Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht. Konkretisierung der Arbeitszeit
Normenkette
BGB §§ 611, 315 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 15.11.1990; Aktenzeichen 7 Sa 58/90) |
ArbG Berlin (Urteil vom 09.05.1990; Aktenzeichen 33 Ca 60/89) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 15. November 1990 – 7 Sa 58/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin verlangen kann, so eingesetzt zu werden, daß sie monatlich eine Nachtwache übernimmt und an zwei weiteren Tagen ihren Dienst tagsüber verrichtet.
Die Klägerin ist im Krankenhaus N. des Beklagten als Krankenschwester beschäftigt. Im Jahre 1973 wechselte sie von einem Volltagsarbeitsverhältnis auf ihren Wunsch in eine Halbtagsbeschäftigung. Vorangegangen war ein Schreiben der Klägerin vom 16. Mai 1973 mit folgendem Wortlaut:
„Da meine Tochter in diesem Jahr eingeschult wird, ist es mir nicht mehr möglich, ganztägig zu arbeiten. Aus diesem Grunde bitte ich, mich ab 1. Juni 1973 vorübergehend halbtags zu beschäftigen, wobei ich bereit bin, jeden Monat eine Nachtwache und ein Wochenende zu übernehmen, damit 84 Stunden Arbeitszeit abgegolten werden können.”
Daraufhin schlossen die Parteien am 10. Juli 1973 einen Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin vom 1. Juni 1973 an „mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten, das sind zur Zeit 21 Stunden wöchentlich, weiterbeschäftigt” wurde.
Ferner wurde die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages – BAT – einschließlich der Sonderregelungen mit allen Künftigen Änderungen und Ergänzungen vereinbart.
Bis zum Februar 1989 wurde die Klägerin dementsprechend im Monatsrhythmus zu einer Nachtwache und zwei weiteren Tagesdiensten (Wochenenddienst) eingeteilt. Danach setzte die Krankenhausleitung die Klägerin ebenso wie die übrigen Mitarbeiter nur noch in größeren Abständen zu Nachtdiensten ein.
Die Klägerin will an der bis zum Februar 1989 durchgeführten Regelung festhalten und sieht in der langjährigen Durchführung eine entsprechende Konkretisierung ihres Arbeitsverhältnisses und insoweit eine Einschränkung des Direktionsrechts des Beklagten. Dem Beklagten sei schon aufgrund des Zeitablaufes bewußt gewesen, daß ein Grundschulkind nach einigen Jahren selbständiger werde, so daß ein anderer Arbeitseinsatz der Klägerin möglich geworden wäre. Dennoch habe der Beklagte an der bisherigen Handhabung festgehalten. Daraus sei ein besonderer Vertrauenstatbestand erwachsen.
Die Klägerin hat – soweit revisionsrechtlich noch von Interesse – beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, sie in seinem Krankenhausbetrieb N. so einzusetzen, daß sie monatlich eine Nachtwache übernimmt und zusätzlich an zwei weiteren Tagen tagsüber ihren Dienst ableisten kann.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Einteilung zu Nachtdiensten. Der Beklagte habe sich dazu in dem Arbeitsvertrag nicht verpflichtet. Es ergebe sich kein besonderer Vertrauenstatbestand daraus, daß der Beklagte an der von der Klägerin gewünschten Arbeitszeitregelung auch bei Älterwerden ihres Kindes festgehalten habe. Der Beklagte müsse sich mit Rücksicht auf die Wünsche anderer Mitarbeiter eine Änderung der mit der Klägerin praktizierten Regelung offenhalten. Da aufgrund einer Änderung des BAT (62, Tarifvertrag zur Änderung des BAT vom 30. Juni 1989) für Nachtdienste ab dem 1. August 1989 eine Schichtzulage zwischen 70,– und 150,– DM gezahlt werde, sei die Umstellung der Dienstplangestaltung zwecks Gleichbehandlung der Pflegekräfte erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Verurteilung zu den begehrten Nachtdiensten abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision konnte keinen Erfolg haben.
I. Das Landesarbeitsgericht hat eine Konkretisierung der Arbeitsleistungspflicht hinsichtlich der von der Klägerin gewünschten Zeiteinteilung verneint. Es hat dazu ausgeführt, daß allein durch Zeitablauf eine solche Festlegung nicht eintritt, sondern daß besondere Umstände hinzutreten müßten, aus denen sich ergebe, daß der Arbeitnehmer in Zukunft die Arbeit nach dieser Zeiteinteilung verrichten soll. Zwar habe die Klägerin behauptet, sie habe sich im Zusammenhang mit der Herabsetzung ihrer Arbeitszeit im Jahre 1973 dem Beklagten gegenüber geradezu verpflichten müssen, zumindest einmal monatlich einen einwöchigen Nachtdienst zu leisten. Daraus hätte die Klägerin zwar herleiten können, daß sie in Zukunft nur mit dieser Schichteinteilung beschäftigt werde. Die dahingehende Behauptung der Klägerin sei jedoch nicht bewiesen worden. Der dazu vernommene Zeuge Sch. habe ausgesagt, die Klägerin hätte die Herabsetzung ihrer Arbeitszeit auch dann bewilligt bekommen, wenn sie sich nicht zu Nachtdiensten bereiterklärt hätte. Diese Aussage werde bestätigt durch die Zeugin M., die ausgesagt habe, es sei der Wunsch der Klägerin gewesen, Nachtwachen übernehmen zu können. Wenn danach die Schichteinteilung nur der Bereitschaft der Klägerin entsprach, so konnte sie daraus nicht den Schluß ziehen, sie werde auch über das Ende des Schulbesuchs ihrer Tochter weiter in derselben Weise eingesetzt werden. Die Tatsache allein, daß Nachtdienste im Jahre 1973 allgemein unbeliebt gewesen seien, genüge nicht, um ein besonders schützenswertes Vertrauen der Klägerin in die unveränderte Fortsetzung der Einteilungspraxis zu rechtfertigen.
II. Die Angriffe der Revision gegen diese überzeugenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts können keinen Erfolg haben.
1. Die von der Klägerin gewünschte Zeiteinteilung ist nicht Vertragsgegenstand. Aus dem Arbeitsvertrag vom 10. Juli 1973 ergibt sich nur eine Herabsetzung der Arbeitszeit im Umfang einer Halbtagsbeschäftigung. Das Schreiben der Klägerin vom 16. Mai 1973, das Anlaß für diese Vertragsänderung war, ist nicht zum Vertragsbestandteil geworden.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts einseitig die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung näher bestimmen (vgl. u.a. BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu III 1 der Gründe, m.w.N.). Dieses Weisungsrecht findet seine Grenzen nur in den Vorschriften der Gesetze, des Kollektiv- und des Einzelarbeitsvertrages, und es darf nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (BAGE 33, 71, 75 = AP, a.a.O.).
Entgegen der Ansicht der Revision ist trotz langjähriger Handhabung keine Konkretisierung des Arbeitsvertrages dahingehend erfolgt, daß die Klägerin in Zukunft in der von ihr begehrten Zeiteinteilung eingesetzt werde. Über den Zeitablauf hinaus müssen zusätzliche Umstände hinzukommen, die ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers auf Beibehaltung des bisherigen Leistungsinhaltes für die Zukunft begründen (vgl. BAG Urteil vom 11. Juni 1958 – 4 AZR 514/55 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Senatsurteil vom 14. Dezember 1961 – 5 AZR 180/61 – AP Nr. 17 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Das gilt jedenfalls dann, wenn die vom Arbeitgeber praktizierte Handhabung nicht vom Vertragsinhalt abweicht. Das ist hier der Fall.
Nach dem Ergebnis der in der Vorinstanz durchgeführten Beweisaufnahme hat der Beklagte von der Klägerin auch nicht verlangt, daß sie sich zu Nachtwachen in Zukunft verpflichtet. Allein aus der Beibehaltung der bisherigen Diensteinteilung über die Schulpflicht der Tochter der Klägerin hinaus konnte sie nicht darauf vertrauen, daß der Beklagte diese Regelung auch in Zukunft bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortsetzen werde.
Der Beklagte hat sein Direktionsrecht im Rahmen billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 1 BGB ausgeübt, als er die Klägerin nicht im Umfang wie bisher zu Nachtdiensten heranzog. Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Abwägung der Interessen der Vertragspartner festzustellen (Senatsurteil vom 15. Dezember 1976 – 5 AZR 600/75 – AP Nr. 3 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Die Klägerin hat nicht dargelegt, aufgrund welcher eigener Interessen sie die Nachtdienste im bisherigen Umfange verrichten will. Demgegenüber hat der Beklagte darauf hingewiesen, daß er wegen der Einführung einer tariflichen Nachtschichtzulage im Jahre 1989 eine Gleichbehandlung aller Pflegekräfte im Krankenhaus N. anstrebe. Die Klägerin sollte nur noch soviel Nachtdienste wie das übrige Pflegepersonal ableisten. Außerdem sind die Besonderheiten eines Krankenhausbetriebes zu berücksichtigen. Danach ist das Pflegepersonal bei der Arbeitszeiteinteilung in stärkerem Maße dem Direktionsrecht der Krankenhausleitung unterworfen, als dies sonst der Fall ist. Die Einteilung der Arbeitszeiten wegen der notwendigen Versorgung der Patienten rund um die Uhr mit wechselnder Intensität muß den betrieblichen Erfordernissen angepaßt werden. Außerdem sind tarifliche Arbeitszeitverkürzungen und dadurch bedingte Änderungen in der Arbeitszeiteinteilung zu berücksichtigen. Der Beklagte hat unter diesen Voraussetzungen die Grenzen seines Direktionsrechts nicht überschritten.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Arntzen, Kessel
Fundstellen