Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. nicht erwerbsmäßige Pflegeperson. hauswirtschaftliche Versorgung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. geringfügige Abweichung vom versicherten Weg. notwendige Vorbereitungshandlung. Abheben eines Geldbetrags vom Konto des Pflegebedürftigen. notwendige Einkäufe für den Pflegebedürftigen
Leitsatz (amtlich)
Das Abheben von Bargeld am Geldautomaten oder Bankschalter ist jedenfalls dann gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7 versichert, wenn
1. die Abhebung von einem Konto des Pflegebedürftigen erfolgt und das abgehobene Bargeld getrennt von den eigenen Geldbeständen der Pflegeperson aufbewahrt wird,
2. das Bargeld für Einkäufe der hauswirtschaftlichen Versorgung der Pflegebedürftigen vorgesehen ist, die im unmittelbaren Anschluss an das Abheben erfolgen sollen, und
3. mit dem Geldabheben eine nur unerhebliche Abweichung vom ohnehin versicherten Weg zum Einkaufen verbunden ist.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 26. September 2011 aufgehoben.
II. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 31. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 wird festgestellt, dass der Unfall der Klägerin vom 09. Dezember 2010 ein Arbeitsunfall war.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Unfall der Klägerin vom 09.12.2010 im Rahmen einer nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 Sozialgesetzbuch Sieben (SGB VII) versicherten Tätigkeit eingetreten ist.
Die 1952 geborene Klägerin pflegte im Zeitpunkt des Unfalls ihre später verstorbene Schwiegermutter K. A., die seit dem Jahr 2003 Leistungen der Pflegestufe II von der AOK Bayern bezog. Die Schwiegermutter lebte im Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes.
Die Klägerin hatte die EC-Karte ihrer Schwiegermutter im Alleinbesitz. Das Konto der Schwiegermutter wurde bei der Stadtsparkasse A-Stadt, Filiale N. Straße in A-Stadt, geführt. Generalvollmacht für dieses Konto hatte der Sohn der Schwiegermutter und Ehemann der Klägerin, der Zeuge A.. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten selbst dort kein Konto. Die Klägerin erledigte mit Hilfe der EC-Karte ihrer Schwiegermutter, die sie in ihrem Alleinbesitz hielt, die Einkäufe für die Schwiegermutter. Dazu hob sie ein bis zweimal monatlich bei der genannten Filiale Geld vom Konto der Schwiegermutter ab, um Bareinkäufe erledigen zu können. Für andere Einkäufe bezahlt sie direkt mit Hilfe der EC-Karte.
Am Donnerstag, dem 09.12.2010, hatte der Ehemann der Klägerin Geburtstag und deshalb dienstfrei. Die Klägerin und ihr Ehemann wollten den Vormittag nutzen, um gemeinsam Einkäufe zu erledigen. Der Ehemann fuhr die Klägerin gegen 10.20 Uhr zu der genannten Bankfiliale und setzte sie an der Einfahrt zum Parkplatz ab. Er selbst fuhr weiter auf den Parkplatz des auf der anderen Straßenseite liegenden L.-Marktes, wo er das Getränke-Leergut abgeben und dann einkaufen wollte. Die Klägerin ging über den Parkplatz der Stadtsparkasse in Richtung des Eingangs, um dort am Bankautomaten mittels der EC-Karte Geld vom Konto der Schwiegermutter abzuheben. Dabei überquerte sie einen Bereich des Parkplatzes, der spiegelglatt und nicht gestreut war. Die Klägerin stürzte nach hinten auf den Kopf, den Rücken und die linke Hand. Die von dem Sturz benommene Klägerin wurde von zwei Helfern in die Bankfiliale gebracht. Einer der Helfer ging dann ihren Ehemann im L.-Markt suchen. Da die Klägerin ihn anhand seiner markanten Dienstjacke beschreiben konnte, wurde er schnell gefunden, als er sich, nachdem er das Leergut abgegeben hatte, gerade einen Einkaufswagen holen wollte. Der Ehemann begab sich sofort in die Bank. Dort zahlte man ihm 200 € vom Konto der Schwiegermutter gegen Unterschrift aus, da man ihn dort persönlich kannte und er für seine Mutter Generalvollmacht hatte. Sodann verständigte der Ehemann eine Verwandte, dass sie sich um seine Mutter kümmern solle, bevor der Ehemann die Klägerin mit dem eigenen Auto in die Notaufnahme des Krankenhauses V. fuhr.
Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 15.12.2010 wurden als Erstdiagnosen nach Röntgen eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Prellung der Lendenwirbelsäule gestellt. Weitere Verletzungsfolgen sind im Einzelnen streitig, insbesondere ein Dauerschaden in der linken Hand durch Verschiebung des Erbsenbeins, die nach Angaben der Klägerin zu einer schmerzhaften Verengung des Gelenkspalts geführt hat.
Mit Schreiben vom 31.01.2011 teilte die Beklagte dem Chefarzt der Chirurgischen Klinik III am Zentralklinikum A-Stadt, Prof. Dr. E. M. mit, dass in der Angelegenheit der Klägerin keine Leistungspflicht der Beklagten bestehe. Er werde gebeten, das bis dahin für Rechnung der Beklagten durchgeführte Heilverfahren abzubrechen. Der Unfall vom 09.12.2010 sei nicht im Rahmen einer versicherten Pflegetätigkeit nach § ...