Die Einführung der vorläufigen zukunftsbezogenen Beitragsfestsetzung aus dem Arbeitseinkommen kraft Gesetzes als Regelverfahren lässt das durch den GKV-Spitzenverband in den BVSzGs geregelte Verfahren der unverhältnismäßigen Belastung in seinem Kern unberührt. Zwar sind beide Verfahren in ihrem Wesen als vorläufige Beitragsfestsetzung identisch, dennoch unterscheiden sie sich in der Frage der Nachweisführung. Während bei der Anwendung des § 240 Abs. 4a Satz 1 1. Halbsatz SGB V i. d. F. des HHVG die Beitragsfestsetzung auf Grundlage des letzten Einkommensteuerbescheides erfolgt, ist für die Geltendmachung der unverhältnismäßigen Belastung grundsätzlich ein Vorauszahlungsbescheid der Finanzverwaltung ausschlaggebend. Auf dieses Verfahren kann daher nicht verzichtet werden, weil es sich um das einzige rechtliche Instrument handelt, mit dem eine zeitnahe Berücksichtigung der wesentlichen Veränderungen in der Einkommenssituation eines Selbstständigen ermöglicht wird.
Maßgeblich für die Feststellung, ob die Voraussetzungen der unverhältnismäßigen Belastung vorliegen, bleibt unverändert ausschließlich die Reduzierung des aktuellen Arbeitseinkommens in einem bestimmten Umfang ("Reduzierung um mehr als ein Viertel"); dagegen bleibt eine mögliche Minderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Prüfung des Tatbestandes einer unverhältnismäßigen Belastung außer Betracht. Das bei der Konzeption dieser Regelung im Jahr 2009 ausschlaggebende Motiv – und zwar die Notwendigkeit, zeitnah auf die erhebliche Veränderung der aus der Erwerbstätigkeit resultierenden Einnahmesituation von Selbstständigen zu reagieren – wird durch die Veränderung der Rechtslage zum 1.1.2018 nicht tangiert.
Gleichwohl ergeben sich in der konkreten Handhabung des Verfahrens einige Veränderungen gegenüber dem aktuellen Recht. Wenn die Voraussetzungen der unverhältnismäßigen Belastung erfüllt sind, umfasst die vorläufige zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung für die Sachverhalte ab dem 1.1.2018 alle beitragspflichtigen Einnahmen des Betroffenen und nicht wie jetzt, ausschließlich das Arbeitseinkommen. Die für die Beitragsbemessung maßgebliche Höhe des Arbeitseinkommens und der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wird für beide Einnahmearten dem aktuellen Vorauszahlungsbescheid entnommen, für sonstige beitragspflichtigen Einnahmen sind bei Bedarf geeignete aktuelle Nachweise zu akzeptieren; die hierzu aktuell noch geltende Differenzierung entfällt demnächst. Die Regelungen über den Beginn des Verfahrens (= Beginn des auf die Antragstellung und Vorlage des Vorauszahlungsbescheides folgenden Monats) und dessen Ende (= grundsätzlich Ablauf des Monats der Ausfertigung des aktuellen Einkommensteuerbescheides, eine Verlängerung ist möglich) werden beibehalten.
Eine weitere Abweichung von den aktuell geltenden Abläufen ergibt sich im Rahmen der rückwirkenden endgültigen Beitragsfestsetzung für das Kalenderjahr, in dem die unverhältnismäßige Belastung geltend gemacht wurde. Künftig spielt es keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt im Laufe des Jahres dieses Verfahren angefangen hat. Das dem maßgeblichen Steuerbescheid für die Beitragsbemessung zu entnehmende (jährliche) Arbeitseinkommen ist mit dem gleichen monatlichen Wert allen Kalendermonaten zuzuordnen; die eventuellen Auswirkungen des Krankengeldbezuges bleiben unberührt (vgl. unterPunkt 7 der Niederschrift). Dies gilt für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend und für Einnahmen aus Kapitalvermögen sinngemäß.
Im Übrigen können die Mitglieder die Voraussetzungen der unverhältnismäßigen Belastung unabhängig davon geltend machen, ob für sie zuletzt das Verfahren der vorläufigen Beitragsfestsetzung nach § 240 Abs. 4a Sätze 1 bis 5 SGB V i. d. F. des HHVG oder das Verfahren der endgültigen Beitragsfestsetzung im Sinne des § 240 Abs. 4a Satz 6 SGB V i. d. F. des HHVG auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze (vgl. unter Punkt 9 der Niederschrift) maßgeblich war (vgl. Beispiel 2 in der Anlage).