Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagslohnzahlung und Streik
Leitsatz (redaktionell)
Teilt die streikführende Gewerkschaft einem Arbeitgeber mit, sie habe seine Belegschaft ab einem bestimmten Zeitpunkt zum Streik aufgerufen, bleiben die Arbeitsverhältnisse der streikenden Arbeitnehmer solange suspendiert, bis die Gewerkschaft dem Arbeitgeber oder dessen Verband das Ende des Streiks mitgeteilt hat.
Normenkette
GG Art. 9; FeiertLohnzG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitnehmer Elke B und Hartmut Sch gegen die Beklagte für den Pfingstmontag 1984 einen Anspruch auf Feiertagsvergütung hatten, den sie an die Klägerin, die streikführende Gewerkschaft, abgetreten haben.
Die Klägerin hatte von April 1984 bis zum Tarifabschluß am 6. Juli 1984 im Rahmen der Auseinandersetzung um Arbeitszeitverkürzung und eine neue Lohnstruktur die Belegschaften wechselnder Betriebe zu unterschiedlichen Zeiten zu befristeten Streiks aufgerufen. Mit Schreiben vom 1. Juni 1984 teilte sie der Beklagten mit, sie habe ihre Mitglieder aufgefordert, "ab 4.6. die Arbeit niederzulegen". Der Streik wurde am Freitag, dem 8. Juni 1984, beendet, die Beklagte hierüber jedoch nicht informiert. Diese erhielt erst am Dienstag nach Pfingsten, dem 12. Juni 1984, Kenntnis von dem Ende des Streiks.
Mit der am 18. Oktober 1984 der Beklagten zugestellten Klage hat die Klägerin aufgrund erteilter Abtretungen Feiertagsvergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 281,12 DM geltend gemacht.
Sie hat vorgetragen, die beiden Arbeitnehmer seien am letzten Tage vor und am ersten Tage nach dem Feiertag nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben. Einzige Ursache für den Arbeitsausfall am Pfingstmontag, dem 11. Juni 1984, sei der Feiertag gewesen, da der Streik bereits am 8. Juni 1984 beendet worden sei. Einer Benachrichtigung der Beklagten von dem Ende des Streiks habe es nicht bedurft.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 281,12 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Oktober 1984 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe keine Feiertagsvergütung zahlen müssen, weil weder die Klägerin noch deren Mitglieder sie von dem Ende des Streiks benachrichtigt hätten. Für sie seien die Arbeitnehmer solange im Arbeitskampf gewesen, bis sie von dessen Ende in Kenntnis gesetzt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Regelung, daß die an einem gesetzlichen Feiertage infolge von Kurzarbeit ausgefallene Arbeitszeit als infolge des Feiertages ausgefallen gelte, erfasse auch arbeitskampfbedingte Kurzarbeit. Für Tage, an denen infolge eines Arbeitskampfes überhaupt nicht gearbeitet werde, könne nichts anderes gelten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Streik sei mit Ablauf des 8. Juni 1984 beendet gewesen. Da die Arbeitnehmer B und Sch am 12. Juni (Pfingstdienstag) die Arbeit angeboten hätten, sei gleichzeitig der Schwebezustand darüber beendet worden, was Ursache des Arbeitsausfalls am Pfingstmontag gewesen sei. Das Arbeitsangebot vom 12. Juni 1984 habe als Rechtsreflex rückwirkend zur Folge gehabt, daß der gesetzliche Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben, das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen, weil die Arbeit am Pfingstmontag 1984 nicht infolge des Feiertages ausgefallen ist.
I. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG hat der Arbeitgeber für die Zeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, den Arbeitnehmern den Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Danach gilt das sogenannte Lohnausfallprinzip. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer so zu stellen, wie dieser gestanden hätte, wenn die Arbeit nicht infolge des Feiertags ausgefallen wäre.
Aus Wortlaut und Zweck der Regelung ergibt sich, daß der Anspruch auf Feiertagsbezahlung nur dann besteht, wenn der Feiertag die alleinige Ursache des Arbeitsausfalles bildet (BAGE 1, 241 = AP Nr. 1 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAGE 8, 80 = AP Nr. 6 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; Urteil vom 5. Februar 1965 - 3 AZR 497/63 - AP Nr. 17 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAGE 42, 324 = AP Nr. 39 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG und BAGE 44, 160 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG).
II. Dagegen entsteht der gesetzliche Anspruch nicht, wenn der Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht. Das ist u.a. dann der Fall, wenn wegen eines Arbeitskampfes nicht gearbeitet wird. Während eines rechtmäßigen Streiks werden zwar seit dem Beschluß des Großen Senats vom 28. Januar 1955 (BAGE 1, 291 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) die Hauptpflichten der Parteien aus dem Arbeitsvertrag nur suspendiert. Das ändert aber nichts daran, daß während eines Streiks die Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag nicht infolge des Feiertags, sondern aufgrund des Arbeitskampfes ausfällt. Dementsprechend gibt es in diesen Fällen auch keinen Anspruch auf Feiertagsvergütung (vgl. ebenso LAG Hamm Urteil vom 24. Oktober 1985 - 8 Sa 1066/85 - und Urteil vom 22. Mai 1986 - 8 Sa 269/85 - LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr.25 und 27). Hiervon geht zutreffenderweise auch das Berufungsgericht aus.
Auf der anderen Seite muß der Feiertagslohn gezahlt werden, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor dem Feiertag endet oder sich unmittelbar an den Feiertag anschließt. In beiden Fällen ist einzige Ursache für den Arbeitsausfall der gesetzliche Feiertag.
1. Der rechtmäßige Streik beginnt damit, daß eine Gewerkschaft ihre Mitglieder in einem oder mehreren Betrieben aufruft, für ein tarifvertraglich regelbares Ziel in den Streik zu treten. Mit dieser Erklärung werden die Hauptpflichten aus den einzelnen Arbeitsverhältnissen noch nicht suspendiert. Vielmehr ist es Sache des einzelnen Arbeitnehmers, konkludent oder ausdrücklich durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dem Arbeitgeber zu erklären, daß er an dem Streik teilnimmt und deshalb die Arbeitspflichten suspendiert werden. In der Regel geben die Arbeitnehmer keine ausdrücklichen Suspendierungserklärungen ab, sondern verlautbaren dies konkludent durch Niederlegung der Arbeit in Verbindung mit dem Aufruf der gewerkschaftlichen Streikleitung, die ihren Mitgliedern und dem Arbeitgeber auch etwaige Streikmodalitäten erklärt. Der betroffene Arbeitgeber kann im Regelfall davon ausgehen, daß die Arbeitnehmer, die nach einem gewerkschaftlichen Streikbefehl nicht zur Arbeit erscheinen, von ihrem Streikrecht Gebrauch machen, d.h. konkludent ihre Arbeitspflicht suspendieren (vgl. Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975, 242). Knüpft man die Suspendierung der Hauptpflichten an eine - wenn auch in der Regel konkludente - Erklärung, können auch Zweifelsfälle befriedigend gelöst werden: So kann der Arbeitgeber nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß alle Arbeitnehmer, die bei Streikbeginn nicht zur Arbeit erscheinen, Streikteilnehmer sind. Das ist z.B. eindeutig nicht der Fall bei Arbeitnehmern, die schon vor Streikbeginn von der Arbeit befreit waren. Der Senat hat dies für kranke Arbeitnehmer im Urteil vom 24. Februar 1961 (- 1 AZR 17/59 - AP Nr. 31 zu § 1 ArbKrankhG) und für im Urlaub befindliche Arbeitnehmer im Urteil vom 9. Februar 1982 (- 1 AZR 567/79 - AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG) anerkannt. Auch bei anderen nicht zur Arbeitsleistung verpflichteten Arbeitnehmern muß der Arbeitgeber i.d.R. davon ausgehen, daß sie keine Suspendierungserklärung abgeben wollen.
2. Ebensowenig wie die Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag von allein eintritt, endet die Suspendierung der Hauptpflichten ohne eine entsprechende Erklärung, die in der Regel durch schlüssiges Verhalten, nämlich die Aufnahme der Arbeit, erfolgt. Der Suspendierungserklärung als einseitigem Rechtsgeschäft entspricht als actus contrarius wiederum eine Erklärung, mit der der Arbeitnehmer kundgibt, er scheide aus dem Streikgeschehen aus. Das kann auch vor offizieller Kampfbeendigung der Fall sein. Sowohl der nichtorganisierte Arbeitnehmer als auch die Mitglieder der streikführenden Gewerkschaft sind frei in der Entscheidung, an einem Streik teilzunehmen oder nicht. Daneben ist die Streikleitung selbst befugt, für alle Streikteilnehmer verbindliche Erklärungen abzugeben und insbesondere dem Arbeitgeber mitzuteilen, daß der Streik an einem bestimmten Tage beendet sein soll (vgl. BAGE 23, 484 = AP Nr. 44 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Dagegen kann die Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht rückgängig gemacht werden, ohne daß dem Arbeitgeber gegenüber irgendeine, wenn auch schlüssige, Erklärung abgegeben wird, sei es von der Streikleitung, sei es von dem Arbeitnehmer, der Vergütungsansprüche geltend machen will.
3. Vorliegend hat die Streikleitung der Beklagten mit Schreiben vom 1. Juni 1984 mitgeteilt, daß sie ihre Mitglieder aufgefordert habe, ab 4. Juni die Arbeit niederzulegen. Ob dieser Streik von vornherein begrenzt sein sollte, ggf. bis zu welchem Zeitpunkt, hat die Streikleitung nicht erklärt. Die Beklagte hat daher davon ausgehen müssen, sie werde solange bestreikt, bis die Klägerin oder deren Mitglieder etwas Gegenteiliges zum Ausdruck brächten. Stattdessen hat die Streikleitung nur intern beschlossen, mit Ablauf des 8. Juni 1984 den Streik zu beenden. Dieser interne Willensentschluß hat nicht zur Aufhebung der Suspendierung der Hauptpflichten aus den Arbeitsverhältnissen führen können, da die streikführende Gewerkschaft weder die Beklagte noch deren Verband davon unterrichtete, daß der Streik am 8. Juni 1984 auslaufe und die Beklagte auch von den Teilnehmern des Streiks hiervon nicht erfuhr. Die Beklagte hat unstreitig erst am Pfingstdienstag, dem 12. Juni 1984, von der Beendigung des Streiks durch die Arbeitsaufnahme ihrer Belegschaftsangehörigen Kenntnis erhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren daher die Arbeitsverhältnisse aufgrund des Streiks suspendiert. Dementsprechend ist die Arbeit am Pfingstmontag nicht infolge des gesetzlichen Feiertages, sondern infolge des Streiks ausgefallen (ebenso LAG Hamm, aaO und LAG Berlin Urteil vom 5. Juli 1985 - 14 Sa 20/85 -). Zu Recht hat das LAG Hamm (LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 25) darauf hingewiesen, es sei nicht angängig, die Feiertagsvergütung zu beanspruchen, ohne zugleich dem Arbeitgeber die durch den Streik weggefallene Dispositionsfreiheit zurückzugeben, ihn also in den Stand zu setzen, eine nach dem Streikabbruch möglicherweise in Betracht kommende Sonderschicht anzuordnen oder Vorbereitungen zur Arbeitsaufnahme für die Zeit nach dem Feiertag zu ermöglichen.
4. Seine entgegengesetzte Auffassung, das Arbeitsangebot am 12. Juni habe als Rechtsreflex rückwirkend zur Folge gehabt, daß der gesetzliche Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen sei, hat das Berufungsgericht nicht begründet. Sie ist rechtlich nicht haltbar. Einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen können Rechtswirkungen nur für die Zukunft entfalten, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich etwas anderes vor wie bei § 142 Abs. 1 BGB. Dementsprechend hat der Zweite Senat seit dem Urteil vom 9. August 1984 (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB) in ständiger Rechtsprechung den Versuchen eine Absage erteilt, bei der früheren Rechtsprechung zum Arbeitsangebot im Anschluß an eine fristlose Kündigung dadurch zu helfen, daß dem Arbeitsangebot eine Rückwirkung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beigemessen wurde.
III. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann der geltend gemachte Anspruch auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 FeiertagslohnzahlungsG entnommen werden. Danach gilt die Arbeitszeit, die an einem gesetzlichen Feiertag gleichzeitig infolge von Kurzarbeit ausfällt und für die an anderen Tagen als an gesetzlichen Feiertagen Kurzarbeitergeld geleistet wird, als infolge eines gesetzlichen Feiertages nach Satz 1 ausgefallen. Richtig ist, daß der Senat im Urteil vom 20. Juli 1982 (BAGE 39, 191 = AP Nr. 38 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG) entschieden hat, daß der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 2 zur Zahlung des Feiertagslohns in Höhe des Kurzarbeitergeldes auch dann verpflichtet sei, wenn er ohne den Feiertag an diesem Tage nach den Grundsätzen über die Verteilung des Arbeitskampfrisikos zur Verweigerung der Lohnzahlung berechtigt wäre. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Falle fielen die strittigen Feiertage Karfreitag und Ostermontag in eine Zeit, in der im Betrieb der Beklagten "Kurzarbeit" angeordnet war. Für die Tage vor und nach den genannten Feiertagen wurde vom Arbeitsamt Kurzarbeitergeld gezahlt. Wären der 24. und 27. März keine Feiertage gewesen, wäre an diesen Tagen ebenfalls nicht gearbeitet worden und hätten die Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten. Gerade für solche Fälle, in denen die Arbeitszeit infolge zweier Ursachen, nämlich infolge von Kurzarbeit und gleichzeitig infolge des gesetzlichen Feiertags ausfällt, bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 2 FeiertagslohnzahlungsG, daß diese Arbeitszeit nur als infolge des Feiertags ausgefallen gilt, mit der Folge, daß dann nach Satz 1 dieser Vorschrift Feiertagslohn zu zahlen ist. Im Gegensatz dazu hätten die Arbeitnehmer im vorliegenden Falle, wenn der 11. Juni 1984 kein Feiertag gewesen wäre, weder Lohn noch Kurzarbeitergeld erhalten, weil sie sich im Streik befanden und die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag noch suspendiert waren. Einzige Ursache für den Arbeitsausfall war also der Streik und nicht der Feiertag.
Dementsprechend waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
K. H. Janzen Dr. Giese
Fundstellen
BAGE 58, 320-326 (LT1) |
BAGE, 320 |
BB 1988, 2465-2466 (LT1) |
DB 1988, 2260-2261 (LT1) |
NJW 1989, 122 |
NJW 1989, 122-123 (LT1) |
EBE/BAG 1988, 22-23 (LT1) |
ARST 1989, 56-57 (LT1) |
ASP 1988, 263-263 (K) |
NZA 1988, 461 |
NZA 1988, 886-887 (LT1) |
RdA 1988, 382 |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1), Nr 56 |
AR-Blattei, Arbeitskampf II Entsch 32 (LT1) |
AR-Blattei, ES 170.2 Nr 32 (LT1) |
AR-Blattei, ES 710 Nr 61 (LT1) |
AR-Blattei, Feiertage Entsch 61 (LT1) |
EzA, Arbeitskampf Nr 81 (LT1) |
EzBAT § 8 BAT Arbeitskampf, Nr 22 (LT1) |
JuS 1989, 415 (L1) |
MDR 1989, 95-96 (LT1) |
SuS 1988, 136-137 (K) |