hier: Anrechnung von Vorerkrankungszeiten
Sachstand:
Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens 6 Wochen nicht, wenn
- er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens 6 Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
- seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist (vgl. § 3 Abs. 1 EFZG).
Bereits am 12.6.2018 war in der Fachkonferenz Leistungs- und Beziehungsrecht zu folgender Fallgestaltung zur Dauer der Entgeltfortzahlung diskutiert worden:
Arbeitsunfähigkeit |
Krankheit A |
7.11. bis 8.12.2017 |
= |
32 Tage |
Krankheit B |
3.1. bis 5.1.2018 |
= |
3 Tage |
Krankheit A/B |
1.6. bis 16.6.2018 |
= |
16 Tage |
Hierzu gab es unterschiedliche Auffassungen, wie die Entgeltfortzahlung korrekt zu bestimmen sei. Einerseits wurde die Auffassung vertreten, dass die einzelnen Vorerkrankungszeiten der Krankheiten A und B jeweils vollständig auf die Arbeitsunfähigkeitszeit der Krankheit A/B anzurechnen seien und daher in dem Beispiel die Entgeltfortzahlung bereits am 7.6.2018 ende.
Andererseits bestand die Auffassung, auf die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs sei analog dem Krankengeld nur der längere Vorerkrankungszeitraum anzurechnen, weshalb die Entgeltfortzahlung bis 10.6.2018 fortbestehe. Eine Anrechnung beider Arbeitsunfähigkeitszeiten auf die Dauer des Leistungsanspruchs erfolge nicht.
Die Besprechungsteilnehmer/-innen vertraten einheitlich die Auffassung, dass eine einheitliche Rechtsanwendung sichergestellt werden sollte und daher die Thematik im Gemeinsamen Rundschreiben zum EFZG vom 25.6.1998 ergänzt werden sollte.
Die Ausführungen im Gemeinsamen Rundschreiben waren seinerzeit mit Arbeitgebervertretern abgestimmt worden, weshalb eine Einbindung der Arbeitgeber auch zu dieser Thematik als sinnvoll erachtet wurde. Der GKV-Spitzenverband wurde daher gebeten, eine arbeitsrechtliche Einschätzung der BDA zu dieser Fallgestaltung einzuholen. Auf Basis dieser rechtlichen Einschätzung sollte dann die Thematik erneut beraten werden.
Im Nachgang der Fachkonferenz war der GKV-Spitzenverband an die BDA zur arbeitsrechtlichen Einschätzung der Fallgestaltung herangetreten, welche zwischenzeitlich eine Einschätzung zur Fallgestaltung übermittelte. Die BDA vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall analog der Grundsätze zur Krankengelddauer nach § 48 SGB V die längere Vorerkrankung von 32 Tagen berücksichtigt werden müsse.
Eine erneute Beratung im Rahmen der Fachkonferenz zum Leistungs- und Beziehungsrecht ist daher angezeigt.
Besprechungsergebnis:
Die Besprechungsteilnehmer/-innen vertreten einheitlich die Auffassung, dass der Einschätzung der BDA zu folgen ist und analog der Grundsätze zu § 48 SGB V in den genannten Fallgestaltungen des gleichzeitigen erneuten Auftretens von Erkrankungen, jeweils die längere Vorerkrankung bei der Beurteilung der Dauer der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen ist.
Im Rahmen einer zukünftigen Überarbeitung des "Gemeinsamen Rundschreibens zum Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG)" soll zur Klarstellung folgendes Beispiel aufgenommen werden:
Beispiel Vorerkrankungen mit gleichzeitigem Neueintritt einer Erkrankung
Arbeitsunfähigkeit |
Krankheit A |
7.11. bis 8.12.2017 |
= |
32 Tage |
Krankheit B |
3.1. bis 5.1.2018 |
= |
3 Tage |
Krankheit A/B |
1.6. bis 16.6.2018 |
= |
16 Tage |
Lösung:
Es besteht ab dem 1.6.2018 ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 10 Tage, demnach bis 10.6.2018.
Da Krankheit A und B ab dem 1.6.2018 gleichzeitig auftreten, besteht für jede Erkrankung ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen. Da sowohl für die Krankheit A als auch die Krankheit B eine anrechenbare Vorerkrankung vorliegt, muss geprüft werden, welcher Anspruch auf Entgeltfortzahlung noch durch den Arbeitgeber zu erfüllen ist, damit die gesetzlich geforderte Dauer von 6 Wochen erreicht wird. Da für Krankheit A die längere Vorerkrankung angerechnet werden kann, wird hier die 6-Wochenfrist entsprechend früher erreicht. Krankheit A ist daher maßgebend für die Dauer der Beurteilung der Entgeltfortzahlungsdauer.