Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilhabe am Arbeitsleben: Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für eine Zweitausbildung
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Teilhabeleistungen gemäß § 112ff SGB III (hier Zweitausbildung iSd § 57 Abs. 2 S. 2 SGB III), deren Bewilligung im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesagentur steht.
Orientierungssatz
Wird als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Zweitausbildung nach § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III begehrt, so setzt ein Leistungsanspruch auf Bewilligung nicht nur die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen voraus, sondern auch, dass für die Erbringung bei der im Ermessen des Leistungsträgers stehenden Leistung zusätzlich eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.08.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) anlässlich seiner seit dem 01.09.2015 durchgeführten Ausbildung zum Restaurantfachmann.
Der 1988 geborene Kläger erlitt während der Zeit seines Wehrdienstes im Februar 2007 einen Hirninfarkt. Er leidet seitdem an einer Hemiparese rechts und einer Sprachstörung. Nach einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme absolvierte er in der Zeit von April 2008 bis Januar 2011 eine Ausbildung zum Bauzeichner. Diese Tätigkeit übte er von April 2011 bis August 2013 aus. Bis zum Beginn einer Ausbildung bei der Bundeszollverwaltung am 01.08.2014 war der Kläger arbeitslos. Diese Ausbildung brach er im Januar 2015 ab. Wegen seiner Aphasie sei er hierfür nicht geeignet gewesen.
Anlässlich einer Begutachtung im Auftrag des Jobcenters Stadt A-Stadt (JC) vom 26.02.2015) durch ihren ärztlichen Dienst am 17.03.2015 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger zwar eine leichtgradige psychische Minderbelastbarkeit vorliege. Er sei jedoch in der Lage, als Bauzeichner vollschichtig tätig zu sein. Einer psychologischen Untersuchung am 18.05.2015 blieb der Kläger fern; er weigerte sich - so die Feststellungen der Beklagten - auch an einer solchen teilzunehmen.
Einen am 24.05.2015 gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2015 ab. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) seien nicht erforderlich. Der Kläger könne einer Tätigkeit als Bauzeichner weiterhin nachgehen. Eine erneute Umschulung sei daher nicht erforderlich. Die Möglichkeiten einer Vermittlung zur beruflichen Integration seien ausreichend. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2015 zurück.
Mit der dagegen am 24.07.2015 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage (S 14 AL 249/15) hat der Kläger geltend gemacht, ihm seien Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren. Insbesondere benötige er ausbildungsbegleitende Hilfen im Zusammenhang mit seiner am 01.09.2015 begonnenen Ausbildung zum Restaurantfachmann.
Am 07.09.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten als Teilhabeleistung zudem die Zahlung von BAB für eine am 01.09.2015 aufgenommene Ausbildung zum Restaurantfachmann im Restaurant E. gGmbH (Fa. E). Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2015 ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 04.11.2015 Widerspruch ein. Er könne seinen Beruf als Bauzeichner aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Vom JC habe er die Information erhalten, dass seine Ausbildung dem Grunde nach förderfähig sei. Leistungen nach dem SGB II würden ihm deshalb nicht mehr gezahlt. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2015 als unzulässig zurück. Nach der Bekanntgabe des Bescheides am 05.10.2015 - so die Angaben des Klägers - sei durch den erst am 09.11.2015 eingegangenen Widerspruch die Rechtsbehelfsfrist nicht gewahrt.
Hiergegen hat der Kläger ebenfalls Klage zum SG erhoben (S 14 AL 442/15). Der Widerspruch sei bereits am 04.11.2015 und damit fristgerecht bei der Beklagten eingeworfen worden. In der Sache habe sich die Beklagte nicht damit befasst, dass er als Aphasiker nicht mehr in der Lage sei, eine seiner beruflichen Ausbildung als Bauzeichner entsprechende Tätigkeit auszuüben. Die Klageverfahren hat das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 04.02.2016) und mit Beweisanordnung vom 04.02.2016 die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. mit der Erstellung eines Gutachtens ua zur Klärung der Fragen, ob die Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben durch seine Behinderung beeinträchtigt sei (Frage 5a), ob er gegebenenfalls Hilfen benötige (Frage 5b), ob er auf dem freien Ausbildungsmarkt eine Ausbildung durchlaufen könne (Frage 6a) und ob die aktuell durchgeführte Ausbildung zum Restaurantfachmann für den Kläger gesundheitlich geeignet sei (Frage 6b), beauftragt. Nach Untersuchung des Klägers am 03...