hier: Auslegung von Rechtsfragen
Problemdarstellung
Bisher werden Bezieher einer Halb- oder Vollwaisenrente der gesetzlichen Rentenversicherung in die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einbezogen, wenn die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, insbesondere die Vorversicherungszeit, erfüllt sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ansonsten die Voraussetzungen für eine Familienversicherung vorliegen. Sind die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR nicht erfüllt, kommen eine Familienversicherung oder eine freiwillige Krankenversicherung in der GKV in Frage. Mit der Versicherungspflicht oder freiwilligen Krankenversicherung gehen für den Waisenrentner Beitragspflichten einher, die von den Betroffenen zunehmend als erhebliche Belastung empfunden werden, vor allem im Vergleich mit der bis zum Rentenantrag häufig bestehenden beitragsfreien Familienversicherung.
Diesem Zustand hat der Gesetzgeber mit der Einführung eines eigenen Versicherungspflichttatbestandes für Waisenrentner in Kombination mit einer für die jeweils betroffene Person zeitlich begrenzten Beitragsfreiheit ab 1. Januar 2017 entgegengesteuert. Die entsprechenden Regelungen enthält das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen und zur Änderung weiterer Gesetze (sog. E-Health-Gesetz) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I Seite 2408) in den Artikeln 1a bis 1d.
Personen, die Anspruch auf eine Waisenrente nach § 48 SGB VI haben und diese beantragt haben, sind zukünftig ohne Berücksichtigung einer Vorversicherungszeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 11b Buchstabe a SGB V versicherungspflichtig in der Krankenversicherung und nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI ebenso in der Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht tritt jedoch nicht ein, wenn die Waise zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert war. Dieser Ausschluss von der Versicherungspflicht gilt wiederum nicht, wenn für die Waise die Voraussetzungen für eine Familienversicherung (mit Ausnahme des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V) oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V (also die Vorversicherungszeit, ggf. durch die Person des Verstorbenen) erfüllt sind.
Für die Zeit der Rentenantragstellung werden die Waisenrentner in die Mitgliedschaft nach § 189 SGB V einbezogen, sofern die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 11b Buchstabe a SGB V dem Grunde nach vorliegen und keine vorrangige Versicherungspflicht besteht.
Von der neuen Vorschrift über die Versicherungspflicht werden nicht nur "Neurentner", die einen Rentenantrag ab 1. Januar 2017 stellen, sondern – ohne Übergangsregelung – auch alle Bestandsrentner und -rentenantragsteller erfasst, die am 31. Dezember 2016 Waisenrente beziehen oder sich in einem entsprechenden Rentenantragsverfahren befinden.
Der neue Versicherungspflichttatbestand wird zudem in das Befreiungsrecht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V einbezogen.
Das eigentliche Ziel der Neuregelung wird jedoch erst dadurch erreicht, dass nach § 237 Satz 2 SGB V bei Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 11b Buchstabe a SGB V die Waisenrente bis zum Erreichen der Altersgrenzen des § 10 Abs. 2 SGB V beitragsfrei gestellt wird. Die Beitragsfreiheit knüpft ausdrücklich an die Versicherungspflicht der Waisenrentner an. Sie kommt daher nicht zum Tragen, wenn für die Waise eine vorrangige Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften, z. B. bei einer Berufsausbildung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, besteht (vgl. auch Bundestagsdrucksache 18/6905, zu Artikel 1a Nummer 1 Buchstabe c, Seite 84).
Die Kopplung der Beitragsfreiheit an die Altersgrenzen für Kinder in der Familienversicherung bedeutet nicht, dass ohne die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11b Buchstabe a SGB V die Voraussetzungen für eine Familienversicherung gegeben sein müssen, wenngleich dies im Regelfall gegeben sein dürfte. Beitragsfreiheit besteht also z. B. unabhängig davon, ob der überlebende Elternteil, die Großeltern oder die Pflegeeltern gesetzlich krankenversichert sind oder nicht und ob das Gesamteinkommen des Waisenrentners, ggf. unter Berücksichtigung von weiteren Einnahmearten, die Einkommensgrenze der Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V überschreitet. Die Dauer der Beitragsfreiheit richtet sich nach der im Einzelfall zutreffenden Altersgrenze nach § 10 Abs. 2 SGB V, im Fall der Nummer 3 (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres) unter Berücksichtigung der individuellen Ausbildungs- und Dienstzeiten sowie eventueller Verlängerungstatbestände.
Ungeachtet der zuvor beschriebenen Beitragsfreiheit bei Versicherungspflichtigen, die eine Waisenrente nach § 48 SGB VI beziehen, hat der Träger der Rentenversicherung nach § 249a Satz 2 SGB V die Hälfte der nach dieser Rente zu bemessenden Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz zu tragen (und nach § 255 SGB V zu zahlen), wie er sie ohne die Beitragsfreiheit zu tragen hätte. Ein Einbehalt von Versichertenbeitragsanteilen scheidet dann jedoch aus. Entsprechendes...