2.1 Grundsatz der Durchgriffshaftung
Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, haftet
- für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmens (Nachunternehmer) sowie
- für die Zahlungspflicht eines von diesem Nachunternehmer beauftragten Verleihers.
Die Haftung entspricht der eines selbstschuldnerischen Bürgen. Dies gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275.000 EUR, wobei für die Schätzung § 3 der Vergabeverordnung gilt.
Die Haftung des Bauunternehmers besteht entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge. Solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist, kann der Hauptunternehmer die Beitragszahlung jedoch verweigern (sog. "subsidiäre Haftung").
Die Haftung umfasst die Beiträge und Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung zu zahlen sind sowie die Zinsen für gestundete Beiträge (Beitragsansprüche).
2.2 Haftungsausschluss
Entsprechend § 28e Abs. 3b SGB IV entfällt die Haftung des Hauptunternehmers, wenn er nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt (Haftungsausschluss). Ein Verschulden des Unternehmers ist ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist.
Dazu gehört z. B. eine Prüfung des Hauptunternehmers darauf, ob bei dem vom Nachunternehmer abgegebenen Angebot die Lohnkosten einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge zutreffend einkalkuliert worden sind. Entscheidend für die Frage des Haftungsausschlusses kann dabei auch sein, ob der Hauptunternehmer vom Nachunternehmer
- eine Freistellungsbescheinigung der Finanzbehörde über die Erfüllung seiner Steuerpflicht nach dem Gesetz zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung im Baugewerbe bzw.
- Bescheinigungen der Einzugsstellen über die Erfüllung seiner Zahlungspflichten hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
angefordert hat.
Unbedenklichkeitsbescheinigungen anfordern
Der Unternehmer kann den Nachweis anstelle der Präqualifikation auch für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses durch Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten. Damit sind die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses bereits gegeben. Die Unbedenklichkeitsbescheinigungen haben eine Gültigkeitsdauer von 3 Kalendermonaten nach Ausstellung. Werden sie nicht erneuert, erlischt ihre Gültigkeit für Arbeitsentgelte, die für Zeiten nach Ablauf der Gültigkeitsdauer erzielt wurden. In den Unbedenklichkeitsbescheinigungen ist die Anzahl der Arbeitnehmer zu vermerken, die bei der ausstellenden Einzugsstelle versichert sind. Die Anzahl der in den Bescheinigungen insgesamt genannten Personen muss ausreichen, um die Arbeiten durchführen zu können.
Hauptunternehmer trägt Beweislast zum Nichtvorliegen der Haftung
Die Beweislast zum Nichtvorliegen der Haftung trägt der Hauptunternehmer. Die Einzugsstellen brauchen also das Vorliegen des Haftungsausschlusses nicht von Amts wegen zu ermitteln. Vielmehr hat der Hauptunternehmer den Nachweis hierzu zu führen. Durch die vereinbarte Verwaltungsvereinfachung dürfte allerdings die Frage der Beweislastführung regelmäßig nur noch von untergeordneter Bedeutung sein.
2.3 Auskunftspflichten des Nachunternehmers
Der Nachunternehmer, der Bauleistungen im Auftrag eines anderen Hauptunternehmers erbringt, ist verpflichtet, auf Verlangen der Einzugsstelle den Namen und die Anschrift dieses Unternehmers mitzuteilen. Etwas anderes gilt, wenn dieser Auskunftsanspruch seitens der Einzugsstelle nicht durchgesetzt werden kann. Dann hat ein Unternehmer, der einen Gesamtauftrag für die Erbringung von Bauleistungen für ein Bauwerk erhält, der Einzugsstelle auf Verlangen Namen und Anschriften aller von ihm mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragten Unternehmer zu benennen.
Geldbuße bei Auskunftsverweigerung
Die Auskunftsverweigerung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Sie kann mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 EUR geahndet werden.
2.4 Anwendungsbereich der Durchgriffshaftung
Die Durchgriffshaftung im Baugewerbe gilt ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275.000 EUR. Für die Schätzung des Gesamtwerts gilt § 3 VgV. Nicht entscheidend ist also das einzelne Auftragsvolumen; es kommt vielmehr auf die Summe aller Bauleistungen des Hauptunternehmers und aller Nachunternehmer für ein Bauwerk an.