Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Erstattung von Stromkosten. Wirtschaftlichkeitsgebot
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf ein Hilfsmittel umfasst auch die erforderlichen Stromkosten, die für dessen Gebrauch anfallen.
2. Die Krankenkasse kann entweder einen besonderen Stromanschluss mit eigenem Zähler installieren lassen oder dem Versicherten eine monatliche Pauschale für die Stromkosten zahlen.
3. Geschieht dies nicht, kommt ein Anspruch auf Kostenerstattung in Frage. Die Erstattung der Kosten der erfolgten Stromzufuhr für die Nutzung des Hilfsmittels richtet sich nach der 1. Alternative des § 13 Abs 3 SGB V.
4. Zwar sind die Versicherten allgemein nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, keine unnötigen Kosten zu verursachen. Im Rahmen des § 13 Abs 3 SGB V trifft die Versicherten eine Schadensminderungspflicht; sie haben aber nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
5. Es muss vom Versicherten nicht stets der günstigste Stromanbieter gewählt werden. Er kann vor allem Kriterien wie die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit des Stromanbieters, die konkrete Vertragsgestaltung und in angemessenem Umfang zB auch die Regionalität des Strombezugs und die Zusammensetzung des Strommixes berücksichtigen.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Januar 2019 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06. Juli 2017 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 12. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2017 verurteilt, dem Kläger weitere Stromkosten für den Betrieb seines CPAP-Gerätes im Zeitraum vom 08. Juli 2016 bis 03. Juli 2017 in Höhe von 20,12 Euro zu erstatten.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger und Berufungskläger Anspruch auf Erstattung der für ein Hilfsmittel angefallenen Stromkosten in voller Höhe hat.
Der 1950 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Er ist seit Juni 2000 mit dem Schlafapnoebehandlungssystem CPAP versorgt.
Am 05.07.2017 beantragte der Kläger die Erstattung der für die Nutzung des CPAP-Gerätes angefallenen Stromkosten in Höhe von 106,23 Euro im Zeitraum vom 08.07.2016 bis 03.07.2017 für insgesamt 3.535 Betriebsstunden. In der Zeit vom 08.07.2016 bis 31.03.2017 habe er 25,50 Cent brutto pro Kilowattstunde gezahlt. In
diesem Zeitraum seien 2.652 Betriebsstunden angefallen und damit - ausgehend von einem durchschnittlichen Stromverbrauch des Gerätes im Betrieb von 116 Watt - Stromkosten in Höhe von 78,445 Euro. Seit dem 01.04.2017 zahle er 27,10 ct/kWh. Vom 01.04.2017 bis zum 03.07.3017 seien 884 Betriebsstunden und damit Stromkosten in Höhe von 27,789 Euro angefallen.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 06.07.2017 die Erstattung von 81,66 Euro für 3.535 Betriebsstunden unter Zugrundelegung einer Wattleistung von 110 und eines Strompreises von 0,21 Euro. Dem dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers half die Beklagte hinsichtlich der Berücksichtigung einer Wattleistung von 116 teilweise ab und setzte mit Bescheid vom 12.07.2017 eine Stromkostenerstattung in Höhe von 86,11 Euro fest.
Nachdem der Kläger seinen Widerspruch hinsichtlich der tatsächlich angefallenen Stromkosten aufrechterhielt, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 17.07.2017 mit, dass es nach ihren Recherchen im Postleitzahlengebiet A-Stadt mindestens zwei Stromanbieter gäbe, die einen Preis von 0,21 Euro/kWh brutto verlangten. Entscheide sich der Kläger für einen teureren Stromanbieter, habe er die Mehrkosten selbst zu tragen. Hingewiesen wurde auf zwei Stromanbieter, die einen Arbeitspreis von 20,94 ct/kWh bzw. 21,30 ct/kWh bei einem Jahresverbrauch ab 2000 Kilowattstunden verlangen (Angebote vom 25.07.2017).
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers - soweit ihm nicht mit Bescheid vom 12.07.2017 abgeholfen worden war - zurück. Der Anspruch nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) umfasse zwar auch die Stromkosten, die erforderlich seien, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Hilfsmittels zu ermöglichen. Nach § 2 Abs. 1 SGB V stellten die Krankenkassen den Versicherten jedoch die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung. Danach müssten die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen. Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 SGB V sei daher ein günstiger Stromanbieter heranzuziehen. Werde ein teurerer Anbieter gewählt, seien die Mehrkosten vom Versicherten zu tragen.
Dagegen hat der Kläger am 10.10.2017 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass er kein Vertrauen zu Billiganbie...