Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 07.07.2004 - VI R 29/00 - (USK 2004-50) entschieden, dass es sich nicht um die Zahlung von Arbeitslohn handelt, wenn ein Arbeitgeber, der einen Paketzustelldienst betreibt, aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse die Zahlung von Verwarnungsgeldern, die gegen die bei ihm angestellten Fahrer wegen Verletzung des Halteverbots verhängt worden sind, übernimmt. Die Finanzverwaltung folgt diesem Urteil und sieht Verwarnungsgelder nicht als lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn an, soweit es sich um Verwarnungsgelder wegen Verletzung des Halteverbots handelt. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben sich der im Steuerrecht praktizierten Verfahrensweise angeschlossen, d. h., dass vom Arbeitgeber übernommene Verwarnungsgelder wegen Verletzung des Halteverbots nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung gehören (vgl. Punkt 6 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit von Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 25./26.04.2006).
Die Übernahme von Verwarnungs- oder Bußgeldern, die wegen anderer Sachverhalte gegen den Arbeitnehmer verhängt werden, wie beispielsweise das Überschreiten von Lenkzeiten, Fahren ohne Vignette sowie Ladeverstöße, wird im Rahmen von Betriebsprüfungen bei Speditionsfirmen der Beitragspflicht unterworfen. Unter Hinweis auf das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofs machen Arbeitgeber nun auch in diesen Fällen die Beitragsfreiheit der Übernahmen von Verwarnungs- und Bußgeldern geltend. Sie vertreten u. a. die Auffassung, dass z. B. die Überschreitung von Lenkzeiten durch ihre Fahrer ausschließlich in eigenbetrieblichem Interesse erfolge, da sich nur auf diese Weise die vertragliche Verpflichtung zur pünktlichen Lieferung gegenüber ihren Kunden erfüllen ließe.
In der Rechtsprechung der Sozialgerichte wird die Übernahme von Verwarnungs- bzw. Bußgeldern unterschiedlich bewertet. Während beispielsweise ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse an der Nichteinhaltung von Ruhe- und Lenkzeiten bejaht wurde, ist für die vom Arbeitgeber übernommenen Verwarnungs- und Bußgelder wegen Geschwindigkeitsübertretungen oder Falschparkens ein eigenbetriebliches Interesse ausgeschlossen worden.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 25.01.2001 - 8 AZR 465/00 - (NJW 2001 S. 1962) hingegen die Sittenwidrigkeit derartiger Übernahmen bzw. deren Vereinbarung festgestellt. Die gegen einen Fahrer verhängte Sanktion müsse nach deren Sinn und Zweck grundsätzlich in eigener Person getragen und damit auch eine ihm auferlegte Geldstrafe oder Geldbuße aus seinem eigenen Vermögen aufgebracht werden. Daher dient die Übernahme durch den Arbeitgeber vorwiegend dem individuellen Interesse des Arbeitnehmers, der von der finanziellen Belastung freigestellt wird.
Darüber hinaus dienen die Ge- oder Verbote, deren Verstöße mit Verwarnungs- oder Bußgeldern geahndet werden, dem Schutz der Allgemeinheit, zu der auch der einzelne, betreffende Unternehmer und der Arbeitnehmer selbst gehören. Gerade am Gebot, Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten, wird deutlich, dass dessen Schutzzweck ist, alle Verkehrsteilnehmer vor Schäden an Leib, Leben und Eigentum zu bewahren. Ein eigenbetriebliches Interesse daran, gegen die Rechtsordnung zu verstoßen, kann in Anbetracht dieses Schutzzwecks nicht bestehen.
Nach Auffassung der Besprechungsteilnehmer sind vom Arbeitgeber übernommene Verwarnungs- und Bußgelder, die gegen seine Fahrer verhängt werden, beitragsrechtlich als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV zu behandeln. Eine Ausnahme stellen die vom Arbeitgeber übernommenen Verwarnungsgelder wegen Verletzung des Halteverbots dar, die dann nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören, wenn der Arbeitgeber das überwiegend eigenbetriebliche Interesse sowie die ausdrückliche Billigung des Fehlverhaltens seines Arbeitnehmers schriftlich dokumentiert, diesen Nachweis zu den Entgeltunterlagen nimmt und die Verletzung des Halteverbots mit einem Firmenfahrzeug begangen wurde.
Der Umstand, dass aufgrund der sehr weiten Auslegung der zu einem Sonderfall ergangenen oben genannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs durch die Finanzverwaltung, der die Sozialversicherung folgt, die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Halteverbotsverstößen als nicht steuer- und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen wird, rechtfertigt nach Ansicht der Besprechungsteilnehmer eine weitere Ausdehnung auf andere Sachverhalte nicht.