Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für einen länger als drei Jahre aus dem rentenversicherten Erwerbsleben ausgeschiedenen Selbstständigen, der wahrscheinlich bis zum Erreichen der Altersrentenvoraussetzungen nicht mehr in das rentenversicherte Erwerbsleben zurückkehrt. Rehabilitationsvorrang. Wiedereingliederung
Leitsatz (amtlich)
Eine tragfähige gesetzliche Grundlage für die Annahme, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dürften nicht an Versicherte erbracht werden, die aus versicherungsrechtlichen Gründen keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung haben oder mit deren Wiedereingliederung in das versicherte Erwerbsleben trotz einer medizinisch erfolgreichen Rehabilitationsbehandlung nicht zu rechnen ist, existiert nicht.
Orientierungssatz
1. Eine geminderte Erwerbsfähigkeit im rehabilitationsrechtlichen Sinne liegt nicht nur vor, wenn eine Erwerbsminderung iS des § 43 SGB 6 gegeben ist, sondern bereits dann, wenn die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht unwesentlich eingeschränkt ist und der Versicherte daher nicht in der Lage ist, seinen Beruf normal auszuüben.
2. § 9 Abs 1 S 1 SGB 6 stellt kein weiteres Prüfprogramm neben den in §§ 10 bis 12 SGB 6 niedergelegten Voraussetzungen auf.
3. Angesichts der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Übernahme der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Rente wegen Erwerbsminderung in den Bereich der Leistungen zur Teilhabe kommt es nicht in Betracht, diese über eine erweiternde Auslegung des § 9 Abs 1 S 2 SGB 6 wieder zur Anspruchsvoraussetzung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu machen.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.177,48 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten in Höhe von 2.177,48.- Euro für eine zu Gunsten des Versicherten R.Z. (Versicherter) erbrachten Leistung der stationären Rehabilitation zu erstatten.
Der im Juli 1950 geborene Versicherte ist selbständiger Landwirt und bei der Klägerin krankenversichert. Er hat bei der Beklagten - mit Unterbrechungen - von September 1964 bis April 2006 Pflichtbeitragszeiten (im Sommer als Hirte auf der Alpe und im Winter als Lifthelfer), insgesamt 357 Kalendermonate mit rentenrechtlichen Beitragszeiten, zurückgelegt.
Der Versicherte begehrte mit Antrag vom 29. Dezember 2009 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei der Beklagten. Aus einer Telefonnotiz der Beklagten vom 8. Januar 2010 geht hervor, dass der Versicherte als Landwirt selbständig tätig sei und diese Tätigkeit, soweit es gesundheitlich möglich sei, bis zur Rente weiter ausüben wolle. Er zahle laufend Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2010, bei der Klägerin eingegangen am 12. Januar 2010, leitete die Beklagte den Antrag gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX an die Klägerin weiter. Die Beklagte sei nicht zuständig. Es könne aus anderen als gesundheitlichen Gründen nicht mit einer Wiedereingliederung in das rentenversicherte Erwerbsleben gerechnet werden. Sinn und Zweck von Leistungen zur Rehabilitation seitens des Rentenversicherungsträgers (§ 9 SGB VI) sei es, dass durch solche Leistungen zur Rehabilitation die beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werde, damit anschließend eine Erwerbstätigkeit (wieder) ausgeübt werden könne. Der Versicherte sei im Jahr 2006 aus dem rentenversicherten Erwerbsleben ausgeschieden. Bei dieser Sachlage sei nicht anzunehmen, dass er bis zum Erreichen der Voraussetzungen für eine Altersrente (Vollendung des 65. Lebensjahres im Juli 2015) nochmals eine Beschäftigung aufnehmen und in das rentenversicherte Erwerbsleben zurückkehren werde.
Die Klägerin bewilligte dem Versicherten mit Bescheid vom 20. Januar 2010 Leistungen zur stationären Rehabilitation in der Klinik H., Bad M.. Mit Schreiben gleichen Datums machte die Klägerin einen Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX bei der Beklagten geltend. § 9 SGB VI regele nur allgemein und vorab die Aufgaben der Leistungen zur Teilhabe im Sinne einer Zielvorstellung. Die eigentlichen Voraussetzungen würden jedoch in den §§ 10-12 SGB VI konkretisiert. In § 10 Abs. 1 SGB VI werde allein auf die Erwerbsfähigkeit als solche abgestellt, unabhängig davon, ob der Versicherte noch einer Erwerbstätigkeit nachgehe oder nachgehen werde/wolle.
Die Beklagte erklärte hierzu, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 10 SGB VI werde nicht bestritten. Es müssten jedoch auch die Voraussetzungen des § 9 SGB VI erfüllt sein. Sinn und Zweck von Rehabilitationsleistungen sei es, dass durch solche Leistungen eine beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werde, damit anschließend eine versicherte Erwerbstätigkeit wieder ausgeübt werden könne. Mit einer Wieder...