Familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme bei mitarbeitenden Angehörigen in einer Familien- GmbH ist nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – (USK 2012-145) grundsätzlich nicht (mehr) geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich nach dem Gesellschaftsrecht ergibt, gänzlich zu negieren. Insofern scheidet eine Selbstständigkeit, die sich aus den – im Einvernehmen mit den Familienangehörigen - gelebten Verhältnissen ergibt, mit Blick auf zwar bestehende, jedenfalls bis zu einem ungewissen Konfliktfall tatsächlich aber nicht ausgeübte Kontroll- oder Weisungsrechte aus. Damit liegt bei mitarbeitenden Angehörigen in einer Familien-GmbH grundsätzlich ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
Das BSG hatte zwar in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung – überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts – auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war. Ohne Geschäftsführerstellung hat der für das Versicherungs- und Beitragsrecht zuständige 12. Senat eine – nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene – selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist. Dabei ist jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt worden. Weitergehend hatte die Rechtsprechung allerdings bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf. weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, da dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt war sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten hat. Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des – nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten – Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten. Dabei ist er davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommt, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten.
Im eingangs genannten Urteil des BSG vom 29.08.2012 konnte der 12. Senat des BSG zwar offen lassen, ob er der vom 11. Senat formulierten Rechtsauffassung (ggf. modifiziert bzw. auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht folgt oder ob er der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse größere Bedeutung beimisst. Für letzteres spricht nach seiner Auffassung, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar.
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung schließen sich der vom 12. Senat des BSG im Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – (USK 2012-145) formulierten Rechtsauffassung an, wonach bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung die familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme bei mitarbeitenden Angehörigen in einer Familien-GmbH grundsätzlich nicht geeignet ist, die Rechtsmacht, wie sie sich nach dem Gesellschaftsrecht ergibt, gänzlich zu negieren. Auch außerhalb einer Familien-GmbH kann bei der Gesamtabwägung die sich aus dem GmbH-Gesellschaftsvertrag ergebende Rechtsmacht nicht durch "Fiktionen" beseitigt werden, die aus den tatsächlichen Umständen hergeleitet werden (z. B. vermeintlich faktisches freies Schalten und Walten). Die Anlage 3 des gemeinsamen Rundschreibens zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 13.04.2010...