Entscheidungsstichwort (Thema)
Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einem abgeschlossenen Erststudium für die Zeit eines Zweitstudiums
Leitsatz (amtlich)
Auch eine Zweitausbildung (hier: Zweitstudium nach abgeschlossenem Erststudium) kann eine einen Anspruch auf Zahlung von Waisenrente begründende Berufsausbildung sein.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.04.2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die weitere Gewährung einer Halbwaisenrente an den Kläger nach erfolgreichem Abschluss eines Erststudiums.
Der Vater des 1985 geborenen Klägers ist am 10.04.2001 bei einem als Arbeitsunfall anerkannten Wegeunfall tödlich verunglückt. Mit Bescheid vom 18.12.2001 gewährte der Bayerische Gemeindeunfallversicherungsverband (BG), dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, dem Kläger erstmals Waisenrente. Mit Bescheiden vom 05.11.2003 und vom 01.10.2004 wurde eine Weiterzahlung der Rente bewilligt. Nach Abschluss der Fachoberschule nahm der Kläger am 04.10.2005 ein Studium an der Fachhochschule A-Stadt im Diplomstudiengang "Informatik" auf. Daraufhin erließ der BG am 12.10.2005 einen Bescheid, mit dem er dem Kläger die Weiterzahlung der Waisenrente für die Dauer des Studiums bewilligte. Die Rentenbewilligung endete laut Bescheid mit Ablauf des Monats, in dem das Studium abgebrochen oder unterbrochen wird, spätestens aber am 30.09.2009.
Am 18.03.2011 (Eingang beim BG) teilte der Kläger mit, dass er seine Diplomarbeit geschrieben und abgegeben habe. Um seine Qualifikationen zu steigern und die Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern, studiere er ab dem Sommersemester Wirtschaftsinformatik. Da einige Fächer aus dem Informatikstudium angerechnet würden, könne er diesen Studiengang bereits im zweiten Semester beginnen. Er übersandte eine Studienbescheinigung für ein am 15.03.2011 begonnenes Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule A-Stadt. Am 02.05.2011 bekam der Kläger im Studiengang "Informatik" seine Diplomurkunde vom 14.04.2011 überreicht. Das Studium der Wirtschaftsinformatik hat der Kläger am 11.07.2013 abgeschlossen.
Der BG zahlte dem Kläger die Waisenrente zunächst bis Mai 2011 weiter aus. Am 02.05.2011 erließ er einen Bescheid, mit dem er dem Kläger die Rente mit Ablauf des Monats März 2011 entzog. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe mit der Beendigung des Studiums der Informatik und dem Erhalt des Diploms seine Ausbildung abgeschlossen und sei in der Lage, vollumfänglich erwerbstätig zu sein und für seinen Unterhalt selbst aufzukommen. Beim Studium der Wirtschaftsinformatik handele es sich um eine in sich geschlossene Zweitausbildung und nicht um eine im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Studium stehende Weiterbildung. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf Zahlung von Waisenrente mehr. Aus technischen Gründen habe die Rentenzahlung nicht zum 31.03.2011 eingestellt werden können. Die Rentenüberzahlung für April und Mai 2011 in Höhe von insgesamt 2.400 € sei vom Kläger zurückzuerstatten.
Zur Begründung des gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs trug der Kläger u.a. vor, er plane in naher Zukunft mit seinen Kommilitonen eine Firma zu gründen. Hierfür seien die im Studiengang "Wirtschaftsinformatik" erworbenen Kenntnisse unerlässlich.
Der BG erließ am 08.07.2011 den Widerspruchbescheid, mit dem er den Bescheid vom 02.05.2011 dahingehend abänderte, dass Waisenrente nunmehr bis Ablauf des Monats April 2011 gewährt wurde. Im Übrigen wurde dem Widerspruch des Klägers nicht abgeholfen, da ein Anspruch auf Weitergewährung der Waisenrente über den 30.04.2011 hinaus nicht bestünde.
Hiergegen hat der Kläger am 20.07.2011 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Mit Urteil vom 11.04.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2011 verurteilt, dem Kläger Halbwaisenrente bis einschließlich 07.12.2012 (Vollendung des 27. Lebensjahres) zu gewähren.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Der Senat hat eine Auskunft der Hochschule A-Stadt - Fakultät für Informatik eingeholt. Danach stellt der Studiengang "Wirtschaftsinformatik" einen eigenständigen Studiengang dar, der keinen anderen Studienabschluss voraussetzt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.04.2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 02.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2011 abzuweisen, soweit der Kläger einen Anspruch auf Halbwaisenrente über den 30.04.2011 hinaus geltend macht.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.04.2013 zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakte...