Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung. Stationierung einer Flugbegleiterin
Leitsatz (redaktionell)
Sind Inhalt oder Ort der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, kommt es auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts nicht an. Weisungen sind nach billigem Ermessen auszuüben.
Normenkette
GewO § 106 S. 1; BGB § 315 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 05.10.2015; Aktenzeichen 17 Sa 1675/14) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.09.2014; Aktenzeichen 5 Ca 364/14) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2015 – 17 Sa 1675/14 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung.
Die Klägerin ist seit dem 3. Oktober 1999 als Flugbegleiterin bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 7. September 1999 lautet auszugsweise:
„1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
(1)
… [Die Klägerin] wird ab dem 03.10.1999 als Flugbegleiterin im Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent in Berlin beschäftigt. Der Einsatzort Berlin umfasst einen Einsatz von und zu allen Flughäfen der Region.
…
(2)
… [Die Beklagte] kann … [die Klägerin] an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen.
2. Rechte und Pflichten
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent geltenden Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent gültigen Dienstvorschriften und Anweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.”
Die Klägerin ist vom Stationierungsort Berlin aus eingesetzt worden.
Im Betrieb der Beklagten besteht eine Personalvertretung auf Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung vom 15. November 1972 (TV PV). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP) ua. über die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Berlin und Hamburg. In dessen Abschnitt Sozialplan heißt es ua.:
„§ 8 Abmilderung der Folgen
Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung
- Direkter Einsatz aus FRA oder MUC
- Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012
- Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur G gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012
- Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)
- Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe
Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.
Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt.
…
e) Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)
Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der G.
Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …”
Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24. Juni 2013 unter Vorbehaltszusatz für eine Stationierung in Frankfurt am Main.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. April 2014 von Berlin nach Frankfurt am Main. Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich fristgemäß zum 30. September 2014 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz-/Stationierungsort Frankfurt am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.
Die Zubringerflüge von Berlin nach Frankfurt am Main und München werden auch nach Ausspruch der Versetzungen weiterhin durch die Beklagte durchgeführt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Änderungskündigung seien unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, dass die Versetzung der Klägerin gemäß Schreiben der Beklagten vom 13. Dezember 2013 unwirksam ist;
- festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 26. März 2014 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Im Zusammenhang mit der Reform der Direktverkehre habe sich das bisherige Flugvolumen am Standort Berlin um 49,1 % verringert. Die Station Berlin sei geschlossen worden; eine dezentrale Stationierung von Flugbegleitern/Pursern gebe es dort nicht mehr. Sämtliche Flugumläufe begönnen nunmehr in Frankfurt am Main oder München. Insgesamt führten die Maßnahmen in Berlin zu Einsparungen von etwa 2,8 Mio. Euro jährlich. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Sie habe die im Rahmen ihrer Ausübungsentscheidung wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Hierbei komme ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung von Flugbegleitern besonderes Gewicht zu. Die Personalvertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Mangels entsprechender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
I. Ob die Versetzung vom 13. Dezember 2013 rechtswirksam ist, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass der Arbeitsvertrag der Parteien keinen Stationierungsort festschreibt, sondern im Rahmen des § 106 GewO eine Versetzung zulässt (zu 1.). Bei der Überprüfung der Wirksamkeit der ausgesprochenen Versetzung geht das Landesarbeitsgericht auch von den vom Senat aufgestellten Rechtsgrundsätzen aus (zu 2.). Deren Anwendung ist aber rechtsfehlerhaft und hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand (zu 3.). Deshalb kann offenbleiben, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 182/09 – Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Das Landesarbeitsgericht hat bei seinem Verständnis der Bestimmungen des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 8. Mai 2013 wesentliche Umstände außer Acht gelassen und rechtliche Aspekte verkannt.
1. Der Arbeitsvertrag der Parteien lässt aufgrund der Bestimmung in Ziff. 1 eine Versetzung an einen anderen Stationierungsort zu. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zu Recht aus.
a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12 – Rn. 25).
b) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12 – Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB (BAG 26. September 2012 – 10 AZR 311/11 – Rn. 19).
c) Nach diesen Grundsätzen enthält der Arbeitsvertrag der Parteien keine abschließende Festlegung des Einsatzorts. Ziff. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht zwar als Einsatzort Berlin vor. In Ziff. 1 Abs. 2 behält sich die Beklagte jedoch das Recht vor, die Klägerin an einem anderen Ort einzusetzen. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellt.
2. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend von den vom Senat aufgestellten Grundsätzen für die Überprüfung der Wirksamkeit einer Versetzung aus.
Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein – hier auf betriebliche Gründe beschränkter – nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. BAG 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12 – Rn. 41; BGH 18. Oktober 2007 – III ZR 277/06 – Rn. 20, BGHZ 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – Rn. 26). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 182/09 – Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128).
a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 20 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 40 mwN).
b) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 41 f.).
c) Eine soziale Auswahl – wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG – findet bei der Versetzung nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. BAG 17. August 2011 – 10 AZR 202/10 – Rn. 22, 25).
3. Das Landesarbeitsgericht nimmt allerdings rechtsfehlerhaft an, die nach § 8 Buchst. e IA/SP für einen begrenzten Zeitraum mögliche virtuelle Stationierung am bisherigen Stationierungsort belege, dass eine Versetzung zu diesem Termin noch nicht erforderlich gewesen sei und die Maßnahme deswegen gegen § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB verstoße. Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.
a) § 8 IA/SP sieht für die von Versetzungen betroffenen Mitarbeiter der vollständig geschlossenen Stationierungsorte fünf Wahlmöglichkeiten vor. Diese beinhalten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, den direkten Wechsel nach Frankfurt am Main oder München gegen Zahlung einer Auslagenpauschale bzw. der Umzugskosten und eine zeitlich begrenzte Arbeitnehmerüberlassung oder den sofortigen Wechsel zu G unter bestimmten Bedingungen. Darüber hinaus ist der befristete Verbleib am bisherigen Standort für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Übergang des letzten Flugzeugs in den Verantwortungsbereich (AOC) der G vorgesehen (virtuelle Stationierung). Nach § 8 Buchst. e IA/SP erfolgt in dieser Zeit der Einsatz der Flugbegleiter/innen, die sich für diese Variante entschieden haben, „Dead-Head” vom virtuellen Stationierungsort aus. Die Mitarbeiter/innen werden damit während der Laufzeit dieser Regelung so gestellt, als ob sie weiterhin in Berlin stationiert wären. Zusätzlich erhalten sie nach Ablauf der virtuellen Stationierung weitere Leistungen.
b) Bei der befristeten virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich um eine Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Angehörigen des Bordpersonals infolge der Betriebsänderung entstehen iSv. § 95 Abs. 1 Satz 2 TV PV (inhaltsgleich mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
aa) Interessenausgleich und Sozialplan unterscheiden sich deutlich nach Inhalt, Funktion, Zustandekommen und Wirkungsweise (Fitting 28. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 2). Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten der Betriebsänderung Einfluss zu nehmen (BAG 22. Juli 2003 – 1 AZR 541/02 – zu B I 2 a der Gründe, BAGE 107, 91). Dabei geht es auch und gerade um die Frage, ob die Betriebsänderung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Sozialplan knüpft hingegen erst an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Diese sind im Rahmen der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen im Rahmen des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien auszugleichen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 9. Dezember 2014 – 1 AZR 102/13 – Rn. 23, BAGE 150, 136).
bb) Der virtuelle befristete Verbleib am bisherigen Stationierungsort ist eine solche Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung der durch die Versetzungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile.
(1) Die Durchführung der Betriebsänderung wird durch die Bestimmungen des Sozialplans nicht beschränkt oder zeitlich verschoben. Die Beklagte brauchte zu dem von ihr gewünschten Zeitpunkt die Direktverkehre mit Ausnahme der Zubringerflüge nicht mehr selbst durchzuführen und konnte die dezentralen Stationen tatsächlich schließen, dh. beispielsweise Mietverträge kündigen und örtliches Personal abziehen. Schließlich durfte sie alle gewünschten Versetzungen aussprechen und ihre Flugumläufe neu, nämlich nur noch von den zentralen Stationierungsorten Frankfurt am Main und München aus, planen und die Mitarbeiter/innen dementsprechend einsetzen. Alle Teile des Gesamtkonzepts der Betriebsänderung blieben deshalb durch die Bestimmungen des Sozialplans unberührt.
(2) Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts unzutreffend, bei § 8 Buchst. e IA/SP handle es sich entgegen der systematischen Stellung im Teil Sozialplan rechtlich um eine Interessenausgleichsregelung. Die Folgen der Versetzung für die betroffenen Flugbegleiter/innen wären vielmehr – den Sozialplan hinweggedacht – mit Wirkung ab 1. April 2014 in vollem Umfang eingetreten: Diese hätten auf eigene Kosten und außerhalb der Dienstzeit zum Dienstantritt am neuen Stationierungsort gelangen müssen. Diese Nachteile werden durch § 8 IA/SP abgemildert, so zB durch die Zahlung der Auslagenpauschale oder Erstattung der Umzugskosten. Der Sozialplan trägt durch diese Wahlmöglichkeiten der gesetzlichen bzw. tariflichen Zielvorgabe Rechnung, die Nachteile möglichst einzelfallbezogen auszugleichen und die unterschiedlichen Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Bei den Beschäftigten, die sich für die Variante virtuelle Stationierung entschieden haben, erfolgte die Abmilderung durch die zeitlich begrenzte weitere Anwendung der tariflichen „Dead-Head”-Bestimmungen, obwohl hierauf wegen der Umsetzung der Organisationsänderung gerade kein Rechtsanspruch bestand.
cc) Die Möglichkeit der virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP lässt nicht den Schluss zu, die unternehmerische Entscheidung zur Umgestaltung des Direktverkehrs und zur Schließung der dezentralen Stationierungsorte sei zum 1. April 2014 noch nicht umgesetzt worden, eine Versetzung zu diesem Termin nach Frankfurt am Main oder München sei deshalb noch nicht erforderlich und die Maßnahme verstoße gegen § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.
(1) Wie dargelegt, handelt es sich um eine von fünf Wahlmöglichkeiten in einem Sozialplan, die dem Ausgleich oder der Milderung der Folgen der Versetzungen dient. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte aus dem Sozialplan oder aus anderen Umständen, dass dieser etwa darauf angelegt gewesen wäre, dass alle oder jedenfalls die große Mehrheit der Mitarbeiter/innen sich für diese Variante entscheidet. Ein solches Verhalten hat auch die Klägerin nicht behauptet und eine solche Situation ist erkennbar nicht eingetreten.
(2) Bei § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich nicht um eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers, sondern um eine mit der Personalvertretung abgeschlossene Vereinbarung, die er durchführen muss. Deshalb ist die Annahme falsch, die Regelung mache deutlich, dass nach der Interessenlage der Beklagten eine Versetzung zum 1. April 2014 noch unterbleiben konnte und diese lediglich „auf Vorrat” erfolgt sei. Ebenso wenig trägt das Argument, die Beklagte hätte die anderen Maßnahmen der Stationsschließung auch durchführen können, ohne die Klägerin während der Dauer der virtuellen Stationierung zu versetzen. Zum einen würde es sich um eine andere Organisationsentscheidung handeln als diejenige, für die sich die Beklagte willkürfrei entschieden hat. Zum anderen würde sich bei einem Verzicht auf die Versetzung der Anspruch der Flugbegleiter/innen aus § 8 Buchst. e IA/SP verstetigen oder jedenfalls entgegen dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien erheblich verlängern, da die virtuelle Stationierung gerade die Versetzung voraussetzt.
dd) Auch luftfahrtrechtliche Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass die Heimatbasis der Klägerin für die Zeit der virtuellen Stationierung weiterhin Berlin und deshalb die Versetzung nach Frankfurt am Main ausgeschlossen sei. Die entsprechenden Bestimmungen verlangen lediglich, dass eine Heimatbasis festgelegt wird. Dies ist im Fall der Klägerin seit dem 1. April 2014 Frankfurt am Main; von dort aus wird sie geplant und eingesetzt. Dass die Klägerin für einen vorübergehenden Zeitraum gemäß § 8 Buchst. e IA/SP auf Kosten der Beklagten zu diesem Stationierungsort befördert wird und die übrigen tariflichen Bestimmungen für „Dead-Head”-Zeiten Anwendung finden, führt nicht dazu, dass Berlin entgegen der anderweitigen Benennung durch die Beklagte wieder zur Heimatbasis der Klägerin wird. Deshalb wird in § 8 Buchst. e IA/SP im Übrigen von den Betriebsparteien gerade zwischen dem gewählten Stationierungsort und dem (nur) virtuellen Stationierungsort unterschieden.
4. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Landesarbeitsgericht nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Es hat – aus seiner Sicht konsequent – sowohl die Frage der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung offengelassen als auch Vortrag der Beklagten zur Umsetzung der Maßnahme als wahr unterstellt. Darüber hinaus hat es keine Feststellungen zu den persönlichen Belangen der Klägerin getroffen. Im Übrigen ist es regelmäßig Sache der Tatsacheninstanzen festzustellen, ob eine konkrete Maßnahme billigem Ermessen entspricht oder nicht (vgl. BAG 28. August 2013 – 10 AZR 537/12 – Rn. 49 f.).
5. Diese Fragen wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären und – soweit erheblicher Vortrag der Beklagten substanziiert bestritten wird – Beweis zu erheben haben. Abschließend wird es zu bewerten haben, ob die unternehmerische Entscheidung der Beklagten die Versetzung auch angesichts der für die Klägerin entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (vgl. zum Ergebnis in einem Parallelverfahren BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 –).
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist auch hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung vom 26. März 2014 aufzuheben.
1. Die Beklagte ging bei Ausspruch der Versetzung davon aus, dass bereits die arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien eine solche zulassen. An dieser Rechtsposition hält sie weiterhin fest. Nach dem Wortlaut der Änderungskündigung vom 26. März 2014 hat die Beklagte diese „höchst vorsorglich” ausgesprochen und in der Änderungskündigung bekräftigt, sie gehe weiterhin davon aus, dass die Klägerin bereits wirksam im Wege des Direktionsrechts versetzt worden sei.
2. Vor diesem Hintergrund kommt es in Betracht, dass die vorsorglich erklärte Änderungskündigung dadurch auflösend bedingt ist, dass es für die Versetzung einer Änderung der Vertragsbedingungen nicht bedarf. Sollte das Landesarbeitsgericht zur Abweisung des Klageantrags zu 1. kommen, wird es diese Möglichkeit erwägen müssen. Bejaht es ein solches Verständnis, kommt in Betracht, dass auch der Änderungsschutzantrag unter einer auflösenden Bedingung gestellt war (vgl. insgesamt zu einer solchen Konstellation BAG 17. Dezember 2015 – 2 AZR 304/15 –).
Unterschriften
Linck, Brune, W. Reinfelder, R. Baschnagel, D. Kiel
Fundstellen
Dokument-Index HI10308286 |