Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Konsularangestellte. Einkommensermittlung. Bemessungseinkommen. im Inland zu versteuernde Einkünfte. Prüfung der materiellen Rechtslage im Einkommensteuerrecht durch die Elterngeldbehörde. keine rechtliche Bindung an den Einkommensteuerbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gesetzliche Formulierung "im Inland zu versteuernd" in § 2 Abs 1 S 2 BEEG in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung stellt allein auf die materielle Rechtslage im Einkommensteuerrecht ab, nicht aber auf die - womöglich falsche - tatsächliche Handhabung durch das Finanzamt.

2. Ist die beim ausländischen Konsulat angestellte Person (Konsularangestellte) im Inland "ansässig", ist das daraus erzielte Arbeitsentgelt im Inland zu versteuern und damit für das Elterngeld bemessungsrelevant.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.12.2018; Aktenzeichen B 10 EG 20/17 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 14. April 2015 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 30. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2011 verurteilt, bei der Bemessung des Elterngelds für die Tochter L. die im Bemessungszeitraum bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beim mexikanischen Generalkonsulat F-Stadt einzubeziehen und entsprechend höheres Elterngeld zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Das Berufungsverfahren betrifft das Begehren der Klägerin, während der ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes L. A., geb. 30.12.2010, höheres Elterngeld zu erhalten.

Die 47-jährige Klägerin ist mexikanische Staatsangehörige. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist durch eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) legitimiert. Im streitgegenständlichen Zeitraum war sie mit dem leiblichen Vater von L. verheiratet und lebte mit ihm und L. in einem Haushalt zusammen. Zur Familie gehörte ein weiteres Kind, der 2007 geborene gemeinsame Sohn F.. Die Klägerin arbeitete vor L.s Geburt als Angestellte im mexikanischen Generalkonsulat in F-Stadt, und zwar als so genannte Ortskraft; konkret war sie im Bereich Notariat und Standesamt beschäftigt. In einer Bescheinigung für die Steuerbehörden vom 12.08.2010 attestierte ihr der Konsul, sie sei seit 23.09.2002 als Ortskraft beim Generalkonsulat in F-Stadt tätig. Ihr Jahresbruttogehalt habe 2009 jeden Monat 2.125,95 EUR betragen (im Jahr 25.511,40 EUR). Weitere leistungsrelevante Einkünfte hatte die Klägerin im Bemessungszeitraum nicht.

Unter dem Datum 14.02.2011 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat von L., und zwar jeweils den ganzen Elterngeld-Betrag; L.s Vater stellte keinen Antrag. Die Klägerin gab in ihrem Antrag an, für die Zeit vom 30.11.2010 bis 08.03.2011 habe sie Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse sowie einen Zuschuss des Arbeitgebers erhalten. Insoweit bestätigte der Konsul unter dem Datum 26.01.2011, ein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld werde vom 30.11.2010 bis 08.03.2011 laufend gezahlt, und zwar für den 30.11.2010 43,53 EUR, für Dezember 2010 sowie Januar und Februar 2011 jeweils 1.305,90 EUR und für die Phase 01. bis 08.03.2011 348,24 EUR. Weiter teilte die Klägerin im Antrag mit, sie übe während des Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus, beziehe daher keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und erhalte auch keine sonstigen Leistungen.

In einem internen Vermerk der Beklagten vom 30.03.2011 steht, Ermittlungen hätten ergeben, dass die Klägerin seit Jahren in allen Bereichen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei. Da sie aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Mexiko nur steuerfreies Gehalt beziehe, könne sie nur den Mindestbetrag des Elterngelds erhalten.

Mit Bescheid vom 30.03.2011 bewilligte der Beklagte Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat von L.; der Bescheid war endgültig und erging ohne Widerrufsvorbehalt. Für die ersten beiden Lebensmonate wurde der Leistungsbetrag auf Null festgelegt, für den dritten Lebensmonat auf 217,14 EUR, für die restlichen Monate des Bezugszeitraums auf 300 EUR. Als Bemessungszeitraum zog der Beklagte die Phase November 2009 bis Oktober 2010 heran. In der Begründung des Bescheids führte er aus, im Bemessungszeitraum habe die Klägerin kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) bezogen. Bei dem vor der Geburt erzielten Einkommen handle es sich nicht um Einkünfte im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Denn aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Mexiko habe die Klägerin nur steuerfreies Gehalt bezogen. Daher könnten die Einkünfte nicht als Berechnungsgrundlage für das Elterngeld herangezogen werden. Ein Geschwisterbonus könne nicht gewährt werden.

Die Klägerin legte am 03.05.2011 gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch...

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