werde sich zu der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung nicht äußern.
Mit Schreiben vom 21. März 2000 kündigte der Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund. Es steht rechtskräftig fest, dass auch diese Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2000 sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger die hier streitige ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2000 aus.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 5. Mai 2000 sei unwirksam. Jedenfalls bestehe kein Kündigungsgrund, zumal er die Zusammenarbeit mit dem MfS offen gelegt habe. Außerdem sei der Personalrat zu der Kündigung vom 5. Mai 2000 nicht beteiligt worden. Auf die Anhörung vom 15. März 2000 könne sich der Beklagte insoweit nicht berufen, da dort nur zu einer “gleichzeitig” auszusprechenden ordentlichen Kündigung angehört worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 5. Mai 2000 nicht aufgelöst worden ist,
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn als Lehrer zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, schon die bewusste und finale Zusammenarbeit des Klägers mit dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR rechtfertige die Kündigung. Dadurch sei der Kläger erheblich vorbelastet und könne kein glaubwürdiges Vorbild für seine Schüler mehr abgeben. Das Bestandsschutzinteresse des Klägers nach nur wenigen Monaten der Beschäftigung müsse zurücktreten angesichts seines, des Freistaates, Interesse, nur solche Lehrer zu beschäftigen, die auch ihrer Vorbildfunktion gerecht werden könnten und Glaubwürdigkeit bei den Schülern und den Eltern vermitteln könnten. Außerdem habe der Kläger die in dem Fragebogen gestellten Fragen wahrheitswidrig, zumindest unvollständig beantwortet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht bereits nach § 78 Abs. 4 ThürPersVG rechtsunwirksam. Sie ist auch, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nicht sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine gegenteilige Entscheidung wie folgt begründet: Die Kündigung sei schon mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam. Die Anhörung vom 15. März 2000 decke diese Kündigung nicht ab, weil sie nur zur “gleichzeitig” beabsichtigten, hilfsweise fristgerechten Kündigung mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende erfolgt sei. Damit sei nur eine Kündigung zum 30. April 2000 gedeckt gewesen. Die im Mai ausgesprochene Kündigung stehe nicht mehr in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang mit der Anhörung im März 2000.
Unabhängig davon fehle es auch an einem Kündigungsgrund. Die Tätigkeit des Klägers als IMS könne zwar an sich eine Kündigung rechtfertigen. Die Abwägung der Gesamtumstände spreche jedoch für den Kläger. Die Tätigkeit sei beschränkt gewesen auf die Zeit des Wehrdienstes. Das jugendliche Alter des Klägers sei ebenso zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wie der seitherige Zeitablauf sowie die Tatsache, dass der Kläger geradlinig zu seinen früheren Fehlern gestanden habe. Die dadurch bekundete Abwesenheit von “opportunistischem Duckmäusertum” sei eine pädagogisch wertvolle Charaktereigenschaft.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Die Kündigung ist nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, bereits deshalb nach § 78 Abs. 4 ThürPersVG, § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam, weil der Beklagte den Hauptpersonalrat zu einer “gleichzeitig” auszusprechenden ordentlichen Kündigung beteiligt, diese Kündigung aber erst einige Zeit nach Ausspruch der fristlosen Kündigung erklärt hat.
a) Nach § 78 Abs. 1 ThürPersVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Nach § 78 Abs. 3 ThürPersVG ist der Personalrat demgegenüber vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen lediglich anzuhören. Er hat die Möglichkeit, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich nach Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter etwaige Bedenken gegen die Kündigung mitzuteilen. Eine Kündigung ist nach § 78 Abs. 4 ThürPersVG unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (zB 4. August 1975 – 2 AZR 266/74 – BAGE 27, 209; 5. Februar 1981 – 2 AZR 1135/78 – AP LPVG NW § 72 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 47) und der einhelligen Auffassung in der Literatur (KR-Etzel 7. Aufl., §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rn. 53 ff.; Dietz/Richardi BPersVG § 79 Rn. 137 ff.), dass eine Kündigung nicht nur unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Personalrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat. Die Beteiligung des Personalrats dient in erster Linie dem Zweck, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Es widerspricht deshalb dem Sinn und Zweck des Beteiligungsverfahrens, es zu einem Zeitpunkt einzuleiten, in dem der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht noch gar nicht verwirklichen will oder kann. Die Beteiligung des Personalrats erfolgt dann nicht in dem maßgeblichen Stadium, sondern im Vorfeld der Willensbildung des Arbeitgebers, also zu einem Zeitpunkt, in dem noch alle Kündigungsüberlegungen unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung stehen (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 654/02 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 136 = EzA BetrVG 2001 § 106 Nr. 6).
Der Arbeitgeber hat, um dem Sinn und Zweck der Beteiligung vor einer Kündigung zu entsprechen, den Personalrat über seine Kündigungsabsicht zeitnah so zu informieren, dass dieser sich über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein eigenes Bild machen kann.
b) Danach ist die Beteiligung auch dann grundsätzlich fehlerhaft, wenn dem Personalrat nicht in ausreichendem Maße offen gelegt worden ist, zu welchem Zeitpunkt die Wirksamkeit der Kündigung eintreten sollte. Jedenfalls reicht es beispielsweise nicht aus, wenn der Betriebsrat bzw. Personalrat nur vorsorglich zu einer beabsichtigten Kündigung für den Fall beteiligt wird, dass es später vor dem Kündigungsausspruch noch zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans kommt (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 654/02 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 136).
Abgesehen von solchen Ausnahmefällen ist es jedoch nicht stets erforderlich, dass dem Personalrat der konkrete Termin genannt wird, zu dem die Kündigung wirken soll. Dieser Termin ist im Zeitpunkt der Beteiligung des Personalrats oft nicht einmal hinreichend konkret bestimmbar. Er hängt zB auch von der Dauer des Beteiligungsverfahrens und dem Datum des Zugangs der Kündigung ab. Regelmäßig ist der Personalrat ausreichend informiert, wenn die für den zu kündigenden Arbeitnehmer geltende Kündigungsfrist feststeht und außerdem der Arbeitgeber klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden soll (BAG 3. April 1987 – 7 AZR 66/86 – NZA 1988, 37; 28. März 1974 – 2 AZR 472/73 – BAGE 26, 102). In einem solchen Fall können Unklarheiten, die geeignet sind, die Stellungnahme des Personalrats zu beeinflussen, nicht aufkommen. Ist der Personalrat über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der Kündigungsfrist unterrichtet und hat der Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Kündigung alsbald nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens zum nächstmöglichen Termin aussprechen will, so ist für den Personalrat der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam werden soll, in ausreichendem Maße kalkulierbar. Es reicht damit für eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats aus, dass dieser das ungefähre Vertragsende und die zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Entlassungstermin liegende Zeitdauer in etwa abschätzen kann (BAG 3. April 1987 – 7 AZR 66/86 – NZA 1988, 37). Anders ist dies lediglich in den Fällen zu sehen, dass von dem Kündigungstermin bestimmte Ansprüche des zu kündigenden Arbeitnehmers abhängen (zB Weihnachtsgeld) oder der Arbeitgeber den Personalrat über den Termin, zu dem die Kündigung wirksam werden soll, völlig im Unklaren lässt (BAG 7. Oktober 1993 – 2 AZR 423/93 – RzK III 1d Nr. 8; 29. März 1990 – 2 AZR 420/89 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 56 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 79).
c) Diese Grundsätze gelten regelmäßig auch dann, wenn der Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung dem Personalrat Angaben gemacht hat, die auf einen bestimmten Kündigungstermin hindeuten, er aber diesen Kündigungstermin nicht einhalten kann.
Auszuscheiden sind hier vorab die Fälle einer bloßen Beteiligung des Personalrats auf Vorrat. Die Beteiligung hat zu einer bestimmten Kündigungsabsicht zu erfolgen. Diese darf, von wenigen Ausnahmen abgesehen (Zustimmung des Integrationsamtes etc.) nicht noch von dem Eintreten späterer Umstände abhängen. Auch muss die Beteiligung so zeitnah erfolgen, dass nicht bereits das längere Zuwarten des Arbeitgebers diese als Vorratsanhörung erscheinen lässt.
Abgesehen von diesen besonderen Sachverhalten ergibt regelmäßig schon die Auslegung der Erklärung des Arbeitgebers, dass die Angabe eines bestimmten Kündigungstermins nicht bedeuten soll, dass der Arbeitgeber nur zu diesem bestimmten Kündigungstermin kündigen und, wenn er diesen Termin aus irgendwelchen Gründen nicht verwirklichen kann, von einer Kündigung völlig absehen will. Mangels besonderer Anhaltspunkte ist deshalb die Angabe des unter Beachtung der einschlägigen Kündigungsfrist nächsten Kündigungstermins für den Personalrat eher nur als Hinweis auszulegen, dass die Kündigung zeitnah erfolgen soll. Dies muss erst recht gelten, wenn das Beteiligungsverfahren für die außerordentliche Kündigung und die ordentliche Kündigung in dem entsprechenden Personalvertretungsgesetz unterschiedlich ausgestaltet ist und der Arbeitgeber gleichzeitig zu einer fristlosen und zu einer vorsorglich auszusprechenden ordentlichen Kündigung aus denselben Kündigungsgründen beteiligt. Wenn zu einer fristlosen Kündigung lediglich die Anhörung des Personalrats erforderlich ist und dort kurze Fristen zur Stellungnahme vorgesehen sind, während die Mitwirkung bei der ordentlichen Kündigung längere Fristen vorsieht und möglicherweise eine Erörterung erforderlich macht, schränkt schon dies die Hinweiswirkung der Angabe eines Kündigungstermins im Einleitungsschreiben notwendigerweise stark ein. Nichts anderes gilt für die Angabe des Arbeitgebers, er beteilige den Personalrat bei einer fristlosen und einer hilfsweise auszusprechenden ordentlichen Kündigung. Selbst der Gebrauch des Wortes “gleichzeitig” in diesem Zusammenhang hat dann wenig Aussagewert, denn schon das unterschiedlich ausgestaltete Beteiligungsverfahren kann unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB einer Zeitgleichheit von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung entgegenstehen. Nimmt der Personalrat unter diesen Umständen sowohl zu der fristlosen als auch zu der hilfsweise auszusprechenden ordentlichen Kündigung Stellung und erhebt gegen die Kündigung keine Bedenken, so liegt die Auslegung, es solle nur einer zeitgleich mit der fristlosen Kündigung auszusprechenden, nicht jedoch einer später auszusprechenden ordentlichen Kündigung zugestimmt werden, eher fern. Eine Auslegung, die die Stellungnahme des Personalrats mit einer derartigen Einschränkung versieht, sie solle nur gelten, wenn auch die ordentliche Kündigung zusammen mit der fristlosen Kündigung ausgesprochen würde, bedarf besonderer Anhaltspunkte.
d) Der Auslegung des Schreibens des Beklagten, mit dem dieser das Mitbestimmungsverfahren eingeleitet hat und der Stellungnahme des Hauptpersonalrats ist danach nicht zu folgen.
aa) Diese Auslegung unterliegt zwar nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung, da es sich bei den Erklärungen um Willenserklärungen nichttypischer Art handelt (BAG 15. Dezember 1994 – 2 AZR 327/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75). Die Prüfung des Revisionsgerichts beschränkt sich deshalb darauf, ob das Berufungsgericht eine Auslegung völlig unterlassen hat, die Auslegung unzureichend ist, gegen ein Gesetz verstößt oder wesentlicher Auslegungsstoff nicht herangezogen worden ist. Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil jedoch nicht stand.
bb) Das Landesarbeitsgericht berücksichtigt schon nicht hinreichend, dass der Beklagte das Wort “gleichzeitig”, das ohnehin nicht völlig gleichbedeutend mit “zeitgleich” ist, in dem Schreiben an den Hauptpersonalrat mehrfach verwendet. Während auf S. 2 oben tatsächlich die ordentliche Kündigung als “gleichzeitig nochmals hilfsweise” bezeichnet wird, heißt es weiter unten, zu dem “gleichzeitig beabsichtigten hilfsweisen Ausspruch der ordentlichen Kündigung” werde die Zustimmung des Hauptpersonalrates erbeten. Schon deshalb liegt Auslegung nahe, dass sich das Wort “gleichzeitig” nur auf die Kündigungsabsicht, nicht jedoch darauf beziehen soll, dass auch der Ausspruch der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung zum gleichen Zeitpunkt erfolgen soll. Ebenfalls unberücksichtigt bleibt, dass das Schreiben ausdrücklich zwischen der außerordentlichen Kündigung mit “Frist von drei Arbeitstagen” und der ordentlichen Kündigung (“erbitte ich die Zustimmung”) unterscheidet. Dies ließ für den Hauptpersonalrat erkennbar die Möglichkeit offen, zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung innerhalb von drei Tagen Stellung zu nehmen und hinsichtlich der hilfsweise auszusprechenden ordentlichen Kündigung in eine Erörterung der Kündigungsabsicht mit dem Beklagten einzutreten. Das hat der Hauptpersonalrat ausweislich seiner Stellungnahme auch in seine Überlegungen einbezogen. Angesichts der Frist des § 626 Abs. 2 BGB hätte dies aller Voraussicht nach zu dem Ergebnis geführt, dass die fristlose und die hilfsweise auszusprechende ordentliche Kündigung nicht “gleichzeitig” im Sinne von “zeitgleich” hätten erklärt werden können. Berücksichtigt man dies, so ist ein Wille des Beklagten, nur zu einer “gleichzeitig” mit der fristlosen Kündigung auszusprechenden, nicht jedoch zu einer möglicherweise später zu erklärenden ordentlichen Kündigung zu beteiligen, aus dem Inhalt des Schreibens des Beklagten nicht ersichtlich. Auch das vom Landesarbeitsgericht offenbar nicht in seine Überlegungen einbezogene Stellungnahmeschreiben des Hauptpersonalrats spricht dafür, dass der Hauptpersonalrat das Schreiben des Beklagten nur so verstanden hat. Der Hauptpersonalrat nimmt zu einer “außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung” Stellung und erklärt, er wolle sich “zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung” nicht äußern. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Hauptpersonalrat seine Beteiligung auf Grund des nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts eher missverständlichen Schreibens des Beklagten dahingehend verstanden haben könnte, er sei nur zu einem Ausspruch einer fristlosen zusammen mit einer ordentlichen Kündigung beteiligt worden, lässt die Stellungnahme des Hauptpersonalrats nicht erkennen.
Zu Unrecht nimmt das Landesarbeitsgericht deshalb an, der Hauptpersonalrat sei nur zu einer Kündigungsabsicht beteiligt worden, die der Beklagte später nicht verwirklicht habe, nämlich dem gleichzeitigen Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung zusammen mit einer fristlosen Kündigung.
cc) Es kann unter den gegebenen Umständen auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Beteiligung des Hauptpersonalrats um eine unzulässige Beteiligung “auf Vorrat” gehandelt hat. Das Schreiben des Beklagten lässt den unbedingten Willen erkennen, dem Kläger aus den selben Gründen fristlos, hilfsweise fristgerecht zu kündigen. Zu dieser Kündigungsabsicht hat der Hauptpersonalrat Stellung genommen und auch gegen die ordentliche Kündigung keine Bedenken erhoben, sondern sich nicht geäußert. Durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung hat der Beklagte auch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang seine Kündigungsabsicht verwirklicht und damit gezeigt, dass er sich auf Grund der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe unbedingt von diesem trennen wollte. Es ist weder ein Verbrauch der bereits erfolgten Beteiligung des Hauptpersonalrats noch eine Verwirkung des Kündigungsrechts dadurch eingetreten, dass der Beklagte unter diesen Umständen angesichts der bereits zuvor erfolgten ordentlichen Kündigung und der unverzüglich ausgesprochenen fristlosen Kündigung mit dem Ausspruch der “vorsorglichen” weiteren ordentlichen Kündigung noch einige Wochen gewartet und damit erst zum übernächsten Monatsende gekündigt hat. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass aus Sicht des Hauptpersonalrats diese kurze Verzögerung des Kündigungsausspruchs, die sich im Ergebnis nur zu Gunsten des Klägers auswirken konnte, an der Stellungnahme zu der konkreten Kündigungsabsicht etwas hätte ändern können.
2. Auch mit der Hilfsbegründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Die Erwägungen, mit denen das Landesarbeitsgericht seine Auffassung begründet hat, die Kündigung sei nicht sozialwidrig iSd. § 1 KSchG, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf geprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter § 1 KSchG Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des BAG, vgl. zB 13. Juni 1996 – 2 AZR 483/95 – BAGE 83, 181, 187, zu II 2a der Gründe und 4. Dezember 1997 – 2 AZR 750/96 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 37 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53, zu II 2a der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab wird das angegriffene Urteil nicht gerecht.
b) Eine ordentliche Kündigung kann nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer wegen seiner früheren Tätigkeit für das MfS für die vereinbarte Arbeitsleistung nicht geeignet ist (st. Rspr., vgl. BAG 3. September 1998 – 8 AZR 129/97 –; 20. August 1997 – 2 AZR 42/97 – RzK 15i Nr. 127; 13. März 1997 – 2 AZR 506/96 – RzK 15h Nr. 39). Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer für das MfS im Sinne des Abs. 5 Ziff. 2 EV tätig gewesen ist und darüber hinaus bei einer zukunftsbezogenen Betrachtung die fehlende Eignung des Arbeitnehmers festzustellen ist (BAG 27. März 2003 – 2 AZR 699/01 – AP Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Nr. 81; 13. März 1997 – 2 AZR 506/96 – aaO; 11. Mai 1995 – 2 AZR 683/94 – AP Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Nr. 50 = EzA Einigungsvertrag Art. 20 Nr. 45).
aa) Nicht jedem, der für das MfS tätig war, ist zu kündigen. Je größer jedoch das Maß der Verstrickung war, desto unwahrscheinlicher ist die Annahme, dieser Beschäftigte sei als Angehöriger des öffentlichen Dienstes der Bevölkerung noch zumutbar (vgl. BAG 11. Juni 1992 – 8 AZR 474/91 – BAGE 70, 309). Beim inoffiziellen Mitarbeiter wird sich der Grad der persönlichen Verstrickung vor allem aus Art, Dauer und Intensität der Tätigkeit sowie aus Zeit und Grund der Aufnahme und der Beendigung der Tätigkeit für das MfS ergeben. Maßgebend ist, ob das Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Bekanntwerden der Tätigkeit für das MfS in einer Weise beeinträchtigt würde, dem das Festhalten am Arbeitsverhältnis entgegensteht.
bb) Insbesondere zu beachten ist im Rahmen der Interessenabwägung die Art der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer in dem in Frage stehenden Arbeitsverhältnis ausübt. Ob das Vertrauen in die Verwaltung durch die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers erschüttert wird, hängt auch davon ab, welche Wirkungsmöglichkeiten und Befugnisse der Arbeitnehmer in seinem jetzigen Arbeitsverhältnis hat (BVerfG 8. Juli 1997 – 1 BvR 1934/93 – BVerfGE 96, 189, 199 ff., zu C 12b der Gründe). Der Frage, ob trotz der früheren Tätigkeit eine Fortsetzung des jetzigen Arbeitsverhältnisses noch gerechtfertigt ist, wohnt dabei auch ein zeitliches Element inne. Eine feste Zeitgrenze besteht indes nicht. Vielmehr bedarf es einer Abwägung des Zeitablaufs mit dem Gewicht der Kündigungsgründe. Maßgebend sind die konkreten Umstände des Einzelfalles (BAG 27. Januar 2000 – 8 AZR 49/99 –). Längere beanstandungsfreie Zeiträume können auf Bewährung, innere Distanz, Abkehr von früheren Einstellungen und Taten hinweisen (BVerfG 8. Juli 1997 – 1 BvR 2111/94 – ua. BVerfGE 96, 171, 187 f., zu C II 2c bb der Gründe).
cc) Auch eine langjährige und unbeanstandete Tätigkeit eines Lehrers ist dabei zu berücksichtigen. Je nach Umfang und Intensität der festgestellten MfS-Tätigkeit kann aber auch der lange Zeitraum unbeanstandeter Tätigkeit entwertet sein, wenn er nämlich nicht auf einem glaubwürdigen und nachhaltigen Neubeginn, sondern eher auf erfolgreicher Verheimlichung beruht (BAG 27. März 2003 – 2 AZR 699/01 – AP Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Nr. 81). Liegt in dem Zeitpunkt, in dem die Verstrickungen des Lehrers bekannt wurden, lediglich eine verhältnismäßig kurze, unbeanstandete Unterrichtstätigkeit vor, so ist regelmäßig nicht die Annahme gerechtfertigt, dass eine langjährige und gewollte Spitzeltätigkeit dadurch aufgewogen und die Annahme gerechtfertigt wird, es sei bereits “Gras über die Sache gewachsen”. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Lehrer in seiner beruflichen Tätigkeit ehemalige Opfer seiner MfS-Mitarbeit zB als Eltern begegnen. Ein glaubwürdiger rechtsstaatlicher Schulunterricht kann nicht auf der Annahme aufgebaut werden, die Belastung eines Mitarbeiters werde schon nicht bekannt werden (BAG 16. Dezember 2004 – 2 AZR 148/04 – AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5 mwN zur Anfechtung nach einer Unterrichtstätigkeit von gut einem Jahr).
c) Der kurzen Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) folgt der Senat nur in Teilen der Begründung, nicht jedoch im Ergebnis.
aa) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass der Kläger eine bedeutende IMS-Tätigkeit entfaltet hat. Schon der Umfang der Tätigkeit ist außergewöhnlich hoch. Die Revisionsbegründung weist zutreffend darauf hin, dass die Akte des Klägers während seiner IMS-Tätigkeit durchschnittlich mehr als drei Berichte pro Monat enthält. Diese äußerst intensive Berichterstattung des Klägers für das MfS hatte auch ein erhebliches denunziatorisches Gewicht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts enthielten die Berichte über Armeeangehörige insbesondere Persönlichkeitseinschätzungen, Auskünfte über Charaktereigenschaften, familiäre Verhältnisse, den Umgangskreis, die Dienstdurchführung, die politische Einstellung, die Freizeitgestaltung, das Verhalten gegenüber Vorgesetzten bzw. Untergebenen und die Einstellung zum Dienst an der Waffe. Darüber hinaus informierte der Kläger über Personen, die Westradio oder Westfernsehen empfingen, übermäßig dem Alkohol zusprachen oder Alkohol in die Kaserne mitbrachten und an andere Armeeangehörige weitergaben. Neben diesen Berichten, die geeignet waren, andere Armeeangehörige erheblich zu gefährden und zu schädigen, fällt insbesondere der Vorgang ins Gewicht, in dem der Kläger gezielt eine Person bespitzelt hat.
bb) Ebenfalls zutreffend berücksichtigt das Landesarbeitsgericht allerdings zu Gunsten des Klägers, dass sich die IMS-Tätigkeit ausschließlich während dessen Armeedienstes abgespielt hat und der Kläger mit damals 20 – 22 Jahren noch sehr jung war. Dabei fiel durchaus ins Gewicht, dass während des Armeedienstes eine Verknüpfung von Dienstpflicht und MfS-Anwerbung etwa in der Person des Sicherheitsoffiziers leichter war als außerhalb der Armee. Die Revision rügt insoweit allerdings zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass die Spitzeltätigkeit des Klägers weit über dienstliche Belange hinaus gegangen ist und der Kläger dem MfS umfassende Informationen über zahlreiche Personen verschafft hat. Die Berichte waren in zahlreichen Punkten geeignet, den verschiedensten Armeeangehörigen zu schaden, ohne dass sich die Berichterstattung auf den Dienstbereich beschränkt hätte. In mehreren Berichten der Führungsoffiziere wird dem Kläger dabei sogar bestätigt, dass er sich nicht einmal darauf beschränkte, den Vorgaben der Führungsoffiziere zu folgen, sondern dass er “ständig bei längerem Abbruch der Verbindung” selbstständig eine Kontaktaufnahme herstellte.
cc) Der Zeitablauf seit Ende der MfS-Tätigkeit ist zwar grundsätzlich zu berücksichtigen. Es fehlen jedoch, wie die Revision zu Recht rügt, hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass hieraus auf Bewährung und innere Distanz geschlossen werden könnte. Die MfS-Tätigkeit des Klägers hat 1987 geendet. Sie ist sogar in der letzten Zeit der Armeezugehörigkeit des Klägers, also mit wachsendem Alter erheblich verstärkt worden (ca. 60 Berichte in den 10 Monaten des Jahres 1987). Das Ende dieser Tätigkeit ist auch nach dem Abschlussvermerk des MfS offenbar ohne jedes Zutun des Klägers erfolgt. Nachdem ihm sein operativer Mitarbeiter bei der Armee noch aufgetragen hatte, bei der “Verbindungsaufnahme … schöne Grüße an Hptm. H… aus” zu bestellen, lehnte das MfS-Referat der Universität die Übernahme des Klägers als IMS mit der Begründung ab, wegen des vom Kläger studierten Fachs Biologie bestehe an seiner Übernahme kein Interesse. Auf Grund welcher Erwägungen das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen von einer “Bewährung und Distanz” des Klägers allein durch Zeitablauf ausgehen möchte, ist nicht recht verständlich. Auch die Tätigkeit des Klägers als Lehrer beim Beklagten ist viel zu kurz, um insoweit ausreichende Schlussfolgerungen zuzulassen. Als die Verstrickung des Klägers bekannt wurde, befand dieser sich noch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses als Lehrer und es spricht nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Ablauf vieles dafür, dass die erste Kündigung ua. wegen der erforderlichen Beteiligung des Personalrats erst kurz nach Ablauf von sechs Monaten ausgesprochen worden ist. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hinweist, die Kündigung hätte schon früher ausgesprochen werden können, so kann ihn das ebenso wenig entlasten wie die Tatsache, dass er in seiner kurzen Berufstätigkeit offenbar mit Erfolg Zusatzaufgaben übernommen hat. Auch dass der Kläger nach seiner Darstellung beanstandungsfrei vor seiner Einstellung als Lehrer seine Referendarzeit abgeleistet und an der Universität ua. ein nicht abgeschlossenes Dissertationsvorhaben durchgeführt hat, lässt für sich allein keinen glaubwürdigen und nachhaltigen Neubeginn erkennen.
dd) Das Verhalten des Klägers nach seiner Einstellung als Lehrer spricht nicht hinreichend für die vom Landesarbeitsgericht ohne weitere Begründung angenommene “innere Distanz” zu seiner früheren Verstrickung als IMS. Dem Kläger war von vornherein klargemacht worden, dass seine Beschäftigung als Lehrer von der Auskunft über eine eventuelle MfS-Tätigkeit abhängen würde. Unter diesen Umständen hat er zwar die ihm in dem Fragebogen gestellten Fragen nicht direkt falsch beantwortet. Immerhin ließ das gesamte Verhalten des Klägers bis zur Kündigung erkennen, dass der Kläger offenbar nur bereit war, das Notwendigste zuzugeben und nicht etwa seine frühere MfS-Tätigkeit als “Jugendsünde” offen einzuräumen und insoweit einen Sinneswandel zu bestätigen. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das spätere Verhalten des Klägers lasse sogar auf eine pädagogisch wertvolle Charaktereigenschaft schließen, fehlt es damit an einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage.
3. Der Senat kann über die soziale Rechtfertigung der Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) abschließend entscheiden. Der in den wesentlichen Tatsachen unstreitige Sachverhalt ist durch das Landesarbeitsgericht festgestellt. Weitere entscheidungserhebliche Feststellungen nach einer Zurückverweisung sind nicht mehr zu erwarten.
Der Interessenabwägung in dem erstinstanzlichen Urteil schließt sich der Senat an. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, ein Lehrer müsse den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte unserer Verfassung vermitteln. In öffentlichen Schulen sollten Kinder und Jugendliche erkennen, dass Freiheit, Demokratie und sozialer Rechtsstaat Werte sind, für die einzusetzen es sich lohnt. Habe ein Lehrer selbst kein positives Verhältnis zu den Grundwerten und Grundprinzipien unserer Verfassung, könne er den ihm anvertrauten Schülern nicht das Wissen und die Überzeugung vermitteln, dass diese Demokratie ein verteidigenswertes und zu erhaltendes Gut sei. Die zurückliegende Tätigkeit eines Lehrers für das MfS wirke sich auf dessen Glaubwürdigkeit aus, nunmehr die Grundwerte unserer Verfassung zu vermitteln. Sie beeinträchtige darüber hinaus das Erscheinungsbild des Schuldienstes insgesamt in der Öffentlichkeit. Die Einstellungen der Menschen in den neuen Bundesländern seien gegenüber einem ehemaligen Mitarbeiter des MfS auch geraume Zeit nach der Auflösung des MfS immer noch sehr gespalten und höchst emotional geprägt. Auf Grund der massiven persönlichen Verstrickung des Klägers mit dem MfS fehle ihm nach Abwägung der beiderseitigen Interessen die persönliche Eignung für eine weitere Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Diese Ausführungen macht sich der Senat zu eigen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Sieg, Pitsch
Fundstellen