hier: Auswirkungen im Versicherungs- und Beitragsrecht der Kranken- und Pflegeversicherung
Sachverhalt:
Am 29.3.2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (GBR) den Europäischen Rat von seiner Absicht, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten und leitete damit offiziell das Verfahren nach Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union ein. Danach würde die Mitgliedschaft des GBR in der EU am 30.3.2019, 00:00 Uhr (im Folgenden: Austritt) enden.
Mit dem Ende der Mitgliedschaft des GBR in der EU entfallen auch die Regelungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit nach den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004, (EG) Nr. 987/2009 sowie (EG) Nr. 859/2003 (in Verbindung mit der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71) als Rechtsgrundlage für die Koordinierung von britischen Leistungen bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie weiteren Leistungen der sozialen Sicherheit einerseits mit den entsprechenden Leistungen der verbleibenden EU-Mitgliedstaaten sowie der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz andererseits.
Zwar wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem GBR am 20.4.1960 ein Abkommen über Soziale Sicherheit abgeschlossen. Dieses findet derzeit nur in Bezug auf die Isle of Man, ansonsten jedoch keine Anwendung, da es durch den Vorrang der Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit überlagert wird. Ob das Abkommen wieder Geltung erlangt, ist rechtlich umstritten. Selbst im Falle eines Wiederauflebens wäre dieses Abkommen in seinem Anwendungsbereich jedoch nicht deckungsgleich mit den oben genannten Verordnungen: Unter anderem die Pflegeversicherung ist gänzlich nicht erfasst.
Um sozialversicherungsrechtliche Nachteile für Personen zu verhindern, die bis zum Austritt von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und für die die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des GBR zu irgendeinem Zeitpunkt galten oder die sich zum Austrittszeitpunkt im GBR dauerhaft oder vorübergehend aufhielten und dabei den Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unterfielen, sind für den Fall des Austritts ohne Austrittsabkommen entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zu Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (BrexitSozSichÜG) vorgelegt. Er ist am 31.1.2019 in den Deutschen Bundestag eingebracht (Bundestags-Drucks. 19/7376), im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales abschließend beraten (Bundestags-Drucks. 19/7960) und am 21.2.2019 in Zweiter und Dritter Lesung verabschiedet worden.
Mit dem Gesetz sollen Übergangsregelungen geschaffen werden, die den in besonderem Maße vom Austritt betroffenen Personen unter anderem in den Bereichen der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung eine den supranationalen Regelungen entsprechende Rechtssicherheit im Hinblick auf Versicherungsstatus, Ansprüche und Leistungen vermitteln. Für den Erwerb von Ansprüchen in der Kranken- und Pflegeversicherung von Personen, die bereits vor dem Austritt im Sinne der Verordnungen relevante Zeiten im GBR zurückgelegt haben, sollen diese vor dem Austritt zurückgelegten Zeiten auch nach dem Wegfall der Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in Bezug auf das GBR) berücksichtigt werden als ob das GBR weiterhin ein Mitgliedstaat der EU wäre. Zudem sollen Personen, die vor dem Austritt in der deutschen gesetzlichen Renten- oder Krankenversicherung oder der sozialen Pflegeversicherung versichert waren, nicht allein auf Grund des Austritts ihren Versicherungsstatus verlieren oder unfreiwillig einer Doppelversicherungspflicht unterliegen. Die Lücke in der Gesundheitsversorgung, die für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Austritt und die dadurch entfallende Sachleistungsaushilfe entsteht, soll durch eine Regelung zur Kostenerstattung (§ 13 BrexitSoz-SichÜG) geschlossen werden.
Parallel zum vorgenannten nationalen Gesetzgebungsverfahren hat die Europäische Kommission am 30.1.2019 Notfallmaßnahmen im Bereich der Koordinierung der sozialen Sicherheit vorgelegt (COM(2019) 53 final), die darauf abzielen, die Ansprüche der EUBürgerinnen und Bürger zu wahren, die vor dem Austrittsdatum ihr Recht auf Freizügigkeit wahrgenommen haben. Hierfür sollen Sachverhalte, Ereignisse sowie Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und Wohnzeiten berücksichtigt werden, die zurückgelegt wurden, als das GBR noch Mitglied der EU war. Bestimmte Grundsätze der Verordnungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit wie die Gleichstellung von Sachverhalten, die Zusammenrechnung von Zeiten und die Gleichbehandlung sollen insofern für die betroffenen Personen weiter gelten. Wenn die Verordnung zur Einführung von Not...