Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Gemeinsamer Betrieb bei Land- und Seebetrieb
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung von BAGE 3, 197 = AP Nr. 1 zu § 22 KSchG
Normenkette
KSchG §§ 23-24
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 27.04.1990; Aktenzeichen 3 Sa 896/88) |
ArbG Stade (Urteil vom 12.04.1988; Aktenzeichen 1 Ca 531/87) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. April 1990 – 3 Sa 896/88 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 25. September 1984 seit diesem Tag bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt weniger als sechs Arbeitnehmer.
Am 13. November 1987 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1987 und berief sich darauf, durch den Verkauf verschiedener Schiffe habe sich der Arbeitsaufwand so verringert, daß er von einem anderen Mitarbeiter miterledigt werden könne.
Die Klägerin hält diese Kündigung für unwirksam. Sie ist der Auffassung, das KSchG finde Anwendung. Dazu trägt sie vor, die Geschäftsführer der Beklagten hätten mit teilweise wechselnder Zusammensetzung und teilweise auch mit dritten Personen eine Reihe von Kommanditgesellschaften gegründet, die einzelne Seeschiffe betrieben. Die Verwaltung dieser Seeschiffe werde ausschließlich über die Firma der Beklagten abgewickelt. Sämtliche Heuerrechnungen und andere Büroarbeiten würden in Geschäftsräumen der Beklagten ausgeführt, da die einzelnen Kommanditgesellschaften nicht über eigene Geschäftsräume verfügten. Die Kommanditgesellschaften firmierten auch unter der Anschrift der Beklagten, ebenso werde die Einstellung und die Kündigung der für die einzelnen Seeschiffe einzustellenden Personen über die Firma der Beklagten durchgeführt. Zur Zeit der Kündigung seien etwa zehn Schiffe von der Beklagten betreut worden, so daß davon auszugehen sei, die Beklagte beschäftige ständig mehr als fünf Arbeitnehmer.
Betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung hätten nicht vorgelegen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die nicht datierte Kündigung, übergeben am 13. November 1987, nicht zum 31. Dezember 1987 geendet habe, sondern fortbestehe.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat sich zunächst darauf berufen, das KSchG finde keine Anwendung, da sie lediglich zwei Arbeitnehmer beschäftige. Sie hat nicht bestritten, für einige Eigentumsgesellschaften von Schiffen Verwaltungstätigkeiten auszuüben, was gerade zu ihrem Aufgabenbereich als Verwaltungsgesellschaft gehöre. Sie hat jedoch geltend gemacht, die Besatzungen der Schiffe zählten i. S. des KSchG nicht zu ihren Angestellten, diese seien vielmehr bei den Reedereien beschäftigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung sei nicht an den Maßstäben einer sozial gerechtfertigten Kündigung zu messen, da der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde. Dies folge aus §§ 23, 24 KSchG. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelte als Betrieb i. S. des Gesetzes jeweils die Gesamtheit der Seeschiffe oder der Binnenschiffe eines Schiffahrtbetriebes. Das Gesetz enthalte insoweit einen eigenständigen Betriebsbegriff. Dies habe zur Folge, daß die Land- und Bodenbetriebe der Schiffahrtsunternehmen einerseits und die Gesamtheit der Seebetriebe oder der Binnenschiffe andererseits in kündigungsrechtlicher Hinsicht nicht zusammenzurechnen seien. Da die Klägerin im Landbetrieb beschäftigt sei, in dem unstreitig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt seien, könne sie Kündigungsschutz für sich nicht in Anspruch nehmen.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Nach dem Vortrag der Klägerin liegen bereits die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht vor. Die Klägerin hat nicht durch Tatsachen dargetan, daß die Beklagte einen Betrieb unterhält, in dem mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden. Auf die Auslegung von § 24 KSchG kommt es daher letztlich entscheidend nicht an.
1. Der Senat hat allerdings bereits durch Urteil vom 28. Dezember 1956 (– 2 AZR 207/56 – BAGE 3, 197 = AP Nr. 1 zu § 22 KSchG) zu § 22 KSchG 1951 entschieden, der Landbetrieb eines Schiffahrtsunternehmens sei gegenüber dem nach § 22 Abs. 1 Satz 2 KSchG 1951 aus der Gesamtheit der Schiffe gebildeten Betriebe selbständig. Soweit ersichtlich hat sich die Literatur dieser Auffassung angeschlossen (vgl. KR-Becker, 3. Aufl., § 24 KSchG Rz 14 f.; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 24 Rz 4 f.; Hueck, KSchG. 10. Aufl., § 24 Rz 3). Die Klägerin führt auch keinerlei Rechtsprechungs- oder Literaturansichten an, die hiervon abweichen.
2. Nach herrschender Auffassung ist zunächst davon auszugehen, daß § 24 KSchG insofern eine Fiktion enthält, als die Gesamtheit der Seeschiffe in jedem Fall einen eigenständigen Betrieb bilden. Bestehen somit kündigungsrechtlich zwei Betriebe, nämlich der Landbetrieb nach § 23 KSchG und der Seebetrieb nach der Fiktion des § 24 KSchG, so könnte das KSchG allenfalls dann anzuwenden sein, wenn aufgrund irgendwelcher Besonderheiten des Einzelfalles beide Betriebe so organisiert wären, daß sie einen einheitlichen Betrieb bilden würden. Der Senat hat in dem angeführten Urteil vom 28. Dezember 1956 dazu ausgeführt, sowohl der Landbetrieb als auch der Seebetrieb stelle regelmäßig eine organisatorische Einheit für sich dar. Der arbeitstechnische Zweck der auf dem Lande befindlichen Büroorganisation sei ein anderer als der der Seeschiffe, möge die Büroorganisation auch mit dem Ergebnis und dem Zweck ihrer Arbeit eine Voraussetzung oder doch ein Hilfsmittel für die Aufrechterhaltung und den Ablauf des Schiffsbetriebes sein. Die Büroorganisation diene der Verwaltung, insbesondere der Versorgung der Schiffe und der kaufmännischen Seite des Schifffahrtsunternehmens, der Schiffsbetrieb bezwecke die technische Betätigung der Schiffahrt. Hier und dort sei der Aufbau innerlich ganz verschieden eingerichtet und es seien auch andere Arbeitnehmer in ihm tätig.
3. Wie der Senat durch die Formulierung „regelmäßig” klar zum Ausdruck gebracht hat, sind zwar Ausnahmen denkbar. Solche Ausnahmen hat die Klägerin aber in tatsächlicher Hinsicht nicht vorgetragen. Der Rechtsstreit bedarf daher auch keiner weiteren Aufklärung in der Hinsicht, ob überhaupt die anderen Kommanditgesellschaften, die sie als maßgeblich erachtet, der Beklagten zuzurechnen wären.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Dr. Ascheid, Brocksiepe, Roeder
Fundstellen