Leitsatz (amtlich)
1. Die Zusage, geleistete Dienste im Wege der Erbfolge zu entgelten, hindert den Empfänger der geleisteten Dienste nicht, zu Lebzeiten über sein Vermögen zu verfügen.
2. Die Erwartung des Dienstleistenden auf einen angemessenen späteren Ausgleich der geleisteten Dienste ist im Falle zu 1) nicht ohne weiteres bereits dann fehlgegangen, wenn der Dienstempfänger zu Lebzeiten über wesentliche Teile seines Vermögens anderweit verfügt oder diese selbst verbraucht.
3. Die vereinbarte Stundung der Dienst Vergütung kann allerdings hinfällig werden, wenn die Vermögensverfügungen des Dienstempfängers sachlicher Gründe entbehren und voraussichtlich dem in Aussicht genommenen späteren Lohnausgleich die wirtschaftliche Grundlage entziehen.
4. Für Dienstleistungen vor der Währungsreform ist in Fällen der sog. fehlgegangenen Vergütungserwartung der nachträgliche Lohnausgleich im Verhältnis 10: 1 von Reichsmark auf Deutsche Mark umzustellen.
Normenkette
BGB § 612; Umstellungsgesetz §§ 16, 18
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 08.02.1973; Aktenzeichen 5 Sa 86/72) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Februar 1973 – 5 Sa 86/72 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister. Ihr Vater war Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten 1271 qm großen Grundstücks in B. mit einem Einheitswert von 6.800,– DM. Durch notariellen Vertrag vom 5. Mai 1969 übertrugen die Eltern der Parteien das Grundstück, dessen Verkehrswert mit 65.000,– DM angegeben ist, im Wege der verfrühten Erbfolge auf den 1929 geborenen Beklagten. Dieser räumte ihnen ein lebenslängliches Wohnrecht an einer Wohnung des Hauses ein. Der Beklagte hat der im Oktober 1922 geborenen Klägerin auf Grund des notariellen Vertrages eine Abfindung von 20.000,– DM in vier gleichen Jahresraten zu zahlen. Der Vater hatte bereits 1964 zwei Bauplätze auf den Beklagten übertragen, die er im Jahre 1950 als Ackerland gekauft hatte.
Die Klägerin fordert vom Beklagten den Betrag von 17.000,– DM mit folgender Begründung:
Sie habe seit ihrer Schulentlassung im Jahre 1937 bis zum Jahre 1951 in dem Haushalt ihrer Eltern sowie in dem Gewerbebetrieb ihres Vaters – einem Kohleneinzelhandelsgeschäft und einem Obst- und Gemüsegroßhandel – täglich zehn bis zwölf Stunden gearbeitet, bis sie sich 1951 mit ihrem Ehemann in B. selbständig gemacht habe. In dieser Zeit habe sie lediglich Unterkunft und Verpflegung für sich und ihr im Jahre 1943 geborenes Kind erhalten. Die Arbeitsleistung habe sie unentgeltlich erbracht, weil ihr Vater in ihr die Erwartung genährt habe, sie werde ihn dereinst neben dem Beklagten beerben. Der Vater habe verschiedentlich geäußert, er werde es ihr dereinst schon recht machen. Insbesondere habe er zu ihr und zu Dritten gesagt, er werde ihr einen Bauplatz kaufen. Durch die Übertragung ihres gesamten Vermögens auf den Beklagten seien die Eltern, die von einer geringen Rente lebten, nicht mehr in der Lage, ihr, der Klägerin, die jahrelang geleistete Arbeit zu entgelten. Daher müsse der Beklagte die Verpflichtung ihres Vaters erfüllen. Angemessen sei ein monatlicher Lohn von 100,– RM bzw. 100,– DM. Für 170 Monate ab März 1937 mache dies einen Betrag von 17.000,– DM aus.
Die Klägerin hat demgemäß beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 17.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1969 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat das Vorbringen der Klägerin bestritten. Es sei nicht richtig, daß der Vater der Parteien der Klägerin irgendwelche Zusicherungen gemacht habe. Die Arbeit der Klägerin habe nicht den Umfang überschritten, den ein Familienmitglied an Mithilfe im elterlichen Haushalt erbringen müsse. Überdies sei ihre Arbeit durch die Unterbringung und Verpflegung für sie und ihr Kind gebührend ausgeglichen. In unterschiedlicher Höhe habe die Klägerin darüber hinaus ein Taschengeld erhalten. In den Jahren von 1951 bis 1957 hätten sie und ihr Ehemann unentgeltlich von den Eltern Wohnung und Verpflegung erhalten. Schließlich habe der Vater der Parteien nicht sein gesamtes Vermögen auf den Beklagten übertragen. Der Vater besitze mit der Mutter noch gemeinsam ein Sparvermögen von ca. 5.000,– DM. Er könne auch noch bis zu seinem Tode Vermögen erwerben. Falls der Klageanspruch berechtigt sein sollte, müßte die Klägerin sich jedenfalls die Abfindung von 20.000,– DM aus dem notariellen Vertrag vom 5. Mai 1969 in Höhe von 10.000,– DM anrechnen lassen.
Der Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 7.000,– DM zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Abweisung beruht auf der Anrechnung der Abfindung in Höhe von 10.000,– DM auf die Klageforderung.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Anschlußberufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin unbegründet.
Ziel des Klagebegehrens ist es nicht, die etwaigen nachteiligen Folgen auszugleichen, die sich aus der Verfügung des Vaters der Klägerin über sein Grundvermögen für die erbrechtliche Stellung der Klägerin ergeben könnten. Mit der Klage erstrebt die Klägerin vielmehr den Ausgleich arbeitsrechtlicher Verpflichtungen ihres Vaters, die nach der Darstellung der Klägerin gemäß § 419 BGB auf den Beklagten als Vermögensübernehmer übergegangen sein sollen. Fällige arbeitsrechtliche Verpflichtungen hat jedoch der Vater der Klägerin, auch wenn das Klagevorbringen als richtig unterstellt wird, nicht zu erfüllen.
Die Klägerin hat sich nach ihrer Darstellung zu im Sinne des § 612 BGB vergütungswerten Arbeitsleistungen für ihren Vater unter Verzicht auf alsbaldige Zahlung von Arbeitslohn bereitgefunden. Der finanzielle Ausgleich sollte danach in angemessener erbrechtlicher Versorgung bestehen, also erst nach dem Tod des Empfängers der geleisteten Dienste erfolgen.
Rechtlich stellt dies einen Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung von Lohnansprüchen zu Lebzeiten des Erblassers, ihres Vaters, dar. Die Vergütungserwartung der Klägerin kann nicht eher im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG 14, 291 = AP Nr. 20 zu § 612 BGB) fehlgehen, als bis der Erbfall eingetreten ist und damit Klarheit über die erbrechtliche Stellung der Klägerin besteht. Erst wenn die Vergütungserwartung fehlgegangen ist, fällt die vereinbarte Stundung der Vergütung der geleisteten Dienste weg.
An die Stundung der Vergütung, wie der Senat sie in den Fällen der sog. fehlgegangenen Vergütungserwartung angenommen hat, ist im Grundsatz auch der Dienstleistende gebunden. Es steht nicht in seinem Belieben, zu irgendeinem von ihm bestimmten Zeitpunkt die Arbeitsvergütung unter Verzicht auf den in Aussicht gestellten zukünftigen finanziellen Ausgleich sofort zu fordern, jedenfalls soweit es sich um die in der Vergangenheit geleisteten Dienste handelt.
Auch die Übertragung des Grundstücksvermögens auf den Beklagten im Wege der sog. verfrühten Erbfolge hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der Dienstempfänger wird durch Absprachen der von der Klägerin hier behaupteten Art rechtlich nicht daran gehindert, zu seinen Lebzeiten in der ihm sachgemäß erscheinenden Art über sein Vermögen zu verfügen; er ist insbesondere nicht daran gehindert, das Vermögen zu seinem eigenen Vorteil selbst aufzuzehren. Ebenso ist ihm die Verfügung zugunsten eines als gesetzlichen Mit erben in Betracht kommenden Angehörigen nicht verwehrt. Auch bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben lassen sich Parteiabsprachen über eine zukünftige Entgeltregelung nicht ohne weiteres dahin deuten, daß in derartigen Verfügungsfällen die Stundungsabrede sofort hinfällig werden solle. Im allgemeinen wird davon auszugehen sein, daß der Empfänger der geleisteten Dienste, mag er auch zu Lebzeiten in dieser oder jener Form über sein Vermögen verfügen, Mittel und Wege finden wird, den gestundeten Vergütungsanspruch in der in Aussicht gestellten Form zu erfüllen. Wer sich gegen Vergütungszusagen der hier vorgetragenen Art zu Arbeitsleistungen bereitfindet, nimmt überdies – aus welchen Gründen auch immer – zugleich in weitem Umfang das Risiko der künftigen Erfüllbarkeit der gestundeten Lohnforderungen auf sich. Er muß von vornherein damit rechnen, daß der Dienstempfänger von seinem durch die Parteiabsprache unbeschränkt gebliebenen Recht Gebrauch macht, über sein Vermögen zu verfügen oder es selbst zu verbrauchen.
Eine andere rechtliche Beurteilung mag dann gerechtfertigt sein, wenn der Empfänger der geleisteten Dienste willkürlich, also ohne sachgemäßen Grund über sein Vermögen verfügt und dies aller Voraussicht nach der in Aussicht genommenen späteren Entgeltregelung die wirtschaftliche Grundlage entziehen wird. Ein derartiger Sachverhalt läßt sich jedoch im Streitfall nach dem Klagevorbringen nicht annehmen. Es ist nichts dafür vorgetragen noch sonst dem Sachverhalt zu entnehmen, daß der Vater der Klägerin sich aus sachlich unvernünftigen Gründen in der geschehenen Weise noch zu seinen Lebzeiten von seinem Grundvermögen getrennt hätte. Daher ist von einer sachlich überlegten, jedenfalls aber einer wirtschaftlich vertretbaren Maßnahme des Vaters der Klägerin auszugehen, etwa einer solchen, die auf seinem Alter und seiner herabgesetzten persönlichen Leistungsfähigkeit beruht; dies könnte auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die Stundungsabrede nicht hinfällig machen. Es fehlt weiterhin an hinreichenden Anhaltspunkten, daß die Grundstücksübertragungen eine zukünftige Entgeltregelung der von der Klägerin behaupteten Art ausschließen oder unmöglich machen. Hinsichtlich der ihm zugeflossenen Zuwendungen ist der Beklagte nach § 2050 BGB der Klägerin gegenüber im Erbfalle ggf. ausgleichspflichtig; es ist nicht auszuschließen, daß der Erblasser die Ausgleichspflicht testamentarisch noch ausdrücklich anordnet (vgl. RGR-Kommentar, 11. Aufl., § 2050 BGB Anm. 19). Überdies hat die gestundete Lohnforderung der Klägerin nur einen verhältnismäßig geringen Umfang. Denn der weitaus größte Teil dieser Forderung ist nach §§ 16, 18 Abs. 2 Umstellungsgesetz im Verhältnis 10: 1 von Reichsmark auf Deutsche Mark umzustellen; insgesamt dürfte die gestundete Lohnforderung einen Betrag von 5.000,– DM nicht übersteigen, auch wenn man das gesamte Vorbringen der Klägerin als richtig unterstellt. Es läßt sich nicht ausschließen, daß die Klägerin hierfür einen angemessenen Ausgleich im Rahmen der ursprünglichen Entgeltregelung erhalten wird.
Damit erweist sich die Klage als unbegründet, ohne daß es noch auf weitere Erörterungen ankäme; insbesondere ist es nicht erforderlich, auf die dem Klageanspruch entgegengestellten Erwägungen des Landesarbeitsgerichts einzugehen. Damit war die Revision zurückzuweisen.
Unterschriften
gez. Dr. Schröder, Siara, Bichler, Röglin, Dr. Eck
Fundstellen
Haufe-Index 1436734 |
NJW 1974, 78 |
Nachschlagewerk BGH |